Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.08.2017, Az. XII ZB 187/17

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 6246

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:230817BXIIZB187.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
[X.] 187/17

vom

23. August 2017

in der Betreuungssache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
FamFG §§ 280, 281 Abs. 2, 293, 295
Bei der Verlängerung der Betreuung oder des [X.] muss das nach §
295 Abs. 1 Satz 2 FamFG einzuholende ärztliche Zeugnis den
Anforderungen des §
281 FamFG entsprechen. Das erfordert gemäß §
281 Abs. 2 iVm § 280 Abs. 2 FamFG eine persönliche Untersuchung oder Befragung des Be-troffenen vor der Ausstellung des Zeugnisses.

[X.], Beschluss vom 23. August 2017 -
[X.] 187/17 -
LG [X.]

[X.] ([X.])

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 23. August 2017
durch
den Vorsitzenden Richter Dose, [X.] Dr. Klinkhammer,
Dr. Nedden-Boeger
und
Dr. Botur
und die Richterin Dr. Krüger
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen
wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des [X.] vom 17. März 2017
auf-gehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des
Rechtsbeschwerdeverfah-rens, an das [X.]
zurückverwiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei.
[X.]: 5

Gründe:
I.
Für die 43jährige
Betroffene ist seit 2004 eine Betreuung mit den Aufga-benkreisen der Vermögenssorge und
Geltendmachung von gesetzlichen [X.] sowie der Gesundheitssorge eingerichtet, weil sie ihre Angelegenhei-ten wegen einer intellektuellen Minderbegabung und einer geistig-seelisch re-tardierten Entwicklung
nicht selbst erledigen kann.
Ende 2014 beantragte die Betroffene die Aufhebung der Betreuung, woraufhin
das Amtsgericht am 20.
Januar 2015 einen [X.] vornahm
sowie einen Einwilligungsvor-behalt für den Abschluss von Darlehensverträgen mit Überprüfungsfrist zum 1
-
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-
15.
September 2016 anordnete, nachdem die Betroffene aus [X.] und infolge von Kreditaufnahmen insgesamt 19.Auf die Beschwerde der Betroffenen ließ
das Amtsgericht mit [X.] vom 4.
Februar 2015 den Aufgabenkreis Gesundheitssorge
entfallen. Nachdem [X.] wurde, dass über das Vermögen der Betroffenen ein Insolvenzverfahren eingeleitet worden war, erweiterte das Amtsgericht mit Beschluss vom 3. März 2016
den Aufgabenkreis um den Empfang und das Öffnen der Post und den Einwilligungsvorbehalt auf die gesamte Vermögenssorge.
Mit
Beschluss vom 13. Dezember 2016 hat das Amtsgericht die Betreu-ung auf der Grundlage der persönlichen Anhörung und eines ärztlichen Zeug-nisses
verlängert und wieder auf den Aufgabenkreis der Gesundheitssorge er-weitert. Das [X.] hat die Beschwerde der Betroffenen zurückgewiesen; hiergegen richtet sich ihre
Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
1. Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
Die Betreuung sei hinsichtlich der Vermögenssorge weiterhin erforderlich, da die Betroffene
leicht beeinflussbar sei und die wirtschaftlichen Folgen ihres Handelns nicht überblicke. Obwohl sie ihre bereits eingegangenen [X.] nicht zurückführen könne, habe sie noch weitere Kredite auf-nehmen wollen. Auch für den Aufgabenkreis der Gesundheitssorge sei die [X.] erneut erforderlich, nachdem die Betroffene einen von der Betreuerin gestellten Antrag auf Pflegeleistungen eigenmächtig zurückgenommen und sich ihrer Hausärztin seit über anderthalb Jahren nicht vorgestellt habe, obgleich
sie auf die regelmäßige Einnahme von Antidepressiva angewiesen sei.
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3
4
-
4
-
Krankheitsbedingt sei die Betroffene nicht in der Lage, einen freien Wil-len zu bilden. Das sei im Gutachten vom 15. Januar 2015 bereits anhand der erheblichen kognitiven Defizite und kindlichen Beeinflussbarkeit der Betroffenen festgestellt worden.
Dem Vorschlag der Betroffenen, ihren anwaltlichen Verfahrensbevoll-mächtigten
zum Betreuer zu bestellen, sei nicht zu entsprechen. Ihr Wunsch nach einem solchen [X.] liege nicht darin begründet, dass das [X.] zu der bisherigen Betreuerin nachhaltig gestört sei, sondern beruhe darauf, dass sie sich von einem [X.] einen größeren finan-ziellen Freiraum erhoffe. Dem Verfahrensbevollmächtigten der Betroffenen feh-le auch die Eignung als Betreuer.
2. Die angegriffene Entscheidung hält den Verfahrensrügen der Rechts-beschwerde nicht stand.
a) Das [X.] hätte seiner
Entscheidung über die Verlängerung der Betreuung

unabhängig von der gleichzeitigen Erweiterung der Betreuung

nicht das ärztliche Zeugnis vom 20. Juli 2016
zugrunde legen dürfen, weil nicht erkennbar ist, dass die Ärztin
die Betroffene vor der Ausstellung des [X.] persönlich untersucht oder befragt hat.
Zwar enthält § 295 Abs. 1 Satz 2 FamFG eine Erleichterung bei der [X.] oder des [X.] und lässt anstelle eines erneuten Gutachtens ein ärztliches Zeugnis ausreichen. Dieses
muss jedoch inhaltlich den Anforderungen des § 281 Abs. 2 iVm § 280 Abs. 2 FamFG entsprechen
([X.]/[X.] FamFG 3. Aufl. § 295 Rn. 9; [X.]/
[X.]/[X.] FamFG 3. Aufl. § 295 Rn. 3; MünchKommFamFG/[X.] 2. Aufl. § 295 Rn. 2; [X.]/[X.] FamFG 19. Aufl. § 295 Rn. 2; [X.]/[X.]/[X.]/[X.] FamFG 2. Aufl. § 295 Rn. 3; vgl. auch [X.] 5
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8
9
-
5
-
Hamm FamRZ 2000, 494, 496 zu § 69 i Abs. 6 Satz 2 [X.]). Hiernach
hat der Sachverständige den Betroffenen vor der Erstattung des
Gutachtens persönlich zu untersuchen oder zu befragen. Ein ohne die erforderliche persönliche Unter-suchung erstattetes Sachverständigengutachten ist grundsätzlich nicht [X.] ([X.]sbeschluss vom 20. August 2014

[X.] 179/14

FamRZ 2014, 1917 Rn.
10 mwN). Dieser Grundsatz besteht unabhängig davon, ob aus [X.] Sicht bereits auf der Grundlage anderer Erkenntnisse der sichere Schluss auf eine erkrankungsbedingte Betreuungsbedürftigkeit gezogen werden könnte
([X.]sbeschluss vom 21. Juni 2017

[X.] 36/17

juris Rn. 7).
Dasselbe gilt für ein ärztliches Zeugnis nach § 281 FamFG.
Das vorliegende Zeugnis lässt schon nicht
erkennen, von welcher der im Briefkopf aufgeführten Ärztinnen es ausgestellt ist. Auch ergibt sich weder aus dem Zeugnis selbst noch aus sonstigen Feststellungen, dass es auf einer [X.] durchgeführten Untersuchung oder Befragung der Betroffenen beruht.
b) Unabhängig davon hätte das [X.] nicht ohne eine förmliche Beweisaufnahme über die Erweiterung des [X.] entscheiden [X.]. Gemäß § 293 Abs. 1 Satz 1 FamFG gelten für die Erweiterung des [X.] des Betreuers und die Erweiterung des [X.] der einwilligungsbe-dürftigen Willenserklärungen die Vorschriften über die Anordnung dieser [X.] entsprechend. Deshalb hätte der Erweiterung des [X.] auf die Gesundheitssorge eine förmliche Beweisaufnahme durch Einholung eines Gutachtens über die Notwendigkeit der Maßnahme vorangehen müssen (§ 280 Abs. 1 FamFG).
Der Einholung eines Gutachtens bedarf es gemäß § 293 Abs. 2 FamFG nur dann nicht, wenn ein früheres Gutachten
nicht länger als sechs Monate zu-rückliegt
oder die beabsichtigte Erweiterung nach Absatz 1 nicht wesentlich ist. 10
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-
6
-
Beide Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Das zuletzt am 15. Januar 2015 erstatte Gutachten lag im Zeitpunkt der Entscheidung länger als sechs Monate zurück
und die Erweiterung des zuvor auf die Vermögenssorge beschränkten [X.] nunmehr auch auf die Gesundheitssorge
als ein Aspekt der Personensorge
ist nicht unwesentlich
(vgl. [X.]/[X.] FamFG 19. Aufl. § 293 Rn. 7; [X.]/[X.]/[X.]/[X.] FamFG 2. Aufl. § 293 Rn. 7; [X.]/Weinreich/Rausch FamFG 5. Aufl. § 293 Rn. 7; [X.]/[X.]/
[X.] FamFG 3. Aufl. § 293 Rn. 5; vgl. auch [X.], 153 zu §
69
i Abs. 1 Satz 2, 3 [X.]).
Weitere [X.] sieht das Gesetz nicht vor, auch nicht für den Fall, dass der erweiterte Aufgabenkreis vor geraumer Zeit schon einmal Gegenstand der Betreuung war.
3. Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Der [X.] kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, da er die noch erfor-derlichen Feststellungen nicht selbst treffen kann.
Für das weitere Verfahren weist der [X.] darauf hin, dass die
gegen die Betreuerauswahl
erhobenen Angriffe der Rechtsbeschwerde unbegründet sind.
Wie das [X.] zutreffend erkannt hat, richtet sich, wenn im Zusammen-hang mit der Entscheidung über die Verlängerung einer bereits bestehenden Betreuung über einen [X.] zu befinden ist, die Auswahl der Person des Betreuers nach der für die Neubestellung eines Betreuers maßgeblichen Vorschrift des § 1897 BGB (vgl. [X.]sbeschluss vom 17. September 2014

[X.] 220/14

FamRZ 2014, 1998 Rn. 20 mwN).

Schlägt der zu Betreuende im Rahmen der Anordnung der Betreuung ei-ne Person vor, die zum Betreuer bestellt werden kann, so ist diesem Vorschlag zu entsprechen, wenn es dem Wohl des Volljährigen nicht zuwiderläuft
(§ 1897 13
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Abs. 4 Satz 1 BGB). Die Vorschrift
räumt dem Tatrichter bei der Auswahl des Betreuers kein Ermessen ein. Es ist die Person zum Betreuer zu bestellen, die der Betreute wünscht. Der Wille des Betreuten kann nur dann unberücksichtigt bleiben, wenn die Bestellung der vorgeschlagenen Person dem Wohl des Be-treuten zuwiderläuft. Dies setzt voraus, dass sich aufgrund einer umfassenden Abwägung aller relevanten Umstände Gründe von erheblichem Gewicht erge-ben, die gegen die Bestellung der vorgeschlagenen Person sprechen. Es muss die konkrete Gefahr bestehen, dass der Vorgeschlagene die Betreuung des Betroffenen nicht zu dessen Wohl führen kann oder will ([X.]sbeschluss vom 17. September 2014

[X.] 220/14

FamRZ 2014, 1998 Rn. 21 mwN).
Sol-che Umstände sind hier durch das [X.] hinreichend festgestellt.
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeu-tung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Recht-sprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
Dose
Klinkhammer
Nedden-Boeger

Botur
Krüger

Vorinstanzen:
[X.] ([X.]), Entscheidung vom 13.12.2016 -
4 [X.]/04 -

LG [X.], Entscheidung vom 17.03.2017 -
1 [X.] -

17

Meta

XII ZB 187/17

23.08.2017

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.08.2017, Az. XII ZB 187/17 (REWIS RS 2017, 6246)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 6246

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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XII ZB 187/17

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