Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.06.2023, Az. 2 StR 111/23

2. Strafsenat | REWIS RS 2023, 4816

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Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 9. November 2022 aufgehoben

a) in den Fällen II.2.d.1. bis II.2.d.36. der Urteilsgründe,

b) im [X.].

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen Raubes (Fall II.2.c. der Urteilsgründe), wegen vorsätzlicher Körperverletzung in vier Fällen (Fälle [X.]. der Urteilsgründe) sowie wegen [X.] in 36 Fällen (Fälle II.2.d.1.-II.2.d.36. der Urteilsgründe), von denen es in 18 Fällen beim Versuch blieb (Fälle [X.] der Urteilsgründe), zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

2

1. [X.] ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).

3

2. Die auf die erhobene Sachrüge veranlasste Überprüfung des Urteils hat zu den Schuldsprüchen wegen Raubes und vorsätzlicher Körperverletzung in vier Fällen, zu den hierfür zugemessenen Einzelstrafen sowie zur Einziehungsentscheidung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Hingegen hat die weitere Verurteilung wegen [X.] in 36 Fällen, davon in 18 Fällen als Versuch, keinen Bestand.

4

a) Nach den hierzu rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen verschaffte sich der Angeklagte unberechtigt den [X.] zu einem Giro- und einem Tagesgeldkonto des Geschädigten. Er nutzte das Girokonto am 3. und 4. März 2021, um diverse eigene Bestellungen bei verschiedenen Online-Händlern zu bezahlen. Zudem überwies er von dem Girokonto online mehrere Beträge auf sein eigenes Konto bzw. die Konten Dritter. Die [X.] hat für diese beiden Tage insgesamt 36 Einzelverfügungen des Angeklagten festgestellt, von denen 18 durch das Finanzinstitut nicht ausgeführt wurden. Sie hat dieses Geschehen als Computerbetrug in 36 Fällen gewertet, wobei es in 18 Fällen beim Versuch blieb.

5

b) Die konkurrenzrechtliche Bewertung der [X.], sämtliche vom Angeklagten veranlassten [X.] stünden im Verhältnis der Tatmehrheit, erweist sich als rechtsfehlerhaft. Die [X.] hat nicht erörtert, ob und gegebenenfalls zwischen welchen [X.] eine tateinheitliche Begehung in Betracht kommt, obwohl dazu Anlass bestand (§ 267 Abs. 3 StPO). Für den Senat bleibt danach zweifelhaft, ob der Tatrichter diese sich nach Lage der Sache aufdrängende Rechtsfrage erkannt und rechtlich zutreffend beurteilt hat (vgl. Senat, Beschluss vom 1. September 2020 – 2 [X.], juris Rn. 17).

6

c) Nach § 52 Abs. 1 StGB liegt materiell-rechtliche Tateinheit vor, wenn dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrfach verletzt. Dabei kann von einer Tat im Rechtssinne auch dann auszugehen sein, wenn mehrere Handlungen im natürlichen Sinne zu einer Handlungseinheit zusammengefasst werden. Das ist der Fall, wenn zwischen mehreren strafrechtlich erheblichen Verhaltensweisen ein solcher unmittelbarer Zusammenhang besteht, dass sich das gesamte Tätigwerden bei natürlicher Betrachtungsweise (objektiv) auch für einen [X.] als [X.] darstellt und die einzelnen [X.] durch ein gemeinsames subjektives Element miteinander verbunden sind (sog. natürliche Handlungseinheit; vgl. nur [X.], Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 10. Juli 2017 – [X.], [X.]St 63, 1, 6 mwN; Senat, Beschluss vom 26. November 2015 – 2 [X.], juris Rn. 5; LK-StGB/[X.], 13. Aufl., vor § 52 Rn. 10 ff.).

7

d) Eingedenk dessen hätte das [X.] erörtern müssen, ob und gegebenenfalls zwischen welchen [X.] eine tateinheitliche Begehung in Betracht kommt. Mangels jedweder Feststellung zu den konkreten Tatzeiten der 28 (versuchten) Computerbetrügereien vom 3. März 2021 sowie der weiteren acht vollendeten Computerbetrügereien vom 4. März 2021 bleibt nach den Urteilsgründen offen, ob und gegebenenfalls mit welchem zeitlichen Abstand die [X.] – mehrfach zugunsten identischer Empfänger – von dem Angeklagten vorgenommen worden sind. Gleiches gilt für die Frage, ob die verschiedenen [X.] des Angeklagten von einem oder mehreren Tatentschlüssen getragen waren.

8

3. Der Wegfall der 36 Einzelstrafen bedingt die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe.

9

4. Die Sache bedarf insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Das nunmehr zur Entscheidung berufene Tatgericht wird insoweit ergänzende − den bisherigen nicht widersprechende − Feststellungen zu den einzelnen [X.] zu treffen und zu prüfen haben, ob eine natürliche Handlungseinheit oder ob Handlungsmehrheit für die einzelnen [X.] anzunehmen ist.

Sollte es zu einer anderen konkurrenzrechtlichen Bewertung gelangen, wäre es durch § 358 Abs. 2 StPO nicht gehindert, über das Maß der bisherigen – von der Abänderung der Konkurrenzen betroffenen − Einzelstrafen hinauszugehen. Die Höhe einer oder mehrerer gegebenenfalls neu festzusetzender Einzelstrafen ist jedoch sowohl durch die Summe der bisherigen – jeweils betroffenen − Einzelstrafen wie auch durch die Höhe der Gesamtstrafe limitiert (vgl. Senat, Beschluss vom 11. Oktober 2022 – 2 [X.], juris Rn. 13; [X.], Beschlüsse vom 6. Oktober 1995 – 3 [X.], [X.]R StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 7, vom 19. November 2002 – 1 StR 313/02, [X.]R StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 12; vom 7. Oktober 2020 – 4 StR 364/20, juris Rn. 7).

Das neue Tatgericht wird zudem, worauf der [X.] in seiner Zuschrift zutreffend hingewiesen hat, zu beachten haben, dass es bei Geldstrafen auch dann der Festsetzung der [X.] bedarf, wenn aus Geld- und Freiheitsstrafen eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden ist (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Beschluss vom 15. November 2021 – 6 StR 468/21, juris Rn. 1 mwN).

Franke     

  

      Krehl     

  

Meyberg

  

Ri[X.] Dr. Grube ist erkrankt
und daher gehindert zu
unterschreiben.

  

Schmidt     

  

  

Franke

  

  

  

Meta

2 StR 111/23

20.06.2023

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Bonn, 9. November 2022, Az: 21 KLs 5/22

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.06.2023, Az. 2 StR 111/23 (REWIS RS 2023, 4816)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 4816

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