Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.09.2014, Az. 4 StR 367/14

4. Strafsenat | REWIS RS 2014, 3080

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 367/14

vom
9. September
2014
in der Strafsache
gegen

wegen versuchten Mordes u.a.

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2
-
Der 4.
Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung
des Beschwerdeführers am 9.
September
2014
gemäß §
349 Abs.
4 StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] (Oder) vom 27.
Februar 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.
2.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des [X.] zu-rückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in [X.], [X.] und ver-suchtem [X.] mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Die gegen diese Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten hat in vollem Umfang Erfolg.
1
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3
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I.
Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1.
Der Angeklagte fasste im Juni 2013 den Entschluss, sich während
einer Flugstunde mit dem Nebenkläger, bei dessen Flugschule er sich zur Pilo-tenausbildung angemeldet hatte, durch einen herbeigeführten Flugzeugabsturz zu töten und dabei den Anschein eines Flugunfalls zu erwecken. Am [X.] des 21.
Juni 2013 befanden sich der Angeklagte und der Nebenkläger wäh-rend
der zweiten Ausbildungsstunde in einem viersitzigen, einmotorigen Motor-essna C
172

, das auf der linken und auf der rechten [X.] mit einem [X.] ausgerüstet ist, in etwa 900
m Höhe. Der Angeklagte führte ohne Wissen des [X.] einen etwa 1.100
g schwe-ren Amethyst
mit sich, den er zuvor aus der Mineraliensammlung eines Be-kannten entwendet hatte, ferner
ein 21
cm langes Küchenmesser.
Er beabsich-tigte, den Nebenkläger
während des Fluges durch Schläge mit dem Amethyst tätlich anzugreifen und mindestens handlungsunfähig zu machen, um sich durch den Absturz der dann führerlosen Maschine selbst zu töten. Er ging da-von aus, dass auch der Nebenkläger dabei sterben würde, was ihm gleichgültig war, da es ihm darauf ankam, seinen Selbstmord als aufsehenerregenden Flugunfall zu inszenieren. Nachdem der Nebenkläger dem Wunsch des Ange-klagten entsprochen hatte, auf eine Höhe von etwa 1.500
m zu steigen, über-nahm er
in der Annahme, der Angeklagte wolle aus seiner Wasserflasche trin-ken, alleine das Steuer. Als
der Nebenkläger, der neben dem Angeklagten auf dem rechten Vordersitz der Maschine saß, für einen Augenblick durch das rech-te Seitenfenster
aus dem Flugzeug schaute, nutzte der Angeklagte
die Gele-genheit, um unbemerkt den Amethyst aus seiner Tasche zu nehmen. Mit [X.] schlug er
sodann unvermittelt mindestens dreimal
auf die linke [X.] 2
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des [X.]. Als der Angeklagte bemerkte, dass die Schläge mit [X.] nicht zur Besinnungslosigkeit des [X.] geführt hatten, umklam-merte er mit beiden Händen dessen Kopf und fuhr mit seinen Daumen in [X.] Augenhöhlen hinein, um die Augen einzudrücken. Der Nebenkläger schob und drückte den Angeklagten mit beiden Händen von sich weg, wobei er die Steuerung loslassen musste. Das Flugzeug ging daraufhin in einen Sturzflug über. Der Angeklagte bemerkte dies und drückte
sein [X.]
nach vorne, um so den Sturzflug noch zu beschleunigen. Nachdem es dem Nebenkläger nicht gelungen war, einen Notruf abzusetzen, ergriff er während des rasanten Sturzfluges erneut das [X.]. Es gelang ihm auf Grund seiner langjähri-gen Flugerfahrung, die Kontrolle über das Flugzeug wiederzuerlangen; kurz vor einem Aufschlag auf den Boden konnte er die Maschine nach oben ziehen und so den Absturz verhindern. Der Angeklagte saß während dieses Vorgangs schweigend neben ihm. Bei der darauffolgenden
Notlandung brach das Bugrad der Maschine, woraufhin sich das Flugzeug bei einer Geschwindigkeit von etwa 90
km/h überschlug und auf dem Dach liegend zum Stehen kam.
Der [X.] erlitt u.a. zahlreiche Hautabschürfungen und Blutergüsse; er war drei Wochen lang nicht flugtauglich.
2.
Das [X.] hat angenommen, der Angeklagte habe den [X.] heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen zu töten versucht. Die Tathandlung erfülle
ferner neben einer gefährlichen Körperverletzung auch den Tatbestand des Angriffs auf den Luftverkehr in Tateinheit mit versuchtem [X.] mit Todesfolge. Vom Mordversuch sowie vom Versuch, durch den [X.] den Tod des [X.] zu verursa-chen, sei der Angeklagte auch nicht
strafbefreiend zurückgetreten; der Versuch sei fehlgeschlagen. Die Tathandlung, also die mindestens dreimaligen Schläge auf den Kopf des [X.], seien aus Sicht des Angeklagten objektiv er-4
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5
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folglos gewesen, da der Nebenkläger dadurch nicht bewusstlos geworden sei und auch die Kontrolle über das Flugzeug nicht verloren habe. Auch habe der Angeklagte die Maschine nicht, wie beabsichtigt, durch Betätigung der [X.] zum Absturz bringen können, da der Nebenkläger das Flugzeug letztlich wieder habe hochreißen und eine Notlandung durchführen können.
II.
Die Annahme des [X.], der Angeklagte habe schon deshalb nicht strafbefreiend vom Versuch zurücktreten können, weil dieser fehlgeschla-gen sei, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
1.
Ein
fehlgeschlagener Versuch liegt vor, wenn die Tat nach [X.] des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder nahe-liegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt, oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält, wo-bei es auf die [X.]icht nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an-kommt. Erkennt der Täter zu diesem Zeitpunkt oder hat er eine entsprechende subjektive Vorstellung dahin, dass es zur Herbeiführung des Erfolges eines er-neuten Ansetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs, liegt
ein Fehlschlag vor (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 25.
November 2004

4
StR
326/04, [X.], 263, 264; Urteil vom 8.
Februar 2007

3
StR
470/06, [X.], 399).
Nimmt der Täter

wie im vorliegenden Fall

im Rahmen eines mehraktigen Geschehens verschiedene Handlungen vor (hier Schläge mit [X.], dann Eindrücken der Augenhöhlen und anschließend Betätigen des Steuers zur Be-schleunigung des [X.]), steht der Fehlschlag eines oder mehrerer der anfänglichen Einzelakte nicht notwendig und von vornherein einem Rücktritt 5
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6
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vom Versuch entgegen. Sind diese Einzelakte untereinander sowie mit der letz-ten Tathandlung Teile eines durch die subjektive Zielsetzung des [X.], örtlich und zeitlich einheitlichen Geschehens, so beurteilen sich die Fragen, ob der Versuch fehlgeschlagen ist oder ob der strafbefreiende Rücktritt andernfalls allein schon durch das Unterlassen weiterer Tathandlungen (unbe-endeter Versuch) oder durch Verhinderung der Tatvollendung (beendeter [X.]) erreicht werden kann, ebenfalls allein nach der subjektiven Sicht des
[X.] nach Abschluss seiner letzten Ausführungshandlung ([X.], Urteil vom 8.
Februar 2007

3
StR
470/06, [X.], 399, Rn.
3).
Hält der Täter nach der letzten Ausführungshandlung den Eintritt des [X.] Erfolgs zwar zunächst für möglich, erkennt er aber unmittelbar [X.], dass
er sich geirrt hat, so erlangt die an der wahrgenommenen Wirklichkeit der Folge, dass der Täter, dessen Handlungsmöglichkeiten unverändert fortbe-stehen, durch Abstandnahme von weiteren Ausführungshandlungen mit strafbe-freiender Wirkung zurücktreten kann (sog. Korrektur des [X.], [X.], Urteil vom 19.
Juli 1989

2
StR
270/89, [X.]St 36, 224; Senatsbe-schluss vom 5.
September 2002

4
StR
279/02, [X.], 40). [X.] ist danach nicht, ob der Angeklagte
seinen ursprünglichen Tatplan nicht verwirklichen konnte, sondern ob ihm infolge einer Veränderung der Hand-lungssituation oder aufkommender innerer Hemmungen das Erreichen seines Zieles ohne zeitliche Zäsur nicht mehr möglich erschien. War der Angeklagte
aber noch Herr seiner Entschlüsse, hielt er die Ausführung der Tat

wenn
auch mit anderen Mitteln

noch
für möglich, dann ist der Verzicht auf ein Weiterhan-deln als freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch zu bewerten (Senatsbe-schluss vom 26.
September 2006

4
StR
347/06, [X.], 91; vgl. Senats-urteil vom 17.
Juli 2014

4
StR
158/14, [X.], 569
f.).
7
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7
-
2.
Gemessen an diesen Grundsätzen hat das [X.] zwar, im recht-lichen Ansatzpunkt zutreffend, für die Beurteilung eines möglichen strafbefrei-enden Rücktritts des Angeklagten auf den Zeitpunkt abgestellt, in dem er die Steuerung des Flugzeugs betätigte, um den Sturzflug der Maschine zu [X.]. Keine Feststellungen hat das [X.] jedoch dazu getroffen, ob der Angeklagte die Ausführung der Tat, wenngleich mit anderen Mitteln, noch für möglich hielt, nachdem der Nebenkläger das Abstürzen des Flugzeugs zunächst verhindert hatte. Insoweit ist lediglich festgestellt, dass er bis zur Not-landung schweigend neben
dem Nebenkläger
saß. Danach bleibt insbesondere offen, ob der Angeklagte annahm, es
bedürfe noch weiterer Handlungen zur Herbeiführung des von ihm angestrebten Erfolges, deren Ausführung
ihm mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln noch möglich
sei,
was die Annahme
eines unbeendeten Versuchs rechtfertigen könnte.
Sost-Scheible
Cierniak
Franke

Bender
Quentin
8

Meta

4 StR 367/14

09.09.2014

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.09.2014, Az. 4 StR 367/14 (REWIS RS 2014, 3080)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3080

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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4 StR 367/14

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