Bundesfinanzhof, Urteil vom 18.08.2022, Az. V R 49/19

5. Senat | REWIS RS 2022, 8418

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Gegenstand

Allgemeiner Zweckbetrieb einer Beschäftigungsgesellschaft


Leitsatz

Entgeltliche Dienstleistungen einer arbeitstherapeutischen Beschäftigungsgesellschaft begründen einen allgemeinen Zweckbetrieb nur dann, wenn die gegenüber ihren Auftraggebern erbrachten Leistungen das ausschließliche Ergebnis der Arbeitstherapie und somit notwendige Folge der Erfüllung des gemeinnützigen Zwecks sind (Bestätigung der BFH-Rechtsprechung).

Tenor

Auf die Revision der Beigeladenen wird das Urteil des [X.] vom [X.] - 6 K 3315/17 K,[X.] aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob es sich bei der Wäscherei der Beigeladenen und Revisionsklägerin (Beigeladene) in den Jahren 2012 und 2013 (Streitjahre) um einen Zweckbetrieb handelte.

2

Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine [X.]mb[X.], die in [X.] ein auf die textile Vollversorgung von Krankenhäusern und Seniorenheimen mit Mietwäsche spezialisiertes Dienstleistungsunternehmen für Textilpflege betreibt.

3

Die Beigeladene mit Sitz in [X.] ist eine wegen Förderung des [X.] nach § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 der Abgabenordnung ([X.]) als gemeinnützig anerkannte [X.]mb[X.], deren alleiniger [X.]esellschafter … e.V. ist. Ihr Unternehmensgegenstand besteht in … . Die Angebote der Beigeladenen richten sich insbesondere an schwer vermittelbare Arbeitslose. Ziel der Beigeladenen ist es, die von ihr betreuten Beschäftigten durch Rehabilitation und Resozialisierung wieder in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren. Zudem bietet die Beigeladene Kontakt- und Betreuungsangebote mit [X.] Charakter für Jugendliche und Erwachsene mit Behinderung.

4

Die Beigeladene ist alleinige [X.]esellschafterin der A-[X.]mb[X.] und der B-g[X.]mb[X.]. Die A-[X.]mb[X.] betreibt insbesondere die Bereitstellung … von Textilien für Einrichtungen des [X.]esundheits- und Pflegewesens und erzielte in den Streitjahren [X.]ewinne in [X.]öhe von … € (bei Umsätzen von ca. … €) und von … € (bei Umsätzen von ca. … €). [X.]egenstand der B-g[X.]mb[X.] sind … . Bei Umsätzen von jeweils ca. … € erzielte sie in 2012 einen Jahresüberschuss von ca. … € und in 2013 von ca. … €.

5

Die Beigeladene betrieb in den Streitjahren zur Beschäftigung von langzeitarbeitslosen Menschen mit besonderen Einschränkungen und von Menschen mit Behinderung u.a. eine [X.]roßwäscherei. Ausweislich ihres Lageberichts bot sie zusammen mit ihren Tochtergesellschaften maßgeschneiderte Leistungspakete an. Obwohl die Marktsituation durch einen Verdrängungswettbewerb gekennzeichnet sei, beurteilte sie ihre Stellung im Sektor der Senioren- und Altenheime als sehr gut. Die Ausrichtung der A-[X.]mb[X.] auf den Bereich der Mietwäsche sichere den [X.] ab. [X.]ier werde in den nächsten Jahren der Schwerpunkt der Tätigkeit liegen.

6

Nach [X.]ewinnen zwischen … € und … € in den Jahren 2009 bis 2011 erzielte die Beigeladene im Streitjahr 2012 einen [X.]ewinn in [X.]öhe von ca. … € (bei Umsätzen von insgesamt ca. … €, davon ca. … € aus dem Betrieb der Wäscherei) und im Streitjahr 2013 einen [X.]ewinn in [X.]öhe von ca. … € (bei Umsätzen in [X.]öhe von insgesamt ca. … €, davon ca. … € aus dem Betrieb der Wäscherei).

7

Die Beigeladene war der Auffassung, dass es sich bei der Wäscherei gleichwohl um einen allgemeinen Zweckbetrieb handele. Dementsprechend setzte der Beklagte (Finanzamt --[X.]--) die Körperschaftsteuer und den [X.]ewerbesteuermessbetrag der Streitjahre erklärungsgemäß fest.

8

Die Klägerin beantragte beim [X.] erfolglos, die [X.] sowie die [X.]ewerbesteuermessbescheide (einschließlich der Bescheide über die Feststellung des vortragsfähigen [X.]ewerbeverlustes) der Beigeladenen für 2012 bis 2014 zu ändern, weil die Wäscherei als wirtschaftlicher [X.]eschäftsbetrieb anzusehen sei. Ihren Einspruch gegen die Ablehnung ihrer Änderungsanträge wies das [X.] --nach [X.]inzuziehung der [X.] als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen des § 65 [X.] lägen hinsichtlich der Wäscherei vor, insbesondere trete die Beigeladene mit anderen [X.]en nicht über das unvermeidbare Maß hinaus in Wettbewerb.

9

Mit der hiergegen gerichteten Konkurrentenklage beantragte die Klägerin, die Steuerfestsetzungen der Beigeladenen für 2012 und 2013 dahingehend zu ändern, dass der Betrieb der Wäscherei als steuerpflichtiger wirtschaftlicher [X.]eschäftsbetrieb behandelt wird. Das Finanzgericht (F[X.]) gab der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2020, 65 veröffentlichten Urteil statt und begründete dies damit, dass die Beigeladene in drei aufeinanderfolgenden [X.] jeweils [X.]ewinne erwirtschaftet habe, die ihren konkreten Finanzierungsbedarf überstiegen. In diesem Falle sei --entsprechend dem Schreiben des [X.] ([X.]) vom 06.12.2017 (BStBl I 2017, [X.] widerlegbar von einer zweckbetriebsschädlichen Absicht der Körperschaft auszugehen, den Zweckbetrieb des Erwerbs wegen auszuüben. Zudem führe das enge Zusammenwirken der Beigeladenen mit ihrer gewerblichen Tochtergesellschaft dazu, dass die [X.]ewerblichkeit der Tochtergesellschaft auf die Beigeladene abfärbe.

[X.]iergegen wendet sich die Beigeladene mit der Revision. Die Klage sei bereits unzulässig. Die Klägerin habe im finanzgerichtlichen Verfahren --unter Verstoß gegen ihre prozessuale Wahrheitspflicht-- eine nachteilige Wettbewerbsverzerrung damit begründet, dass sie ein mittelständisches Unternehmen sei und im bestehenden Verdrängungswettbewerb voraussichtlich gegen die Beigeladene unterliegen werde. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin hätten während des finanzgerichtlichen Verfahrens den Verkauf sowie die Eingliederung der Klägerin in den K-Konzern beratend begleitet. Auch wenn die Eingliederung der Klägerin in diesen Konzern erst nach den Streitjahren vollzogen wurde, sei nicht zu befürchten, dass die Klägerin von ihr, der Beigeladenen, aus dem Markt verdrängt werden könne. Die Entwicklung ihrer [X.]eschäftsergebnisse in den Folgejahren zeige vielmehr, dass sie, die Beigeladene, von der Klägerin aus dem Markt gedrängt werde. Zudem habe die Klägerin keine konkrete Wettbewerbsrelevanz dargelegt. Es fehle insbesondere die Darlegung ihrer eigenen wirtschaftlichen Situation und ihrer Marktstrategie. Die Klägerin habe auch keine auf der Steuerbegünstigung der Beigeladenen beruhende Rechtsverletzung geltend gemacht.

In der Sache sei die Entscheidung des F[X.] rechtsfehlerhaft, weil die [X.]öhe des ausgewiesenen [X.]ewinns ein ungeeigneter Maßstab für eine gemeinnützigkeitsrechtliche Bewertung sei. Der [X.] (BF[X.]) stelle in seinem Urteil vom 27.11.2013 - I R 17/12 (BF[X.]E 244, 194, [X.], 68, Rz 44 f.) auf den nachhaltigen Mittelbedarf ab; dieser umfasse auch die Tilgung der langfristigen Kredite. Ihre Zusammenarbeit mit der gewerblich tätigen Tochtergesellschaft führe nicht zu einer gemeinnützigkeitsschädlichen Abfärbung. Ergänzend trägt die Beigeladene vor, ihr Betrieb erfülle die Voraussetzungen eines allgemeinen Zweckbetriebs nach § 65 [X.], der nicht rechtswidrig zu günstig besteuert worden sei. Die Integration von [X.] erfolge im Rahmen von Einzelprojekten, die mit Zuschüssen der Arbeits- und Sozialverwaltung gefördert würden. Im [X.]inblick auf praktische Probleme müsse die [X.] vorbehaltlich zwingender Vorgaben der Sozial- und Arbeitsverwaltung geprüft werden. Zudem sei im Rahmen der Wettbewerbsprüfung der zur Bevorzugung von Beschäftigungsgesellschaften führende Wertewandel zu berücksichtigen. Dieser Wertewandel habe dazu geführt, dass --zur Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben (Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie ([X.]) 2014/24 des [X.] und des Rates vom 26.02.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe)-- die öffentlichen Auftraggeber das Recht zur Teilnahme an Vergabeverfahren bestimmten Werkstätten für Menschen mit Behinderung sowie solchen Unternehmen vorbehalten können, deren [X.]auptzweck die [X.] und berufliche Integration von Menschen mit Behinderung oder von benachteiligten Personen ist (§ 118 des [X.]esetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen --[X.]WB-- i.d.[X.]. 1 Nr. 2 des [X.]esetzes zur Modernisierung des Vergaberechts vom 17.02.2016, B[X.]Bl I 2016, 203). Dabei sei die Förderung der Integration von Menschen mit Behinderungen und von benachteiligten Personen an eine Beschäftigungsquote von 30 % geknüpft (§ 118 Abs. 2 [X.]WB).

Schließlich sei ihr Anspruch auf rechtliches [X.]ehör dadurch verletzt worden, dass das F[X.] sein Urteil u.a. mit der wirtschaftlichen Situation ihrer Tochtergesellschaft begründet habe.

Die Beigeladene beantragt,
das Urteil des F[X.] aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beigeladenen als unbegründet zurückzuweisen.

Die Klage sei zulässig und der neue Sachvortrag der Beigeladenen im Revisionsverfahren nicht zu berücksichtigen. Auf den späteren Wechsel der [X.]esellschafter komme es ebenso wenig an wie auf die weitere wirtschaftliche Entwicklung der Beigeladenen, weil die Verhältnisse in den Streitjahren maßgeblich seien. Im Übrigen sei allein die Wettbewerbssituation zwischen der Beigeladenen und der Klägerin entscheidend, sodass es auf ihre [X.]esellschafterstruktur nicht ankomme.

Die gegen § 65 [X.] verstoßende Besteuerung der Beigeladenen beeinträchtige das Recht der Klägerin auf Teilnahme an einem steuerrechtlich nicht rechtswidrig zu ihrem Nachteil verfälschten Wettbewerb. Sie habe im finanzgerichtlichen Verfahren die Nettoumsatzrendite sowie die Entwicklungen der [X.] und der Umsatzerlöse der Klägerin und der Beigeladenen verglichen und verschiedene Vergabeverfahren aufgeführt, in denen sie der Beigeladenen unterlegen gewesen sei. Sie habe ferner konkrete Kunden benannt, die von der Beigeladenen aufgrund des günstigeren Preises abgeworben worden seien; dies betreffe ein [X.]esamtvolumen von ca. 1 400 Betten.

Die Vorentscheidung entspreche auch materiellem Recht. Der [X.] diene nicht der Verwirklichung des gemeinnützigen Zwecks, da er vorrangig auf [X.]ewinnerzielung ausgerichtet sei. Die erzielten [X.]ewinne hätten den konkreten Finanzierungsbedarf überstiegen. Die Beigeladene trete mit ihrer Wäscherei und im Zusammenwirken mit ihrer gewerblichen Tochtergesellschaft zu nicht begünstigten [X.]en in einen Wettbewerb, der deutlich über das bei Erfüllung des steuerbegünstigten Zwecks unvermeidbare Maß hinausgehe.

Das [X.] hat keinen Antrag gestellt und auch keine Stellungnahme abgegeben.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der [X.] gegen das auf eine zulässige Konkurrentenklage ergangene Sachurteil des [X.] ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat unter Verstoß gegen § 65 Nr. 1 [X.] die [X.] des von der [X.] unterhaltenen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs "Wäscherei" verneint. Für eine abschließende Entscheidung des Senats bedarf es weiterer Feststellungen durch das [X.].

1. Entgegen der Ansicht der [X.] hat das [X.] die Zulässigkeit der Konkurrentenklage im Ergebnis zu Recht bejaht.

a) Für die Zulässigkeit der Konkurrentenklage (Klagebefugnis) hat der Kläger nach dem BFH-Urteil vom 15.10.1997 - I R 10/92 ([X.], 212, [X.] 1998, 63, unter II.B.5.) nicht nur ein Konkurrenzverhältnis schlüssig darzulegen (BFH-Urteil in [X.], 212, [X.] 1998, 63, unter [X.]), sondern auch die Wettbewerbsrelevanz der Nichtbesteuerung (BFH-Urteil in [X.], 212, [X.] 1998, 63, unter II.B.5.b); hierzu bedarf es detaillierter Angaben zum Wettbewerbsverhältnis (gleicher Kundenkreis, gleichartiges Güterangebot) und zu den Auswirkungen einer Nichtbesteuerung auf das Wettbewerbsverhältnis (z.B. Verdrängungseffekte durch günstigere Preise). Maßgeblich für die Zulässigkeit einer Konkurrentenklage ist insoweit, dass das Klagevorbringen es als möglich erscheinen lässt, dass die angefochtene Entscheidung eigene subjektiv-öffentliche Rechte des [X.] verletzt. Die Klagebefugnis ist hingegen dann nicht gegeben, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise die vom Kläger geltend gemachten Rechte bestehen oder ihm zustehen können (BFH-Urteil vom 25.09.2019 - I R 82/17, [X.], 516, [X.] 2020, 229, Rz 29).

b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das [X.] im Ergebnis zu Recht bejaht, dass die Klägerin die Möglichkeit einer Rechtsverletzung hinreichend dargelegt hat. Zum Konkurrenzverhältnis hatte die Klägerin insbesondere vorgetragen, ihre Wäscherei sei lediglich 10 km vom Standort der Wäscherei der [X.] entfernt und habe daher denselben örtlichen Einzugsbereich. Beide erbrächten mit Wäschereileistungen aus dem Bereich der textilen Vollversorgung dieselben Leistungen und hätten ihre Kunden nahezu ausschließlich in den Sektoren Krankenhäuser sowie Alten- und Pflegeheime. Dementsprechend konkurriere sie regelmäßig bei Ausschreibungen mit der [X.]; zudem habe die Beigeladene diverse Großkunden von ihr abwerben können, weil diese aufgrund der steuerlichen Begünstigung niedrigere Preise anbieten könne. Die Wettbewerbsrelevanz der Nichtbesteuerung folgt bereits daraus, dass selbst nach der eigenen Einschätzung der [X.] in ihren Lageberichten zwischen ihr und der Klägerin ein Verdrängungswettbewerb stattfinde. Soweit die Beigeladene auf die weitere Entwicklung nach den Streitjahren verweist, berücksichtigt sie nicht hinreichend das für die Körperschaft- und Gewerbesteuer geltende Prinzip der Abschnittsbesteuerung (Jahressteuerprinzip).

Entgegen der Auffassung der [X.] sind keine weitergehenden Anforderungen im Sinne einer "spezifischen Benachteiligung" an die Geltendmachung einer Verletzung eigener Rechte zu stellen. Ob die von der Klägerin als möglich erachtete Rechtsverletzung tatsächlich vorliegt, ist eine Frage der Begründetheit der Klage.

2. Die Revision der [X.] ist begründet. Das [X.] hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass die [X.] einer gemeinnützigen Beschäftigungsgesellschaft bereits dadurch gemäß § 65 Nr. 1 [X.] ausgeschlossen sei, dass der Zweckbetrieb in drei aufeinanderfolgenden [X.] erhebliche Gewinne erzielt.

Die entgeltliche Tätigkeit einer gemeinnützigen Körperschaft ist von der Körperschaftsteuer (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes [X.]. § 64 Abs. 1 [X.]) und der Gewerbesteuer (§ 3 Nr. 6 des Gewerbesteuergesetzes [X.]. § 64 Abs. 1 [X.]) befreit, wenn der mit dieser selbständigen und nachhaltigen Tätigkeit begründete wirtschaftliche Geschäftsbetrieb (§ 14 [X.]) die Voraussetzungen eines allgemeinen Zweckbetriebs nach § 65 [X.] erfüllt.

a) Ein Zweckbetrieb setzt insbesondere voraus, dass der Betrieb in seiner Gesamtrichtung dazu dient, die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen (§ 65 Nr. 1 [X.]).

Nach ständiger Rechtsprechung verlangt dies, dass der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb mit den ihn begründenden Tätigkeiten und nicht nur mit den durch ihn erzielten Einnahmen unmittelbar der Verwirklichung des steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecks dient (BFH-Urteile vom 17.02.2010 - I R 2/08, [X.], 388, [X.] 2010, 1006, Rz 26; vom 06.04.2005 - I R 85/04, [X.], 345, [X.] 2005, 545, unter [X.], und vom 26.04.1995 - I R 35/93, [X.], 339, [X.] 1995, 767, unter II.3.). Die Feststellung dieser Voraussetzung bedarf einer Gesamtwürdigung anhand des objektiven Charakters der Betätigung (BFH-Urteil vom [X.] - I R 15/07, [X.], 405, [X.] 2011, 475; Senatsurteil vom [X.] - V R 54/09, [X.], 289, [X.] 2011, 191, Rz 31).

b) Im Gegensatz hierzu hat das [X.] die [X.] damit verneint, dass die Beigeladene in drei aufeinanderfolgenden [X.] erhebliche Gewinne erzielt habe. Es hat sich insoweit dem Schreiben des [X.], 1603 angeschlossen, das aber ebenso wie das dort in Bezug genommene BFH-Urteil in [X.], 194, [X.] 2016, 68 Zweckbetriebe der [X.] nach § 66 [X.] und die Frage betrifft, unter welchen Voraussetzungen die [X.] "nicht des Erwerbs wegen" (§ 66 Abs. 2 Satz 1 [X.]) ausgeübt wird. Damit hat das [X.] verkannt, dass es nicht zulässig ist, die Einschränkung des § 66 Abs. 2 [X.] in die allgemeine Definition des Zweckbetriebs nach § 65 [X.] "hineinzulesen" (ebenso [X.], [X.] 2021, 57 ff., 66).

c) Abweichendes ergibt sich nicht aus dem vom [X.] herangezogenen Senatsurteil vom 21.09.2016 - V R 50/15 ([X.], 216, [X.] 2017, 1173, Rz 47). Zwar hat der Senat dort entschieden, dass eine Tätigkeit in ihrer Gesamtrichtung nur dann den steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecken dient, wenn durch die Förderung der in der Satzung der Körperschaft dienenden Zwecke Einnahmen erzielt werden und sich das erhobene Entgelt insoweit letztlich an dem Prinzip der Kostendeckung orientiert (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 26.06.2019 - V R 70/17, [X.], 417, [X.] 2019, 654, Rz 11) und dass diese Voraussetzung beispielsweise nicht erfüllt ist, wenn ein Zweckbetrieb der [X.] im Wesentlichen um des Erwerbs Willen anstatt zum Wohle der Allgemeinheit tätig wird. Dem kommt indes keine andere Bedeutung zu, als dass ein nach § 65 Nr. 1 [X.] schädliches Gewinnstreben erst dann anzunehmen ist, wenn die Erfüllung der steuerbegünstigten [X.] gegenüber der Absicht zur Erzielung von finanziellen Überschüssen in den Hintergrund tritt. Eine Gewinnerzielung in drei aufeinanderfolgenden Jahren reicht hierfür nicht aus.

d) Die Entscheidung des [X.] stellt sich auch nicht unter Berücksichtigung der Hilfsbegründung des [X.] zur Abfärbung der Gewerblichkeit einer Tochtergesellschaft als zutreffend dar. Insoweit ist bereits nicht ersichtlich, in welchem Zusammenhang dies zu den in § 65 [X.] genannten Kriterien steht.

3. Die Sache ist mangels Spruchreife zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen. Es sind weitere tatsächliche Feststellungen des [X.] erforderlich, um entscheiden zu können, ob der von der [X.] unterhaltene wirtschaftliche Geschäftsbetrieb "Wäscherei" die Voraussetzungen eines allgemeinen Zweckbetriebs i.S. des § 65 [X.] erfüllt.

a) Führt eine Körperschaft, die schwer vermittelbare Arbeitslose arbeitstherapeutisch beschäftigt und berufs- und sozialpädagogisch betreut, um dadurch deren Eingliederung in den normalen Arbeitsprozess zu fördern (arbeitstherapeutische Beschäftigungsgesellschaften), und die --wie im Streitfall die [X.] wegen "Förderung des [X.]" nach § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 [X.] (vgl. [X.] in Tipke/[X.], § 52 [X.] Rz 32) gemeinnützig ist, entgeltliche Dienstleistungen für Dritte aus, um den von ihnen geförderten Personen eine sinnvolle Arbeitstherapie anzubieten, die keine Zweckbetriebe nach § 66 [X.] oder § 68 Nr. 3 Buchst. c [X.] a.F. begründen, schließt dies --wovon das [X.] zu Recht [X.] nicht aus, dass die jeweilige Körperschaft einen allgemeinen Zweckbetrieb nach § 65 [X.] unterhält (Senatsurteil in [X.], 216, [X.] 2017, 1173, Rz 44; BFH-Urteil vom 13.06.2012 - I R 71/11, [X.], 89, Rz 11). Allerdings ergibt sich diese [X.] nicht bereits daraus, dass die wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe von Körperschaften den von Arbeitslosigkeit bedrohten Personen oder Arbeitslosen eine Beschäftigungsmöglichkeit bieten (BFH-Urteil in [X.], 339, [X.] 1995, 767, Rz 24).

b) Vielmehr sind nach Maßgabe dieser BFH-Rechtsprechung die Voraussetzungen des § 65 [X.] eingehend zu prüfen.

aa) Dabei kommt es darauf an,

-    

ob Lohnaufträge nur ausgeführt werden, um Klienten mit sinnvoller Arbeit zu beschäftigen und dadurch den steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zweck --die (Wieder-)Eingliederung von schwer vermittelbaren Arbeitslosen in den normalen [X.] verwirklichen zu können (BFH-Urteil in [X.], 339, [X.] 1995, 767, Rz 18 zu § 65 Nr. 1 [X.]),

-   

ob erst die Lohnaufträge es ermöglichen, Klienten mit Arbeiten zu beschäftigen, die für die Klienten und ihre künftigen Arbeitgeber klar erkennbar wirtschaftlich sinnvoll und damit praxisrelevant waren, was eine Grundvoraussetzung für eine Wiedereingliederung von [X.] in den normalen Arbeitsprozess ist (BFH-Urteil in [X.], 339, [X.] 1995, 767, Rz 19 zu § 65 Nr. 2 [X.]) und

-       

ob der Wettbewerb mit anderen --steuerpflichtigen-- Betrieben, die vergleichbare Lohnaufträge ausführen oder ausführen wollen, für die Erfüllung des steuerbegünstigten Zwecks unvermeidbar ist, da Aufträge übernommen werden müssen, um den Klienten eine sinnvolle Arbeitstherapie anzubieten, da diese ohne die Lohnaufträge nicht in einen normalen Arbeitsprozess eingegliedert werden können. Werden nur Klienten mit den Arbeiten für die Lohnauftraggeber beschäftigt, sind die Leistungen an die Auftraggeber ausschließlich Ergebnis der Arbeitstherapie und somit notwendige Folge der Erfüllung des von der Klägerin verfolgten gemeinnützigen Zwecks. In derartigen Fällen besteht ein hinreichend sachlicher Grund für eine steuerrechtliche Begünstigung gegenüber den Wettbewerbern (vgl. BFH-Urteil in [X.], 339, [X.] 1995, 767, Rz 22 zu § 65 Nr. 3 [X.]).

Bei [X.]n einer arbeitstherapeutischen Beschäftigungsgesellschaft wird ein Zweckbetrieb somit nur dann begründet, wenn die gegenüber den Auftraggebern erbrachten Leistungen das "ausschließliche Ergebnis der Arbeitstherapie und somit notwendige Folge der Erfüllung des gemeinnützigen Zwecks" sind (BFH-Urteile in [X.], 89, Rz 17, und in [X.], 339, [X.] 1995, 767, Rz 22). Dies schließt es zwar nicht aus, dass die Beschäftigungsgesellschaft auch nicht förderungsbedürftige Mitarbeiter bei der Ausführung von [X.]n einsetzt. Dies gilt jedoch nur, soweit die nicht förderungsbedürftigen Mitarbeiter lediglich in einer Weise oder in einem Umfang tätig werden, der zum Erreichen der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist, etwa weil dies vor allem der Ausbildung, Anleitung oder Beaufsichtigung der förderungsbedürftigen Mitarbeiter dient. Ein unvermeidbarer Wettbewerb i.S. von § 65 Nr. 3 [X.] liegt dagegen nicht mehr vor, wenn die Marktteilnahme den für die Integrationsarbeit notwendigen Umfang überschreitet (vgl. BFH-Urteil in [X.], 89, Rz 17).

bb) Entgegen der Ansicht der [X.] gelten diese Anforderungen auch im Falle von praktischen Problemen nicht nur "vorbehaltlich zwingender Vorgaben der Sozial- und Arbeitsverwaltung". Eine Rechtsgrundlage für diese Auffassung ist nicht ersichtlich. Wer --wie die [X.] steuerliche Begünstigungen in Anspruch nehmen möchte, hat die daran geknüpften Voraussetzungen zu erfüllen. Dabei besteht keine Bindung zwischen Arbeits- und Sozialversicherungsrecht einerseits und Steuerrecht andererseits (vgl. zur fehlenden Bindungswirkung auch BFH-Urteil vom [X.], [X.], 33, [X.] 2012, 262, unter [X.], sowie Senatsbeschluss vom 17.02.2006 - V B 103/05, [X.], 1361).

cc) Die Privilegierung von Werkstätten für Menschen mit Behinderungen und bestimmten Integrationsunternehmen durch § 118 Abs. 2 GWB führt ebenfalls nicht zu einer Änderung der [X.] für allgemeine Zweckbetriebe i.S. von § 65 [X.]. Denn derartige Werkstätten, Einrichtungen für Beschäftigungs- und Arbeitstherapie sowie bestimmte Inklusionsbetriebe i.S. des § 215 Abs. 1 des [X.] ([X.]) werden steuerrechtlich bereits unter den Voraussetzungen des § 68 Nr. 3 Buchst. a bis c [X.] als besondere Zweckbetriebe anerkannt.

Obwohl das Sozialrecht vor dem Hintergrund einer Harmonisierung mit dem Vergaberecht (vgl. hierzu BTDrucks 18/9522, S. 310) für Inklusionsbetriebe eine Beschäftigungsquote von mindestens 30 % an besonders betroffenen schwerbehinderten Menschen genügen lässt (§ 215 Abs. 3 [X.]), hat der Steuergesetzgeber die Beschäftigungsquote in § 68 Nr. 3 Buchst. c [X.] auf mindestens 40 % erhöht. Diese spezialgesetzliche Entscheidung des Gesetzgebers (vgl. BTDrucks 15/2357, S. 15, 16) kann nicht unter Bezugnahme auf § 118 Abs. 2 GWB konterkariert und auf 30 % vermindert werden. Zum einen ist § 118 Abs. 2 GWB erst nach den Streitjahren in [X.] getreten und zum anderen ist weder vorgetragen noch für den Senat ersichtlich, dass die Beigeladene bei unstreitiger Nichterfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 68 Nr. 3 Buchst. c [X.] (sog. 40 %-Quote) in den Streitjahren eine Mindestbeschäftigungsquote von 30 % erreicht hätte.

c) Die zur Prüfung der o.g. Voraussetzungen erforderlichen Feststellungen sind vom [X.] in einem zweiten Rechtsgang nachzuholen. Ergänzend wird das [X.] die Senatsurteile vom 26.08.2021 - V R 5/19 ([X.], 284, Rz 37) sowie vom 30.03.2000 - V R 30/99 ([X.], 434, [X.] 2000, 705, unter [X.]) --zur Frage eines Wettbewerbsverhältnisses-- zu berücksichtigen und eine Abwägung vorzunehmen haben zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an einem intakten (d.h. steuerlich nicht beeinflussten) Wettbewerb einerseits und der steuerlichen Förderung gemeinnütziger Tätigkeiten andererseits (vgl. Senatsurteil in [X.], 284, Rz 36; BFH-Urteil in [X.], 89). Im Rahmen dieser Abwägung ist zu berücksichtigen, dass sich der Geschäftsbetrieb in seinem Umfang auf eine Marktteilnahme beschränken muss, die zur Erreichung der satzungsmäßigen (steuerbegünstigten) Ziele erforderlich ist.

4. Auf den von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensfehler (Verletzung des rechtlichen Gehörs) kommt es im Hinblick auf die Zurückverweisung an das [X.] ebenso wenig an wie auf die Frage, ob die Klägerin das zu ihren Gunsten ergangene [X.]-Urteil durch den von der [X.] behaupteten "Prozessbetrug" erwirkt hat.

5. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das [X.] beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

V R 49/19

18.08.2022

Bundesfinanzhof 5. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 3. September 2019, Az: 6 K 3315/17 K,G, Urteil

§ 14 AO, § 52 Abs 2 S 1 Nr 9 AO, § 64 AO, § 65 AO, § 66 AO, § 68 Nr 3 AO, § 5 Abs 1 Nr 9 KStG 2002, § 3 Nr 6 GewStG 2002, KStG VZ 2012, KStG VZ 2013, GewStG VZ 2012, GewStG VZ 2013, § 118 Abs 2 GWB, § 215 Abs 3 SGB 9

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 18.08.2022, Az. V R 49/19 (REWIS RS 2022, 8418)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 8418 NJW 2023, 472 REWIS RS 2022, 8418

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