Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.02.2010, Az. 10 AZR 759/08

10. Senat | REWIS RS 2010, 8992

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Gegenstand

Betonsteinhandwerk - selbständige Betriebsabteilung i.S.d. Tarifvertrags über die überbetriebliche Zusatzversorgung im Betonsteingewerbe Nordwestdeutschlands - Tarifauslegung


Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 23. Mai 2008 - 10 Sa 533/07 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Auskunfts- und [X.]ntschädigungsansprüche nach den tarifvertraglichen Regelungen des [X.]ozialkassenverfahrens des [X.] ([X.]) bezogen auf das Werk der [X.]eklagten in [X.] ([X.]) für den Zeitraum von Februar 2005 bis [X.]ai 2006.

2

Die Klägerin ist als gemeinsame [X.]inrichtung der Tarifvertragsparteien des [X.]augewerbes nach näherer tariflicher [X.]aßgabe auch für die Zusatzversorgung und das [X.]ozialkassenverfahren des [X.] ([X.]) zuständig.

3

Die [X.]eklagte produziert und vertreibt [X.] und [X.] und hat in der [X.] eine Vielzahl von Werken und Verkaufsbüros. Die Hauptverwaltung ist in [X.] ([X.]). [X.]ines der Werke befindet sich in [X.] ([X.]). In diesem Werk werden [X.] und [X.] hergestellt. Das Werk verfügt über eine eigene Postadresse, eine eigene Telefon- und Faxnummer sowie über einen eigenen Werksleiter. Der Werksleiter ist für die technische [X.]etreuung und die Überwachung der Produktionsmitarbeiter zuständig und deren „disziplinarischer Vorgesetzter“. Darüber hinaus ist er stellvertretender Werksleiter eines anderen Werks ([X.], [X.]). Die [X.]etriebsmittel des Werks in [X.] sind gepachtet und stehen im [X.]igentum der vorherigen Werksinhaberin. Die [X.]uchhaltung und die kaufmännische Verwaltung befinden sich in der Hauptverwaltung in [X.]. Das Werk [X.] wird in der [X.]ilanz bzw. den Gewinn- und Verlustrechnungen als gesonderte Kostenstelle ausgewiesen. Im Werk ist ein [X.]etriebsrat gebildet.

4

In dem für allgemeinverbindlich erklärten „Tarifvertrag über das Verfahren der überbetrieblichen Zusatzversorgung im [X.]etonsteingewerbe ([X.]eton- und Fertigteilindustrie und [X.]etonsteinhandwerk) [X.]s“ (VTV [X.]etonsteingewerbe) vom 1. April 1986 idF vom 1. [X.]eptember 2004 heißt es in § 1 unter anderem:

        

„(1)

Räumlicher Geltungsbereich:

                 

Das Gebiet der Länder [X.]remen, [X.], [X.], [X.], [X.]chleswig-Holstein.

        

(2)

[X.]etrieblicher Geltungsbereich:

                 

[X.]etriebe, die unter den betrieblichen Geltungsbereich des [X.] über die überbetriebliche Zusatzversorgung im [X.]etonsteingewerbe [X.]s in der jeweils geltenden Fassung fallen.“

5

Der ebenfalls für allgemeinverbindlich erklärte „Tarifvertrag über die überbetriebliche Zusatzversorgung im [X.]etonsteingewerbe ([X.]eton- und Fertigteilindustrie und [X.]etonsteinhandwerk) [X.]s“ ([X.]) vom 1. April 1986 idF vom 1. [X.]eptember 2004 trifft in § 1 Abs. 2 unter anderem folgende Regelungen:

        

„[X.]etrieblicher Geltungsbereich:

        

Abschnitt I:

        

[X.]eton- und [X.]etonfertigteilwerke.

        

Hierunter fallen alle industriellen und handwerklichen [X.]etriebe, die [X.], [X.]tahlbetonwaren, [X.], [X.]etonwerkstein und [X.]etonfertigbauteile aller Art stationär herstellen und diese zum überwiegenden Teil an nicht beteiligte Dritte veräußern.

        

Werden die hergestellten Fertigbauteile dagegen zum überwiegenden Teil durch den herstellenden [X.]etrieb selbst, einen anderen [X.]etrieb desselben Unternehmens oder innerhalb von Unternehmenszusammenschlüssen - unbeschadet der gewählten Rechtsform - durch den [X.]etrieb mindestens eines beteiligten Gesellschafters zur [X.]rstellung, Instandsetzung, Instandhaltung oder Änderung von [X.]auwerken zusammengefügt oder eingebaut (Fertigteilherstellung im [X.]aubetrieb gemäß § 1 Abschnitt V Ziffer 13 des [X.]undesrahmentarifvertrages für das [X.]augewerbe ([X.]RTV) vom 4. Juli 2002 in der Fassung vom 17. Dezember 2003), so fällt der herstellende [X.]etrieb nur dann unter diesen Tarifvertrag, wenn er [X.]itglied eines der vertragschließenden Verbände ist und ...

        

…       

        

Als [X.]etriebe gelten auch selbständige [X.]etriebsabteilungen.“

6

Die Klägerin hat von der [X.]eklagten nach den tarifvertraglichen [X.]aßgaben Auskunft betreffend die Arbeitnehmer des Werks [X.] verlangt und die Ansicht vertreten, dass dieses Werk dem räumlichen und betrieblichen Geltungsbereich des VTV [X.]etonsteingewerbe unterfalle, da es sich um eine selbstständige [X.]etriebsabteilung handele. Die [X.]elbstständigkeit ergebe sich vor allem aus der räumlichen Trennung und dem Umstand, dass - abgesehen vom Werksleiter - kein Austausch der Arbeitnehmer zwischen den Werken stattfinde. Der Werksleiter sei zur [X.]instellung und [X.]ntlassung der in dem Werk beschäftigten Arbeitnehmer berechtigt; zumindest sei er an der Auswahl von neu einzustellenden [X.]itarbeitern beteiligt und abmahnungsberechtigt. [X.]ofern die nach dem Tarifvertrag geschuldete Auskunft nicht innerhalb einer vom Gericht festzusetzenden Frist erteilt werde, bestehe gem. § 61 Abs. 2 ArbGG ein Anspruch auf Zahlung einer [X.]ntschädigung.

7

Die Klägerin hat beantragt,

        

die [X.]eklagte zu verurteilen,

        

1.   

der Klägerin auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen,

                 

1.1

wie viele gewerbliche Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften des [X.]echsten [X.]uches [X.]ozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - ([X.]G[X.] VI) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den [X.]onaten Februar 2005 bis [X.]ai 2006 im Werk [X.] beschäftigt wurden, welche [X.]ruttolohnsumme und welche [X.]ozialkassenbeiträge insgesamt für diese Arbeitnehmer in den jeweils genannten [X.]onaten angefallen sind,

                 

1.2

wie viele Angestellte, die eine nach den Vorschriften des [X.]echsten [X.]uches [X.]ozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - ([X.]G[X.] VI) versicherungspflichtige Tätigkeit aus-übten - ausgenommen sind geringfügig [X.]eschäftigte i[X.]v. § 8 des Vierten [X.]uches [X.]ozialgesetzbuch ([X.]G[X.] IV) - in den [X.]onaten Februar 2005 bis [X.]ai 2006 im Werk [X.] beschäftigt wurden und welche Zusatzversorgungsbeiträge in den jeweils genannten [X.]onaten angefallen sind,

        

2.   

für den Fall, dass diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Urteilszustellung erfüllt wird, an die Klägerin folgende [X.]ntschädigung zu zahlen:

                          

zu 1.1:

23.355,00 [X.]uro,

        
                          

zu 1.2:

8.105,00 [X.]uro,

        
                          

Gesamtbetrag:

31.460,00 [X.]uro.

        

8

Die [X.]eklagte hat Klageabweisung beantragt und ausgeführt, dass sie auch im Hinblick auf das Werk [X.] nicht unter den räumlichen Geltungsbereich des VTV [X.]etonsteingewerbe falle. Das genannte Werk sei keine selbstständige [X.]etriebsabteilung i[X.]d. tarifvertraglichen Regelung. Vielmehr werde es zentral über die in [X.] und somit außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des VTV [X.]etonsteingewerbe ansässige Hauptverwaltung geleitet und gesteuert. Der Werksleiter habe keine eigene Personalentscheidungsbefugnis. [X.]ei Neueinstellungen werde er ausschließlich im Hinblick auf Fachfragen hinzugezogen. Urlaubsanträge dürfe er nur entgegennehmen. Der Urlaubsplan werde vom Werksleiter entworfen, müsse aber vom Technischen Leiter und somit durch die Hauptverwaltung genehmigt werden. Der Werksleiter übergebe etwaige von der Hauptverwaltung vorbereitete Abmahnungen. [X.]eine Funktion entspreche der eines Abteilungsleiters, nicht jedoch der eines [X.]etriebsleiters. Zudem fehle es an einem eigenständigen [X.]etriebszweck, da wie in den übrigen Werken [X.] und [X.] hergestellt würden. Die hierfür erforderlichen Rohstoffe würden zentral verhandelt und eingekauft. Der Werksleiter müsse die benötigten [X.]engen nur noch bei den Lieferanten abrufen. Unabhängig davon scheitere die Anwendung des VTV [X.]etonsteingewerbe daran, dass die in [X.] hergestellten [X.] und [X.] nicht „zum überwiegenden Teil an nicht beteiligte Dritte veräußert“ würden (§ 1 Abs. 2 Abschn. I [X.]). Das Werk in [X.] verfüge über keinen eigenen Werksverkauf. Vielmehr erfolge der Verkauf zu 50 % über eine [X.]pedition und werde über das Verkaufsbüro in [X.] gelenkt. Die restlichen 50 % würden an andere Werke geliefert und von dort aus vertrieben.

9

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat die [X.]erufung der [X.]eklagten zurückgewiesen. [X.]it der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die [X.]eklagte weiterhin die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

Die Revision der [X.] ist unbegründet. Der Klägerin steht der Anspruch auf Auskunft und - für den Fall nicht fristgerechter Auskunftserteilung - auf [X.]ntschädigung in der geltend gemachten Höhe zu.

I. Die Beklagte ist im Hinblick auf die im Werk [X.] beschäftigten Arbeitnehmer gegenüber der Klägerin nach § 7 [X.] Betonsteingewerbe zur [X.]rteilung der mit der Klage geltend gemachten Auskunft verpflichtet. Sie fiel im streitgegenständlichen Zeitraum hinsichtlich dieses Werks unter den räumlichen und betrieblichen Geltungsbereich des Tarifvertrags über die überbetriebliche Zusatzversorgung im Betonsteingewerbe (Nordwestdeutschland) und des dazugehörigen Verfahrenstarifvertrags.

1. Die maßgeblichen Tarifverträge waren im betreffenden Zeitraum für allgemeinverbindlich erklärt. Ihre Rechtsnormen fanden damit gem. § 5 Abs. 4 iVm. § 4 Abs. 2 [X.] auf die nach den Feststellungen des [X.] nicht verbandsangehörige Beklagte Anwendung. Das Werk [X.] liegt in [X.] und damit gem. § 1 Abs. 1 [X.] Betonsteingewerbe und § 1 Abs. 1 [X.] im räumlichen Geltungsbereich der Tarifverträge.

2. Die Beklagte unterfiel dem betrieblichen Geltungsbereich der Tarifverträge. Sie unterhielt in [X.] (mindestens) eine selbstständige Betriebsabteilung und damit gem. § 1 Abs. 2 Abschn. I Unterabs. 4 [X.] einen Betrieb im tariflichen Sinne (vgl. zur Gleichstellung eines Betriebs und einer selbstständigen Betriebsabteilung in den Tarifverträgen des Baugewerbes: Senat 21. November 2007 - 10 [X.] - Rn. 29, [X.] [X.] § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 297 = [X.]zA A[X.]ntG § 1 Nr. 11; 28. September 2005 - 10 [X.] 28/05 - Rn. 25, [X.]zA A[X.]ntG § 1 Nr. 9).

a) [X.]ine Betriebsabteilung ist ein räumlich, personell und organisatorisch vom Gesamtbetrieb abgegrenzter Betriebsteil, der mit eigenen technischen Betriebsmitteln einen eigenen Betriebszweck verfolgt, der auch nur ein Hilfszweck sein kann. Das zusätzliche tarifliche Merkmal der Selbstständigkeit erfordert eine auch für Außenstehende wahrnehmbare räumliche und organisatorische Abgrenzung sowie einen besonders ausgeprägten spezifischen arbeitstechnischen Zweck. [X.]ine bloße betriebsinterne Spezialisierung der Art, dass getrennte Arbeitsgruppen jeweils bestimmte Aufgaben erfüllen, genügt für die Annahme einer selbstständigen Betriebsabteilung nicht (Senat 21. November 2007 - 10 [X.] - Rn. 30 mwN, [X.] [X.] § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 297 = [X.]zA A[X.]ntG § 1 Nr. 11). Bei einem Betrieb mit mehreren Abteilungen kann eine selbstständige Betriebsabteilung mithin nur dann angenommen werden, wenn in den einzelnen Abteilungen - zusätzlich zur räumlichen Abgrenzung - ein eigenständiger [X.] vorhanden ist, der die dort anstehenden arbeitstechnisch erforderlichen Maßnahmen plant und die der Betriebsabteilung zugeordneten Betriebsmittel zusammenfasst, ordnet und gezielt einsetzt.

b) Nach diesen Grundsätzen ist das [X.] zutreffend zu dem [X.]rgebnis gekommen, dass es sich bei dem Werk [X.] um eine von der Hauptverwaltung und den übrigen Werken der [X.] abgegrenzte Betriebsabteilung iSd. tarifvertraglichen Regelung handelt.

Die auch für Außenstehende erkennbare räumliche Trennung des Werks ergibt sich bereits aus der geografischen Lage. Darüber hinaus hat das Werk eine eigene postalische Anschrift und Telefonnummer sowie eigene, lediglich dort eingesetzte Betriebsmittel (Gebäude, Produktionsanlage usw.). Dies gilt auch, wenn die Betriebsmittel von der [X.] gepachtet worden sind. Für die Abgrenzbarkeit einer Betriebsabteilung kommt es nicht auf die [X.]igentumsverhältnisse, sondern ausschließlich auf die tatsächliche Zuordnung der jeweiligen Betriebsmittel an (vgl. Senat 21. November 2007 - 10 [X.] 782/06 - Rn. 33, [X.] [X.] § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 297 = [X.]zA A[X.]ntG § 1 Nr. 11). Das Werk ist zudem in personeller Hinsicht von den übrigen Werken und der Hauptverwaltung abgegrenzt. [X.]s werden dort eigene Arbeitnehmer beschäftigt; ein Personalaustausch zwischen den Werken findet, mit Ausnahme der Vertretung der Werksleiter, nicht statt. Die Beklagte verfolgt mit der Herstellung von [X.]n und [X.] einen eigenen spezifischen Betriebszweck, der sich nicht im Sinne einer Aufgabenteilung ausschließlich auf die Unterstützung des Zwecks des Gesamtbetriebs beschränkt.

c) Die Betriebsabteilung weist die tarifvertraglich geforderte Selbstständigkeit auf. Das [X.] hat zu Recht darauf abgestellt, dass das Werk in [X.] aufgrund der klaren räumlichen und organisatorischen Trennung auch dann über die Selbstständigkeit verfüge, wenn die letztendliche [X.] nicht beim Werksleiter, sondern, wie von der [X.] behauptet, bei der Hauptverwaltung liegen sollte.

[X.]ntgegen der von der [X.] vertretenen Auffassung kommt es nicht darauf an, ob und in welchem Umfang dem Werksleiter [X.]se übertragen worden sind. Das Vorhandensein eines eigenen, die wesentlichen [X.]ntscheidungen in personellen und [X.] Angelegenheiten betreffenden [X.]s ist für die Frage maßgeblich, ob es sich bei einer organisatorischen [X.]inheit um einen Betrieb handelt (vgl. zum [X.] im [X.] bzw. [X.]: [X.] 7. Mai 2008 - 7 [X.] - Rn. 19, [X.], 328; 15. März 2001 - 2 [X.] 151/00 - zu II 1 b der Gründe, [X.]zA [X.] § 23 Nr. 23). Dieses Kriterium kann daher nicht zugleich zur Klärung der Frage herangezogen werden, ob es sich um eine selbstständige Betriebsabteilung handelt. Andernfalls würde für die tarifvertraglich vorgesehene [X.]rweiterung des [X.]s kein eigener Anwendungsbereich verbleiben. [X.]benso ist unerheblich, ob und inwieweit dem Werksleiter kaufmännische Befugnisse (zB beim [X.]inkauf von Waren) übertragen sind. Für die Annahme einer selbstständigen Betriebsabteilung reicht es vielmehr aus, wenn ein [X.] vorhanden ist, der die in der Betriebsabteilung anstehenden arbeitstechnisch erforderlichen Maßnahmen plant und die der Betriebsabteilung zugeordneten Betriebsmittel zusammenfasst, ordnet und gezielt einsetzt. Diese Voraussetzungen sind bei räumlich weit entfernten [X.] regelmäßig erfüllt und liegen im Streitfall vor.

3. Das Werk in [X.] veräußert die dort hergestellten [X.] und [X.] „zum überwiegenden Teil an nicht beteiligte Dritte“ (§ 1 Abs. 2 Abschn. I Unterabs. 1 [X.]).

a) Gem. § 1 Abs. 2 Abschn. I Unterabs. 1 [X.] werden industrielle und handwerkliche Betriebe, die [X.] und ähnliche Produkte stationär herstellen, von dem betrieblichen Geltungsbereich des Tarifvertrags nur dann erfasst, wenn sie diese Produkte zum überwiegenden Teil an nicht beteiligte Dritte veräußern. Wenn die hergestellten Fertigbauteile „dagegen“ zum überwiegenden Teil durch den herstellenden Betrieb selbst, einen anderen Betrieb desselben Unternehmens oder innerhalb von Unternehmenszusammenschlüssen - unbeschadet der gewählten Rechtsform - durch den Betrieb mindestens eines beteiligten Gesellschafters zur [X.]rstellung, Instandsetzung, Instandhaltung oder Änderung von Bauwerken zusammengefügt oder eingebaut werden, ist der betriebliche Geltungsbereich nur für Verbandsmitglieder beim Vorliegen weiterer, in § 1 Abs. 2 Abschn. I Unterabs. 2 und 3 [X.] näher geregelter Bedingungen gegeben.

§ 1 Abs. 2 Abschn. I Unterabs. 1 [X.] verlangt nach seinem Wortlaut die Veräußerung an nicht beteiligte Dritte. Die Vorschrift bedarf der Auslegung, da im rechtlichen Sinn weder ein Betrieb noch eine Betriebsabteilung veräußern können, sondern nur die dahinterstehende natürliche oder juristische Person. Ihr Sinn erschließt sich nur aus dem Zusammenhang mit den weiteren Regelungen. [X.]ntgegen der Auffassung der [X.] kann Unterabs. 1 nicht isoliert betrachtet werden. Vielmehr bilden die Unterabs. 1 bis 3 ein geschlossenes System, das die Abgrenzung der [X.] des Baugewerbes und des [X.] regelt. Die Geltungsbereiche der beiden [X.] schließen sich gegenseitig aus (Senat 2. Juli 2008 - 10 [X.] 305/07 - Rn. 31, [X.] 2009, 426). Dies wird durch die verwendeten Begriffe „dagegen“ und „trotz“ in den Unterabs. 2 und 3 und durch die Verweisungen auf den Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe bzw. die Mitgliedschaft in einem Verband des Baugewerbes deutlich. Das Tatbestandsmerkmal der „Veräußerung an nicht beteiligte Dritte“ (§ 1 Abs. 2 Abschn. I Unterabs. 1 [X.]) dient der Abgrenzung zu den „baulichen Leistungen“ und somit zum betrieblichen Geltungsbereich des [X.] Baugewerbe. Betriebe und [X.], die die von ihnen hergestellten [X.] und ähnlichen Produkte überwiegend selbst zusammenfügen oder einbauen (Fertigteilherstellung im Baubetrieb gem. § 1 Abs. 2 Abschn. V Ziff. 13 [X.] Baugewerbe) und damit überwiegend bauliche Leistungen erbringen, fallen grundsätzlich unter den Anwendungsbereich des [X.] Baugewerbe. Unter den betrieblichen Geltungsbereich des [X.] sollen sie ausnahmsweise nur dann fallen, wenn sie zu einem bestimmten Stichtag in der Vergangenheit den vertragsschließenden Verbänden des [X.] angehörten. Hierzu trifft § 1 Abs. 2 Abschn. I Unterabs. 3 [X.] wiederum Ausnahmeregelungen für Betriebe, die die Rahmen- und Sozialkassentarifverträge für das Baugewerbe für die Mehrzahl ihrer Arbeitnehmer anwenden oder vor einem Stichtag angewendet haben. Daraus wird deutlich, dass das Sozialkassenverfahren des [X.] nur dann zur Anwendung kommen soll, wenn der Betrieb nicht bereits dem Sozialkassenverfahren der Bauwirtschaft unterfällt. Damit sollen einerseits doppelte Beitragspflichten vermieden, andererseits alle Arbeitnehmer innerhalb des räumlichen und betrieblichen Geltungsbereichs der beiden [X.] lückenlos erfasst werden.

b) Das [X.] ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass es nicht darauf ankommt, auf welchem Vertriebsweg die im Werk [X.] hergestellten Produkte veräußert werden. Insbesondere wäre es unschädlich, wenn - wie die Beklagte behauptet hat - kein eigener Werksverkauf besteht, sondern der Verkauf der dort produzierten Waren zu 50 % über eine Spedition und zu weiteren 50 % über andere Werke der [X.] stattfindet. [X.]ntscheidend ist nur, dass die [X.] überwiegend veräußert und nicht durch die Beklagte oder ein verbundenes Unternehmen zur [X.]rstellung, Instandsetzung, Instandhaltung oder Änderung von Bauwerken zusammengefügt oder eingebaut werden.

Soweit die Beklagte in der [X.] noch darauf hingewiesen hat, dass es sich bei dem Werk [X.] um einen reinen Produktionsbetrieb handele, steht dies - wie sich aus § 1 Abs. 2 Abschn. II [X.] ergibt - dem betrieblichen Geltungsbereich gerade nicht entgegen.

II. Sollte die Beklagte die nach dem Tarifvertrag geschuldete Auskunft nicht innerhalb der vom Arbeitsgericht gesetzten Frist erteilen, ist sie zur Zahlung der von den Vorinstanzen festgesetzten [X.]ntschädigung verpflichtet. Bei der [X.]rfüllung der Auskunftsverpflichtung handelt es sich um die Vornahme einer Handlung, bei der für den Fall, dass sie nicht binnen einer bestimmten Frist vorgenommen wird, auf Antrag der Klägerin nach § 61 Abs. 2 ArbGG die Beklagte zur Zahlung einer vom Gericht nach freiem [X.]rmessen festzusetzenden [X.]ntschädigung zu verurteilen ist. Dabei ist die [X.]ntschädigung in der Regel mit 80 % der erwarteten Beitragssumme zu berechnen (Senat 28. Juli 2004 - 10 [X.] 580/03 - zu II 2 der Gründe, [X.][X.] 111, 302). Über die Höhe der von den Vorinstanzen festgesetzten [X.]ntschädigung und die Angemessenheit der gesetzten Frist besteht zwischen den Parteien kein Streit.

III. Die Beklagte hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Mikosch    

        

    W. Reinfelder    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Mehnert    

        

    Maurer    

        

        

Meta

10 AZR 759/08

24.02.2010

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Wiesbaden, 25. Januar 2007, Az: 4 Ca 1047/06, Urteil

§ 1 TVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.02.2010, Az. 10 AZR 759/08 (REWIS RS 2010, 8992)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8992


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 10 AZR 759/08

Bundesarbeitsgericht, 10 AZR 759/08, 24.02.2010.


Az. 4 Ca 1047/06

Arbeitsgericht Oberhausen, 4 Ca 1047/06, 14.09.2006.


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Referenzen
Wird zitiert von

6 Sa 51/21

1 Ca 1382/16

5 Sa 674/17

11 Sa 988/09

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