Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.05.2007, Az. I ZR 106/05

I. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 3984

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 106/05 Verkündet am: 3. Mai 2007 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit - 2 - Der I. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 3. Mai 2007 durch [X.] [X.] und [X.], Dr. Bergmann und [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision der Beklagten wird das [X.]eil des 12. Zivilsenats des [X.] vom 12. Mai 2005 unter Zu-rückweisung des Rechtsmittels im Übrigen im Kostenpunkt und in-soweit aufgehoben, als das Berufungsgericht über einen Betrag von 11.688,28 • (Summe der für die Schadensfälle 1, 5, 6, 8, 10, 12, 13, 14 und 9 hinsichtlich eines Paketes im Wert von 185 DM geltend gemachten Ersatzbeträge) nebst 5 % Zinsen über dem [X.] aus 1.687,26 • seit dem 7. März 2000, 1.896,89 • seit dem 15. Juni 2000, 1.722,54 • seit dem 13. Februar 2001, 1.576,31 • seit dem 15. März 2001, 94,59 • seit dem 15. März 2001, 1.492,97 • seit dem 5. Juni 2001, 1.124,45 • seit dem 16. August 2001, 924,62 • seit dem 16. August 2001 und 1.168,65 • seit dem 16. August 2001 hinaus zum Nachteil der [X.] erkannt und dabei ein Mitverschulden der Klägerin verneint hat. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Be-rufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen - 3 - Tatbestand: 1 Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin der [X.], die Transportversicherer der S.

GmbH (S.-GmbH) in [X.] und der D.

AG ([X.]) in [X.] war (im Folgenden: Versicherungsnehmer). Sie nimmt die Beklagte, die einen Pa-ketbeförderungsdienst betreibt, aus abgetretenem und übergegangenem Recht wegen Verlusts von Transportgut in 14 Fällen auf Schadensersatz in Anspruch. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind nur die Schadensfälle 2, 3, 7, 9 und 11. Schadensfall 2: Am 3. September 1999 übergab die S.-GmbH der [X.] ein Paket mit Waren im Wert von 8.699 DM (= 4.447,73 •) zur Beförde-rung nach [X.]. 2 Schadensfall 3: Am 29. Juni 1999 übergab die S.-GmbH der Beklagten ein Paket mit Waren im Wert von 11.395 DM (= 5.826,17 •) zur Beförderung nach [X.]. 3 Schadensfall 7: Am 26. Oktober 2000 übergab die [X.] der Beklagten ein Paket mit Waren im Wert von 8.605 DM (= 4.399,67 •) zur Beförderung nach [X.]. 4 Schadensfall 9: Am 11. Oktober 2000 übergab die [X.] der Beklagten zwei Pakete mit Waren im Wert von 7.990 DM (= 4.085,22 •) und 185 DM (= 94,59 •) zur Beförderung nach [X.]. 5 - 4 - Schadensfall 11: Am 9. November 2000 übergab die [X.] der Beklag-ten ein Paket mit Waren im Wert von 8.632,05 DM (= 4.413,47 •) zum Versand nach [X.]. 6 7 In allen Fällen gerieten die der Beklagten zum Transport übergebenen Pakete während deren Gewahrsamszeit in Verlust. Die Beklagte hat den [X.] je Schadensfall 1.000 DM (= 511,29 •) ersetzt. Den Transportaufträgen lagen in den Schadensfällen 2, 3, 7 und 9 die Beförderungsbedingungen der Beklagten (Stand Februar 1998) zugrunde, die auszugsweise folgende Regelungen enthielten: 8 "– 10. Haftung In den Fällen, in denen die im [X.] oder [X.] festge-legten Haftungsbestimmungen Anwendung finden –, wird die Haftung von U. durch diese Bestimmungen geregelt und ent- sprechend dieser Bestimmungen begrenzt. In den Fällen, in de-nen das [X.] oder [X.] nicht gelten, wird die Haftung von U. durch die vorliegenden Beförderungsbedingungen ge- regelt. U. haftet bei Verschulden für nachgewiesene direkte Schäden bis zu einer Höhe von – 1.000 DM pro Sendung in der [X.] oder bis zu dem nach § 54 ADSp – ermittelten Erstattungsbetrag, je nach dem, welcher Betrag höher ist, es sei denn, der Versender hat, wie im [X.], einen höheren Wert angegeben.

Die Wert- und Haftungsgrenze wird angehoben durch die korrek-te Deklaration des Werts der Sendung. – Diese Wertangabe gilt als Haftungsgrenze. Der Versender erklärt durch die [X.], dass sein Interesse an den Gütern die oben genannte Grundhaftung nicht übersteigt.

– - 5 - Vorstehende Haftungsbegrenzungen gelten nicht bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit von U. , seiner gesetzlichen Vertre- ter oder Erfüllungsgehilfen.

–" Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte hafte für den Verlust des [X.] in voller Höhe. 9 10 Die Klägerin hat hinsichtlich der im Revisionsverfahren noch anhängigen Schadensfälle beantragt, die Beklagte zu verurteilen, 20.710,42 • nebst Zinsen zu zahlen. 11 Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat vorgetragen, in dem dem Schadensfall 11 zugrunde liegenden Transportvertrag seien die Allgemei-nen Beförderungsbedingungen mit Stand November 2000 einbezogen worden. Sie hat geltend gemacht, die Klägerin müsse sich ein haftungsausschließendes Mitverschulden anrechnen lassen, weil die Versenderin eine [X.] unterlassen habe. Im Falle der [X.] behandele sie die Pakete sorg-fältiger, sofern deren Wert 5.000 DM übersteige. Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. 12 Der Senat hat die Revision der Beklagten beschränkt auf die [X.], 3, 7, 9 und 11 und insoweit beschränkt auf das Mitverschulden zugelas-sen. In diesem Umfang verfolgt die Beklagte mit ihrer Revision, deren Zurück-weisung die Klägerin beantragt, ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter. 13 - 6 - Entscheidungsgründe: 14 I. Das Berufungsgericht hat eine unbeschränkte Haftung der Beklagten für den Verlust der Pakete nach den §§ 425, 435 HGB, Art. 17, 29 [X.] (Scha-densfall 11) angenommen. Zur Begründung hat es - soweit für das Revisions-verfahren von Bedeutung - ausgeführt: Die Klägerin müsse sich kein Mitverschulden der Versicherungsnehmer am Verlust der Pakete wegen unterlassener [X.] zurechnen lassen. Die Beklagte habe nicht dargelegt, in welcher Weise den Versicherungsneh-mern die von ihr behaupteten besonderen Sicherungsmaßnahmen für Wertpa-kete zur Kenntnis gebracht worden seien. Die zusätzlichen Sicherungsmaß-nahmen würden im Übrigen nur für den nationalen Verkehr und nicht auch für internationale Transporte (Fall 11) gelten. 15 II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben ganz überwiegend Erfolg. Sie führen - mit Ausnahme eines [X.] von 94,59 • - im Umfang der Zulassung der Revision zur Aufhebung des Beru-fungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann in den noch anhängigen Schadensfällen ein Mitverschulden der Versender in Betracht kommen. 16 1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der [X.] auch im Fall des qualifizierten Verschuldens i.S. von § 435 HGB und im Rahmen der verschärften Haftung nach Art. 29 [X.] zu be-rücksichtigen ist (vgl. [X.], [X.]. v. 5.6.2003 - I ZR 234/00, [X.] 2003, 467, 471; [X.]. v. 23.10.2003 - [X.], [X.] 2004, 177, 179; [X.]. v. 1.12.2005 - I ZR 4/04, [X.] 2006, 116, 117 m.w.N.). 17 - 7 - 18 2. Das Berufungsgericht hat im Schadensfall 9 in Bezug auf eines der verlorengegangenen Pakete ein Mitverschulden der [X.] zu Recht verneint. Das Paket enthielt lediglich Waren im Wert von 185 DM (= 94,59 •). Ein [X.] wegen unterlassener [X.] scheidet in einem solchen Fall aus, da nach den Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten eine [X.] erst bei einem Paketwert von mehr als 1.000 DM erforderlich ist. 3. In den Verlustfällen 2, 3, 7 und 9 (nationale Transporte) hat das [X.] im Übrigen ein Mitverschulden der Versicherungsnehmer zu Un-recht verneint. 19 a) Nicht beigetreten werden kann dem Berufungsgericht in seiner An-nahme, ein Mitverschulden der Versicherungsnehmer nach § 254 Abs. 1 BGB wegen Unterlassens einer [X.] komme im vorliegenden Fall nicht in Betracht, weil nicht festgestellt werden könne, dass die Versicherungsnehmer bei Auftragserteilung Kenntnis von den besonderen Sicherungsmaßnahmen für Wertpakete gehabt hätten. 20 aa) Das Berufungsgericht ist im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass ein Versender in einen gemäß § 425 Abs. 2 HGB (§ 254 Abs. 1 BGB) be-achtlichen Selbstwiderspruch geraten kann, wenn er trotz Kenntnis, dass der Spediteur das Paket bei richtiger Wertangabe mit größerer Sorgfalt behandelt, von einer [X.] absieht und bei Verlust gleichwohl vollen Schadens-ersatz verlangt (vgl. [X.]Z 149, 337, 353; [X.], [X.]. v. 17.6.2004 - I ZR 263/01, [X.] 2004, 399, 401). Eine solche Kenntnis hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. 21 - 8 - bb) Es ist jedoch weiter davon auszugehen, dass es für ein zu [X.] Mitverschulden ausreichen kann, wenn der Versender die sorgfäl-tigere Behandlung von [X.] durch den Transporteur hätte kennen müs-sen (vgl. [X.], [X.]. v. 1.12.2005 - I ZR 284/02, [X.] 2006, 202, 204; [X.]. v. 1.12.2005 - I ZR 46/04, [X.] 2006, 205, 206). Von einem Kennenmüssen der Anwendung höherer Sorgfalt bei korrekter Wertangabe kann im Allgemei-nen ausgegangen werden, wenn sich aus den Beförderungsbedingungen des Transporteurs ergibt, dass er für diesen Fall bei Verlust oder Beschädigung des Gutes höher haften will. Diese Kenntnis wurde den Versicherungsnehmern durch Nr. 10 der Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten vermit-telt (vgl. [X.] [X.] 2006, 205, 206 f.). 22 b) Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zu der Frage getroffen, ob die verlorengegangenen Pake-te im Falle einer Wertangabe sicherer befördert worden wären. Die Beklagte hat unter Beweisantritt vorgetragen, dass der Transportweg eines dem Wert nach deklarierten Pakets weiterreichenden Kontrollen unterliege als der Weg nicht wertdeklarierter Pakete. Diesem Vorbringen wird das Berufungsgericht im wie-dereröffneten Berufungsverfahren nachzugehen haben. 23 Gelingt der Beklagten dieser Beweis nicht, wird sich das Berufungsge-richt mit dem Einwand des Mitverschuldens nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB auseinanderzusetzen haben, der nicht die Feststellung voraussetzt, dass der Frachtführer Wertsendungen generell sicherer befördert. Die Kausalität des Mitverschuldenseinwands nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB kann nur verneint werden, wenn der Transporteur trotz eines Hinweises auf den ungewöhnlichen Wert des Gutes keine besonderen Maßnahmen ergriffen hätte ([X.], [X.]. v. 1.12.2005 - I ZR 265/03, [X.] 2006, 208, 209). Ein ungewöhnlich hoher Schaden i.S. dieser Vorschrift ist allerdings nur im Schadensfall 3 gegeben, da 24 - 9 - in den anderen Schadensfällen der Wert des Inhalts der verlorengegangenen Pakete 5.000 • nicht übersteigt (vgl. [X.] [X.] 2006, 208, 209; [X.], [X.]. [X.], NJW-RR 2007, 28 Tz 32 = [X.] 2006, 394). 25 4. Auch im Schadensfall 11 (internationaler Transport) hat das [X.] zu Unrecht ein Mitverschulden der Versicherungsnehmerin ver-neint. a) Bei einem dem Haftungsregime der [X.] unterfallenden Transport kann der Frachtführer jedenfalls im Rahmen der verschärften Haftung nach Art. 29 [X.] ebenfalls einwenden, dass es der Ersatzberechtigte vor Vertrags-schluss trotz Kenntnis oder Kennenmüssen der Tatsache, dass mit der Angabe des tatsächlichen Wertes des Pakets auch eine sicherere Beförderung verbun-den ist, unterlassen hat, den wirklichen Wert des zu transportierenden Gutes anzugeben (§ 254 Abs. 1 BGB; vgl. [X.] [X.] 2006, 116, 117). 26 b) Bei Transporten, die dem Haftungsregime der [X.] unterfallen, ist auch davon auszugehen, dass die Versender die Anwendung höherer Sorgfalt bei korrekter Wertangabe hätten kennen müssen. Zwar heißt es in den Beförde-rungsbedingungen der Beklagten, dass die im [X.] festgelegten Haftungsbestimmungen Anwendung finden. Es kann aber angenommen wer-den, dass die Beklagte zur Vermeidung einer über die Haftungshöchstgrenze hinausgehenden Haftung ganz allgemein höhere Sicherheitsstandards wählen wird. Die Annahme, die Beklagte werde ihre Sicherheitsstandards davon ab-hängig machen, ob [X.] im selben Staat abgeliefert wird oder nicht, liegt eher fern (vgl. [X.] [X.] 2006, 116, 118). 27 c) Nicht beigetreten werden kann dem Berufungsgericht in seiner An-nahme, ein Mitverschulden der Versicherungsnehmerin wegen Unterlassens 28 - 10 - einer [X.] komme in diesem Schadensfall nicht in Betracht, weil die Beklagte nicht vorgetragen habe, dass sie [X.] bei zutreffender Wertangabe mit größerer Sorgfalt behandelt. Die Revision rügt zu Recht, dass die Beklagte ihren Vortrag hinsichtlich höherer Sicherungsmaßnahmen nicht auf reine Inlandstransporte beschränkt hat. III. Danach kann das angefochtene [X.]eil, soweit es von der Revision angegriffen wird, mit Ausnahme eines Betrages von 94,59 • keinen Bestand haben. Es ist daher auf die Revision der Beklagten aufzuheben, soweit das Be-rufungsgericht in den Verlustfällen 2, 3, 7, 9 (mit Ausnahme eines Paketes) und 11 ein Mitverschulden der Versicherungsnehmer verneint hat. Im Umfang der Aufhebung ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über 29 - 11 - die Kosten der Revision einschließlich der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. [X.] Ri[X.] Prof. Dr. Büscher ist

in Urlaub und kann deswe-

gen nicht unterschreiben.

[X.] [X.] [X.] ist in Urlaub und kann deswe- gen nicht unterschreiben.

[X.]

Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 09.09.2004 - 31 O 154/02 - [X.], Entscheidung vom 12.05.2005 - [X.] U 7/05 -

Meta

I ZR 106/05

03.05.2007

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.05.2007, Az. I ZR 106/05 (REWIS RS 2007, 3984)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 3984

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