Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.06.2019, Az. III ZB 98/18

3. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 6523

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Gegenstand

Sachverständigenablehnung im Deckungsprozess gegen eine private Krankenversicherung: Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit und Abrechenbarkeit von auch durch den Sachverständigen selbst im Rahmen seiner ärztlichen Tätigkeit erbrachten und abgerechneten Behandlungsleistungen; wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits


Leitsatz

1. Der Umstand, dass der gerichtlich bestellte Sachverständige im Rahmen der von ihm ausgeübten ärztlichen Tätigkeit gegenüber Versicherungsnehmern einer privaten Krankenversicherung Behandlungsleistungen erbracht (hier: IMRT-Strahlentherapie) und abgerechnet hat (hier: analog Nummer 5855 GOÄ), begründet für sich allein nicht die Besorgnis der Befangenheit, wenn in einem Rechtsstreit zwischen einem anderen Versicherungsnehmer und der Krankenversicherung die medizinische Notwendigkeit und Abrechenbarkeit entsprechender Behandlungsleistungen beurteilt werden muss. Nur bei Hinzutreten weiterer, die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen in Frage stellender Umstände kann die Annahme eines Ablehnungsgrunds gerechtfertigt sein (Abgrenzung zu BGH, Beschluss vom 10. Januar 2017 - VI ZB 31/16, NJW-RR 2017, 569).

2. Bei einem eigenen - sei es auch nur mittelbaren - wirtschaftlichen Interesse am Ausgang des Rechtsstreits kann Anlass zu der Befürchtung bestehen, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und unparteiisch gegenüber. Ob dies anzunehmen ist, entzieht sich einer schematischen Betrachtungsweise und kann nur auf Grund der Umstände des jeweiligen Einzelfalls entschieden werden.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des [X.] - 25. Zivilsenat - vom 30. August 2018 - 25 W 937/18 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des [X.] einschließlich der Kosten der Streithelferin zu tragen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt bis 3.000 €.

Gründe

I.

1

Die [X.]en streiten über die Erstattungsfähigkeit der Kosten einer Bestrahlungstherapie im Rahmen eines privaten Krankenversicherungsverhältnisses. Im Zusammenhang mit der Behandlung eines Mammakarzinoms führte die Streithelferin bei der Klägerin eine intensitätsmodulierte Radio- und Strahlentherapie (IMRT) durch und berechnete diese - einer Empfehlung der [X.] folgend - in analoger Anwendung der für eine intraoperative Strahlenbehandlung mit Elektronen ([X.]) geltenden Nummer 5855 der Gebührenordnung für Ärzte ([X.]).

2

Die beklagte Versicherung hat die medizinische Notwendigkeit der [X.] bestritten und vertritt zudem die Auffassung, die [X.] könne nicht analog Nummer 5855 [X.] abgerechnet werden, da sie mit der [X.]-Therapie nicht gleichwertig im Sinne des § 6 Abs. 2 [X.] sei.

3

Das [X.] hat die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens unter anderem zu der Behauptung der Klägerin angeordnet, die bei ihr durchgeführten [X.]en seien nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertig mit einer intraoperativen Strahlenbehandlung mit Elektronen. Zum Sachverständigen wurde Prof. Dr. M.     F.     bestimmt, der Direktor der Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie eines Universitätsklinikums ist.

4

Der Beklagte hat den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Sachverständige habe in den Jahren 2015 und 2016 als behandelnder Arzt bei drei nicht am Rechtsstreit beteiligten Versicherungsnehmern des Beklagten [X.]en durchgeführt und diese in der streitgegenständlichen Weise nach Nummer 5855 [X.] analog in unbeschränktem Umfang abgerechnet. Die Rechnungen des Sachverständigen habe der Beklagte den Versicherungsnehmern unter Geltendmachung derselben Einwendungen wie im jetzigen Prozess nur gekürzt erstattet.

5

Das Ablehnungsgesuch hatte vor dem [X.] keinen Erfolg. Die dagegen geführte sofortige Beschwerde des Beklagten hat das [X.] zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

6

1. Mangels Bestimmung des zuständigen [X.] durch das [X.] (§ 7 Abs. 1 Satz 1 EGZPO) konnte der Beklagte das Rechtsmittel nach dem [X.] fristwahrend sowohl bei dem [X.] als auch bei dem [X.] einlegen (vgl. [X.], Urteil vom 20. Januar 1994 - [X.], NJW 1994, 1224; [X.], Beschluss vom 4. Mai 2005 - [X.], NJW-RR 2005, 1230; jeweils mwN). Die Zuständigkeit des [X.]s ergibt sich aus § 8 Abs. 2 [X.], da ausschließlich Bundesrecht Anwendung findet.

7

2. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

8

Eine Besorgnis der Befangenheit folge nicht schon daraus, dass der Sachverständige im Rahmen der von ihm ausgeübten ärztlichen Tätigkeit selbst [X.]en erbringe und diese - entsprechend einer Empfehlung der [X.] - nach Nummer 5855 [X.] analog abrechne. Daran ändere auch der besondere Umstand nichts, dass der Beklagte drei [X.]en betreffende Rechnungen des Sachverständigen gegenüber anderen Versicherungsnehmern nur gekürzt erstattet habe. Die erforderliche Sachkunde ärztlicher Sachverständiger bedinge regelmäßig die Bestellung von Ärzten, die die streitige Behandlungsmaßnahme auch selbst durchführten und in der Regel auch selbst liquidationsberechtigt seien. Der sich daraus ergebende systemimmanente Interessenkonflikt könne nicht dem Sachverständigen zugerechnet werden. Die Annahme eines "Generalverdachts" einer einseitig am eigenen Gebühreninteresse ausgerichteten Gutachtenerstattung erscheine gerade gegenüber besonders qualifizierten ärztlichen Sachverständigen überzogen. Andernfalls würde der Kreis der qualifizierten Gutachter stark eingeschränkt. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Sachverständige zu den [X.] nicht neutral Stellung nehmen werde, lägen nicht vor. Eine Begutachtung in eigener Sache finde nicht statt. Auch sei der Sachverständige nicht an einem Streit des Beklagten mit anderen Versicherungsnehmern beteiligt. Nach dem [X.] habe er nur die Tatsachengrundlage zu schaffen, über die streitige Rechtsfrage der unbeschränkten Abrechnung nach Nummer 5855 [X.] analog habe das Gericht zu befinden. Es bestehe kein vergleichbarer Interessenkonflikt, wie er bei einer "Vorbefassung" des Sachverständigen durch Erstellung eines Privatgutachtens für die [X.] eines Rechtsstreits in Betracht komme (Hinweis auf [X.], Beschluss vom 10. Januar 2017 - [X.], NJW-RR 2017, 569). Auch liege es nicht nahe, dass sich der Sachverständige, soweit er [X.]en gegenüber anderen Versicherungsnehmern des Beklagten liquidiert habe, dem Vorwurf einer - bewussten - Rechnungsüberhöhung allein deshalb ausgesetzt sehen könnte, weil ein Gericht auf der Grundlage seiner Begutachtung gegebenenfalls zu dem Ergebnis komme, dass bei der Behandlung von Mammakarzinomen die [X.] nicht oder nur gedeckelt analog Nummer 5855 [X.] abgerechnet werden könne.

9

3. Das hält der rechtlichen Überprüfung stand.

a) Ein Sachverständiger kann gemäß § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 42 Abs. 2 ZPO wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Es muss sich dabei um Tatsachen oder Umstände handeln, die vom Standpunkt des [X.] aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschlüsse vom 11. April 2013 - [X.], NJW-RR 2013, 851 Rn. 10 und vom 10. Januar 2017 - [X.], NJW-RR 2017, 569 Rn. 8; jeweils mwN).

Die Befürchtung fehlender Unparteilichkeit kann berechtigt sein, wenn der Sachverständige den [X.] in einer Weise erledigt, dass darin der Ausdruck einer unsachlichen Grundhaltung gegenüber einer [X.] gesehen werden kann. Dies kommt zum Beispiel dann in Betracht, wenn er den ihm erteilten Auftrag überschreitet ([X.], Beschluss vom 11. April 2013 aaO Rn. 11, 13). Aber auch bereits vor einem Tätigwerden des Gutachters wird ein Ablehnungsgrund regelmäßig zu bejahen sein, wenn der Sachverständige in derselben Sache für eine Prozesspartei oder deren Versicherer bereits ein Privatgutachten erstattet hat. Gleiches gilt, wenn er für einen nicht unmittelbar oder mittelbar am Rechtsstreit beteiligten [X.] ein entgeltliches Privatgutachten zu einer gleichartigen Fragestellung in einem gleichartigen Sachverhalt erstattet hat und wenn die Interessen der jeweiligen [X.]en in beiden Fällen in gleicher Weise kollidieren. Bei der Erstattung eines Privatgutachtens legt sich der Sachverständige im Auftrag einer [X.] und auf der Grundlage ihrer Angaben fest, sodass die Befürchtung, er werde sich bei der gerichtlich angeordneten erneuten Begutachtung in Zweifelsfällen für ein dieser [X.] günstiges Ergebnis entscheiden, nicht als unvernünftig von der Hand zu weisen ist. Zudem steht die Befürchtung im Raum, der Sachverständige werde nicht geneigt sein, bei der gerichtlich angeordneten Begutachtung einer gleichartigen Fragestellung von seinem früheren Privatgutachten abzuweichen oder sich gar in Widerspruch zu diesem zu setzen. Vor diesem Hintergrund ergibt sich die Gefahr eines Konflikts des Sachverständigen zwischen der Rücksichtnahme auf den früheren Auftraggeber und der Pflicht zu einer von der früheren Begutachtung losgelösten, objektiven Gutachtenerstattung im Auftrag des Gerichts. Dieser Umstand ist geeignet, das Vertrauen des [X.] in eine unvoreingenommene Gutachtenerstattung zu erschüttern ([X.], Beschluss vom 10. Januar 2017 aaO Rn. 9 f m. zahlr. wN).

b) Nach diesen Maßgaben hat das Beschwerdegericht ohne Rechtsfehler angenommen, dass das [X.] das Ablehnungsgesuch des Beklagten gegen den Sachverständigen zu Recht als unbegründet zurückgewiesen hat.

aa) Eine Besorgnis der Befangenheit ergibt sich nicht daraus, dass der Sachverständige im Rahmen der von ihm ausgeübten ärztlichen Tätigkeit selbst [X.] erbracht und analog Nummer 5855 [X.] abgerechnet hat. Die Vornahme und Abrechnung solcher Behandlungen begründet für sich allein nicht die Besorgnis der Befangenheit. Sie trägt vielmehr dazu bei, dem Sachverständigen die zur Beantwortung der Beweisfrage erforderliche Sachkunde zu vermitteln. Nur bei Hinzutreten weiterer, die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen in Frage stellender Umstände kann die Annahme eines Ablehnungsgrunds gerechtfertigt sein (vgl. [X.], Beschluss vom 6. Oktober 2017 - [X.], juris Rn. 10). Daran fehlt es hier.

(1) Bei der Auswahl von ärztlichen Sachverständigen sind die Gerichte gehalten, sich solcher Gutachter zu bedienen, die über die erforderliche medizinische Fachkompetenz und damit auf dem einschlägigen Fachgebiet über eine Spezialausbildung und Erfahrung verfügen (vgl. [X.], Urteile vom 3. Juni 2008 - [X.], NJW-RR 2008, 1380, 1381 Rn. 16 und vom 10. Juli 2012 - [X.], [X.], 2964, 2965 Rn. 15; jeweils mwN). Übt ein medizinischer Sachverständiger - wie fast immer - selbst eine ärztliche Tätigkeit aus, geht mit seiner gerichtlichen Bestellung zum Gutachter häufig einher, dass er Sachverhalte beurteilen muss, die seine eigene berufliche Tätigkeit betreffen. Dies gilt nicht nur für haftungsrechtliche, sondern auch für gebührenrechtliche Fragestellungen, wenn er zugleich liquidationsberechtigter Arzt ist. Würde allein eine solche typische fachliche Vorbefassung bereits die Befürchtung der [X.]lichkeit rechtfertigen, hätte dies zur Folge, dass die Prozessparteien einen Sachverständigen jedenfalls auf dem Fachgebiet, in dem er beruflich tätig und liquidationsberechtigt ist, stets wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen könnten. Damit stünden gerade diejenigen Sachverständigen nicht mehr zur Verfügung, die nach der Rechtsprechung des [X.]s vornehmlich als Gutachter berufen sind.

(2) Soweit die Rechtsbeschwerde Sachverständige im Ruhestand und Sachverständige aus dem [X.] Ausland als gleichwertige Alternativen ins Spiel bringt, vermag dem der Senat nicht zu folgen. Es erscheint durchaus zweifelhaft, ob ein Sachverständiger im Ruhestand stets die erforderliche Sachkunde noch aufweist. Denn er ist möglicherweise mit dem neuesten Stand der medizinischen Wissenschaft nicht mehr vertraut, sodass andere Sachverständige inzwischen über überlegene Forschungsmittel und neuere Erkenntnisse verfügen (vgl. [X.], Urteil vom 19. Mai 1987 - [X.], NJW 1987, 2300, 2301). Bei der Beauftragung eines im Ausland tätigen Sachverständigen kann sich die Frage einer beruflichen Vorbefassung, die für sich allein die Ablehnung ohnehin nicht rechtfertigt, in gleicher Weise stellen, wenn der Sachverständige selbst ärztliche Leistungen erbringt und sich insoweit die Problematik ergibt, wie neuartige Behandlungsmethoden auf der Grundlage einer nationalen Gebührenordnung oder eines sonstigen Tarifsystems abzurechnen sind (z.B. Urteil des [X.] Bundesgerichts vom 14. Juli 2011 - 9C 252/2011). Es kommt hinzu, dass Beweisaufnahmen im Ausland häufig eine geringere Ergiebigkeit aufweisen und zudem das Risiko beträchtlicher Verfahrensverzögerungen mit sich bringen (vgl. § 363 ZPO). Daraus können erhebliche nachteilige Folgen insbesondere für die beweisbelastete [X.] resultieren (vgl. [X.], Urteil vom 24. April 1980 - [X.], [X.], 931, 932 = juris Rn. 13 f; [X.]/[X.], ZPO, 32. Aufl., § 363 Rn. 4).

bb) Der vom Beklagten hervorgehobene Umstand, dass der Sachverständige in den Jahren 2015 und 2016 bei drei nicht am hiesigen Verfahren beteiligten Versicherungsnehmern des Beklagten [X.]en in der streitgegenständlichen Weise abgerechnet und der Beklagte diese Rechnungen mit denselben Einwendungen wie im vorliegenden Rechtsstreit nur gekürzt erstattet hat, stellt keinen zusätzlichen Gesichtspunkt dar, der die Besorgnis der Befangenheit begründet.

(1) Diese Konstellation ist mit der Erstellung eines entgeltlichen Privatgutachtens für einen [X.] nicht vergleichbar. Die Abrechnung der erbrachten [X.] entsprach der bereits im Jahre 2011 öffentlich bekannt gegebenen Empfehlung der [X.] zur generellen Analogiefähigkeit der Nummer 5855 [X.] bei [X.]en und war nicht Ausdruck einer Vorfestlegung des Sachverständigen zugunsten einer [X.]. Der Gutachter erhielt sein Honorar vom Patienten für eine erbrachte ärztliche Behandlung und nicht für die sachverständige Beantwortung einer Fachfrage, die er nunmehr als gerichtlich bestellter Sachverständiger erneut beantworten müsste. Es liegt mithin lediglich eine typische fachliche Vorbefassung des Sachverständigen vor, der zugleich liquidationsberechtigter Arzt ist, zu der weitere Umstände hinzutreten müssten, um eine Besorgnis der Befangenheit begründen zu können. Folglich steht auch nicht die Befürchtung im Raum, der Sachverständige werde nicht geneigt sein, bei der gerichtlich angeordneten Begutachtung von einer früheren Festlegung abzuweichen oder sich gar in Widerspruch zu dieser zu setzen.

Dass der vom [X.] bestellte Sachverständige durchaus bereit ist, sich trotz der eigenen Abrechnungspraxis ergebnisoffen und kritisch mit den im Beweisbeschluss des [X.]s formulierten Fragen auseinanderzusetzen, wird auch durch den Umstand belegt, dass er in einem früheren, im Auftrag des [X.]s T.       erstatteten und von dem Beklagten mit der Klageerwiderung vorgelegten Gutachten ausgeführt hat, nicht jede in Rechnung gestellte [X.] eines Mammakarzinoms sei tatsächlich nach Art, Kosten- und Zeitaufwand mit einer [X.]-Behandlung vergleichbar und daher nach Nummer 5855 [X.] analog abrechenbar. Es seien vielmehr die im Einzelfall geplanten und durchgeführten Maßnahmen zu beurteilen.

(2) In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, dass der Sachverständige im vorliegenden Fall - anders als bei einem entgeltlichen Privatgutachten - nicht über die Berechtigung der geltend gemachten Honorarforderung im Hinblick auf die unbeschränkte Abrechnung der [X.] analog Nummer 5855 [X.] befinden soll. Nach dem Inhalt des [X.] ist Gegenstand der sachverständigen Begutachtung lediglich die Frage, ob die bei der Klägerin durchgeführte [X.] nach Art, Kosten- und Zeitaufwand mit der von der Nummer 5855 [X.] erfassten ärztlichen Leistung ([X.]-Behandlung) in tatsächlicher Hinsicht vergleichbar ist. Hierzu hat das [X.] dem Sachverständigen im Beweisbeschluss nähere Vorgaben gemacht, wonach er Ablauf, Umfang und Wirkungsweise der beiden Behandlungsmethoden darzustellen und untereinander zu vergleichen und sich darüber hinaus mit den im Verfahren vorgelegten anderen gutachterlichen und ärztlichen Stellungnahmen sachlich auseinanderzusetzen hat. Damit hat der Sachverständige, der an den [X.] und die darin enthaltenen Fragestellungen und Weisungen gebunden ist (§ 404a ZPO), lediglich die Tatsachengrundlage zu schaffen, anhand derer das Gericht sodann die maßgebliche rechtliche Bewertung, ob von einer "gleichwertigen Leistung" im Sinne des § 6 Abs. 2 [X.] und einer Analogiefähigkeit der Nummer 5855 [X.] auszugehen ist, selbst vornimmt. Der Sachverständigenauftrag erschöpft sich darin, die tatsächlichen Umstände, die für und gegen eine Vergleichbarkeit sprechen, zu ermitteln und darzustellen. Das ist dem Sachverständigen unparteiisch auch dann möglich, wenn er selbst im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit - nach jeweiliger Prüfung der Gleichwertigkeit im Einzelfall - in einer bestimmten Weise abrechnet. Die rechtliche Bewertung der Berechtigung einer Gebührenforderung obliegt weiterhin allein dem Gericht und ist von der Tatsachengrundlage, die der Sachverständige begutachtet, zu trennen (vgl. [X.], Beschluss vom 6. Oktober 2017 - [X.], juris Rn. 13).

cc) Eine Besorgnis der Befangenheit lässt sich auch nicht mit der vom Beklagten geltend gemachten Befürchtung begründen, der Sachverständige setze sich dem Vorwurf der überhöhten Rechnungsstellung und damit etwaigen Regressforderungen der von ihm behandelten Patienten aus, wenn das Gericht auf der Grundlage seiner Begutachtung zu dem Ergebnis komme, dass die Nummer 5855 [X.] nicht oder nur beschränkt anwendbar sei. Vor dem Hintergrund eines möglichen Konflikts des Sachverständigen zwischen seinen eigenen wirtschaftlichen Interessen und der Pflicht zu einer objektiven Gutachtenerstattung könnte er versucht sein, gegen die Vergleichbarkeit der Behandlung sprechende Umstände "herunterzuspielen" oder gar "unter den Tisch fallen" zu lassen (vgl. [X.], Beschluss vom 27. März 2018 - 14 W 15/18, juris Rn. 14).

Bei einem eigenen - sei es auch nur mittelbaren - wirtschaftlichen Interesse am Ausgang des Rechtsstreits kann zwar Anlass zu der Befürchtung bestehen, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und unparteiisch gegenüber (vgl. [X.], Beschluss vom 3. November 2014 - [X.], juris Rn. 4 f; siehe auch [X.], Beschluss vom 24. November 2014 - [X.], [X.], 608 Rn. 3 und [X.], 311, 312 f jeweils zur [X.]). Ob dies anzunehmen ist, entzieht sich jedoch einer schematischen Betrachtungsweise und kann nur auf Grund der Umstände des jeweiligen Einzelfalls entschieden werden. Die gebotene Gesamtbetrachtung der maßgeblichen Umstände führt im Streitfall dazu, dass kein Ablehnungsgrund vorliegt.

Allein der Umstand, dass das Gericht nach der Bewertung der konkreten Behandlungsmaßnahmen auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen die Abrechenbarkeit nach Nummer 5855 [X.] im Streitfall möglicherweise verneint, begründet noch nicht den Vorwurf der überhöhten Rechnungsstellung gegenüber anderen Versicherungsnehmern des Beklagten. Denn jede [X.] muss, wie das von dem Beklagten selbst vorgelegte Gutachten in dem Verfahren vor dem [X.] T.      belegt, gesondert beurteilt werden. Dementsprechend führt die Verneinung der Vergleichbarkeit in einem Verfahren nicht zwangsläufig zu der Annahme, dass die Abrechnungen des Sachverständigen gegenüber anderen Versicherungsnehmern gegen die Grundsätze der Gebührenordnung für Ärzte verstoßen. Darüber hinaus haben die von dem bestellten Sachverständigen in den Jahren 2015 und 2016 behandelten Versicherungsnehmer des Beklagten bislang keine Rückforderungsansprüche gegenüber dem Sachverständigen geltend gemacht noch sind sie gerichtlich oder außergerichtlich gegen die Leistungsabrechnungen des Beklagten vorgegangen. Es ist auch nichts dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass mit einer rechtlichen Auseinandersetzung vor Eintritt der Regelverjährung (§ 195 BGB) noch zu rechnen sein könnte. Ferner trifft die Annahme des Beklagten nicht zu, eine von dem Versicherer nur anteilig erstattete Rechnung über ärztliche Leistungen führe zwangsläufig dazu, dass der Versicherungsnehmer die korrekte Berechnung des ärztlichen Honorars in Zweifel ziehe und daher eine Auseinandersetzung zwischen Arzt und Versicherungsnehmer wahrscheinlich sei. Denn die Honorarforderung eines Arztes kann auch dann berechtigt sein, wenn diese gegenüber dem Versicherer ganz oder teilweise nicht erstattungsfähig ist. Die privatärztlichen Honoraransprüche und die Leistungsansprüche des Patienten gegenüber seiner privaten Krankenversicherung müssen nicht gleichlaufen, zumal die Frage der Erstattungsfähigkeit auch davon abhängt, welchen Krankheitskostentarif der Versicherungsnehmer vereinbart hat (vgl. [X.], Beschluss vom 6. Oktober 2017 - [X.], juris Rn. 16).

c) Soweit in der obergerichtlichen Rechtsprechung ein die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigender Grund in Fällen angenommen wurde, in denen ein Sachverständiger ärztliche Leistungen für einen [X.] erbracht hat und hierüber ein gesonderter Rechtsstreit (parallel) geführt wurde (z.B. [X.], [X.], 438; [X.], Beschluss vom 28. April 2017 - 29 W 9/17, juris Rn. 10; [X.], Beschluss vom 7. Juli 2017, juris Rn. 13; siehe auch [X.], Beschluss vom 22. Dezember 2015 - 21 W 1921/15 zu dem Fall, dass der Sachverständige einen Parallelprozess gegen seinen Patienten initiiert), kann dahinstehen, ob dem im Hinblick auf die Maßgeblichkeit der Umstände des Einzelfalls in dieser Allgemeinheit gefolgt werden kann. Denn im vorliegenden Fall sind die von dem Sachverständigen gegenüber Versicherungsnehmern des Beklagten erbrachten und nach Nummer 5855 [X.] abgerechneten [X.]en nicht Gegenstand eines gesonderten Rechtsstreits.

Nach alledem ist dem Beschwerdegericht darin zuzustimmen, dass die Abrechnung von [X.]en analog Nummer 5855 [X.] durch den Sachverständigen gegenüber Versicherungsnehmern des Beklagten die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit nicht rechtfertigt.

[X.]     

      

Tombrink     

      

Remmert

      

Reiter     

      

Kessen     

      

Meta

III ZB 98/18

06.06.2019

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG München, 30. August 2018, Az: 25 W 937/18, Beschluss

§ 42 Abs 2 ZPO, § 406 Abs 1 S 1 ZPO, § 4 Abs 1 Anlage Nr 5855 GOÄ, § 6 Abs 2 GOÄ

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.06.2019, Az. III ZB 98/18 (REWIS RS 2019, 6523)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 1077-1079 REWIS RS 2019, 6523


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. III ZB 98/18

Bundesgerichtshof, III ZB 98/18, 06.06.2019.


Az. 25 W 937/18

OLG München, 25 W 937/18, 30.08.2018.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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