Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18.08.2016, Az. 4 BN 24/16

4. Senat | REWIS RS 2016, 6615

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Gegenstand

Einsichtnahme in DIN-Vorschriften bei Bekanntmachung eines Bebauungsplans


Leitsatz

Den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Verkündung eines Bebauungsplansist nicht genügt, wenn dessen textliche Festsetzungen auf eine nicht öffentlichzugängliche DIN-Vorschrift Bezug nehmen, aber weder die Bekanntmachung noch die Planurkunde auf die Möglichkeit der Einsichtnahme bei der Verwaltungsstelle hinweist, bei der auch der Bebauungsplan eingesehen werden kann.

Gründe

1

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos.

2

1. Das Oberverwaltungsgericht hat den angegriffenen Bebauungsplan für unwirksam erklärt, weil dieser nicht ordnungsgemäß verkündet worden sei. Die Festsetzung eines Industriegebietes verweise hinsichtlich der in den Teilgebieten zulässigen Emissionskontingente in der [X.] auf die "[X.] 45691 Geräuschkontingentierung, Dezember 2006, [X.] [X.], [X.]". Damit habe die Antragsgegnerin nicht sichergestellt, dass die von der Planung Betroffenen von der [X.]-Vorschrift verlässlich und in zumutbarer Weisung Kenntnis erlangen könnten. Der Hinweis, dass die [X.]-Vorschrift bei der [X.] in [X.] bezogen werden könne, reiche nicht, da der Erwerb mit nicht unerheblichen Kosten verbunden sei ([X.] f.).

3

2. Die Beschwerde sieht grundsätzlichen Klärungsbedarf hinsichtlich der Frage,

ob ein Bebauungsplan, der in seinen Festsetzungen auf eine [X.]-Vorschrift verweist, nach Maßgabe des Rechtsstaatsprinzips ordnungsgemäß verkündet ist, wenn die betreffende [X.]-Vorschrift in den textlichen Festsetzungen auf der [X.] genau bezeichnet ist und sie bei der Gemeinde auch tatsächlich für jedermann zur Einsichtnahme bereitgehalten wird.

4

Dies führt nicht zur Zulassung der Revision. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zu Grunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>).

5

a) Die Beschwerde scheitert schon daran, dass Tatsachen, die vorliegen müssten, damit sich die mit der Nichtzulassungsbeschwerde angesprochene Frage in einem Revisionsverfahren stellen könnte, von der Vorinstanz nicht festgestellt worden sind (BVerwG, Beschlüsse vom 17. März 2000 - 8 B 287.99 - BVerwGE 111, 61 <62> und vom 21. Januar 2016 - 4 [X.] 36.15 - juris Rn. 12). Denn das Oberverwaltungsgericht hat nicht festgestellt, dass die Antragsgegnerin die in Rede stehende [X.]-Vorschrift tatsächlich für jedermann zur Einsichtnahme bereithält.

6

b) Hiervon unabhängig bedarf es keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, dass die von der Beschwerde aufgeworfene Frage mit dem Oberverwaltungsgericht zu verneinen ist.

7

Die Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips an die Verkündung von Normen stehen einer Verweisung auf nicht öffentlich zugängliche [X.]-Vorschriften in den textlichen Festsetzungen eines Bebauungsplans nicht von vornherein entgegen (BVerwG, Beschluss vom 29. Juli 2010 - 4 [X.] 21.10 - [X.] 406.11 § 10 BauGB Nr. 46 Rn. 9 ff.). Verweist eine Festsetzung aber auf eine solche Vorschrift und ergibt sich erst aus dieser Vorschrift, unter welchen Voraussetzungen ein Vorhaben planungsrechtlich zulässig ist, muss der [X.] sicherstellen, dass die Planbetroffenen sich auch vom Inhalt der [X.]-Vorschrift verlässlich und in zumutbarer Weise Kenntnis verschaffen können. Den rechtsstaatlichen Anforderungen genügt die Gemeinde, wenn sie die in Bezug genommene [X.]-Vorschrift bei der Verwaltungsstelle, bei der auch der Bebauungsplan eingesehen werden kann, zur Einsicht bereithält und hierauf in der [X.] hinweist (BVerwG, Beschluss vom 29. Juli 2010 - 4 [X.] 21.10 - a.a.[X.] Rn. 13).

8

Diese Anforderungen hat die Antragsgegnerin verfehlt. In der [X.] fehlt ein Hinweis auf die Möglichkeit der Einsichtnahme. Ob ein Hinweis in der Bekanntmachung ausreichen könnte, bedarf keiner Entscheidung, weil es auch hieran fehlt ([X.] Stadt [X.] 7/2013, [X.]/783). Ohne einen Hinweis war es den Betroffenen aber nicht möglich, von der [X.]-Vorschrift in zumutbarer Weise Kenntnis zu erlangen. Die Planbetroffenen mussten davon ausgehen, sich nur unter Begleichung nicht unerheblicher Kosten vom Inhalt des Bebauungsplans Kenntnis verschaffen zu können. Sie durften nicht darauf verwiesen werden, bei ihrer Einsicht in den Bebauungsplan nach § 10 Abs. 3 Satz 2 BauGB auf das Geratewohl nach dem Vorliegen einzelner bestimmter technischer Regelwerke zu fragen und Einsicht zu verlangen. Vielmehr bedurfte es eines Hinweises, um für die Betroffenen wie für die Mitarbeiter der Behörde klar zu stellen, dass auch in die jeweilige [X.]-Norm Einblick gewährt werden muss.

9

Die Beschwerde meint zu Unrecht, der Senatsbeschluss vom 5. Dezember 2013 - 4 [X.] 48.13 - ([X.] 2014, 158) nehme von den Grundsätzen des Beschlusses vom 29. Juli 2010 - 4 [X.] 21.10 - ([X.] 406.11 § 10 BauGB Nr. 46) Abstand. Gegenstand des erstgenannten Beschlusses war die Frage, ob die rechtsstaatlichen Anforderungen an die Verkündung eines Bebauungsplans je nach dem betroffenen Personenkreis unterschiedlich sein könnten (ebd. Rn. 3). Diese Frage hat der Senat verneint, ohne sich zu der Frage zu äußern, welche Anforderungen im Einzelnen gelten. Abweichendes folgt auch nicht aus dem Urteil des 3. Senats vom 27. Juni 2013 - 3 C 21.12 - (BVerwGE 147, 100), das den Anforderungen an die Bekanntmachung von Bebauungsplänen keine Bedeutung beimisst (a.a.[X.] Rn. 30 f.).

3. Auf die weitere Grundsatzrüge der Nichtzulassungsbeschwerde kommt es nicht an. Denn in Fällen, in denen - wie hier - ein Urteil in je selbständiger Weise mehrfach begründet ist, kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder der Begründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht und gegeben ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 15 und vom 17. Dezember 2010 - 9 [X.] - BayVBl. 2011, 352 Rn. 3).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

4 BN 24/16

18.08.2016

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BN

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 12. April 2016, Az: 10 D 69/14.NE, Urteil

§ 10 Abs 3 BauGB

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18.08.2016, Az. 4 BN 24/16 (REWIS RS 2016, 6615)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 6615

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Referenzen
Wird zitiert von

9 N 17.1046

RN 6 K 15.962

9 N 15.378

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