Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.04.2005, Az. VII ZB 28/05

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 4258

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BUNDESGERICHTSHOF [X.]/05
vom 5. April 2005 in dem Zwangsvollstreckungsverfahren
Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

ZPO § 850 c Abs. 4 Die auf Antrag des Gläubigers vom Vollstreckungsgericht gemäß § 850 c Abs. 4 ZPO zu treffende Bestimmung hat unter Einbeziehung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalles und nicht lediglich nach festen Berechnungsgrößen zu erfolgen. Das schließt nicht aus, sich in diesem Rahmen an bestimmten Berechnungsmodellen zu orientieren. [X.] ist es lediglich, dieselbe Berechnungsformel unter-schiedslos auf verschiedenartige Fallgestaltungen anzuwenden (im Anschluß an [X.], Beschluß vom 21. Dezember 2004 - [X.], [X.], 438 = Rpfleger 2005, 201). [X.], Beschluß vom 5. April 2005 - [X.] - [X.]

- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 5. April 2005 durch den [X.] [X.] und [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde des Gläubigers wird der Beschluß der 5. Zivilkammer des [X.] vom 26. Oktober 2004 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zu-rückverwiesen. Wert: 576 •

Gründe: [X.] Der Gläubiger betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung nebst aufgelaufener Zinsen und Kosten. Auf Antrag des Gläubigers hat das Amtsgericht einen Pfändungs- und [X.] erlassen. Zeitlich hierauf hat der Gläubiger beantragt, die Ehefrau des Schuldners bei der Berechnung des pfändbaren Teils des [X.] nicht zu berücksichtigen. Die Ehefrau des Schuldners verfügt über eigene Einkünfte in Höhe von 410 •. Das Amtsgericht hat gemäß § 850 c - 3 - Abs. 4 ZPO bestimmt, daß die Ehefrau des Schuldners bei der Feststellung des unpfändbaren Einkommensteils als Unterhaltsberechtigte außer Betracht zu lassen sei. Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Beschwerde-gericht die Entscheidung des Amtsgerichts abgeändert und bestimmt, daß die Ehefrau des Schuldners bei der Berechnung seines pfändbaren Einkommens nur teilweise unberücksichtigt bleibe. Dem pfändbaren Betrag nach der unter Berücksichtigung der Ehefrau geltenden Tabellenstufe seien 40 % des [X.], der sich aus der unter Berücksichtigung der Ehefrau geltenden und der vorherigen Tabellenstufe errechnet, hinzuzurechnen. Gegen diesen Beschluß wendet sich der Gläubiger mit seiner zugelas-senen Rechtsbeschwerde. I[X.] Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. 1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, daß der selbst über Ein-kommen verfügende Unterhaltsberechtigte nur dann bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens des Schuldners unberücksichtigt bleibe, wenn seine Einkünfte den Grundfreibetrag des § 850 c Abs. 1 Satz 1 ZPO für einen Schuldner ohne Unterhaltsverpflichtung erreichten oder überstie-gen. [X.] das Einkommen des Unterhaltsberechtigten diesen Grund-freibetrag, entspreche es billigem Ermessen im Sinne des § 850 c Abs. 4 ZPO, dem Schuldner den zusätzlichen [X.] für den [X.] mit eigenem Einkommen zu dem Bruchteil zu belassen, der sich aus dem - 4 - Verhältnis des Einkommens des Unterhaltsberechtigten zum Grundfreibetrag ergebe. 2. Demgegenüber hält es die Rechtsbeschwerde mit dem Amtsgericht für geboten, als Orientierungshilfe für die Ausübung des billigen Ermessens den örtlichen Sozialhilfesatz nach § 22 [X.] zugrunde zu legen. Die Orientierung an den Regelsätzen der Sozialhilfe gewährleiste, daß die regional unterschied-lichen Bedarfssätze berücksichtigt würden. Diese regionalen Unterschiede des Lebensbedarfs kämen in dem starren bundeseinheitlichen Grundbetrag des § 850 c Abs. 1 ZPO nicht zum Ausdruck. Die vom Beschwerdegericht ange-wandte Methode führe mithin zwangsläufig zu einer regional unterschiedlichen Bemessung, die das Prädikat "billig" nicht mehr verdiene. 3. Ab welcher Höhe ein eigenes Einkommen des Unterhaltsberechtigten seine Berücksichtigung bei der Bestimmung der Pfändungsfreibeträge aus Ar-beitseinkommen des Unterhaltspflichtigen ausschließt, ist vom Gesetzgeber bewußt nicht im einzelnen geregelt worden ([X.]ache 8/693 S. 48 f.). Nach § 850 c Abs. 4 ZPO kann das Vollstreckungsgericht vielmehr auf Antrag des Gläubigers nach billigem Ermessen bestimmen, daß eine unterhaltsberech-tigte Person mit eigenen Einkünften bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt. Der [X.] hat nach Erlaß der angefochtenen Entscheidung des [X.] entschieden, daß die von Gesetzes wegen nach billigem Er-messen zu treffende Bestimmung des Vollstreckungsgerichts eine schematisie-rende Betrachtungsweise verbietet ([X.], Beschluß vom 21. Dezember 2004 - [X.], [X.], 438 = Rpfleger 2005, 201). Das Gericht hat vielmehr seine Entscheidung unter Abwägung der wirtschaftlichen Lage des Gläubigers und des Schuldners sowie der von ihm unterhaltenen Angehörigen zu treffen. Dabei können Pfändungsfreibeträge und Unterhaltstabellen Ge-- 5 - sichtspunkte für die Ausübung des Ermessens geben; eine bloß einseitige [X.] an bestimmten Berechnungsmodellen scheidet jedoch aus, weil sie dem Sinn des § 850 c Abs. 4 ZPO widerspricht. Dieser Entscheidung des [X.]. Zivilsenats des [X.] tritt der Senat bei. Eine nur einseitige Orientierung an bestimmten Berechnungs-größen liegt jedoch nicht vor, wenn diese als Basis im Rahmen der nach § 850 c Abs. 4 ZPO zu treffenden Ermessensentscheidung herangezogen wer-den. Denn das Zwangsvollstreckungsverfahren ist nach dem gesetzgeberi-schen Willen praktikabel zu gestalten (vgl. [X.]. 8/693 S. 48 f.). [X.] ist es lediglich, dieselbe Berechnungsformel unterschiedslos auf verschiedenartige Fallgestaltungen anzuwenden. Im Rahmen seiner Ermessensentscheidung hat das [X.] zu erwägen, ob die eigenen Einkünfte des Unterhaltsberechtigten, die ihm für seinen Lebensunterhalt zur Verfügung stehen, dergestalt zu berücksichtigen sind, daß dem Schuldner für den damit bereits gedeckten Bedarf des Unter-haltsberechtigten ein pfändbarer Einkommensbetrag nicht verbleiben muß. An die Überprüfung dürfen keine überspannten Anforderungen gestellt werden, um das Vollstreckungsverfahren nicht unpraktikabel zu machen. Zu berücksichtigen ist einerseits, daß Einkünfte des Angehörigen auch nicht mittelbar zur Tilgung von Verbindlichkeiten des Schuldners dienen sollen. Andererseits muß ein vom Schuldner abhängiger Unterhaltsberechtigter gewisse Abstriche von seiner [X.] hinnehmen, wenn der Unterhaltsverpflichtete Schulden zu tilgen hat. Bei der Ermessensentscheidung hat das Gericht zu gewärtigen, daß der Grundfreibetrag des § 850 c Abs. 1 ZPO regelmäßig auch dazu dient, zu einem erheblichen Teil die Wohnungsmiete und andere Grundkosten des Haushalts abzudecken. Diese Kosten erhöhen sich bei mehreren Personen nicht [X.] zur Personenzahl. Lebt der Unterhaltsberechtigte mit dem Schuldner in - 6 - einem Haushalt, ist es daher nicht gerechtfertigt, daß sich das Gericht bei [X.] Ermessensentscheidung nach § 850 c Abs. 4 ZPO einseitig am [X.] des § 850 c Abs. 1 [X.] ZPO ausrichtet, wie es das Beschwerdegericht in schematischer Weise getan hat. In derartigen Fällen kommt in Betracht, bei der Berechnung des Freibetrages des Unterhaltsberechtigten die nach den so-zialrechtlichen Regelungen die Existenzsicherung gewährleistenden Sätze he-ranzuziehen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß die Regelungen über die Pfändungsfreigrenzen dem Schuldner und seinen Unterhaltsberechtigten nicht nur das Existenzminimum sichern wollen, sondern eine deutlich darüber liegende Teilhabe am Arbeitseinkommen erhalten bleiben muß. Bei einer Orien-tierung an den sozialrechtlichen Regelungen wird daher im Rahmen der Er-messensausübung ein Zuschlag in tatrichterlicher Würdigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen sein. Regelmäßig wird es nicht zu beanstanden sein, wenn das Vollstreckungsgericht diesen Zuschlag in einer Größenordnung von 30-50 % annimmt. Führt der Unterhaltsberechtigte hingegen einen eigenen Haushalt und hat aus seinem Einkommen Mietzahlungen und die weiteren Grundkosten des Haushalts zu leisten, wird sein Lebensbedarf in der Regel so hoch sein wie der des Schuldners selbst. In derartigen Fällen ist es naheliegend und wird es re-gelmäßig billigem Ermessen entsprechen, als Orientierungshilfe den [X.] des § 850 c Abs. 1 ZPO zugrunde zu legen (so auch [X.], NJW 1995, 1861, 1865). - 7 - 4. Das Verfahren ist danach an das Beschwerdegericht zurückzuverwei-sen, damit dieses unter Beachtung der oben dargestellten Rechtsgrundsätze, gegebenenfalls nach ergänzendem Vorbringen der Beteiligten, erneut über die sofortige Beschwerde des Schuldners entscheidet. Dressler Kuffer [X.] [X.] [X.]

Meta

VII ZB 28/05

05.04.2005

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.04.2005, Az. VII ZB 28/05 (REWIS RS 2005, 4258)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 4258

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76 M 371/21

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