Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.12.2006, Az. X ZR 165/03

X. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 464

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/03 Verkündet am: 5. Dezember 2006 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.] : nein [X.]R : ja
[X.] § 307 Abs. 1 Bg Verwendet ein Luftfrachtführer, der eine Betriebsgenehmigung eines Mitglieds-staats der [X.] besitzt, in seinen Allgemeinen Beförde-rungsbedingungen folgende [X.]n "Im aufzugebenden Gepäck des Fluggastes dürfen zerbrechliche oder verderbliche Gegenstände, Computer oder sonstige elektroni-sche Geräte, Geld, Juwelen, Edelmetalle, Wertpapiere, Effekten und andere Wertsachen und ferner Geschäftspapiere und Muster nicht enthalten sein; der Luftfrachtführer darf die Beförderung als aufzugebendes Gepäck verweigern." "Der Luftfrachtführer haftet für Schäden an zerbrechlichen oder verderblichen Gegenständen (Computern oder sonstigen elektroni-schen Geräten), Schmuck, Silbersachen, Geld, Wertpapieren, Si-cherheiten oder anderen Wertsachen, Geschäftspapieren oder Mustern, Reisepässen oder Personalausweisen, welche im aufge-gebenen Gepäck des Fluggastes enthalten sind, gleichgültig, ob mit oder ohne Wissen des Luftfrachtführers, nur, wenn er diese grob - 2 - fahrlässig oder vorsätzlich verursacht hat; die Vorschriften des ([X.]) Abkommens bleiben unberührt." so werden die Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben auf unangemessene Weise benachteiligt. [X.], [X.]. v. 5. Dezember 2006 - [X.]/03 - [X.] - 3 - [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 10. Oktober 2006 durch den [X.] Scharen als Vorsitzenden, den [X.] [X.], die [X.]in [X.] und die [X.] [X.] und [X.] für Recht erkannt:
Auf die [X.] des [X.] und unter Zurückweisung der Revision der [X.] wird das am 11. April 2003 verkündete [X.]eil des 6. Zivilsenats des [X.] im [X.] aufgehoben und insoweit abgeändert, als in der Sache zum Nachteil des [X.] erkannt worden ist. Die Beklagte wird weiter verurteilt, es bei Meidung der im [X.] [X.]eil angedrohten Ordnungsmittel zu unterlassen, die folgende oder eine dieser inhaltsgleiche [X.] in Bezug auf Luft-beförderungsverträge zu verwenden, sofern nicht der Vertrag mit einer Person abgeschlossen wird, die in Ausführung ihrer gewerb-lichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt (Unterneh-mer): "Im aufzugebenden Gepäck des Fluggastes dürfen zerbrechli-che oder verderbliche Gegenstände, Computer oder sonstige elektronische Geräte, Geld, Juwelen, Edelmetalle, Wertpapie-re, Effekten und andere Wertsachen und ferner Geschäftspa-piere und Muster nicht enthalten sein; der Luftfrachtführer darf die Beförderung als aufzugebendes Gepäck verweigern." - 4 - Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand: Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der Verbraucherinteressen wahr-nimmt und in die Liste qualifizierter Einrichtungen gemäß §§ 4, 16 Abs. 4 [X.] eingetragen ist. Die Beklagte betreibt ein Luftfahrtunternehmen und verwendet in ihren Allgemeinen Beförderungsbedingungen die folgenden [X.]n: 1 Art. VIII Nr. 5 c (nachfolgend [X.] 1): 2 "Im aufzugebenden Gepäck des Fluggastes dürfen zerbrechliche oder verderbliche Gegenstände, Computer oder sonstige elektro-nische Geräte, Geld, Juwelen, Edelmetalle, Wertpapiere, Effekten und andere Wertsachen und ferner Geschäftspapiere und Muster nicht enthalten sein; der Luftfrachtführer darf die Beförderung als aufzugebendes Gepäck verweigern." - 5 - Art. XV Nr. 3 c (nachfolgend [X.] 2): 3 "Der Luftfrachtführer haftet für Schäden an zerbrechlichen oder verderblichen Gegenständen (Computern oder sonstigen elektro-nischen Geräten), Schmuck, Silbersachen, Geld, Wertpapieren, Sicherheiten oder anderen Wertsachen, Geschäftspapieren oder Mustern, Reisepässen oder Personalausweisen, welche im aufge-gebenen Gepäck des Fluggastes enthalten sind, gleichgültig, ob mit oder ohne Wissen des Luftfrachtführers, nur, wenn er diese grob fahrlässig oder vorsätzlich verursacht hat; die Vorschriften des [[X.]] Abkommens bleiben unberührt." Der Kläger begehrt die Unterlassung der Verwendung dieser [X.]n in den Allgemeinen Beförderungsbedingungen der [X.], da durch sie die Vertragspartner der [X.] unangemessen benachteiligt würden. 4 Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche [X.]eil teilweise abgeändert und die Beklagte unter [X.] im Übrigen zur Unterlassung der Verwendung der [X.] 2 verur-teilt. Mit der vom Berufungsgericht für die Beklagte zugelassenen Revision greift diese das angefochtene [X.]eil (veröffentlicht in [X.] 2003, 234 f.) an, so-weit zu ihrem Nachteil erkannt worden ist. Der Kläger ist der Revision entge-gengetreten und greift das Berufungsurteil im Wege der [X.] an, soweit zu seinem Nachteil erkannt worden ist. Die Beklagte ist der Anschluss-revision entgegengetreten. 5 - 6 - Entscheidungsgründe: 6 I. Revision und [X.] sind in zulässiger Weise eingelegt. Der Zulässigkeit der [X.] steht nicht entgegen, dass das Berufungsge-richt die Revision nur für die Beklagte zugelassen hat. Denn die [X.] ist auch dann statthaft, wenn die Revision für den [X.] nicht zugelassen worden ist, sofern mit der [X.] ein Anspruch zur Überprüfung gestellt wird, der mit dem Streitgegenstand der [X.] in unmittelbarem rechtlichem oder wirtschaftlichem Zusammenhang steht ([X.] 155, 189, 191 f.; [X.], [X.]. v. 30.9.2003 - [X.], [X.], 2286, 2287). Das ist hier der Fall, da die [X.] ebenso wie die Hauptrevision eine [X.] über den Gepäcktransport in den [X.] der beklagten Luftverkehrsgesellschaft betrifft. II. 1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, beide mit der Klage angegrif-fenen [X.]n seien nicht der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 [X.] entzogen. Für der Inhaltskontrolle entzogene Leistungsbeschreibungen [X.] nach der Rechtsprechung nur der enge Bereich derjenigen Leistungsbe-zeichnungen, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit des wesentlichen [X.] ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden könne. Zu diesem engen Bereich gehörten beide mit der Klage angegriffenen [X.]n nicht. Denn sie modifizierten lediglich die Hauptleistungspflicht der [X.] (Beförderung des Fluggastes und seines Gepäcks), so dass beide [X.]n nicht notwendig seien, um den wesentlichen Vertragsinhalt zu bestimmen. 7 2. Das lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen. 8 - 7 - [X.] steht weder - wie die Beklagte meint - die weltweite Verwendung der [X.] 2 durch fast alle Fluggesellschaften noch die Geneh-migung der [X.]n durch die zuständige Behörde entgegen, denn auch sol-che Beförderungsbedingungen unterliegen der Inhaltskontrolle auf der Grundla-ge der §§ 305 ff. [X.] (so schon zum AGB-Gesetz [X.] 86, 284, 288 f., 291; vgl. auch [X.]/[X.], [X.] Kommentar zum Luftverkehrsrecht, Stand Dezember 2004, § 44 [X.] [X.]. 46 m.w.[X.]). 9 Bei den [X.]n handelt es sich, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, nicht um Leistungsbeschreibungen, die Art und Güte sowie Um-fang der Hauptleistungspflicht der [X.] aus dem in der Regel als Werkver-trag zu qualifizierenden Beförderungsvertrag ([X.] 62, 71, 75; [X.]/ [X.], aaO, § 44 [X.] [X.]. 27 m.w.[X.]) unmittelbar festlegen und deshalb der Inhaltskontrolle entzogen wären. Die Beklagte schuldet aus dem Beförde-rungsvertrag den Transport des Passagiers und seines Gepäcks als Erfolg, wo-bei über die [X.] kein gesonderter Vertag geschlossen wird, sondern bei Vertragsschluss von den Vertragsparteien davon ausgegangen wird, dass der Fluggast Gepäck mitnimmt und dieses zusammen mit ihm [X.] wird (vgl. [X.]/[X.], aaO, § 44 [X.] [X.]. 27 m.w.[X.]). [X.] 1 modifiziert diese Leistungspflicht der [X.] und gestaltet sie näher dahin aus, dass im aufgegebenen Gepäck bestimmte Gegenstände nicht enthalten sein dürfen; [X.] 2 regelt Haftungsfragen. Beide [X.]n gehören damit nicht zu dem engen Bereich derjenigen [X.], ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen [X.] ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann ([X.], [X.]. v. 23.6.1993 - IV ZR 135/92, NJW 1993, 2369; [X.]. v. 30.11.1993 - XI ZR 80/93, NJW 1994, 318 jew. m.w.[X.]), und unterliegen daher der [X.] nach §§ 305 ff. [X.]. 10 - 8 - III. Die Revision der [X.] ist unbegründet. 11 12 1. Das Berufungsgericht hat [X.] 2 als unangemessene Benachteili-gung der Vertragspartner der Beklagen gewertet und dazu ausgeführt, diese Regelung weiche von den zwingenden Regeln des [X.] Abkommens 1955 (nachfolgend [X.]) und des Luftverkehrsgesetzes in der bis zum 28. Juni 2004 geltenden Fassung (nachfolgend [X.] a.F.) zum Nachteil der Passagie-re ab. Nach § 44 Abs. 1 Satz 2 [X.] a.F. hafte der Luftfrachtführer für [X.], die an Sachen entstehen, die der Fluggast an sich trage oder mit sich [X.]. Nach § 44 Abs. 2 Satz 1 [X.] a.F. hafte der Luftfrachtführer ferner für den Schaden, der an Frachtgütern und aufgegebenem Reisegepäck entstehe. Die Luftbeförderung umfasse nach § 44 Abs. 2 Satz 2 [X.] a.F. den [X.]raum, in dem sich die Güter oder das Reisegepäck auf einem Flughafen, an Bord eines Luftfahrzeugs oder sonst in der Obhut des Luftfrachtführers befänden. Diese Regelungen seien gemäß § 49 Abs. 1 [X.] a.F. durch im Voraus geschlos-sene Vereinbarungen nicht abdingbar. Die Vorschriften der §§ 44 ff. [X.] a.F. beinhalteten eine Verschuldenshaftung mit widerlegbarer Verschuldensvermu-tung. Von ihr weiche die in der [X.] 2 getroffene Regelung ab, indem sie die Haftung der [X.] generell für den Fall ausschließe, dass die Beklagte le-diglich leichte Fahrlässigkeit an der Entstehung des Schadens treffe. Diese [X.] bis 49 [X.] a.F. benachtei-lige den Fluggast unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 [X.]. 2. Diese Ausführungen greift die Revision im Ergebnis ohne Erfolg an. [X.] 2 hält der Inhaltskontrolle nicht stand. Ihre Unwirksamkeit ergibt sich, wie das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht angenommen hat, aus § 307 Abs. 1 [X.], weil die [X.] gegen zwingendes Recht verstößt und die [X.] der [X.] aus diesem Grunde unangemessen benachteiligt ([X.] 118, 194, 198; 152, 121, 133, jew. m.w.[X.]). 13 - 9 - 14 a) Es bedarf keiner Entscheidung, ob, wie das Berufungsgericht gemeint hat, die [X.] 2 von zwingenden Vorschriften des Luftverkehrsgesetzes in seiner früheren Fassung abweicht. Denn der Kläger macht mit der Klage aus-schließlich in die Zukunft gerichtete Unterlassungsansprüche geltend. Für diese ist das im [X.]punkt der Entscheidung über die Revision geltende Recht maß-geblich, so dass der rechtlichen Beurteilung das im Laufe des [X.] in [X.] getretene Recht zugrunde zu legen ist ([X.] 9, 101 f.; 141, 329, 336 - Tele-Info-CD m.w.[X.]). Für die [X.] ist am 28. Juni 2004 das Überein-kommen vom 28. Mai 1999 zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr ([X.], [X.]l. [X.], 458, nachfolgend [X.]) in [X.] getreten ([X.]l. [X.], 1371). Durch Hinterlegung der Ratifikationsurkunde seitens der [X.] ist das Abkommen auch für die [X.] in [X.] getreten (vgl. [X.]/[X.], aaO, [X.] Einl. [X.]. 35). Es enthält in den Art. 17, 22 und 26 Vorschriften über die Haftung des Luftfrachtführers für die Zerstörung, den Verlust oder die Beschädigung aufgegebenen und nicht aufgegebenen Reisegepäcks, so dass die genannten Vorschriften auf Beförderungsverträge der [X.] anzuwenden sind, die Flüge zwischen Mitgliedstaaten des [X.] betreffen. 15 Die Haftung von Luftfahrtunternehmen ist ferner Gegenstand der Rege-lungen der Verordnung ([X.]) Nr. 2027/97 des Rates vom 9. Oktober 1997 über die Haftung von Luftfahrtunternehmen bei Unfällen ([X.]. [X.] Nr. L 285, 1) in der Fassung der Änderung durch die Verordnung ([X.]) Nr. 889/2002 des [X.] und des Rates vom 13. Mai 2002 ([X.]. [X.] Nr. L 140, 2). Diese Verordnung ist für die [X.] mit dem Inkrafttreten des [X.] - 10 - Übereinkommens in [X.] getreten (Art. 2 VO/[X.] 889/2002). Der Geltungsbe-reich ihrer Vorschriften über die Haftung von Luftfahrtunternehmen bei der Be-förderung von Fluggästen und ihres Gepäcks im Luftverkehr ist auf Beförderun-gen im Luftverkehr innerhalb eines einzelnen Mitgliedstaates erstreckt (Art. 1 Abs. 2 VO/[X.] 889/2002) und es ist bestimmt worden, dass für die Haftung ei-nes Luftfahrtunternehmens der [X.] alle einschlägigen Bestimmungen des [X.] gelten (Art. 1 Abs. 4 VO/[X.] 889/2002). Bei der [X.] handelt es sich, wie die [X.] in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt hat, um ein Luft-fahrtunternehmen der [X.]. Schließlich ist das Luftverkehrsgesetz durch das Gesetz zur Harmonisie-rung des Haftungsrechts im Luftverkehr vom 6. April 2004 ([X.]l. [X.], 550) geändert worden; die Änderung ist am 28. Juni 2004 in [X.] getreten. § 44 [X.] bestimmt nunmehr, dass die Vorschriften des 2. Unterabschnitts des Luftverkehrsgesetzes (§§ 44 ff. [X.]) in der seit dem 28. Juni 2004 geltenden Fassung gegenüber den Regelungen in den in § 44 Nr. 1 bis 6 genannten Ab-kommen und Verordnungen nur subsidiäre Geltung haben. 17 Maßgebend für die Inhaltskontrolle der umstrittenen [X.]n sind daher nunmehr die Vorschriften des [X.]. 18 b) Nach Art. 17 Abs. 2 Satz 1 [X.] hat der Luftfrachtführer im Rahmen der [X.] nach Art. 22 Abs. 2 [X.] den Schaden zu ersetzen, der durch Zerstörung, Verlust oder Beschädigung von aufgegebenem Reisegepäck entsteht, jedoch nur, wenn das Ereignis, durch das die Zerstörung, der Verlust oder die Beschädigung verursacht wurde, an Bord des Luftfahrzeugs oder wäh-rend eines [X.]raums eingetreten ist, in dem sich das aufgegebene [X.] in der Obhut des Luftfrachtführers befand. Wie sich aus der Erwägung 7 19 - 11 - der Verordnung ([X.]) 889/2002 des [X.] und des Rates vom 13. Mai 2002 ergibt, mit der diese Regelung in das [X.]srecht übernommen worden ist (Art. 1 Nr. 4 der Verordnung), dient die Regelung der Verstärkung des Schutzes der Fluggäste und ihrer Angehörigen; sie ist daher eine Gefährdungshaftung (vgl. Littger/[X.], [X.] 2003, 563, 572) oder eine der Gefährdungshaftung angenäherte Erfolgshaftung ([X.]/[X.], aaO, § 44 [X.] [X.]. 4) und nicht mehr eine Haftung für vermutetes Verschulden wie nach Art. 20 [X.]. Sie unterscheidet sich von der Haftung des Luftfracht[X.]rs für nicht aufgegebenes Reisegepäck (sog. Handgepäck). Nach der Rege-lung des Art. 17 Abs. 2 Satz 3 [X.] haftet der Luftfrachtführer bei nicht aufgege-benem Reisegepäck einschließlich persönlicher Gegenstände nur dann, wenn der Schaden auf sein Verschulden oder das Verschulden seiner Leute zurück-zuführen ist. Im Unterschied zur Haftung für aufgegebenes Reisegepäck ist die Haftung für das sog. Handgepäck daher als Verschuldenshaftung ausgebildet. Die Haftung nach Art. 17 Abs. 2 Satz 1 [X.] ist zwingend. Eine Bestim-mung in Beförderungsverträgen, durch welche die Haftung des Luftfrachtführers ganz oder teilweise ausgeschlossen oder der in dem [X.] Übereinkom-men festgesetzte [X.] herabgesetzt werden soll, ist gemäß Art. 26 [X.] nichtig. 20 c) Die angegriffene [X.] bestimmt, dass die Beklagte für Schäden an bestimmten Gegenständen im aufgegebenen Reisegepäck nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit haften will, gleichgültig, ob diese Gegenstände mit oder ohne Wissen der [X.] im aufgegebenen Gepäck des Fluggastes enthalten sind. Das soll auch für schädigende Ereignisse gelten, die an Bord des [X.] oder während der [X.] eintreten, in der das aufgegebene Gepäck sich in der Obhut des Luftfrachtführers befindet. Diese Regelung bedingt die Haftung des Luftfrachtführers für aufgegebenes Reisegepäck nach der zwingenden [X.] - 12 - schrift des Art. 17 Abs. 2 Satz 1 [X.] für die in [X.] 2 genannten [X.] ab, indem an deren Stelle eine Haftung für Verschulden des Luftfracht[X.]rs in der Form von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit gesetzt wird. Dies wi-derspricht Art. 17 Abs. 2 [X.], da die Vorschrift das aufgegebene Reisegepäck erfasst und die in [X.] 2 genannten Gegenstände nicht von der verschul-densunabhängigen Haftung des Luftfrachtführers für die Zerstörung, den [X.] oder die Beschädigung an Bord des Luftfahrzeugs oder während der [X.], in der es sich in der Obhut des Luftfrachtführers befand, ausnimmt. Indem durch die [X.] 2 von den zwingenden Vorgaben des Art. 17 Abs. 2 Satz 1 [X.] abgewichen und eine im [X.] Übereinkommen nicht vorgesehene, der Verschuldenshaftung für nicht aufgegebenes Reisegepäck nachgebildete Haftung für Teile des aufgegebenen Reisegepäcks begründet werden soll, bewirkt diese [X.] eine unangemessene Benachteiligung der Vertragspartner der [X.] und ist mithin unwirksam (§ 307 Abs. 1 [X.]). Daher kommt es nicht darauf an, ob - wie die Revision meint - aus der Recht-sprechung des [X.] zur Obhutshaftung folgt, der Luftfrachtführer habe nur dann Obhut an den von ihm beförderten Gütern, wenn es sich um mit seinem Willen in seinem Einflussbereich befindliche Gegenstände handle, weil Gegenstand der Haftungsbeschränkung nach [X.] 2 lediglich Schäden an solchen Sachen seien, die gegen den Willen der [X.] in ihren Einflussbe-reich gelangt seien. Die Revision verkennt insoweit bereits, dass die [X.] die Haftung der [X.] auch für solche Gegenstände im aufgegebenen [X.] regelt, von denen die Beklagte Kenntnis hat und die sie daher mit ihrem Willen in ihre Obhut genommen hat. 22 IV. Die [X.] des [X.] ist begründet. 23 - 13 - 1. Hinsichtlich der [X.] 1 hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, diese Bestimmung benachteilige die Vertragspartner nicht unange-messen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 [X.], weil der Luftfrachtführer ein legitimes Interesse daran habe, dass zerbrechliche oder verderbliche, insbe-sondere aber wertvolle und nur schwer wiederzubeschaffende Gegenstände nicht in das aufzugebende Gepäck gelangten. 24 2. Diese Ausführungen greift die [X.] mit Erfolg an, da die [X.] 1 im Zusammenwirken mit [X.] 2 die Vertragspartner der [X.] entgegen dem Gebot von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 1 [X.]). 25 Bei der Entscheidung kann dahinstehen, ob [X.] 1 für sich betrachtet nicht beanstandet werden könnte, weil das Verbot des ersten Halbsatzes nur der Wahrnehmung des Zurückweisungsrechts des zweiten Halbsatzes dienen und ein berechtigtes Interesse der [X.] anzuerkennen sein könnte, aufzu-gebendes Reisegepäck von [X.] dann zurückzuweisen und nicht zu befördern, wenn dieses die in der [X.] genannten zerbrechlichen, ver-derblichen oder wertvollen Gegenstände enthält. Denn [X.] 1 beschränkt sich nicht darauf, der [X.] ein Recht zur Zurückweisung von Reisegepäck vorzubehalten, das den Beförderungsbedingungen widersprechende Gegens-tände enthält, sondern steht im Zusammenhang mit der [X.] 2, die die [X.] der [X.] für aufgegebenes Reisegepäck betrifft, das die in [X.] 1 genannten Gegenstände enthält und unabhängig davon gelten soll, ob der Flugpassagier diese Gegenstände bei der Aufgabe des Reisegepäcks dekla-riert. Indem [X.] 1 die Gegenstände benennt, die im aufzugebenden [X.] nicht enthalten sein dürfen, und [X.] 2 die Haftung der [X.] für aufgegebenes Reisegepäck unabhängig davon beschränken will, ob die [X.] von dem nach [X.] 1 ihr vorbehaltenen Recht Gebrauch gemacht hat, 26 - 14 - die Beförderung von Reisegepäck, das derartige Gegenstände enthält, zu ver-weigern, dient [X.] 1 der Durchsetzung der mit der [X.] 2 angestrebten Haftungsbeschränkung. 27 In der Rechtsprechung des [X.] ist anerkannt, dass die belastende Wirkung einer [X.], die für sich betrachtet noch hinnehmbar sein mag, durch eine oder mehrere andere Vertragsbestimmungen derart verstärkt werden kann, dass der Vertragspartner des Verwenders im Ergebnis unange-messen benachteiligt wird. Stehen zwei [X.]n in Wechselwirkung, von de-nen eine schon isoliert betrachtet eine unangemessene Benachteiligung der Vertragspartner des Verwenders enthält, während die andere für sich gesehen nicht zu beanstanden ist, kann sich die Unwirksamkeit auf beide [X.]n erstrecken ([X.], [X.]. v. 14.5.2003 - [X.], NJW 2003, 2234 m.w.[X.]; vgl. auch [X.]/[X.]/[X.], AGB-Recht, 10. Aufl., § 307 [X.]. 155). Eine solche Wechselwirkung weisen die [X.]n 1 und 2 auf, denn die Beklagte will auch dann nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit für Schäden am aufgege-benen Reisegepäck des [X.] haften, wenn sie Kenntnis davon hat, dass dieses Gegenstände enthält, die den Beförderungsbedingungen wider-sprechen, und sie das Gepäck gleichwohl bei der Aufgabe zur Beförderung ent-gegengenommen hat, statt es in Ausübung des in [X.] 1 vorbehaltenen Rechts zurückzuweisen. [X.] 1 stellt demzufolge zusammen mit [X.] 2 eine unangemessene Benachteiligung der Vertragspartner der [X.] dar und ist wegen ihres Zusammenwirkens mit [X.] 2 unwirksam. Im Falle eines derartigen Zusammenwirkens zweier [X.]n sind beide [X.]n unwirksam, weil es nicht Sache des Gerichts ist auszusuchen, welche der [X.]n [X.] bleiben soll ([X.] 127, 245, 253). Deshalb bedarf es auch keiner Ent-scheidung, ob [X.] 1 in Allgemeinen Beförderungsbedingungen, die [X.] 2 nicht enthalten, der Inhaltskontrolle standhalten würde. - 15 - Die Beklagte ist daher auf die [X.] dem auf [X.] 1 be-zogenen Unterlassungsbegehren entsprechend zu verurteilen. 28 29 V. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 91 ZPO. Scharen [X.] [X.]

[X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 04.09.2002 - 26 O 48/02 - [X.], Entscheidung vom 11.04.2003 - 6 [X.]/02 -

Meta

X ZR 165/03

05.12.2006

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.12.2006, Az. X ZR 165/03 (REWIS RS 2006, 464)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 464

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