Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.12.2015, Az. 4 StR 390/15

4. Strafsenat | REWIS RS 2015, 1491

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[X.]:[X.]:[X.]:2015:011215B4STR390.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 390/15

vom
1. Dezember
2015

[X.]St:
ja
[X.]R:
ja
Nachschlagewerk:
ja
Veröffentlichung:
ja

-

[X.] §§ 316c Abs. 1 Satz
1 Nr.
1, 320 Abs.
1, 49 Abs.
2

Die fakultative Strafmilderung wegen tätiger Reue nach §
320 Abs.
1 i.V.m. §
49 Abs.
2 [X.] kommt auch bei einer Verurteilung wegen Angriffs auf den Luft-
und Seeverkehr im Sinne der Vorschrift des §
316c Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 [X.] in Betracht, bei der Vollendung bereits mit Ausführung der Tathandlung eintritt.

[X.], Beschluss vom 1. Dezember 2015

4 StR 390/15

[X.] (Oder)

in der Strafsache
gegen

wegen Angriffs auf den Luftverkehr u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 1.
Dezember
2015
gemäß §
349 Abs.
2 und 4 [X.] beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] (Oder) vom 27.
März 2015 im [X.] aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten dieses
Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.]s zurückverwiesen.
2.
Die weiter gehende Revision des Angeklagten und die Revi-sion des [X.] werden verworfen.
3.
Der Nebenkläger hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:
Das [X.] hatte den Angeklagten im ersten Rechtsgang wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, [X.] und versuchtem [X.] mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Auf die Revision des [X.]
-
3
-
ten hatte der Senat dieses Urteil mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückver-wiesen.
Das [X.] hat den Angeklagten nunmehr wegen Angriffs auf den Luftverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheits-strafe von sieben Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschluss-formel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 [X.]. Die Revision des [X.], die mit der Sachrüge die unterbliebene Verurteilung des Angeklagten wegen eines [X.] beanstandet, bleibt insgesamt erfolglos.
A.
Zur Revision des Angeklagten:
I.
1.
Wie der [X.] in seiner Antragsschrift vom 27.
August 2015 zutreffend ausgeführt hat, greift die vom Angeklagten erhobene Verfah-rensrüge nicht durch.
2.
Zum Schuldspruch hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Sachrüge einen den Angeklagten [X.] Rechtsfehler nicht ergeben.
Insbesondere war der Angeklagte im vorliegenden Fall als Flug-schüler nicht der verantwortliche Luftfahrzeugführer
und
deshalb auch taug-2
3
4
5
-
4
-
licher Täter eines Angriffs auf den Luftverkehr im Sinne des §
316c Abs.
1 [X.] (vgl. dazu [X.], [X.], 63.
Aufl., §
316c Rn.
10). Denn gemäß §
4 Abs.
4 LuftVG gilt während der Durchführung eines
Übungs-
und Prüfungsflugs
in Be-gleitung von Fluglehrern dieser, hier also der Nebenkläger,
als der verantwort-liche Luftfahrzeugführer. Darauf, dass der Nebenkläger nach den [X.] die Führung des Flugzeugs vorübergehend auch tatsächlich übernommen hatte, als der Angeklagte mit der Tatausführung begann, kommt es nicht an.
II.
Jedoch hält der Strafausspruch rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1.
Das [X.] hat insoweit folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
a)
Der Angeklagte fasste im Rahmen einer in der Flugschule des [X.] begonnenen Ausbildung zum Erwerb der Privatpiloten-Lizenz den Ent-schluss, den 73
Jahre alten, ihm an Statur und Gewicht unterlegenen Neben-kläger bei Gelegenheit
einer Flugstunde durch Schläge mit [X.] auf den Kopf außer Gefecht zu setzen und dadurch die Kontrolle über das Flugzeug zu erlangen.
Am Nachmittag des 21.
Juni 2013 befanden sich der Angeklagte und der Nebenkläger in einem viersitzigen, einmotorigen Motorflugzeug vom Typ Cessna
C
172
N, das auf der linken und der rechten Seite des Cockpits mit einem [X.] ausgerüstet ist, auf einem Ausbildungsflug in etwa 1.500
Me-tern Höhe. Als der Nebenkläger auf Bitten des Angeklagten die Steuerung der Maschine für einen kurzen Augenblick übernommen hatte und durch einen Blick aus dem rechten Seitenfenster abgelenkt war, schlug ihn der Angeklagte mit einem mitgebrachten, etwa ein Kilogramm schweren [X.] dreimal ge-6
7
8
-
5
-
zielt auf die linke Kopfseite, um ihn handlungsunfähig zu machen. Entgegen der Erwartung des Angeklagten behielt der Nebenkläger, nach den Schlägen aus mehreren Kopfwunden stark blutend, die Kontrolle über das Flugzeug. Erst als der Angeklagte den Kopf des [X.] mit nach innen gedrehten Handflä-chen umfasste und seine Daumen in dessen Augen zu drücken begann, ließ dieser das [X.], um sich gegen den
Angriff
zur Wehr zu setzen. [X.] des
sich anschließenden Ringens im Cockpit
ging das Flugzeug [X.] in den Sturzflug über, weil der Angeklagte das [X.] vor seinem Sitz
durch seine Körperbewegungen

nicht ausschließbar unwillkürlich

nach vorn drückte. Die Maschine stabilisierte sich zwar vorübergehend immer wieder, nä-herte sich indes mehr und mehr dem Boden. Der Angeklagte bemerkte dies und nahm spätestens jetzt den Tod des [X.] bei einem von ihm infolge des Kampfes als möglich erkannten Absturz des Flugzeugs billigend in Kauf. Um den Absturz zu verhindern, zog der Nebenkläger jedoch am [X.] und fing die Maschine kurz vor Erreichen des Bodens in einer Höhe von etwa 20
Metern ab. Von diesem Moment an bis zum Ende der kurz darauf folgenden Notlandung blieb der Angeklagte
untätig in seinem Sitz. Das [X.] hat nicht ausschließen können, dass er in diesem Handlungsabschnitt davon aus-ging, den Nebenkläger mit den vorhandenen Mitteln noch ohne Weiteres über-wältigen und einen tödlichen Absturz des Flugzeugs herbeiführen zu können, dass er jedoch aus autonomen Motiven von weiteren Handlungen Abstand nahm. Dem Nebenkläger gelang eine Notlandung auf einem Feld, wo
sich die Maschine bei verhältnismäßig geringer Geschwindigkeit überschlug und

mit
Totalverlust bei einem Zeitwert von 40.000

auf dem Dach zu liegen kam. Der Nebenkläger erlitt u.a. zahlreiche Hautverletzungen und Blutergüsse.
b)
Der zum Zeitpunkt der Tat strafrechtlich voll verantwortliche [X.] habe die Handlungsfähigkeit des [X.] beseitigen und die Herrschaft 9
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6
-
über das Flugzeug erlangen wollen, um dieses zum Absturz zu bringen oder es an ein von ihm in Aussicht genommenes Ziel zu steuern. Dadurch habe er
sich der gefährlichen Körperverletzung im Sinne des §
224 Abs.
1 Nr.
2 und 3 [X.] sowie des Angriffs auf den Luftverkehr gemäß §
316c Abs.
1 Satz
1 Nr.
1a)
[X.] strafbar gemacht. Von einem versuchten Tötungsdelikt zum
Nachteil des [X.] sei er gemäß §
24 Abs.
1 Satz
1 1.
Var.
[X.] strafbefreiend [X.], da der Versuch nicht fehlgeschlagen sei und
er

nicht aus-schließbar

aus autonomen Motiven trotz aus seiner Sicht noch fortbestehen-der Möglichkeiten
zur
Herbeiführung der Handlungsunfähigkeit des Nebenklä-gers
die weitere Ausführung der Tat aufgegeben habe.
c)
Das [X.] hat die Strafe dem
Strafrahmen
des
§
316c Abs.
1 [X.] entnommen; das Vorliegen der Voraussetzungen eines minder
schweren Falles im Sinne des §
316c Abs.
2 [X.] hat es verneint.
2.
Der Strafausspruch kann nicht bestehen bleiben, weil es das [X.] unterlassen hat, die Strafmilderungsmöglichkeit
wegen tätiger Reue im Sinne von §
320 Abs.
1 [X.]
zu erörtern. Nach dieser Vor-schrift
kann das Gericht die Strafe in den Fällen des §
316c Abs.
1 [X.] nach seinem Ermessen mildern (§
49 Abs.
2 [X.]), wenn der Täter freiwillig die wei-tere Ausführung der Tat aufgibt oder sonst den Erfolg abwendet.
a)
Nach den Urteilsfeststellungen sind die Voraussetzungen tätiger Reue im Sinne von §
320 Abs.
1 [X.] im vorliegenden Fall erfüllt, der Anwendungs-bereich des §
49 Abs.
2 [X.] ist also grundsätzlich eröffnet.
Das [X.] hat zu Gunsten des Angeklagten angenommen, dieser sei trotz fortbestehender Möglichkeiten zur Herbeiführung der Handlungsunfä-10
11
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13
-
7
-
higkeit des [X.] aus autonomen Motiven untätig geblieben, nachdem es diesem gelungen war, das abstürzende Flugzeug in einer Höhe von etwa 20
Metern abzufangen. Die dazu
getroffenen Feststellungen ergeben, ebenfalls in Anwendung des [X.], dass er durch diese
Untätigkeit auch
die weitere Ausführung des Angriffs auf den Luftverkehr
freiwillig aufgegeben
und damit die
Anforderungen an tätige Reue im Sinne von
§
320 Abs.
1 [X.] erfüllt
hat.
b)
Der Senat bejaht die im Schrifttum kontrovers behandelte
Frage,
ob
die Strafmilderungsmöglichkeit nach §
320 Abs.
1 [X.] i.V.m. §
49 Abs.
2 [X.] auch in dem hier vorliegenden
Fall einer Verurteilung nach §
316c Abs.
1
Satz
1
Nr.
1 [X.] eröffnet ist und daher vom Tatrichter hätte geprüft werden müssen.
aa)
Beim Angriff auf den Luft-
und Seeverkehr in der Tatvariante des §
316c Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 [X.] handelt es sich

auch nach nahezu einhelliger Auffassung in der Literatur (vgl. [X.]/[X.], 12.
Aufl., §
316c Rn.
50; [X.]/[X.], 2.
Aufl., §
316c Rn.
14; [X.]/Sternberg-Lieben/
[X.], [X.], 29.
Aufl., §
316c Rn.
34; [X.], [X.], 63.
Aufl., §
316c
Rn.
8 [unechtes [X.]]; MüKo[X.]/[X.], 2.
Aufl., §
316c Rn.
48; NK-[X.]/[X.], 4.
Aufl., §
316c Rn.
31)

um ein schlichtes Tätig-keitsdelikt. Vollendung tritt danach
bereits mit Ausführung der Tathandlung ein, h-rung ein

beschreibt lediglich ein Handlungsziel im Sinne einer über-schießenden Innentendenz, aber keinen tatbestandsmäßigen Erfolg
([X.]/
[X.], 12.
Aufl., §
320 Rn.
2).
Welche Folgerungen sich aus dieser Tatbestands-struktur für die Anwendbarkeit des §
320 Abs.
1 [X.] auf den [X.] im Sinne von §
316c Abs.
1
Satz
1
Nr.
1 [X.] ergeben, wird im 14
15
-
8
-
Schrifttum jedoch nicht einhellig beantwortet. So wird einerseits die Ansicht ver-treten, eine Strafmilderungsmöglichkeit wegen tätiger Reue sei in Fällen des §
316c Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 [X.] schon seinem Wortlaut nach nicht gegeben, weil die Vorschrift als schlichtes Tätigkeitsdelikt keinen Erfolg voraussetze, der abgewendet werden könne (Sternberg-Lieben/[X.] aaO; ebenso [X.] aaO, Rn.
19). Es komme allenfalls eine analoge Anwendung der Vorschrift in Betracht, wenn der Täter die Verwirklichung seiner Ziele verhindere oder sich darum bemühe (Sternberg-Lieben/[X.] aaO; ähnlich [X.] aaO; AnwK-[X.]/[X.], §
316c Rn.
32). Die [X.] hält diese Vorschrift in sämtlichen Fällen des §
316c Abs.
1 [X.] für anwendbar und insbesondere eine Ausnahme für den Fall des §
316c Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 [X.] unter [X.] auf den Wortlaut der Bestimmung für nicht geboten ([X.] aaO, Rn.
17; [X.] in [X.]/[X.], [X.], §
320 Rn.
3; [X.] aaO, Rn.
31; wohl einschränkend [X.] aaO, Rn.
62).
Die Gesetzesfassung (

)
zeige, dass auch ein bloßes [X.] der tatbestandsmäßigen Handlung die Möglichkeit der Strafmilderung eröffnen solle; eine Erfolgsabwendung müsse anders als bei §
316a Abs.
2 [X.] aF zur Aufgabe der weiteren Tatausführung nicht hinzutreten ([X.] aaO).
bb)
Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an.
(1)
Dem Wortlaut von §
320 Abs.
1 [X.], der ohne Einschränkung auf §
316c Abs.
1 [X.]

316c Abs.

Einschränkung auf eine einzelne Tatvariante, etwa auf §
316c Abs.
1 Nr.
2 2.
Var. [X.] nicht entnommen werden (so aber ausdr. [X.] und Sternberg-Lieben/[X.], jeweils aaO). Es kommt hinzu, dass der Anwendungsbereich des §
320 Abs.
1 [X.] nicht nur eröffnet wird, wenn

16
17
-
9
-

sind damit die Tathandlungen
des in §
316c Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 [X.] geregelten
bloßen
Tätigkeitsdelikts
vom
An-wendungsbereich der Vorschrift nicht ausgenommen.
(2)
Auch aus der Entstehungsgeschichte der §§
316c, 320 [X.]
und dem in ihr zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Willen
ergibt sich kein Anhalt
für eine einschränkende Auslegung dahin, dass in Fällen des §
316c Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 [X.] die Anwendbarkeit der Strafmilderungsmöglichkeit wegen tätiger Reue ausgeschlossen sein soll. Das Gegenteil ist der Fall.
(a)
§
316c [X.] geht auf den Gesetzentwurf des Bundesrates
für ein Elf-tes Strafrechtsänderungsgesetz zurück (BT-Drucks. VI/1478) und stellte eine gesetzgeberische Reaktion auf die zunehmende Zahl von Flugzeugentführun-gen und anderen Angriffen auf den Luftverkehr dar. In der ursprünglichen [X.] orientierte sich die Vorschrift an der damaligen Fassung von §
316a [X.] und war daher insgesamt als [X.] ausgestaltet (vgl. dazu MüKo[X.]/[X.], 2.
Aufl., §
316c Rn.
4
ff.; [X.]/[X.], 12.
Aufl., §
316c, Entstehungsgeschichte
I; zur Gesetzgebungsgeschichte des §
316a MüKoStVR/[X.], §
316a, Rn.
2; zum Rücktritt bei §
316a Abs.
1 [X.] aF
vgl. [X.], Urteil vom 26.
Juni 1957

2
StR
242/57, [X.]St 10, 320, 322). Als Aus-gleich für die weit vorverlagerte Strafbarkeit sah §
316c Abs.
4 [X.] in
der da-maligen Fassung eine (uneingeschränkte) Verweisung auf die damals geltende Vorschrift des Allgemeinen Teils des [X.] zur tätigen Reue (§
83a [X.] aF) vor.
(b)
Der Sonderausschuss
des Deutschen Bundestages für die Straf-rechtsreform empfahl nach seinen Beratungen über diesen Entwurf, §
316c Abs.
1 Nr.
1 [X.] nicht als [X.] zu fassen, um dem Täter die 18
19
20
-
10
-
Möglichkeit eines strafbefreienden Rücktritts im Interesse des Schutzes über-geordneter Rechtsgüter nicht zu versperren (BT-Drucks.
VI/2721, S.
3). Die Möglichkeit, über tätige Reue eine Strafmilderung zu bewirken, sollte für alle Tatmodalitäten des §
316c Abs.
1 [X.] nach dem ausdrücklichen Willen des Sonderausschusses dadurch aber nicht ausgeschlossen oder beschnitten wer-den. Der Ausschuss schlug lediglich vor, die Verweisung auf §
83a [X.]
aF durch eine §
316a Abs.
2 [X.] aF nachgebildete eigene Bestimmung über Strafmilderung bei tätiger Reue zu ersetzen. Auch diese Vorschrift sollte alle Tatvarianten des §
316c Abs.
1 [X.] erfassen, ein (vollständiges) Absehen von Strafe sollte indes nur in den Fällen des Absatzes
1 Nr.
2 und des Absatzes
3 des §
316c
[X.]
möglich sein (BT-Drucks.
VI/2721, S.
4).
(c)
§
316c [X.] ist dann in der vom Sonderausschuss für die Straf-rechtsreform vorgeschlagenen Fassung in [X.] getreten
([X.] vom 16.
Dezember 1971, BGBl.
I S.
1977). Die Änderungen durch das 6.
StrRG vom 26.
Januar 1998 (BGBl.
I S.
164) waren lediglich re-daktioneller Natur und überführten
die Regelung zur tätigen Reue in den heute geltenden §
320 [X.].
3.
Auch eine Orientierung an Sinn und Zweck der Norm unter maßgeb-licher Berücksichtigung der soeben dargelegten, im Gesetzgebungsverfahren deutlich gewordenen Zielrichtung spricht für eine Anwendbarkeit des §
320 Abs.
1 [X.] auf alle Tatmodalitäten des §
316c Abs.
1 [X.].
Wie bereits ausgeführt, ist der Tatbestand des §
316c Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 [X.] als schlichtes Tätigkeitsdelikt bereits dann vollendet, wenn der Täter mit der Ausführung einer der im Tatbestand näher umschriebenen Handlungen be-ginnt, insbesondere
mit der Anwendung von Gewalt. Als Ausgleich für die 21
22
23
-
11
-
dadurch bewirkte erhebliche Vorverlagerung des [X.], von dem an auch ein Rücktritt nach §
24 [X.] ausgeschlossen ist, stellt die Mög-lichkeit tätiger Reue einen gewichtigen Anreiz für den Täter dar, sich durch [X.] eine Strafmilderung zu verdienen
und dient darüber hinaus dem Opferschutz (so auch Bericht des Sonderausschusses für die Straf-rechtsreform, BT-Drucks.
VI/2721, S.
4; zur Bedeutung tätiger Reue für den Opferschutz
vgl. [X.]/Schluckebier, 2.
Aufl., §
239a Rn.
19).
III.
1.
Danach wird der neue Tatrichter entscheiden müssen, ob er von der Strafmilderungsmöglichkeit des §
320 Abs.
1 [X.] Gebrauch macht. Er hat diese Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung aller maßgebenden Umstände
zu treffen
und im Urteil revisionsgerichtlich nachprüfbar darzulegen (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 15.
Juli 1987

2
StR 317/87, [X.]R [X.] §
49 Abs.
2 Ermessen
1 mwN). Bei seinen Erwägungen wird er der
nach den Feststellungen weit fortgeschrittenen Tatausführung be-sonderes Gewicht beimessen dürfen.
2.
Durch den bloßen Wertungsfehler des [X.]s werden die zum Strafausspruch rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen nicht berührt. Der Senat erhält
sie daher aufrecht. Der neue Tatrichter kann ergänzende Feststel-lungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen.
24
25
-
12
-
IV.
Da das Rechtsmittel des Angeklagten zur Aufhebung und Zurückverwei-sung der Sache an das [X.] führt, ist dessen sofortige
Beschwerde ge-gen die Kosten-
und Auslagenentscheidung des angefochtenen Urteils gegen-standslos ([X.]/[X.], [X.], 58.
Aufl., §
464 Rn.
20).
Der General-bundesanwalt weist zutreffend darauf hin, dass der Angeklagte mit seiner [X.] Revision einen
Teilerfolg erzielt hat und dies bei der Verteilung der Kosten und Auslagen gemäß §
473 Abs.
4 [X.] zu berücksichtigen ist. [X.] würde im Fall eines weiteren (endgültigen) Erfolges des zweiten Rechtsmit-tels
gelten.
B.
Zur Revision des [X.]:
Die Revision des [X.], die eine Verurteilung des Angeklagten wegen eines versuchten Tötungsdelikts erstrebt, bleibt erfolglos.
Die Erwägungen, mit denen das [X.] unter Anwendung des Zwei-felssatzes angenommen hat, der Angeklagte sei von einem unbeendeten Tö-tungsversuch zum Nachteil des [X.] strafbefreiend zurückgetreten,

26
27
28
29
-
13
-
halten rechtlicher Nachprüfung stand. Insoweit nimmt der Senat auf die zutref-fenden Ausführungen in der Antragsschrift des [X.]s vom 27.
August 2015 Bezug.
Sost-Scheible
Cierniak
[X.]

Bender
Quentin

Meta

4 StR 390/15

01.12.2015

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.12.2015, Az. 4 StR 390/15 (REWIS RS 2015, 1491)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 1491

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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