Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.10.2017, Az. XII ZR 1/17

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 3349

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:251017U[X.]1.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
XII ZR 1/17
Verkündet am:

25. Oktober 2017

Küpferle

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB § 307 Abs. 1 Satz 2 Bb;
§ 310 Abs. 1 Satz 2
Eine Klausel zur automatischen Verlängerung eines Werbevertrags ist wegen fehlender Transparenz unwirksam, wenn bei [X.]beginn nicht eindeutig feststeht, bis wann die Kündigung zur Abwendung der Verlängerung spätestens ausgesprochen werden muss.

[X.], Urteil vom 25. Oktober 2017 -
XII ZR 1/17 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-

Der X[X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 25. Oktober 2017
durch
den Vorsitzenden [X.], [X.]
[X.],
Dr. Nedden-Boeger
und
Guhling
und die Richterin Dr. Krüger

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der
2.
Zivilkammer
des Landge-richts [X.]
vom 13. Dezember 2016
wird auf Kosten der Klä-gerin
zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Parteien streiten über
die klauselmäßige Verlängerung eines Werbe-vertrags.
Die Klägerin vermietet Werbeflächen auf Kraftfahrzeugen. Die Fahrzeuge
erwirbt
sie, um sie an [X.] Institutionen zu verleihen. Mit der [X.] schloss sie am 22. März 2010 einen Vertrag über eine Werbefläche auf einem Sozialmobil, das einem
Pflegestift
als Institution überlassen wurde. Vereinbart war

Der einseitige
Formularvertrag enthält in der linken Spalte ein Textfeld folgen-den Inhalts:
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"Auftragsbedingungen:
Der Gesamtpreis der Werbemaßnahme für die [X.]laufzeit von 5 Jahren ergibt sich aus der rechtsseitigen Aufstellung [X.] MwSt. Die Werbelaufzeit beginnt mit der Auslieferung des [X.] an den [X.]partner. Der Vertrag verlängert sich auto-matisch ohne Neubeantragung um weitere 5 Jahre, wenn nicht 6 Monate vor Ablauf des Vertrages schriftlich gekündigt wird*. Bei einer Verlängerung des Vertrages hat der Auftraggeber die Mög-lichkeit einen neuen Werbetext zu platzieren.
*Die vereinbarte Ver-längerung wird vom Auftraggeber ausdrücklich akzeptiert. [X.] Nebenabreden werden nicht anerkannt
sondern bedürfen der Schriftform.
Bemerkungen: _________"
In das Bemerkungsfeld ist handschriftlich eingetragen:
"10 Monatsraten á 229,-
brutto inkl. MwSt ab April 10

Dez 10".
Die Klägerin lud die Beklagte auf den 14. Juli 2010 zur Teilnahme an der
"offiziellen
Fahrzeugübergabe"
ein.
Mit Schreiben vom 3. März 2015 wies die Klägerin darauf hin, dass
man-gels Kündigung eine
[X.]verlängerung um weitere fünf Jahre eingetreten sei. Gleichzeitig gab sie Gelegenheit zur inhaltlichen Änderung des [X.], stellte für die zweite [X.] in Rech-nung
und kündigte deren Lastschrifteinzug für den 11. März 2015 an. Daraufhin focht die Beklagte den [X.] wegen arglistiger
Täu-schung an,
erklärte den Rücktritt vom Vertrag und kündigte diesen.
Mit der Klage verlangt die Klägerin nebst Zin-sen für die verlängerte [X.]laufzeit.
Das Amtsgericht hat die Klage
abge-wiesen, das Landgericht die Berufung
der Klägerin zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich ihre
vom Landgericht zugelassene Revision.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision ist nicht begründet.
I.
Das Landgericht hat seine Entscheidung damit
begründet, dass die [X.] gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam sei. Sie verstoße gegen das Transparenzgebot, da nicht zweifelsfrei ersichtlich werde, wann die erste [X.]laufzeit beginne
und ablaufe, und deshalb für die [X.] auch nicht ausreichend ersichtlich werde, bis wann sie ihr Kündigungs-recht ausüben müsse.
Der Vertrag gewähre für den Beginn der [X.]laufzeit drei denkbare Optionen: das Datum des [X.]abschlusses, dasjenige der Auslieferung des Fahrzeugs an die [X.] Einrichtung
oder den
Beginn der vertraglichen Zahlungspflicht. In den Geschäftsbedingungen werde zum einen eine "[X.]laufzeit", zum anderen eine "Werbelaufzeit"
erwähnt. Zudem sei die Rede von einer "Basislaufzeit". Dafür, dass die "[X.]laufzeit"
zwingend mit der "Werbelaufzeit"
identisch sei,
ergäben sich keine hinreichenden [X.] aus dem Vertrag. Vielmehr lasse der Umstand, dass der Vertrag nicht einmal zeitliche Vorgaben für den Beginn der Werbelaufzeit enthalte, ver-muten, dass zumindest dieser Zeitraum nicht gemeint sein solle, da er zum Zeitpunkt des [X.]abschlusses
noch gänzlich unbestimmt und letztlich ins Ermessen der Klägerin gestellt gewesen sei.
Daran ändere auch nichts, dass der [X.] dieser Termin mittels
Einladung zur Fahrzeugübergabe an die [X.] Einrichtung bekanntgegeben worden sei, da dieses
in keiner Weise suggeriere, dass hiermit mehr bezweckt gewesen sei als eine bloße Einladung. Abgesehen davon komme es auf die Transparenz zum Zeitpunkt des [X.]-schlusses an und nicht darauf, ob sich diese aus späteren Umständen herleiten lasse.
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Darüber hinaus handele es sich um eine Überraschungsklausel. Durch die drucktechnische Gestaltung werde der Inhalt der [X.] so verschleiert, dass mit ihr nicht habe gerechnet werden können. Das unterzeich-nete [X.]formular sei durch eine ins Auge
stechende Regelung auf eine beschränkte [X.]laufzeit angelegt. Mit Groß-
bzw. Fettdruck finde sich an zwei Stellen die Formulierung "[X.]"
bzw. "Nettopreis für 5 Jah-re Werbezeit ...". Werde in dieser Weise eine fünfjährige Laufzeit suggeriert und werde diese dann,
wie hier unter den "Auftragsbedingungen",
an unerwarteter Stelle im engzeiligen [X.] und Fließtext durch eine [X.] in ihr Gegenteil verkehrt, sei dies nach dem äußeren Erscheinungsbild so un-gewöhnlich, dass der [X.]partner des Verwenders damit nicht zu rechnen brauche. Dem stehe auch nicht entgegen, dass im fettgedruckten Teil von einer "Basislaufzeit"
die Rede sei. Hinzu komme, dass unbedeutendere Regelungen des [X.] wie beispielsweise die Zahlungsweise drucktechnisch gegenüber der [X.] hervorgehoben seien und diese dadurch noch mehr in den Hintergrund gerückt werde.
[X.]
Die Revision ist aufgrund der Zulassung in dem Berufungsurteil statthaft (§§ 542 Abs. 1, 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO); der Senat ist an die Zulassung gebun-den (§ 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO).
Die Revision ist jedoch nicht begründet.
Zu Recht hat
das Berufungsge-richt
angenommen, dass die [X.] einer Inhaltskontrol-le am Maßstab des § 307 BGB nicht standhält.
1. Der Inhaltskontrolle vorgeschaltet ist die Ermittlung des objektiven [X.] der Klausel durch Auslegung. Der Senat ist an die Auslegung des [X.] nicht gebunden. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind gemäß 9
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ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn ausgehend von ihrem Wortlaut ein-heitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen [X.]partnern unter Abwägung der Interessen der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Kreise verstanden werden (st. Rspr., Senatsurteil [X.]Z 176, 191
= NJW 2008, 2497 Rn. 10 f. mwN).
Nach §
307 Abs.
1 Satz
1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Ge-schäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den [X.]partner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Treu und Glauben verpflichten den Verwender von Allgemeinen Geschäftsbe-dingungen, die Rechte und Pflichten seines [X.]partners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dazu gehört auch, dass Allgemeine Geschäftsbe-dingungen wirtschaftliche Nachteile und Belastungen so deutlich erkennen [X.], wie dies nach den Umständen möglich und zumutbar ist ([X.] Urteil vom 15. April 2010

Xa ZR 89/09

NJW 2010, 2942 Rn. 25 mwN).
Verstöße gegen das Transparenzgebot entsprechen nicht den Gebräuchen und Gepflogenhei-ten des Handelsverkehrs (vgl. § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB) und führen daher auch gegenüber einem Unternehmer zur Unwirksamkeit formularmäßiger Geschäfts-bedingungen (Senatsurteile vom 3. August 2011

XII
ZR 205/09

NJW 2012, 54 Rn. 16 und vom 26. September 2012

XII ZR 112/10

NJW 2013, 41 Rn.
11).
2. Nach dem Wortlaut der streitigen Klausel verlängert sich der Vertrag um weitere fünf Jahre, wenn nicht sechs Monate vor Ablauf des [X.] schriftlich gekündigt wird.
Die Regelung knüpft somit eine sechsmonatige Kün-digungsfrist an das Datum des Ablaufs des [X.].
Da die anfängliche Ver-tragslaufzeit auf fünf Jahre festgelegt ist, liegt
der [X.]ablauf fünf Jahre nach [X.]beginn
und endet die Kündigungsfrist sechs Monate davor.
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Nicht eindeutig
ist hier allerdings der [X.]beginn. Nach dem Inhalt des Formularvertrags
beginnt die Werbelaufzeit mit der Auslieferung des [X.] "an den [X.]partner". [X.]partner des hier maßgeblichen
Ver-trags sind die Parteien des Rechtsstreits. An die Klägerin wird das Fahrzeug vom Hersteller ausgeliefert, um es zunächst mit den Werbetexten zu versehen und für die Übergabe an die Institution vorzubereiten. Das Pflegestift ist nicht "[X.]partner"
des [X.] und auch nicht als solcher bezeichnet, sondern als "Institution". Ob die Auslieferung an die Klägerin oder die Übergabe an die Institution für den [X.]beginn maßgeblich ist, bleibt nach dem [X.]in-halt letztlich unklar. Für die Maßgeblichkeit der Auslieferung
an die Klägerin als [X.]partnerin spricht einerseits der Wortlaut der Klausel, andererseits die Tatsache, dass die Klägerin
ab dem Zeitpunkt eigene Aufwendungen für das Fahrzeug zu erbringen und deshalb ein
wirtschaftliches
Interesse an gleichzei-tig beginnenden Einnahmen hat. Für die Maßgeblichkeit der Übergabe an die Institution spricht hingegen, dass erst ab dem Zeitpunkt
das Sponsoring seine Wirkung entfaltet und
der Werbeeffekt durch Gebrauch des Fahrzeugs im [X.] Verkehrsraum einsetzt.
Die Unsicherheit über den [X.]beginn und den Ablauf der [X.] lässt sich anhand des [X.]inhalts und seiner Umstände nicht auf-lösen.
So hat im Übrigen auch die Klägerin einerseits mit ihrer Revision den Standpunkt vertreten, maßgeblich sei die Übergabe an das Pflegestift. [X.] ist sie
mit ihrem Schreiben vom 3. März 2015 offensichtlich davon [X.], dass die Fahrzeugauslieferung an sie selbst
und nicht die spätere
Übergabe an die Institution
für den Beginn der
[X.]laufzeit maßgeblich sei, denn sie hat die Bezahlung der zweiten [X.] bereits mit Fälligkeit zum 11. März 2015 in Rechnung gestellt, während die Fahrzeugübergabe an die Institution erst am 14. Juli 2010 stattgefunden hatte und eine Fälligkeit für eine
zweite [X.] bereits im März 2015 nicht hätte auslösen können.
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3.
Mit dem vorgefundenen Inhalt hält die Klausel einer Inhaltskontrolle am Maßstab von § 307 Abs.
1 BGB nicht stand. Die Intransparenz des letzten möglichen Kündigungszeitpunkts führt dazu, dass
das Kündigungsrecht vom Werbekunden
nicht effektiv ausgeübt werden kann. Da die automatische Ver-tragsverlängerung jedoch eine vorherige effektive Kündigungsmöglichkeit
vo-raussetzt, hat beides gemeinsam keinen Bestand. Eine geltungserhaltende Re-duktion der [X.]
auf ein inhaltlich noch zulässiges Maß (vgl. Senatsurteile [X.]Z 178, 158 =
NJW 2008, 3772 Rn.
32
f. und
vom 27. Juni 2007

XII ZR 54/05

NJW 2007, 3421 Rn.
21 mwN)
kommt nicht in Betracht.
Dose
[X.]
Nedden-Boeger

Guhling
Krüger
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 07.07.2016 -
6 C 928/15 -

LG [X.], Entscheidung vom 13.12.2016 -
Aß 2 [X.]/16 -

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Meta

XII ZR 1/17

25.10.2017

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.10.2017, Az. XII ZR 1/17 (REWIS RS 2017, 3349)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 3349

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XII ZR 1/17

XII ZR 112/10

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