Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.09.2016, Az. XII ZB 606/15

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 5221

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:BGH:2016:210916BXIIZB606.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII [X.]
vom
21. September 2016
in der [X.]
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 1908 d Abs. 1 Satz 1;
FamFG §§ 26, 280, 294
a)
Wenn das Gericht im Verfahren über die Aufhebung der Betreuung ein Sachverständigengutachten einholt und seine Entscheidung auf dieses stützt, muss das Gutachten den formalen Anforderungen des §
280 FamFG genügen (im [X.] an [X.]sbeschluss vom 20.
August 2014

XII
ZB
179/14
Z 2014, 1917).
b)
Das Sachverständigengutachten muss noch aktuell sein. Gibt es konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sich die Sachlage nach Erstellung des Gutachtens verändert hat und diese neue Tatsachenlage für die Entscheidung nicht of-fensichtlich unerheblich ist, hat der Tatrichter zumindest eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen einzuholen (Fortführung von [X.] vom 11.
Mai 2016
XII
ZB
363/15
RZ 2016, 1350).
BGH, Beschluss vom 21. September 2016 -
XII [X.] -
LG [X.]

[X.]

-
2
-

Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 21.
September
2016 durch [X.] und [X.]
[X.]hammer, Schilling, Dr.
Botur und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 83.
Zivilkammer des [X.] vom 30.
Oktober 2015 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens,
an das Land-gericht zurückverwiesen.
[X.]: 5.000

Gründe:
I.
Der Betroffene wendet sich gegen die Aufhebung seiner Betreuung.
Mit Beschluss vom 13.
Juli 2009 bestellte ihm das Amtsgericht eine Be-treuerin für die [X.] Vermögensangelegenheiten, Wohnungsangele-genheiten sowie Vertretung gegenüber Behörden. Nach dem dieser Entschei-dung zugrunde liegenden Sachverständigengutachten litt der Betroffene an [X.] "psychosozialen Reifestörung". Im September 2009 fand auf Wunsch des Betroffenen
ein [X.] statt. Im Dezember 2011 richtete das Amtsge-richt den Aufgabenkreis Vermögenssorge, den es zwischenzeitlich aufgehoben hatte, erneut ein und ordnete zudem einen Einwilligungsvorbehalt an.
1
2
-
3
-

Nachdem der Betroffene im Dezember 2012 wiederum einen [X.] angestrebt hatte, hat das Amtsgericht nach Anhörung des Betroffenen und Ein-holung eines Sachverständigengutachtens vom 18.
April 2013 die Betreuung mit Beschluss vom 31.
Mai 2013 aufgehoben. Seine Beschwerde hat das [X.] mit Beschluss vom 30.
Oktober 2015 nach Anhörung des [X.] zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechts-beschwerde.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der [X.] Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landge-richt.
1. Das [X.] hat die Aufhebung der Betreuung damit begründet, dass nach dem Sachverständigengutachten die diagnostizierte Entwicklungs-störung des Betroffenen
weder für sich genommen noch in Kombination mit der bestehenden kombinierten Persönlichkeitsstörung das Ausmaß einer [X.] psychischen Krankheit oder körperlichen, geistigen oder seeli-schen Behinderung im Sinne des §
1896 Abs.
1 BGB
erreiche. Nach den über-zeugenden Feststellungen des Sachverständigen sei der Betroffene trotz seiner Entwicklungsstörung in seiner Kritik-, Urteils-
und Handlungsfähigkeit nicht ein-geschränkt. Seine Geschäftsfähigkeit sei ohne jede Einschränkung gegeben,
und er sei ausreichend in der Lage, sich von sachgerechten Erwägungen leiten zu lassen und nach einer gewonnenen Einsicht zu handeln. Er sei darüber hin-aus ersichtlich in der Lage, seine Angelegenheiten selbständig unter Inan-spruchnahme tatsächlicher Hilfen und zumutbarer Willensanstrengungen zu regeln.
3
4
-
4
-

Der Beweiswert des Gutachtens sei ungeachtet der seit seiner Erstellung vergangenen [X.] uneingeschränkt gegeben. Es seien keine Anhaltspunkte [X.] ersichtlich, dass sich die psychische Situation des Betroffenen nachhaltig verschlechtert habe. Hiervon habe sich das
Gericht
in der persönlichen Anhö-rung des Betroffenen überzeugt, in der dieser sich umfassend zu seiner ge-sundheitlichen und psychosozialen Situation orientiert gezeigt habe und sich differenziert zu seinen Vorstellungen und Plänen für die nähere Zukunft habe äußern können. Auch der ausführliche Entlassungsbericht der psychotherapeu-tischen Klinik vom 6.
Mai 2015 mit der Empfehlung zur Einrichtung einer Be-treuung gebe keinen Anlass, an dem Beweiswert der in diesem Verfahren an-gestellten Ermittlungen zu zweifeln. Das zusätzlich von den Ärzten [X.] habe auf die Symptomatik des Betroffenen keine nennenswerten
Auswirkungen.
Im Übrigen sei bei dem Betroffenen
kein Betreuungsbedarf erkennbar. Seine Selbstunsicherheit und seine Schwierigkeiten, seinem Leben eine Struk-tur zu geben, ließen sich durch psychotherapeutische und sozialtherapeutische Hilfen positiv beeinflussen.
2. Das hält den Verfahrensrügen der Rechtsbeschwerde nicht stand.
a) Gemäß §
1908
d Abs.
1 Satz
1 BGB ist die Betreuung aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen wegfallen. Der Wegfall einer der Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers reicht für die Aufhebung der Betreuung aus ([X.]sbeschlüsse vom 16.
September 2015 -
XII
ZB
500/14
-
FamRZ 2015, 2160 Rn.
12 und vom 18.
Dezember 2013 -
XII
ZB
460/13
-
FamRZ 2014, 466 Rn.
6). Eine Aufhebung kommt insbesondere in Betracht, wenn die Krankheit oder Behinderung, die bei Anordnung der Betreuung vorlag, sich soweit [X.] hat, dass der Betroffene in der Lage ist, seine Angelegenheiten
selbst zu 5
6
7
8
-
5
-

besorgen ([X.]sbeschluss vom 18.
Dezember 2013 -
XII
ZB
460/13
-
FamRZ 2014, 466 Rn.
6).
b) Zwar hat das [X.] ausgeführt, dass der Betroffene in der Lage sei, seine Angelegenheiten
selbst zu besorgen. Diese Feststellung beruht
je-doch
auf einem Verfahrensfehler.
Zu Recht rügt die Rechtsbeschwerde, dass sich das [X.] nicht hinreichend damit auseinandergesetzt hat, dass das [X.] vom 18.
April 2013

jedenfalls teilweise

in Widerspruch zu dem Entlas-sungsbericht der [X.]
L. H. vom 6.
Mai 2015 steht.
aa)
Zwar verweist §
294 FamFG für das Aufhebungsverfahren nicht auf die §§
278 Abs.
1, 280 FamFG, die die persönliche Anhörung des Betroffenen und die Einholung eines Sachverständigengutachtens vorschreiben. Es ver-bleibt insoweit bei den allgemeinen Verfahrensregeln und damit bei den Grundsätzen der Amtsermittlung nach §
26 FamFG, so dass die Einholung ei-nes Sachverständigengutachtens im Aufhebungsverfahren nicht obligatorisch ist. Wenn das Gericht aber ein Sachverständigengutachten einholt und seine Entscheidung auf dieses stützt, muss das Gutachten den formalen Anforderun-gen des §
280 FamFG genügen ([X.]sbeschluss vom 20.
August 2014

XII
ZB
179/14
-
FamRZ 2014, 1917 Rn.
8
f. mwN).
Zudem muss es sich um ein noch aktuelles Sachverständigengutachten handeln (vgl. [X.]sbeschluss vom 11.
Mai 2016

XII
ZB
363/15

FamRZ 2016, 1350
Rn.
16 zum freien Willen).
Gibt es konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sich die Sachlage nach Erstellung des Gutachtens verändert hat und [X.] für die Entscheidung nicht offensichtlich unerheblich ist, hat der Tatrichter zumindest eine ergänzende Stellungnahme
des Sachverstän-digen einzuholen.
9
10
11
12
-
6
-

bb) Gemessen hieran hätte das [X.] jedenfalls eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen
einholen müssen.
Denn das Sachverständigengutachten ist in Anbetracht der zwischenzeit-lichen Entwicklung nicht mehr aktuell. Das folgt aus dem Entlassungsbericht
vom 6.
Mai 2015, mit dem sich das [X.] allerdings nicht hinreichend auseinandergesetzt hat. Den Bericht hat
die Klinik, in deren stationärer [X.] sich der Betroffene
rund viereinhalb Monate befunden hat, ihrer an das Gericht gerichteten Anregung beigelegt, für den Betroffenen
eine Betreuung einzurichten. Während sich das [X.] allein damit befasst
hat, dass das von den Klinikärzten diagnostizierte ADHS seiner Ansicht nach keine Auswir-kungen auf die Symptomatik des Betroffenen
habe, beschäftigt es sich nicht im Ansatz damit, dass ausweislich des Entlassungsberichts bei dem Betroffenen
u.a. eine
"rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episo-de"
diagnostiziert worden
ist.
Dies und der Umstand, dass die [X.] die Einrich-tung einer Betreuung für geboten erachtet, hätte das [X.] dazu bewe-gen müssen, ergänzenden sachverständigen Rat hinzuzuziehen.
Außerdem hat sich das [X.] im Zusammenhang mit seinen [X.] zum ADHS eine eigene psychologische bzw. psychiatrische Sach-kunde angemaßt, ohne darzulegen, woher es diese nimmt.
3. Gemäß §
74 Abs.
5 FamFG ist die angefochtene Entscheidung aufzu-heben. Der [X.] kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist. Deshalb ist sie gemäß §
74 Abs.
6 Satz
2 FamFG an das Beschwerdegericht
zurückzuverweisen.
4. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Be-13
14
15
16
17
-
7
-

deutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§
74 Abs.
7 FamFG).

Dose
[X.]hammer
Schilling

Botur
Guhling
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 31.05.2013 -
52[X.]/09 -

LG [X.], Entscheidung vom 30.10.2015 -
83 [X.]/13 -

Meta

XII ZB 606/15

21.09.2016

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.09.2016, Az. XII ZB 606/15 (REWIS RS 2016, 5221)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 5221

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XII ZB 606/15 (Bundesgerichtshof)

Betreuungsaufhebung: Anforderungen an ein Sachverständigengutachten über die Betreuungsvoraussetzungen


XII ZB 256/10 (Bundesgerichtshof)

Betreuungsverfahren: Anforderungen an den Inhalt eines Sachverständigengutachtens


XII ZB 355/14 (Bundesgerichtshof)


XII ZB 187/17 (Bundesgerichtshof)


XII ZB 187/17 (Bundesgerichtshof)

Verlängerung der Betreuung oder des Einwilligungsvorbehalts: Anforderungen an das einzuholende ärztliche Zeugnis


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

XII ZB 606/15

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.