Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30.11.2016, Az. 10 AZR 805/15

10. Senat | REWIS RS 2016, 1596

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Gegenstand

Versetzung - Stationierung einer Flugbegleiterin


Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 16. November 2015 - 17 [X.] 1650/14 - aufgehoben.

2. Die [X.]che wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die [X.]arteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung und einer vorsorglich ausgesprochenen Änderungskündigung.

2

Die Klägerin ist seit dem 28. Oktober 1990 als Flugbegleiterin bei der [X.] beschäftigt. Der Arbeitsvertrag der [X.]arteien vom 28. Oktober 1990 lautet auszugsweise:

        

1.    

Beginn, Art und Ort der Beschäftigung

        

(1)     

… [Die Klägerin] wird ab dem 28.10.1990 als Flugbegleiter in [X.] beschäftigt.

        

(2)     

… [Die Beklagte] kann … [die Klägerin] entsprechend ihren Leistungen und Fähigkeiten mit einer anderen im Interesse der L liegenden Aufgabe betrauen, sie an einem anderen Ort sowie vorübergehend auch bei einem anderen Unternehmen einsetzen. …

        

2.    

Rechte und [X.]flichten

        

Die gegenseitigen Rechte und [X.]flichten ergeben sich aus dem [X.]esetz, den Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen und [X.] in ihrer jeweils geltenden Fassung, aus den Bestimmungen des tariflichen Sozialplanes zur Integration der Mitarbeiter der [X.] vom 13.10.1990 und aus den Bestimmungen dieses Vertrages.“

3

Die Klägerin ist vom Stationierungsort [X.] aus eingesetzt worden.

4

Im Betrieb der [X.] besteht eine [X.]ersonalvertretung auf [X.]rundlage des nach § 117 Abs. 2 [X.] geschlossenen Tarifvertrags [X.]ersonalvertretung vom 15. November 1972 (TV [X.]V). Am 8. Mai 2013 schloss die Beklagte mit der [X.]esamtvertretung für das fliegende [X.]ersonal einen Interessenausgleich und Sozialplan ([X.]/S[X.]) ua. über die Schließung der dezentralen Stationierungsorte [X.] und [X.]. In dessen Abschnitt Sozialplan heißt es ua.:

        

„§ 8   

Abmilderung der Folgen

        

Alle Mitarbeiter können zur Abmilderung der Folgen der Betriebsänderung zwischen nachfolgend beschriebenen Alternativen a) bis e) wählen, Mitarbeiter mit Stationierungsort Düsseldorf darüber hinaus Alternative f):

                 

a)    

Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung

                 

b)    

Direkter Einsatz aus [X.] oder MUC

                 

c)    

Arbeitnehmerüberlassung (inklusive der Möglichkeit Arbeitgeberwechsel im [X.]raum der ANÜ) gemäß Tarifvereinbarung in Ergänzung zur Schlichtungsschlussempfehlung vom 14.10.2012 und dem Änderungs- und Ergänzungstarifvertrag vom 12.04.2013 zum Tarifvertrag zur Umsetzung der Schlichtungsempfehlung vom 12.11.2012

                 

d)    

Sofortiger Arbeitgeberwechsel zur [X.] gemäß dem Änderungs- und Ergänzungstarifvertrag vom 12.04.2013 zum Tarifvertrag zur Umsetzung der Schlichtungsschlussempfehlung vom 12.11.2012

                 

e)    

Befristeter Verbleib am bisherigen Standort (virtuell)

                 

f)    

Verbleib am bisherigen Stationierungsort Düsseldorf in einer [X.]emischtgruppe

        

Mit diesen Angeboten sind alle Ansprüche aus der Betriebsänderung abgegolten.

        

Individualrechte der Mitarbeiter bleiben unberührt.

        

…       

        

e)    

Befristeter Verbleib am bisherigen Standort (virtuell)

        

Zur Abmilderung der Folgen des Wechsels des Stationierungsortes nach [X.] oder München haben die Mitarbeiter auch die Möglichkeit, befristet für maximal zwei Jahre, zuzüglich der [X.] bis zum nächsten [X.], an ihrem bisherigen Stationierungsort zu verbleiben. Der Einsatz wird vom jeweiligen virtuellen Stationierungsort deadhead über den gewählten Stationierungsort [X.] oder MUC im [X.]emischtbereich erfolgen. Einsatzpläne und Einsatzänderungen werden verbindlich in elektronischer Form übermittelt. [X.] der zweijährigen Verweildauer ist der [X.]punkt des Übergangs des letzten Flugzeugs ins AOC der [X.].

        

Bei Wahl des befristeten Verbleibs am bisherigen Stationierungsort (virtuell) für zwei Jahre erhält der Mitarbeiter nach Ablauf der virtuellen Stationierung 25 % der Auslagenpauschale sowie 60 % des Zuschlags zur Auslagenpauschale. …“

5

Im Rahmen einer Mitarbeiterbefragung entschied sich die Klägerin mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 24. Juni 2013 unter [X.] für die Variante des befristeten virtuellen Verbleibens in [X.] und den Stationierungsort [X.] am Main.

6

Mit Schreiben vom 16. Dezember 2013 versetzte die Beklagte die Klägerin mit Wirkung zum 1. April 2014 von [X.] nach [X.] am Main. Mit Schreiben vom 26. März 2014 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der [X.]arteien vorsorglich außerordentlich mit Auslauffrist zum 30. September 2014 und bot gleichzeitig die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zum 1. Oktober 2014 unter geänderten Bedingungen mit dem Einsatz-/Stationierungsort [X.] am Main an. Dieses Änderungsangebot nahm die Klägerin unter Vorbehalt an.

7

Die Zubringerflüge von [X.] nach [X.] am Main und [X.] werden auch nach Ausspruch der Versetzungen weiterhin durch die Beklagte durchgeführt.

8

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Versetzung und die Änderungskündigung seien unwirksam.

9

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Interesse - beantragt

        

1.    

festzustellen, dass die mit Schreiben vom 16. Dezember 2013 ausgesprochene Versetzung unwirksam ist;

        

2.    

festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die von der [X.] ausgesprochene Änderungskündigung vom 26. März 2014, zugegangen am 28. März 2014, zum 30. September 2014 sozial ungerechtfertigt oder aus anderen [X.]ründen rechtsunwirksam ist.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Im Zusammenhang mit der Reform der Direktverkehre habe sich das bisherige Flugvolumen am Standort [X.] um 49,1 % verringert. Die Station [X.] sei geschlossen worden; eine dezentrale Stationierung von Flugbegleitern/[X.]ursern gebe es dort nicht mehr. Sämtliche Flugumläufe begönnen nunmehr in [X.] am Main oder [X.]. Insgesamt führten die Maßnahmen in [X.] zu Einsparungen von etwa 2,8 Mio. Euro jährlich. Die Versetzung entspreche billigem Ermessen. Sie habe die im Rahmen ihrer Ausübungsentscheidung wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt. Hierbei komme ihrer unternehmerischen Entscheidung zur Neuordnung der Stationierung von Flugbegleitern besonderes [X.]ewicht zu. Die [X.]ersonalvertretung sei ordnungsgemäß beteiligt worden.

Arbeitsgericht und [X.] haben der Klage - soweit für die Revision von Interesse - stattgegeben. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin eine Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Mit der vom [X.] gegebenen Begründung kann der Klage nicht stattgegeben werden. Mangels entsprechender Feststellungen durch das [X.] kann der Senat in der Sache nicht abschließend entscheiden. Das angegriffene Urteil ist deshalb aufzuheben und die Sache an das [X.] zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).

I. Ob die Versetzung vom 16. Dezember 2013 rechtswirksam ist, steht noch nicht fest. Das [X.] geht zwar zutreffend davon aus, dass der Arbeitsvertrag der Parteien keinen Stationierungsort festschreibt, sondern im Rahmen des § 106 [X.] eine Versetzung zulässt (zu 1.). Bei der Überprüfung der Wirksamkeit der ausgesprochenen Versetzung geht das [X.] auch von den vom Senat aufgestellten Rechtsgrundsätzen aus (zu 2.). Deren Anwendung ist aber rechtsfehlerhaft und hält auch einer eingeschränkten Überprüfung nicht stand (zu 3.). Deshalb kann offenbleiben, ob die Kontrolle der Ausübung des billigen Ermessens wegen der zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt (vgl. dazu [X.] 14. Juli 2010 - 10 [X.] - Rn. 92 mwN, [X.]E 135, 128). Das [X.] hat bei seinem Verständnis der Bestimmungen des Interessenausgleichs und Sozialplans vom 8. Mai 2013 wesentliche Umstände außer [X.] gelassen und rechtliche Aspekte verkannt.

1. Der Arbeitsvertrag der Parteien lässt aufgrund der Bestimmung in Ziff. 1 eine Versetzung an einen anderen Stationierungsort zu. Hiervon geht das [X.] zu Recht aus.

a) Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Versetzung, die auf Regelungen in Allgemeinen [X.]eschäftsbedingungen gemäß §§ 305 ff. [X.] beruht, ist zunächst durch Auslegung der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln (im Einzelnen [X.] 25. August 2010 - 10 [X.]/09 - Rn. 17 ff., [X.]E 135, 239). Festzustellen ist, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind und welchen Inhalt ein ggf. vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat (zuletzt zB [X.] 13. November 2013 - 10 [X.] 1082/12 - Rn. 25).

b) Die Bestimmung eines Orts der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen verhindert regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung ([X.]Rspr., zuletzt zB [X.] 13. November 2013 - 10 [X.] 1082/12 - Rn. 26 mwN). Fehlt es an einer Festlegung des Inhalts oder des Orts der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag, ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers aus § 106 [X.]. Auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehalts kommt es dann nicht an. Weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zu, unterliegt dies der [X.] gemäß § 106 Satz 1 [X.], § 315 Abs. 3 [X.] ([X.] 26. September 2012 - 10 [X.] 311/11 - Rn. 19).

c) Nach diesen [X.]rundsätzen enthält der Arbeitsvertrag der Parteien keine abschließende Festlegung des Einsatzorts. Ziff. 1 Abs. 1 des Arbeitsvertrags sieht zwar als Einsatzort [X.] vor. In Ziff. 1 Abs. 2 behält sich die Beklagte jedoch das Recht vor, die Klägerin an einem anderen Ort einzusetzen. Damit ist hinreichend klargestellt, dass die Bestimmung des Einsatzorts im Vertrag lediglich die erstmalige Ausübung des Weisungsrechts darstellt.

2. Das [X.] geht zutreffend von den vom Senat aufgestellten [X.]rundsätzen für die Überprüfung der Wirksamkeit einer Versetzung aus.

Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 106 [X.], § 315 Abs. 1 [X.] verbleibt auch im Falle der Versetzung für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein - hier auf betriebliche [X.]ründe beschränkter - nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb des Spielraums können dem [X.] mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Dem [X.]ericht obliegt nach § 315 Abs. 3 Satz 1 [X.] die Prüfung, ob der Arbeitgeber als [X.]läubiger die [X.]renzen seines Bestimmungsrechts beachtet hat (vgl. [X.] 13. November 2013 - 10 [X.] 1082/12 - Rn. 41; [X.] 18. Oktober 2007 - III ZR 277/06 - Rn. 20, [X.]Z 174, 48). Bei dieser Prüfung kommt es nicht auf die vom [X.] angestellten Erwägungen an, sondern darauf, ob das Ergebnis der getroffenen Entscheidung den gesetzlichen Anforderungen genügt. Die Darlegungs- und Beweislast für die Einhaltung dieser [X.]renzen hat der Bestimmungsberechtigte ([X.]Rspr., zuletzt zB [X.] 3. August 2016 - 10 [X.] 710/14 - Rn. 26). Maßgeblicher [X.]punkt für die [X.] ist der [X.]punkt, zu dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hat ([X.] 14. Juli 2010 - 10 [X.] - Rn. 89 mwN, [X.]E 135, 128).

a) Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen (§ 106 Satz 1 [X.], § 315 [X.]) verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen ([X.]Rspr., zuletzt im Hinblick auf Versetzungen zB [X.] 28. August 2013 - 10 [X.] 569/12 - Rn. 40 mwN).

b) Beruht die Weisung auf einer unternehmerischen Entscheidung, so kommt dieser besonderes [X.]ewicht zu. Das unternehmerische Konzept ist dabei nicht auf seine Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen. Die Arbeitsgerichte können vom Arbeitgeber nicht verlangen, von ihm nicht gewollte Organisationsentscheidungen zu treffen. Eine unternehmerische Entscheidung führt aber nicht dazu, dass die Abwägung mit Interessen des Arbeitnehmers von vornherein ausgeschlossen wäre und sich die Belange des Arbeitnehmers nur in dem vom Arbeitgeber durch die unternehmerische Entscheidung gesetzten Rahmen durchsetzen könnten. Die unternehmerische Entscheidung ist ein zwar wichtiger, aber nicht der alleinige Abwägungsgesichtspunkt. Im Einzelfall können besonders schwerwiegende, insbesondere verfassungsrechtlich geschützte Belange des Arbeitnehmers entgegenstehen. Es kommt darauf an, ob das Interesse des Arbeitgebers an der Durchsetzung seiner Organisationsentscheidung auch im Einzelfall die Weisung rechtfertigt. Das ist der Fall, wenn die zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung die Versetzung auch angesichts der für den Arbeitnehmer entstehenden Nachteile nahelegt und sie nicht willkürlich oder missbräuchlich erscheinen lässt ([X.] 28. August 2013 - 10 [X.] 569/12 - Rn. 41 f.).

c) Eine [X.] Auswahl - wie im Fall einer betriebsbedingten Kündigung nach § 1 Abs. 3 [X.] - findet bei der Versetzung nicht statt. Soweit es auf die Zumutbarkeit des neu zugewiesenen Arbeitsorts ankommt, kann aus den sozialrechtlichen Regeln über die Zumutbarkeit einer Beschäftigung kein belastbarer Maßstab für die arbeitsrechtliche Beurteilung des Ermessensgebrauchs nach § 106 Satz 1 [X.], § 315 [X.] bei einer Versetzung abgeleitet werden (vgl. [X.] 17. August 2011 - 10 [X.] 202/10 - Rn. 22, 25).

3. Das [X.] nimmt allerdings rechtsfehlerhaft an, die nach § 8 Buch[X.]e IA/[X.] für einen begrenzten [X.]raum mögliche virtuelle Stationierung am bisherigen Stationierungsort belege, dass eine Versetzung zu diesem Termin noch nicht erforderlich gewesen sei und die Maßnahme deswegen gegen § 106 Satz 1 [X.], § 315 [X.] verstoße. Dies führt zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung.

a) § 8 IA/[X.] sieht für die von Versetzungen betroffenen Mitarbeiter der vollständig geschlossenen [X.] fünf Wahlmöglichkeiten vor. Diese beinhalten die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung, den direkten Wechsel nach [X.] oder [X.] gegen Zahlung einer Auslagenpauschale bzw. der Umzugskosten und eine zeitlich begrenzte Arbeitnehmerüberlassung oder den sofortigen Wechsel zu [X.] unter bestimmten Bedingungen. Darüber hinaus ist der befristete Verbleib am bisherigen Standort für einen [X.]raum von zwei Jahren ab Übergang des letzten Flugzeugs in den Verantwortungsbereich (AOC) der [X.] vorgesehen (virtuelle Stationierung). Nach § 8 Buch[X.]e IA/[X.] erfolgt in dieser [X.] der Einsatz der Flugbegleiter/innen, die sich für diese Variante entschieden haben, „Dead-Head“ vom virtuellen Stationierungsort aus. Die Mitarbeiter/innen werden damit während der Laufzeit dieser Regelung so gestellt, als ob sie weiterhin in [X.] stationiert wären. Zusätzlich erhalten sie nach Ablauf der virtuellen Stationierung weitere Leistungen.

b) Bei der befristeten virtuellen Stationierung nach § 8 Buch[X.]e IA/[X.] handelt es sich um eine Maßnahme zum Ausgleich oder zur Milderung wirtschaftlicher Nachteile, die den Angehörigen des [X.] infolge der Betriebsänderung entstehen iSv. § 95 Abs. 1 Satz 2 TV PV (inhaltsgleich mit § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrV[X.]).

aa) Interessenausgleich und Sozialplan unterscheiden sich deutlich nach Inhalt, Funktion, Zustandekommen und Wirkungsweise (Fitting 28. Aufl. § 112, 112a Rn. 2). [X.]egenstand des Interessenausgleichs ist die Frage, ob, wann und wie eine Betriebsänderung durchgeführt wird. Der Betriebsrat soll die Möglichkeit haben, im Interesse der Arbeitnehmer auf Modalitäten der Betriebsänderung Einfluss zu nehmen ([X.] 22. Juli 2003 - 1 [X.] 541/02 - zu [X.] 2 a der [X.]ründe, [X.]E 107, 91). Dabei geht es auch und gerade um die Frage, ob die Betriebsänderung gegenüber den betroffenen Arbeitnehmern in einer Weise durchgeführt werden kann, dass diesen möglichst keine oder doch nur geringe wirtschaftliche Nachteile entstehen. Der Sozialplan knüpft hingegen erst an diejenigen wirtschaftlichen Nachteile an, die den von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmern trotz einer möglichst schonungsvollen Durchführung der Betriebsänderung noch tatsächlich entstehen. Diese sind im Rahmen der zukunftsbezogenen Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion von Sozialplänen im Rahmen des Beurteilungs- und [X.]estaltungsspielraums der Betriebsparteien auszugleichen ([X.]Rspr., zuletzt zB [X.] 9. Dezember 2014 - 1 [X.] 102/13 - Rn. 23, [X.]E 150, 136).

bb) Der virtuelle befristete Verbleib am bisherigen Stationierungsort ist eine solche Maßnahme zum Ausgleich oder zur Milderung der durch die Versetzungen eintretenden wirtschaftlichen Nachteile.

(1) Die Durchführung der Betriebsänderung wird durch die Bestimmungen des Sozialplans nicht beschränkt oder zeitlich verschoben. Die Beklagte brauchte zu dem von ihr gewünschten [X.]punkt die Direktverkehre mit Ausnahme der Zubringerflüge nicht mehr selbst durchzuführen und konnte die dezentralen Stationen tatsächlich schließen, dh. beispielsweise Mietverträge kündigen und örtliches Personal abziehen. Schließlich durfte sie alle gewünschten Versetzungen aussprechen und ihre Flugumläufe neu, nämlich nur noch von den zentralen [X.]n [X.] und [X.] aus, planen und die Mitarbeiter/innen dementsprechend einsetzen. Alle Teile des [X.]esamtkonzepts der Betriebsänderung blieben deshalb durch die Bestimmungen des Sozialplans unberührt.

(2) Vor diesem Hintergrund ist die Auffassung des [X.]s unzutreffend, bei § 8 Buch[X.]e IA/[X.] handle es sich entgegen der systematischen Stellung im Teil Sozialplan rechtlich um eine [X.]. Die Folgen der Versetzung für die betroffenen Flugbegleiter/innen wären vielmehr - den Sozialplan hinweggedacht - mit Wirkung ab 1. April 2014 in vollem Umfang eingetreten: Diese hätten auf eigene Kosten und außerhalb der Dienstzeit zum Dienstantritt am neuen Stationierungsort gelangen müssen. Diese Nachteile werden durch § 8 IA/[X.] abgemildert, so zB durch die Zahlung der Auslagenpauschale oder Erstattung der Umzugskosten. Der Sozialplan trägt durch diese Wahlmöglichkeiten der gesetzlichen bzw. tariflichen Zielvorgabe Rechnung, die Nachteile möglichst einzelfallbezogen auszugleichen und die unterschiedlichen Interessen der Beschäftigten zu berücksichtigen. Bei den Beschäftigten, die sich für die Variante virtuelle Stationierung entschieden haben, erfolgte die Abmilderung durch die zeitlich begrenzte weitere Anwendung der tariflichen „[X.], obwohl hierauf wegen der Umsetzung der [X.] gerade kein Rechtsanspruch bestand.

cc) Die Möglichkeit der virtuellen Stationierung nach § 8 Buch[X.]e IA/[X.] lässt nicht den Schluss zu, die unternehmerische Entscheidung zur Umgestaltung des Direktverkehrs und zur Schließung der dezentralen [X.] sei zum 1. April 2014 noch nicht umgesetzt worden, eine Versetzung zu diesem Termin nach [X.] oder [X.] sei deshalb noch nicht erforderlich und die Maßnahme verstoße gegen § 106 Satz 1 [X.], § 315 [X.].

(1) Wie dargelegt, handelt es sich um eine von fünf Wahlmöglichkeiten in einem Sozialplan, die dem Ausgleich oder der Milderung der Folgen der Versetzungen dient. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte aus dem Sozialplan oder aus anderen Umständen, dass dieser etwa darauf angelegt gewesen wäre, dass alle oder jedenfalls die große Mehrheit der Mitarbeiter/innen sich für diese Variante entscheidet. Ein solches Verhalten hat auch die Klägerin nicht behauptet und eine solche Situation ist erkennbar nicht eingetreten.

(2) Bei § 8 Buch[X.]e IA/[X.] handelt es sich nicht um eine einseitige Maßnahme des Arbeitgebers, sondern um eine mit der Personalvertretung abgeschlossene Vereinbarung, die er durchführen muss. Deshalb ist die Annahme falsch, die Regelung mache deutlich, dass nach der Interessenlage der Beklagten eine Versetzung zum 1. April 2014 noch unterbleiben konnte und diese lediglich „auf Vorrat“ erfolgt sei. Ebenso wenig trägt das Argument, die Beklagte hätte die anderen Maßnahmen der Stationsschließung auch durchführen können, ohne die Klägerin während der Dauer der virtuellen Stationierung zu versetzen. Zum einen würde es sich um eine andere Organisationsentscheidung handeln als diejenige, für die sich die Beklagte willkürfrei entschieden hat. Zum anderen würde sich bei einem Verzicht auf die Versetzung der Anspruch der Flugbegleiter/innen aus § 8 Buch[X.]e IA/[X.] verstetigen oder jedenfalls entgegen dem erkennbaren Willen der Betriebsparteien erheblich verlängern, da die virtuelle Stationierung gerade die Versetzung voraussetzt.

dd) Auch luftfahrtrechtliche Bestimmungen lassen nicht den Schluss zu, dass die Heimatbasis der Klägerin für die [X.] der virtuellen Stationierung weiterhin [X.] und deshalb die Versetzung nach [X.] ausgeschlossen sei. Die entsprechenden Bestimmungen verlangen lediglich, dass eine Heimatbasis festgelegt wird. Dies ist im Fall der Klägerin seit dem 1. April 2014 [X.]; von dort aus wird sie geplant und eingesetzt. Dass die Klägerin für einen vorübergehenden [X.]raum gemäß § 8 Buch[X.]e IA/[X.] auf Kosten der Beklagten zu diesem Stationierungsort befördert wird und die übrigen tariflichen Bestimmungen für „Dead-Head“-[X.]en Anwendung finden, führt nicht dazu, dass [X.] entgegen der anderweitigen Benennung durch die Beklagte wieder zur Heimatbasis der Klägerin wird. Deshalb wird in § 8 Buch[X.]e IA/[X.] im Übrigen von den Betriebsparteien gerade zwischen dem gewählten Stationierungsort und dem (nur) virtuellen Stationierungsort unterschieden.

4. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, da das [X.] nicht alle erforderlichen Feststellungen getroffen hat. Es hat - aus seiner Sicht konsequent - sowohl die Frage der ordnungsgemäßen Beteiligung der Personalvertretung offengelassen als auch Vortrag der Beklagten zur Umsetzung der Maßnahme als wahr unterstellt. Darüber hinaus hat es keine Feststellungen zu den persönlichen Belangen der Klägerin getroffen. Im Übrigen ist es regelmäßig Sache der Tatsacheninstanzen festzustellen, ob eine konkrete Maßnahme billigem Ermessen entspricht oder nicht (vgl. [X.] 28. August 2013 - 10 [X.] 537/12 - Rn. 49 f.).

5. Diese Fragen wird das [X.] aufzuklären und - soweit erheblicher Vortrag der Beklagten substanziiert bestritten wird - Beweis zu erheben haben. Abschließend wird es zu bewerten haben, ob die unternehmerische Entscheidung der Beklagten die Versetzung auch angesichts der für die Klägerin entstehenden Nachteile nahelegt und sie nicht willkürlich oder missbräuchlich erscheinen lässt (vgl. zum Ergebnis in einem Parallelverfahren [X.] 30. November 2016 - 10 [X.] 11/16 -).

II. Die Entscheidung des [X.]s ist auch hinsichtlich der Frage der Wirksamkeit der vorsorglich ausgesprochenen Änderungskündigung vom 26. März 2014 aufzuheben.

1. Die Beklagte ging bei Ausspruch ihrer Versetzung davon aus, dass bereits die arbeitsvertraglichen Regelungen der Parteien eine solche zulassen. An dieser Rechtsposition hält sie weiterhin fest. Nach dem Wortlaut der Änderungskündigung vom 26. März 2014 hat die Beklagte diese „höchst vorsorglich“ ausgesprochen und in der Änderungskündigung bekräftigt, sie gehe weiterhin davon aus, dass die Klägerin bereits wirksam im Wege des Direktionsrechts versetzt worden sei.

2. Vor diesem Hintergrund kommt es in Betracht, dass die vorsorglich erklärte Änderungskündigung dadurch auflösend bedingt ist, dass es für die Versetzung einer Änderung der Vertragsbedingungen nicht bedarf. Sollte das [X.] zur Abweisung des Klageantrags zu 1. kommen, wird es diese Möglichkeit erwägen müssen. [X.] es ein solches Verständnis, kommt in Betracht, dass auch der Änderungsschutzantrag unter einer auflösenden Bedingung gestellt war (vgl. insgesamt zu einer solchen Konstellation [X.] 17. Dezember 2015 - 2 [X.] 304/15 -).

        

    Linck    

        

    Brune     

        

    W. Reinfelder    

        

        

        

    R. Baschnagel     

        

    D. Kiel     

                 

Meta

10 AZR 805/15

30.11.2016

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Frankfurt, 16. September 2014, Az: 5 Ca 1360/14, Urteil

§ 1 TVG, § 112 Abs 1 S 2 BetrVG, § 1 Abs 3 KSchG, § 106 S 1 GewO, § 315 Abs 3 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30.11.2016, Az. 10 AZR 805/15 (REWIS RS 2016, 1596)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 1596

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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