Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.10.2012, Az. VI ZB 71/11

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 2641

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB
71/11

vom

2. Oktober
2012

in dem Rechtsbeschwerdeverfahren

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

ZPO § 233 Fc, Fd

Die Klärung der Frage, ob gegen ein Urteil Berufung eingelegt werden soll, darf der Rechtsanwalt grundsätzlich nicht allein einem Telefongespräch einer Kanzleikraft überlassen.

[X.], Beschluss vom 2. Oktober 2012 -
VI [X.] -
LG [X.]

[X.]

-
2
-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat am

2. Oktober 2012
durch den Vorsitzenden [X.], die Richter
Wellner, die Richterin [X.], [X.] und die Richterin von Pentz
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss der 13.
Zivilkammer des [X.] vom 20.
Oktober 2011 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 1.816,16

Gründe:
I.
Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatz aus einem [X.] in Anspruch. Mit Urteil vom 7.
Juli 2011 hat das Amtsgericht die [X.] unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 1.816,16

i-nem Prozessbevollmächtigten von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten freizustellen. Dieses Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 15.
Juli 2011 zugestellt. Dieser hat mit einem am 29.
August 2011 beim [X.] eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung des [X.] hat er vorgetragen und glaubhaft gemacht:
1
-
3
-

Nachdem er die Empfehlung abgegeben habe, Berufung gegen das erst-instanzliche Urteil einzulegen, habe eine Mitarbeiterin der Beklagten zu
2, des Haftpflichtversicherers der
Beklagten zu
1, seiner
Kanzleikraft, Frau J., fern-mündlich mitgeteilt, es solle Berufung eingelegt werden. Irrtümlich habe Frau J., eine zuverlässige und langjährige Mitarbeiterin, wegen eines Missverständnis-ses in einem Aktenvermerk niedergelegt,
es solle keine Berufung eingelegt werden. Daraufhin habe er die zuvor korrekt auf den 15.
August 2011 notierte Berufungsfrist gestrichen. Der Fehler sei erst am 25.
August 2011 anlässlich einer telefonischen Nachfrage seitens der Beklagten zu
2 aufgefallen.
Das [X.] hat mit
Beschluss vom 20.
Oktober 2011 die begehrte Wiedereinsetzung versagt und die Berufung der Beklagten als unzulässig [X.], weil diese die Berufungsfrist nicht ohne Verschulden ihres [X.] versäumt hätten. Der Irrtum ihres Prozessbevollmächtigten sei nicht unverschuldet. Nachdem er selbst unstreitig die Empfehlung abgegeben gehabt habe, Berufung einzulegen, habe er sich nicht auf die lediglich auf ei-nem Telefonvermerk beruhende Mitteilung seiner Kanzleikraft verlassen dürfen, das Rechtsmittel solle nach dem Willen der Beklagten zu
2 dennoch nicht [X.] werden. Vielmehr hätte er innerhalb der ursprünglich notierten Beru-fungsfrist und vor deren Streichung Rücksprache mit der Beklagten zu
2 halten müssen, um sich zu vergewissern, ob tatsächlich keine Berufung eingelegt werden solle, zumal ihm keine schriftliche Erklärung der Beklagten zu
2 vorge-legen habe.
2
3
-
4
-

II.
Die gemäß §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1, § 522 Abs.
1 Satz
4, §
238 Abs.
2 Satz
1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig.
1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert die Siche-rung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des [X.]. Der angefochtene Beschluss verletzt die Beklagten weder in ihrem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechts-schutz (Art.
2 Abs.
1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) noch deren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art.
103 Abs.
1 GG). Danach darf einer [X.] die [X.] in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und den [X.]en den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in [X.], aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender
Weise erschweren (vgl. Senatsbeschluss vom 26.
Juni 2012 -
VI
ZB 12/12, juris Rn.
5 mwN).
Davon ist im Streitfall jedoch nicht
auszugehen.
2. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das Berufungs-gericht den Beklagten eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen [X.] der Berufungsfrist mit Recht versagt.
a) Zwar darf der Rechtsanwalt einfache Verrichtungen, die keine beson-dere Geistesarbeit oder juristische Schulung verlangen, wie etwa Botengänge oder
die Eintragung vorher vom Anwalt verfügter Fristen, zur selbständigen Er-ledigung auf sein geschultes und zuverlässiges Büropersonal übertragen (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 27.
November 1990 -
VI
ZB 22/90, NJW 1991, 1179; [X.], Beschluss vom 5. März 1991 -
XI
ZB 1/91, NJW 1991, 2082). So liegt der Streitfall nicht.
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5
-

b) Hier ging es vielmehr um die Frage, ob gegen ein Urteil entsprechend der Empfehlung des Prozessbevollmächtigten Berufung eingelegt werden sollte oder nicht. Die Klärung dieser Frage, die unmittelbar das Mandat betrifft, darf der Rechtsanwalt grundsätzlich nicht allein einem Telefongespräch einer Kanz-leikraft überlassen. Denn diese Frage fällt -
wie die Rechtsbeschwerdeerwide-rung mit Recht geltend macht
-
in den originären Verantwortungsbereich des Rechtsanwalts, der sich insoweit nur auf eine schriftliche oder ihm selbst erteilte mündliche Weisung der Mandantschaft verlassen und ihm vorgelegte, nicht von der [X.] autorisierte [X.] nicht ungeprüft übernehmen darf.
3. Nach alledem ist die Rechtsbeschwerde mit der Kostenfolge des §
97 Abs.
1 ZPO zu verwerfen.
Galke
Wellner
[X.]

Pauge

von Pentz

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 07.07.2011 -
23 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 20.10.2011 -
13 [X.]/11 -

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9

Meta

VI ZB 71/11

02.10.2012

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.10.2012, Az. VI ZB 71/11 (REWIS RS 2012, 2641)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2641

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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