Bundesfinanzhof, Urteil vom 13.06.2012, Az. I R 71/11

1. Senat | REWIS RS 2012, 5689

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Gegenstand

Mahlzeitendienst als Zweckbetrieb - Wettbewerbsschutz - Umfang der Marktteilnahme


Leitsatz

NV: Da § 65 Nr. 3 AO dem Schutz des Wettbewerbs dient, ist ein steuerbegünstigter Zweckbetrieb nur dann zu bejahen, wenn der Geschäftsbetrieb (hier: Mahlzeitendienst) nicht nur ein notwendiges Mittel zur Erreichung des ideellen Zwecks der Körperschaft ist, sondern sich auch in seinem Umfang auf den zur Erreichung dieses Zwecks erforderlichen Umfang beschränkt.  

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine gemeinnützige GmbH, ist Mitglied des paritätischen Wohlfahrtsverbands. Ihre Anteile wurden in den Streitjahren (2001 bis 2005) zu 97 % vom Jugendsozialwerk … (im Folgenden: Jugendsozialwerk) gehalten. Nach § 2 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags ([X.]) war es Zweck der Klägerin, "Personen und Personengruppen mit Einschränkungen bzw. geringen Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt zu betreuen, zu qualifizieren und zu beschäftigen. Die Gesellschaft leistet Hilfestellung bei der Wiedereingewöhnung an die Arbeit, verbunden mit Maßnahmen, die eine Verbesserung von Vermittlungsaussichten auf dem Arbeitsmarkt zum Inhalt haben". Gemäß § 3 [X.] verfolgt die Klägerin ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige und mildtätige Zwecke im Sinne der Abgabenordnung (AO).

2

Die Klägerin führte jährlich etwa 600 bis 800 Wiedereingliederungsmaßnahmen durch. Die Teilnehmer dieser Maßnahmen --neben [X.] handelte es sich nach den Feststellungen des Finanzgerichts ([X.]) um "sehr schwierige" Personen, insbesondere auch um ehemalige [X.] wurden in den verschiedenen, von der Klägerin unterhaltenen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben eingesetzt. Die Maßnahmen wurden vom Arbeitsamt, vom [X.] und dem Landkreis bewilligt; sie dauerten in der Regel zwischen einem Jahr (z.B. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen) und drei bis fünf Jahren (z.B. [X.]). Teilnehmer der Maßnahme "Arbeit statt Sozialhilfe" nahmen auch an einem Schulunterricht teil, der wöchentlich an zwei Tagen durch eine von der Klägerin angestellte Sozialpädagogin und auch von externen Kräften abgehalten wurde.

3

Zu den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben der Klägerin gehörte in den Streitjahren ein Mahlzeitendienst, der Kindergärten --darunter vier Kindertagesstätten in der Trägerschaft des [X.], Schulen, das Personal der [X.] sowie Privatpersonen belieferte. In der für die Essenszubereitung erforderlichen Küche waren neben einem Küchenmeister und [X.] mit Ausbildereignung fünf bis acht Maßnahmeteilnehmer (Langzeitarbeitslose) als Küchenhilfen bei der Speisenherstellung und -verpackung beschäftigt. Für den Mahlzeitendienst wurden täglich etwa 1 000 Essen der jeweils selben Art zubereitet und diese von weiteren drei bis vier Maßnahmeteilnehmern ausgefahren. Die Klägerin erzielte im Streitzeitraum mit dem gesamten Mahlzeitendienst Umsatzerlöse zwischen 919.092,94 DM (2001) und 665.057,41 € (2004) sowie [X.] zwischen 29.442,29 DM (2001) und 105.874,95 € (2002).

4

Im [X.] an eine Betriebsprüfung gelangte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) zu der Auffassung, dass der überwiegende Teil des Mahlzeitendienstes (Schülerversorgung; Lieferungen an die vier Kindergärten des [X.]) nicht als steuerbefreiter Zweckbetrieb anzuerkennen sei. Es handele sich nicht um eine Einrichtung der [X.] gemäß § 66 AO, da die [X.] nicht unmittelbar den Kindern, sondern dem Jugendsozialwerk als Leistungsempfänger zugute gekommen seien.

5

Die Klage gegen die hierauf für die Streitjahre geänderten Bescheide zur Festsetzung der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuermessbeträge war erfolgreich (Thüringer [X.], Urteil vom 29. September 2011  2 K 29/09, Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 8).

6

Mit der vom [X.] zugelassenen Revision beantragt das [X.] sinngemäß, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist begründet. Das Urteil des [X.] ist aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

9

1. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes KStG 1999/2002 ([X.]) und § 3 Nr. 6 des [X.] 1991/2002 sind Körperschaften, die nach der Satzung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 51 bis 68 [X.]), sowohl von der Körperschaftsteuer als auch der Gewerbesteuer befreit. Nach beiden Vorschriften ist die Steuerbefreiung insoweit ausgeschlossen, als ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb unterhalten wird. Allerdings sieht § 64 Abs. 1 [X.] --im Sinne einer Gegenausnahme-- vor, dass dieser Begünstigungsausschluss nicht zum Tragen kommt und damit die Steuerbefreiungen zu gewähren sind, soweit der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb ein Zweckbetrieb i.S. der §§ 65 bis 68 [X.] ist.

2. Zwischen den Beteiligten ist nicht umstritten, dass die Klägerin sowohl nach ihrer Satzung als auch nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke --nämlich die Förderung der Jugend- und Altenhilfe sowie des [X.] (vgl. § 52 Abs. 2 Nr. 2 [X.] in der für die Streitjahre geltenden Fassung --[X.] a.F.-- i.V.m. § 66 Abs. 2 [X.]; zu arbeitstherapeutischen Beschäftigungsgesellschaften sowie berufsvorbereitender Hilfe für Arbeitslose vgl. [X.]surteile vom 26. April 1995 I R 35/93, [X.], 339, [X.] 1995, 767; vom 17. Februar 2010 I R 2/08, [X.], 388, [X.] 2010, 1006; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 66 [X.] Rz [X.] verfolgt hat. Dies entspricht auch den der Klägerin erteilten [X.], die sie --vorbehaltlich der von ihr unterhaltenen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe-- für die Streitjahre nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 KStG 1999/2002 als gemeinnützige Körperschaft von der Körperschaftsteuer befreit hatten. Zweifelsfrei ist ferner, dass die Klägerin u.a. mit ihrem Mahlzeitendienst einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 14 [X.]) unterhalten hat und dieser nicht als Zweckbetrieb i.S. von § 66 [X.] anzusehen ist. Von dieser Vorschrift werden besondere Einrichtungen der Wohlfahrtspflege erfasst, deren Leistungen zu mindestens zwei Dritteln den in § 53 [X.] genannten bedürftigen Personen zugute kommen. Dass diese Voraussetzung nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) dann nicht erfüllt wird, wenn die Leistungen unmittelbar gegenüber anderen gemeinnützigen oder sonstigen Einrichtungen erbracht werden (hier: Lieferungen an das Jugendsozialwerk) und deshalb den in § 53 [X.] genannten Personenkreis nur mittelbar begünstigen ([X.]-Urteile vom 18. Oktober 1990 V R 76/89, [X.]E 162, 510, [X.] 1991, 268 zu [X.]; vom 18. März 2004 V R 101/01, [X.]E 205, 342, [X.] 2004, 798 zu [X.]; [X.]surteile in [X.], 388, [X.] 2010, 1006; vom 16. Dezember 2009 I R 49/08, [X.], 53, [X.] 2011, 398), wird von der Klägerin nach ihrem Vortrag in der Revisionsinstanz nicht mehr in Frage gestellt. Der [X.] sieht deshalb von weiteren Ausführungen hierzu ab.

3. Auch wenn hiernach im Hinblick auf die [X.] an das Jugendsozialwerk die Anforderungen des § 66 [X.] nicht gegeben sind, so schließt dies nicht aus, dass die Klägerin mit ihrem Mahlzeitendienst einen Zweckbetrieb nach den allgemeinen Merkmalen des § 65 [X.] unterhalten haben könnte (vgl. z.B. [X.]-Urteil in [X.]E 205, 342, [X.] 2004, 798 zu [X.]; [X.]surteile in [X.], 388, [X.] 2010, 1006; in [X.], 53, [X.] 2011, 398 zu II.4.). Gleiches gilt mit Rücksicht darauf, dass das [X.] --aufgrund der im Rahmen der Betriebsprüfung vorgelegten [X.] den Teilbereich "Essen auf Rädern" als ein in besonderem Maße den in § 53 genannten Personen dienender Mahlzeitendienst und damit als Zweckbetrieb i.S. von § 68 Nr. 1 [X.] angesehen hat (vgl. Tipke in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 68 [X.] Rz 1). Auch dieser Vorschrift, die als spezialgesetzliche Regelung § 65 [X.] vorgeht ([X.]surteil vom 4. Juni 2003 I R 25/02, [X.]E 202, 391, [X.] 2004, 660; BTDrucks 11/4176, S. 12), ist kein abschließender Regelungscharakter des Inhalts beizumessen, dass für die Qualifikation der [X.] --also auch für solche, die die Voraussetzungen nach § 68 Nr. 1 [X.] nicht erfüllen (im Streitfall die Lieferungen an das [X.] ein Rückgriff auf den Tatbestand des Zweckbetriebs i.S. von § 65 [X.] gesperrt wäre [X.]/ Gersch, [X.], 11. Aufl., § 68 Rz 1). Hiervon ist erkennbar auch die Vorinstanz ausgegangen. Ihre tatsächlichen Feststellungen gestatten jedoch keine Entscheidung darüber, ob der von der Klägerin unterhaltene Mahlzeitendienst --auch soweit er vom [X.] nicht als steuerbefreit angesehen worden ist-- den kumulativ (s. dazu [X.]-Urteil vom 9. April 1987 V R 150/78, [X.]E 149, 319, [X.] 1987, 659) zu erfüllenden Anforderungen des § 65 Nrn. 1 bis 3 [X.] genügt hat. Danach ist ein Zweckbetrieb gegeben, wenn (Nr. 1) der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb in seiner Gesamtrichtung dazu dient, die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen, (Nr. 2) die Zwecke nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb erreicht werden können und (Nr. 3) der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlichen Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb tritt, als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist.

a) Nach dem vorinstanzlichen Urteil entsprach der Einsatz der [X.] (Langzeitarbeitslose) im Mahlzeitendienst dem gemeinnützigen Satzungszweck der Klägerin, Personen mit Einschränkungen oder geringen Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt zu betreuen, zu qualifizieren und zu beschäftigen und wieder an Arbeit zu gewöhnen (§ 2 GV). Da der [X.] an diese Feststellung gebunden ist (§ 118 Abs. 2 [X.]O), ist davon auszugehen, dass der Mahlzeitendienst damit zugleich auch in seiner Gesamtausrichtung, d.h. mit den ihn begründenden Tätigkeiten, dem steuerbegünstigten Zweck i.S. von § 65 Nr. 1 [X.] diente. Da hierüber zwischen den Beteiligten Einvernehmen besteht, verweist der [X.] insoweit auf sein Urteil in [X.], 339, [X.] 1995, 767.

b) Ferner konnte der satzungsmäßige Zweck der Klägerin nur durch einen solchen am Markt tätigen Geschäftsbetrieb erreicht werden (§ 65 Nr. 2 [X.]), weil nach den gleichfalls bindenden Feststellungen der Vorinstanz das Ziel, die betreuten Personen wieder an die Arbeit zu gewöhnen (§ 2 GV), nur durch deren Einsatz in einem Arbeitsprozess wie dem des [X.]s erreichbar war.

c) Nicht zu folgen vermag der [X.] jedoch der Ansicht der Vorinstanz, nach der im Streitfall bereits deshalb von einem unvermeidbaren Wettbewerb i.S. von § 65 Nr. 3 [X.] auszugehen sei, weil die Leistungen der Klägerin im Rahmen ihres [X.]s ein notwendiges Mittel zur Qualifizierung von [X.] (schwer vermittelbaren Personen, darunter auch ehemaligen Alkoholikern) für den Arbeitsprozess gewesen seien und mit Rücksicht darauf, dass die Klägerin --im Gegensatz zu ihren Wettbewerbern-- in dem [X.] nahezu ausschließlich diesen Personenkreis beschäftigt habe, auch kein "Gebot der Marktzurückhaltung" beachtet werden müsse.

aa) Abgesehen davon, dass nicht nachvollziehbar ist, worauf sich die Aussagen des [X.] zu den Beschäftigten der Wettbewerber der Klägerin stützen, und nach den eigenen Feststellungen der Vorinstanz in der Küche nicht ausschließlich (fünf bis acht) [X.], sondern auch zwei Fachkräfte (Küchenmeister und [X.]) tätig waren, verkennen die vorstehenden Ausführungen den Zweck des § 65 Nr. 3 [X.], der darin besteht, sowohl einen tatsächlich vorhandenen Wettbewerb z.B. vor Marktverdrängung als auch einen möglicherweise erst entstehenden (potentiellen) Wettbewerb vor der Errichtung von (steuerlichen) Marktzutrittsschranken zu schützen ([X.]surteil vom 27. Oktober 1993 I R 60/91, [X.]E 174, 97, [X.] 1994, 573; [X.]sbeschluss vom 19. Juli 2010 I B 203/09, [X.]/NV 2011, 1, jeweils m.w.N.). Hintergrund beider Zielsetzungen ist in verfassungsrechtlicher Sicht die durch Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes verbürgte [X.]neutralität des Staates; danach ist ein von Steuerbefreiungen ausgehender Eingriff in den Wettbewerb nur dann gerechtfertigt, wenn hierfür ein hinreichender sachlicher Grund vorliegt.

(1) Folge hiervon ist zum einen, dass auch dann, wenn eine Körperschaft den Voraussetzungen des § 65 Nrn. 1 und 2 [X.] genügt, im Rahmen der Prüfung des § 65 Nr. 3 [X.], ob die Steuerbegünstigung des Geschäftsbetriebs das Maß des unvermeidbaren [X.]eingriffs wahrt, eine Abwägung zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an einem intakten (d.h. steuerlich nicht beeinflussten) Wettbewerb einerseits und an der steuerlichen Förderung gemeinnütziger Tätigkeiten andererseits erforderlich ist. Sind die von der Körperschaft verfolgten steuerbegünstigten Zwecke auch ohne steuerlich begünstigte entgeltliche Tätigkeit zu erreichen, so ist aus der Sicht des Gemeinnützigkeitsrechts eine Beeinträchtigung des [X.] vermeidbar. Der [X.]gedanke tritt dagegen zurück, wenn die gemeinnützige Körperschaft ihre Dienstleistungen oder Waren einem Personenkreis anbietet, der das Waren- oder Dienstleistungsangebot der steuerpflichtigen Unternehmen überwiegend nicht in Anspruch nimmt. Gleiches gilt, wenn die Leistungen notwendiges Mittel zur Erreichung eines ideellen Zwecks sind, den Wettbewerber ihrerseits nicht verfolgen (vgl. zu allem [X.]surteil in [X.], 388, [X.] 2010, 1006, mit umfangreichen Nachweisen).

(2) Folge der verfassungsrechtlich gebotenen Abwägung ist jedoch nicht nur, dass der in Frage stehende Geschäftsbetrieb dem Grunde nach ein notwendiges Mittel sein muss, den ideellen Zweck der Körperschaft zu erreichen. Vielmehr muss sich der Geschäftsbetrieb auch in seinem Umfang, d.h. in quantitativer Hinsicht auf eine Marktteilnahme beschränken, die zur Erreichung ihrer satzungsmäßigen (steuerbegünstigten) Ziele erforderlich ist. Hierfür spricht nicht nur der insoweit eindeutige Wortlaut des § 65 Nr. 3 [X.], der fordert, dass der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zu nicht begünstigten Betrieben ... nicht in größerem "Umfang" in Wettbewerb tritt, als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke "unvermeidbar" ist. Hinzu kommt, dass der [X.] [X.] das [X.] gleichfalls außer [X.] gelassen [X.] schon bisher von diesem Gesetzesverständnis ausgegangen ist. So hat der erkennende [X.] in seinem Urteil in [X.], 339, [X.] 1995, 767 zu den Lohnaufträgen einer arbeitstherapeutischen Beschäftigungsgesellschaft ausgeführt, dass hierdurch dann ein Zweckbetrieb begründet werde, wenn die gegenüber den Auftraggebern erbrachten Leistungen das ausschließliche Ergebnis der Arbeitstherapie und somit notwendige Folge der Erfüllung des gemeinnützigen Zwecks seien. Der [X.] hat hierbei u.a. an das Urteil des [X.] vom 4. Oktober 1938 VI a 43/38 ([X.] 45, 80, [X.], 92), den Erlass des [X.] vom 11. März 1992 IV B 4 - S 0170 - 32/92 ([X.], 214) sowie die Kommentarliteratur verwiesen (u.a. [X.], Wirtschaftliche Betätigung und steuerliche Gemeinnützigkeit, 1991, 189) und damit zugleich deutlich gemacht, dass ein unvermeidbarer Wettbewerb i.S. von § 65 Nr. 3 [X.] nur dann zu bejahen ist, wenn die Marktteilnahme (z.B. Herstellung und Veräußerung von Waren) nicht den für die berufliche Qualifizierungsmaßnahme notwendigen Umfang überschreitet (ebenso [X.]surteil in [X.]E 202, 391, [X.] 2004, 660). Schließlich hat der [X.] diese Sicht in seinem Beschluss in [X.]/NV 2011, 1 zur Ausbildungseinrichtung (Gastronomiebetrieb) einer gemeinnützigen Körperschaft ausdrücklich bestätigt.

bb) Demnach kann auch im Streitfall nichts anderes gelten. Der [X.] hält auch insofern an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, als im Rahmen der erforderlichen Abwägung der in Frage stehende Sachverhalt einzelfallbezogen zu würdigen ist. Dass hierdurch die Praktikabilität des Gesetzesvollzugs Einschränkungen erfährt, muss bereits deshalb hingenommen werden, weil nach ständiger Rechtsprechung des [X.] Gesichtspunkte der [X.] für sich genommen ein nach dem Gesetzeszweck der in Frage stehenden Vorschrift gebotenes --und vorliegend zudem auch verfassungsrechtlich fundiertes-- differenzierendes [X.] nicht zu hindern vermögen (z.B. [X.]-Urteile vom 16. November 2005 [X.], [X.]E 211, 518, [X.] 2008, 62; vom 20. November 2006 VIII R 47/05, [X.]E 216, 103, [X.] 2008, 69).

cc) Das [X.] wird deshalb im zweiten Rechtsgang zunächst zu überprüfen haben, ob [X.] dem [X.] naheliegend erscheint-- in den Streitjahren zwischen der Klägerin und anderen Anbietern (Essenslieferanten) ein tatsächlicher oder zumindest ein potentieller Wettbewerb bestanden hat. Sollte dies zu bejahen sein, so wird die Vorinstanz ferner Feststellungen dazu zu treffen haben, ob der Umfang des [X.]s der Klägerin (einschließlich der bisher vom [X.] als steuerbefreit anerkannten Teilbereiche) den für die Erreichung ihres gemeinnützigen Zwecks erforderlichen Umfang überschritten hatte. Maßgeblich hierfür ist demnach das Verhältnis zwischen der Anzahl der im Essensdienst der Klägerin beschäftigten [X.] (nach Feststellung des [X.] fünf bis acht Personen) sowie der Art ihrer Tätigkeit einerseits und die für ihre Wiedereingliederung in den normalen Arbeitsprozess erforderliche (notwendige) Marktteilnahme des [X.]s andererseits. Hierbei wird das [X.] auch die Anzahl der in der Küche täglich zubereiteten Essen und die hieraus von der Klägerin tatsächlich erzielten Umsätze und Gewinne zu gewichten haben. Zudem wird das [X.] den Umstand zu würdigen haben, dass nach dem Vortrag des [X.] in der Revisionsinstanz die Klägerin ihre zunächst ausgelastete Küche aufgrund des Auftrags des Jugendsozialwerks umgebaut hat und hierdurch [X.] das [X.] weiter-- der Gesamtumsatz über das erforderliche Maß hinaus (Lieferung von 100 bis 150 Essen täglich) erheblich gesteigert worden sei.

4. Die Sache ist somit an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Dieser wird auch die Entscheidung über die gesamten Kosten des Verfahrens übertragen (§ 143 Abs. 2 [X.]O).

Meta

I R 71/11

13.06.2012

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend Thüringer Finanzgericht, 29. September 2011, Az: 2 K 29/09, Urteil

§ 65 Nr 3 AO, § 3 Nr 6 GewStG 2002, § 5 Abs 1 S 1 Nr 9 KStG 2002, § 5 Abs 1 S 1 Nr 9 KStG 1999, § 3 Nr 6 GewStG 1999

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 13.06.2012, Az. I R 71/11 (REWIS RS 2012, 5689)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5689

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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