Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.04.2017, Az. I ZB 69/16

1. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 12716

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Abschluss einer Schiedsvereinbarung durch Handelsbrauch


Leitsatz

Nach Aufhebung von § 1027 Abs. 2 ZPO aF kommt der Abschluss einer Schiedsvereinbarung durch Handelsbrauch nicht mehr in Betracht.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des [X.] - 6. Zivilsenat - vom 16. Juni 2016 wird auf Kosten der Antragstellerin als unzulässig verworfen.

Gegenstandswert: 10.200 €

Gründe

1

I. Die Antragstellerin bietet einen Linienschifffahrtsdienst zwischen dem [X.] und Nordafrika an. Die Antragsgegnerin handelt mit Holz.

2

Im März 2013 verständigten sich die [X.] (im Weiteren: [X.]) und die Antragsgegnerin über die Verschiffung einer Partie Holz nach [X.] mit Ankunft zwischen dem 13. und 15. April 2013. Streitig ist, ob die [X.] im eigenen Namen mit der Antragsgegnerin einen Vertrag geschlossen oder als Agentin der Antragstellerin gehandelt hat. Aus zwischen den Parteien ebenfalls streitigen Gründen wurde der Transport nicht durchgeführt. Da keine Ladung aufgenommen wurde, stellte die Antragstellerin kein Konnossement aus. Sie macht nun Fehlfracht gegenüber der Antragsgegnerin geltend.

3

Klausel 3 c der [X.] der Antragstellerin lautet:

[X.], or in connection with, [X.], or originally agreed for so [X.], to or from Algerian ports to be referred to arbitration in [X.]. ...

4

Die E-Mail-Signatur der [X.] enthält folgende Gerichtsstandklausel:

In case of disputes the Antwerp courts are exclusively competent and the Belgian jurisdiction will be applicable.

5

In einer E-Mail vom 20. März 2013, mit der der Geschäftsführer der Antragsgegnerin der [X.] den ausgehandelten Preis bestätigte, heißt es:

[X.] mention earlier I need the BL with the date of 30th March ....

6

Die Antragstellerin meint, die Schiedsklausel der Konnossementbedingungen sei bereits mit der Buchung wirksam in den Vertrag einbezogen worden. Aufgrund einer nur wenige Wochen zuvor erfolgten anderen Buchung habe die Antragsgegnerin konkrete Kenntnis der Konnossementbedingungen gehabt.

7

Die Antragstellerin beantragt,

festzustellen, dass zwischen den Parteien im Zusammenhang mit Streitigkeiten aus einer Buchung vom 20. März 2013 eine Schiedsvereinbarung besteht und durchführbar ist,

hilfsweise,

festzustellen, dass zwischen den Parteien im Zusammenhang mit Streitigkeiten aus einer Buchung vom 20. März 2013 - ein wirksamer [X.] zwischen den Parteien unterstellt - eine Schiedsvereinbarung besteht und durchführbar ist.

8

Das [X.] hat den Antrag und den Hilfsantrag zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin, mit der sie ihre Anträge weiterverfolgt.

9

II. Das [X.] hat angenommen, selbst im Falle eines direkten Vertragsschlusses zwischen den Parteien bestehe zwischen ihnen keine wirksame Schiedsvereinbarung. Dazu hat es ausgeführt:

Die Anforderungen an eine formwirksame Schiedsvereinbarung gemäß § 1031 ZPO seien nicht erfüllt. Die Voraussetzungen des § 1031 Abs. 1 oder Abs. 2 ZPO lägen unstreitig nicht vor. Die Schiedsvereinbarung in den Konnossementbedingungen der Antragstellerin sei auch nicht gemäß § 1031 Abs. 3 ZPO durch Bezugnahme Bestandteil des - unterstellten - Vertrags geworden. Ein bloßer Handelsbrauch reiche hierfür nicht aus. Erforderlich sei vielmehr eine unmissverständliche Bezugnahme. Dafür genüge nicht die von der Antragsgegnerin in der E-Mail vom 20. März 2013 gebrauchte Formulierung "... I need the BL ...". Der Hilfsantrag sei unbegründet, weil er ebenfalls eine Schiedsabrede voraussetze.

III. [X.] ist statthaft (§ 1065 Abs. 1 Satz 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 2 Fall 1 ZPO). Sie ist aber unzulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO).

1. [X.] ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulässig, weil es das [X.] versäumt hat, anhand von § 1031 Abs. 4 ZPO aF zu prüfen, ob eine Schiedsvereinbarung zwischen den Parteien abgeschlossen worden ist. Zwar ist § 1031 Abs. 4 ZPO aF auf den Streitfall anwendbar. Die Beurteilung des [X.]s, es fehle an einer formwirksamen Schiedsvereinbarung, erweist sich aber auch nach dieser Bestimmung als rechtsfehlerfrei.

a) Auf den im März 2013 abgeschlossenen [X.] ist § 1031 ZPO in der bis zum 24. April 2013 geltenden Fassung anzuwenden. Nach § 1031 Abs. 4 ZPO aF konnte eine Schiedsvereinbarung auch durch die Begebung eines [X.] begründet werden, wenn darin ausdrücklich auf die in einem [X.] enthaltene Schiedsklausel Bezug genommen wurde.

b) Auf § 1031 Abs. 4 ZPO aF kommt es im Streitfall jedoch nicht an. Die Begründung einer Schiedsvereinbarung nach dieser Bestimmung kommt nicht in Betracht, weil nach den nicht angegriffenen Feststellungen des [X.]s kein Konnossement begeben worden ist.

Die Antragsgegnerin hat zwar mit E-Mail vom 20. März 2013 ein Konnossement von der [X.] erbeten. Die Antragstellerin hat aber kein Konnossement ausgestellt, weil keine Ladung aufgenommen wurde. Die Begebung eines nicht ausgestellten [X.] ist begrifflich ausgeschlossen. Die Ausstellung durch den Verfrachter ist notwendige Bedingung für die Entstehung des [X.] als Wertpapier. Es handelt sich um eine Empfangsbescheinigung des Verfrachters über die zur Beförderung übernommenen Güter, die erst bei Begebung einen selbständigen schuldrechtlichen Auslieferungsanspruch des legitimierten Inhabers dieses Papiers begründet (vgl. Begründung der Bundesregierung zum Gesetzentwurf zur Neuregelung des [X.], BT-Drucks. 13/5274, [X.]). Die Begebung setzt eine Besitzübergabe voraus (vgl. [X.], [X.], 4. Aufl., § 650 HGB Rn. 9), die nur bei einem ausgestellten Dokument in Betracht kommt.

2. Das [X.] hat den Anspruch der Antragstellerin auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG nicht verletzt.

a) Das [X.] hat angenommen, ein bloßer Handelsbrauch genüge nicht für den Abschluss einer Schiedsvereinbarung. Auf der Grundlage dieser Beurteilung hatte es keinen Anlass, Beweis zu dem Sachvortrag der Antragstellerin zu erheben, wonach es in der Linienschifffahrt Handelsbrauch sei, dass die Konnossementbedingungen eines Linienreeders [X.] enthalten.

b) Das [X.] hat ferner im tatbestandlichen Teil seines Beschlusses den Vortrag der Antragsgegnerin wiedergegeben, wonach die Parteien schon früher in Geschäftsverbindung gestanden hatten und der Antragsgegnerin aufgrund einer Buchung vom Dezember 2012 das Konnossement Nr. 102 bekannt war, das eine Schiedsklausel enthielt. Das [X.] hatte keinen Anlass, sich auch im Rahmen der rechtlichen Ausführungen ausdrücklich mit diesem Vortrag auseinanderzusetzen. Eine im Zusammenhang mit früheren Frachtverträgen erfolgte Übersendung von Konnossementen mit [X.] war nicht geeignet, den Abschluss einer Schiedsvereinbarung im Streitfall zu begründen. Im Zusammenhang mit dem Streitfall fehlt es an einer Bezugnahme auf Konnossementbedingungen mit einer Schiedsklausel.

3. Die Entscheidung des [X.]s steht auch nicht in Widerspruch zu Entscheidungen der [X.]e [X.] und Bremen.

a) Aus dem Urteil des [X.]s [X.] vom 30. Juni 1992 ([X.] 1993, 25 f.) ergeben sich schon deshalb keine Aufschlüsse für den Streitfall, weil nach der bis zum 31. Dezember 1997 geltenden Bestimmung des § 1027 Abs. 2 ZPO eine Schiedsvereinbarung auch stillschweigend nach Handelsbrauch abgeschlossen werden konnte (vgl. [X.], Urteil vom 3. Dezember 1992 - [X.], NJW 1993, 1798). § 1027 Abs. 2 ZPO aF begründete für Handelsgeschäfte eine Ausnahme von § 1027 Abs. 1 ZPO aF, wonach ein Schiedsvertrag ausdrücklich geschlossen werden musste. Mit der Neuregelung des [X.] zum 1. Januar 1998 wurde die Vorschrift des § 1027 Abs. 2 ZPO aF gestrichen und klargestellt, dass [X.] immer ungültig sind, wenn sie die Erfordernisse des § 1031 ZPO nicht erfüllen (vgl. Begründung der Bundesregierung zum Gesetzentwurf zur Neuregelung des [X.], BT-Drucks. 13/5274, S. 36).

Nach Aufhebung von § 1027 Abs. 2 ZPO aF kommt der Abschluss einer Schiedsvereinbarung durch Handelsbrauch nicht mehr in Betracht (vgl. [X.]/[X.][X.], ZPO, 75. Aufl., § 1031 Rn. 7; Schütze in [X.]/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 1031 Rn. 34). Die Gegenansicht (Schlosser in [X.], ZPO, 22. Aufl., § 1031 Rn. 4) ist mit dem Wortlaut des § 1031 ZPO und dem vom Gesetzgeber mit der Aufhebung des § 1027 Abs. 2 ZPO aF verfolgten Ziel unvereinbar.

b) Im Fall des [X.]s Bremen ([X.] 2002, 405, 407) war dem [X.] anders als im Streitfall ein Konnossement ausgehändigt worden, das eine Schiedsklausel enthielt. Das [X.] Bremen hat die Voraussetzungen des § 1031 Abs. 2 ZPO als erfüllt angesehen, weil der Inhalt des [X.] nach der Verkehrssitte als Vertragsinhalt angesehen wird. Im Streitfall fehlt es unstreitig an der Aushändigung eines [X.].

IV. Danach ist die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des [X.]s auf Kosten der Antragstellerin zurückzuweisen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Büscher     

       

Schaffert     

       

[X.]

       

Schwonke     

       

Feddersen     

       

Meta

I ZB 69/16

06.04.2017

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 16. Juni 2016, Az: 6 Sch 6/14

§ 1027 Abs 2 aF ZPO, § 1031 Abs 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.04.2017, Az. I ZB 69/16 (REWIS RS 2017, 12716)

Papier­fundstellen: WM2017,2083 REWIS RS 2017, 12716

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

I ZB 69/16 (Bundesgerichtshof)


I ZB 75/16 (Bundesgerichtshof)

Schiedsgerichtssache: Rechtsschutzbedürfnis für Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach Erlass eines Teil- oder Endschiedsspruchs


I ZB 77/17 (Bundesgerichtshof)

Zweistufiges Schiedsverfahren: Wirksamkeit des Schiedsspruchs erster Instanz unter der aufschiebenden Bedingung seiner Bestätigung durch das …


III ZB 69/09 (Bundesgerichtshof)

Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche: Anwendung des Meistbegünstigungsgrundsatzes im Hinblick auf die Formanforderungen an die Schiedsabrede


III ZB 83/13 (Bundesgerichtshof)

Verfahren auf gerichtliche Entscheidung gegen einen schiedsgerichtlichen Zuständigkeitszwischenentscheid: Pflicht des Oberlandesgerichts zur Durchführung einer mündlichen …


Referenzen
Wird zitiert von

I ZB 69/16

34 SchH 14/16

102 SchH 99/21

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.