Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.06.2011, Az. 1 StR 21/11

1. Strafsenat | REWIS RS 2011, 5832

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 21/11
vom
9.
Juni 2011
in der Strafsache
gegen

wegen
gewerbsmäßiger Steuerhehlerei u.a.

-
2
-
Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 9. Juni 2011 beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.]
Bochum vom 15.
Januar 2010 im Strafausspruch aufgehoben (§
349 Abs.
4 StPO), die weitergehende Revision wird als unbe-gründet verworfen (§
349 Abs.
2 StPO).
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Steuer-hehlerei in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Steuerhinterziehung, zu drei Jahren und drei Monaten Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Die mit der Behaup-tung einer Verletzung formellen und materiellen Rechts begründete Revision des Angeklagten hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg

349 Abs.
4 StPO), im Übrigen ist sie
unbegründet

349 Abs.
2 StPO).
1. Nach den Feststellungen des [X.] erhielt der Angeklagte in [X.] entsprechend vorab geführter Verhandlungen mit dem anderweitig Verfolgten P.

rhalb der [X.] über [X.] unversteuert und unverzollt nach [X.] eingeführt t-1
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ten. Am 24. April 2008 übernahm er 1.000 Stangen (zu je 200 Zigaretten), die er an P.

weitergab, und am 3. Juni 2008 weitere 7.000 Stangen, die er an unbekannt gebliebene Abnehmer gewinnbringend weiterveräußerte. Nach den Berechnungen der [X.] betrug die den Hehlereitaten des Angeklagten zugrunde liegende Verkürzung von Einfuhrabgaben (Zoll sowie [X.] Ver-brauchsteuer [Akzise] und Einfuhrumsatzsteuer) in der Republik [X.] 21.530,-
Euro bzw. 150.710,-
Euro und die nach dem Verbringen der Zigaretten in das Steuergebiet der Bundesrepublik [X.] durch Nichtanmeldung bei den Zollbehörden verkürzte [X.] Tabaksteuer 25.410,-
Euro bzw. 177.870,-
Euro.
2. Die Feststellungen tragen den Schuldspruch.
a) Der Angeklagte hat sich der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei (§
374 Abs.
1, Abs.
2 [X.]) schuldig gemacht.
Zutreffend weist allerdings die Revision darauf hin, dass Verbrauchsteu-ern [X.]. §
374 Abs.
1 [X.] nur inländische Steuern sind (§
374 Abs.
4 [X.] ver-weist nur auf §
370 Abs.
6 Satz
1 [X.]) und dass der Begriff der Einfuhrabgaben -
in §
374 Abs.
1 [X.] gleichermaßen wie in §
373 Abs.
1 [X.]
-
einen Einfuhrvor-gang voraussetzt. Einfuhr ist dabei nur das unmittelbare Verbringen von Ware aus einem Drittland in das Gebiet der [X.], nicht jedoch das Verbringen von Ware (außerhalb eines gemeinschaftlichen Zollverfahrens) von einem Mitgliedstaat in einen anderen (vgl. [X.], Beschluss vom 18.
Januar 2011 -
1 [X.], [X.], 191;
[X.] in [X.]/Gast/[X.], [X.], 7.
Aufl., §
370 Rn.
225 und §
373 Rn.
6 ff. sowie in [X.], [X.], 10.
Aufl., §
373 Rn.
25). Deshalb können
Verbrauchsteuern wie die in [X.] zu entrichtende Akzise überhaupt nur dann zu den Einfuhrabgaben [X.].
§
374 Abs.
1 [X.] zählen, wenn sie bei der unmittelbaren Einfuhr aus einem Drittland 3
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-
in das Gebiet der [X.] entstehen. Hierzu bedarf es in Fällen des [X.] -
will man die Verfolgung nicht gemäß § 154a StPO auf die vom [X.] hinterzogene Tabaksteuer beschränken
-
entsprechender Feststellungen.
Im vorliegenden Fall ist hinreichend belegt, dass die [X.] verbracht wurden ([X.]). Der [X.] kann dies schon dem Umstand ent-nehmen, dass es sich -
u.a.
-
um Zigaretten der Mar[X.] stützt sich überdies auf die Angaben f-lichen Erfahrung mit dem Sprach
n-dern der früheren [X.] über Osteuropa in die Bundesrepublik ge

werden ([X.]). Anhaltspunkte dafür, dass abweichend hierzu gerade die verfahrensgegenständlichen Zigaretten nicht in das Gebiet der [X.] eingeführt, sondern etwa innerhalb der [X.] hergestellt worden sein könnten, bestehen nicht. Solche Anhaltspunkte ergeben sich auch weder aus der Einlassung des Angeklagten noch aus dem Vortrag der [X.]. Eine Aufklärungsrüge mit dem Ziel, insoweit vom Urteil abweichende Fest-stellungen zu ermöglichen, hat der Angeklagte nicht erhoben.
b) Die Feststellungen belegen auch eine zugleich vom Angeklagten als Empfänger [X.]. §
19 [X.] (in der für den Tatzeitraum maßgeblichen [X.]) durch Unterlassen begangene Hinterziehung von Tabaksteuer (§
370 Abs.
1 Nr.
1 [X.]). Die Annahme von Tateinheit (statt Tatmehrheit, vgl. [X.], Beschluss vom 28.
August 2008 -
1 [X.], [X.], 470; [X.]/ [X.], [X.] 2009, 44 ff.) beschwert den Angeklagten nicht.
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3. Indes kann der Strafausspruch keinen Bestand haben, denn das [X.] hat den
straferschwerend berücksichtigten Umfang der vom Ange-klagten verschuldeten Auswirkungen der Tat (§
46 Abs.
2 StGB) nicht zutref-fend bestimmt.
a) Allerdings konnte die [X.] ohne Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten berücksichtigen, dass der von
diesem begangenen Steuerhehlerei mehrere Vortaten zugrunde lagen, nämlich nicht nur die Hinterziehung deut-scher Tabaksteuer, sondern auch die Hinterziehung von Einfuhrabgaben in [X.]
([X.], Urteil vom 2.
Februar 2010 -
1 [X.], [X.], 226). Das
Tatunrecht der nach §
374 [X.] strafbaren Steuerhehlerei besteht in der [X.] des von einem oder mehreren [X.]n geschaffenen steuer-rechtswidrigen Zustandes (vgl. [X.], Urteil
vom 7.
November 2007 -
5 [X.], [X.], 105; [X.] in [X.]/Gast/[X.], Steuerstrafrecht, 7.
Aufl., §
374 Rn.
2).
Die in [X.] verkürzten Abgaben sind auch nicht nach-träglich durch das Verbringen der Zigaretten nach [X.] entfallen.
Gleichwohl könnte es sich empfehlen -
worauf der [X.] bereits [X.] hat (vgl. [X.], Urteil vom 2.
Februar 2010 -
1 [X.], aaO; [X.],
Beschluss vom 29.
Juni 2010 -
1 [X.]/10)
-
in Fällen der vorliegenden Art die Strafverfolgung hinsichtlich der verkürzten Abgaben gemäß §§
154, 154a StPO auf den bei der Einfuhr
in einen anderen Mitgliedstaat hinterzogenen Zoll und (oder gar nur) auf die bei dem Verbringen in das [X.] Verbrauchsteu-ergebiet hinterzogene [X.] Tabaksteuer zu beschränken. Es bedarf dann auch nicht der sonst erforderlichen Feststellung und Anwendung der tabak-steuerrechtlichen Vorschriften anderer Mitgliedstaaten sowie der zuweilen schwierigen Berechnung und Darstellung der in anderen Mitgliedstaaten hinter-zogenen Tabaksteuer (vgl. insoweit [X.], Beschluss
vom 19.
April 2007 -
5
StR
549/06, [X.], 595; siehe auch [X.] NStZ 2008, 21, 24).
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6
-
b) Soweit das [X.] hier -
ohne Beschränkung der Verfolgung
-
bei der Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten den ganz erheblichen Steuer-
und Abgabenschaden berücksichtigt hat (UA S.
29), hätte es dem [X.] tragen müssen, dass in den durch die Vortaten verkürzten Ab-gaben sowohl [X.] Tabaksteuer als auch [X.] Akzise enthalten [X.], mithin in den tatbestandlichen Schuldumfang für dieselben Waren die zweifache Verkürzung von Verbrauchsteuern einfloss (vgl. [X.], Urteil vom 2.
Februar 2010 -
1 [X.], aaO; [X.], Beschluss vom 29.
Juni 2010 -
1
StR
294/10). Insoweit hätte die [X.] in den Blick nehmen müssen, dass das unionsrechtliche Verbrauchsteuersystem -
jedenfalls für den Fall normgemäßen Verhaltens
-
davon ausgeht, dass verbrauchsteuerpflichtige Wa-ren im Ergebnis grundsätzlich nicht mit den Verbrauchsteuern mehrerer Mit-gliedstaaten belastet sein sollen. Das Unionsrecht sieht deshalb grundsätzlich die Möglichkeit der Erstattung von in anderen Mitgliedstaaten entstandenen und auch erhobenen Verbrauchsteuern vor (vgl. Art. 7 Abs. 6 und Art. 22 Abs.
3
der Richtlinie Nr. 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allge-meine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuer-pflichtiger Waren [ABl. EG Nr. L 76/1

-o-wie Art. 33 Abs. 6 der Richtlinie 2008/118/[X.] vom 16.
Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der [X.] sowie die dortigen Erwägungsgründe Nr.
12, 30 und 31; ABl. [X.] 2009 Nr. L 9/12).

Daran fehlt es hier; vielmehr hat die [X.] die durch die Vortaten verkürzten Verbrauchsteuern wie von einander unabhängige [X.] nebeneinander aufgeführt. Angesichts der Höhe der [X.]n Verbrauch-steuern (die von der [X.] errechnete [X.] Akzise beträgt [X.] den Taten des Angeklagten zum Ausdruck kommenden kriminellen Energie 11
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nicht ausschließen, dass das [X.] bei rechtsfehlerfreier Strafzumessung zu milderen [X.] und zu einer geringeren [X.] gelangt wäre (vgl. demgegenüber [X.], Beschluss vom 29.
Juni 2010 -
1
StR
294/10). Er hebt daher den gesamten Strafausspruch auf und verweist die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurück.
c) Die vom [X.] rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen wer-den von dem [X.], der zur Aufhebung des Strafausspruchs führt, nicht berührt; sie können daher bestehen bleiben. Das neue Tatgericht kann zu den bisherigen nicht im Widerspruch stehende, ergänzende Feststellungen tref-fen. Es wird auch Gelegenheit haben, die beim Verbringen der Zigaretten von [X.] nach [X.] verkürzte Tabaksteuer neu zu berechnen. Wie in der Antragsschrift des [X.] zutreffend ausgeführt ist, hat das [X.] bei Berechnung der verkürzten Tabaksteuer nicht berücksichtigt, dass sich aus §
4 Abs.
1 Satz
2 [X.] in der zu den [X.] geltenden [X.] ein Mindeststeuersatz ergibt, der dann anzuwenden ist, wenn er höher
ist als der sich §
4 Abs.
1 Satz
1 [X.] ergebende Steuersatz.
4. Im Hinblick auf die [X.] sieht der [X.] davon ab, bereits im Revisionsverfahren zu prüfen, ob und ggf. in welchem Umfang die von der Revision geltend gemachte rechtsstaatswidrige [X.] zu kompensieren ist (vgl. [X.], Beschluss vom 17.
Januar 2008 -
GSSt 1/07, [X.]St
52, 124). Für die neue Hauptverhandlung weist der [X.] aber auf Folgendes hin: Die Antwort auf die Frage, ob das Verfahren ausreichend zügig geführt oder ob das sog. Beschleunigungsgebot verletzt worden ist, hängt von
den Umständen des Einzelfalls
ab (vgl. [X.] NJW 2003, 2897 mwN). Eine gewisse Untätigkeit während eines bestimmten Verfahrensabschnitts führt regelmäßig dann nicht zu einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung, 13
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wenn die angemessene Frist insgesamt nicht überschritten wird (vgl. [X.], Be-schluss
vom 11.
Januar 2007 -
3 [X.], [X.], 150 mwN). Hier ist zu berücksichtigen, dass das am 15.
Januar 2010 verkündete Urteil der [X.] erst am 26.
Juli 2010 zugestellt wurde und die Akten sodann erst [X.] des Jahres 2011
dem [X.] vorgelegt wurden. Hierin [X.] jeweils vom Angeklagten nicht zu vertretende, allein auf justizinternen Gründen beruhende Verfahrensverzögerungen. Bei deren Bewertung wird das neue Tatgericht in den Blick nehmen, dass sich aus §
347 StPO auch die Ver-pflichtung ergibt, die Akten so zügig
dem Revisionsgericht zur Entscheidung vorzulegen (vgl. [X.], Urteil
vom 9.
Dezember 1987 -
3
StR 104/87, [X.]St 35, 137; vgl. auch Nr. 167 RiStBV).
Nack

Wahl

[X.]

[X.]

Sander

Meta

1 StR 21/11

09.06.2011

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.06.2011, Az. 1 StR 21/11 (REWIS RS 2011, 5832)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5832

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