Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.03.2012, Az. IV ZR 264/10

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 7923

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 264/10
vom

21. März 2012

in dem Rechtsstreit

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.], [X.], die Richterin [X.], den Richter [X.] und die Richterin Dr. Brockmöller

am 21. März 2012

beschlossen:

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 8. Zivilsenats des [X.] vom 28. Oktober 2010
wird auf Kosten der Klägerin zu-rückgewiesen.

Streitwert: 707.782,93 .

Gründe:

[X.] Die Klägerin fordert
von der Beklagten als führendem Versiche-rer anteilige Versicherungsleistungen und Schadensersatz aus einer von der [X.] mit mehreren Versicherungsunternehmen abge-schlossenen "[X.]", deren Bedingungen auszugsweise im [X.]surteil vom 25.
Mai 2011 ([X.]/09 -
Geldtransporte I
[X.] I, [X.], 918 Rn.
1) und im [X.]sbeschluss vom 21.
Sep-tember 2011 ([X.]/09

Geldtransporte II [X.]
II, juris Rn.
1) wie-dergegeben sind, und aus einer ihr
erteilten Versicherungsbestätigung. Sie ist Versicherte dieses Vertrages. Sie unterhält ein bundesweites [X.] zum Verkauf von Einrichtungsgegenständen und hatte
Unterneh-men der [X.], insbesondere die [X.] GmbH,
damit beauftragt,
Bargeld von ihren Filialen abzuholen und nach [X.]
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-

lung zu [X.] zu transportieren, ferner ihre Filialen mit Münzgeld zu versorgen. Nach ihrer Behauptung hat
sie infolge vertrags-widrigen Verhaltens der [X.] sowohl im Rahmen der [X.] als auch der Bargeldversorgung in der [X.] vom 16.
bis 18.
Februar 2006 Schäden
in einer Gesamthöhe von
ursprünglich
mehr als 1,8
Mio.

erlitten, deren
anteilige Erstattung sie

nach zwischenzeit-lich eingegangenen Zahlungen des [X.] und an-derweitigen Verrechnungen

entsprechend der Beteiligungsquote der Beklagten von 62,5% in Höhe von noch 707.782,93

von der Beklagten verlangt.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Nichtzulassungsbeschwerde, mit der die Klägerin ihr Klagebegehren wei-terverfolgt.

I[X.] Die Rechtssache
hat weder grundsätzliche Bedeutung noch [X.] die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] (§
543 Abs.
2 Satz
1 ZPO). Eine Zulassung der Revision war schon im [X.]punkt der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht geboten, so dass es auf die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Revision im Übrigen nicht an-kommt (vgl. dazu [X.]sbeschluss vom 27.
Oktober 2004

[X.]6/02, [X.], 809 unter 2 m.w.N.).

1. Das Berufungsgericht, das schon einen Versicherungsfall für nicht erwiesen angesehen hat, hält die Klage unabhängig davon auch deshalb für unbegründet, weil es angenommen hat, die Beklagte habe 2
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4
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den unter der Police Nr.
7509 geführten Versicherungsvertrag mit ihrem an den Insolvenzverwalter der [X.] gerichteten Schreiben vom 8.
Januar 2007 wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten. Bei diesem mit Wirkung zum 1. Dezember 2001 geschlossenen Vertrag habe es sich ungeachtet des bereits zuvor unter der Police
Nr.
7265 be-stehenden langjährigen Versicherungsverhältnisses um einen Neuab-schluss gehandelt, bei dem die Verantwortlichen der [X.] der Beklagten das von der [X.] seit langem praktizierte Schnee-ballsystem des fortlaufenden vertragswidrigen Zugriffs auf Kundengelder und die dadurch verursachten Liquiditätslücken (vgl. dazu [X.]surteil vom 25.
Mai 2011 [X.]O Rn.
5) arglistig verschwiegen hätten.

Insoweit deckt die Beschwerdeführerin keine Rechtsfehler auf, die die Zulassung der Revision erfordern.

a) Keiner grundsätzlichen Klärung bedarf, inwieweit die Arglistan-fechtung in Ziffer
13.4 der Versicherungsbedingungen wirksam ausge-schlossen werden konnte. Der [X.] hat einen vergleichba-ren vertraglichen Anfechtungsausschluss bereits mit Urteil vom 17.
Ja-nuar 2007 ([X.], [X.], 1084 Rn.
17
ff.) für unwirksam erachtet. Dem hat sich der erkennende [X.] angeschlossen. Ergänzend wird dazu auf den [X.]sbeschluss vom 21.
September 2011 ([X.]O Rn.
27-33) verwiesen. Da ein
Ausschluss der [X.] nicht wirksam vereinbart werden konnte, kommt es auf die von der [X.] umfangreich erörterte Frage, ob das Berufungsgericht die genannte Klausel unzutreffend ausgelegt, dabei Vortrag der Klägerin
übergangen und abweichend von Urteilen der Oberlandesgerichte [X.] (vom 18.
Dezember 2009

20 U 137/08, juris Rn.
100
ff.; vgl. dazu [X.]sur-teil
vom 9.
November 2011

IV ZR 16/10, juris, Rn.
45, 46) und Düssel-5
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5
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dorf (vom 5.
November 2008

18 U 188/07, juris Rn.
139
ff.; vgl.
dazu [X.]surteil vom 9.
November 2011

IV ZR 251/08, juris Rn.
60
ff.) ent-schieden hat, nicht an.

Mit der Versicherungsbestätigung, welche die Klägerin erhalten hat,
hat die Beklagte
ihr
gegenüber nicht wirksam auf die Geltendma-chung der [X.] verzichtet. Ein solcher Verzicht setzt

ähnlich wie die Bestätigung anfechtbarer Rechtsgeschäfte gemäß §
144 [X.]

in der Regel die Kenntnis vom Anfechtungsgrund voraus (vgl. [X.]/[X.], [X.] 71.
Aufl. §
144 Rn.
2). Diese Kenntnis hat das Berufungsgericht nicht feststellen können. Ein ausnahmsweise mög-licher konkludenter Verzicht ist der Versicherungsbestätigung nicht zu entnehmen. Ein Motiv der Beklagten für einen solchen Verzicht ist [X.] nicht ersichtlich.

b) Zu Recht hat das Berufungsgericht weiter angenommen, es sei für die Wirksamkeit der Anfechtung ohne Bedeutung, ob die Klägerin den Anfechtungsgrund kannte. §
123 Abs.
2 [X.] ist hier nicht anzuwenden. Sowohl §
123 Abs.
2 Satz
1 als auch Abs.
2 Satz
2
[X.] setzen voraus, dass die Täuschung von einem Dritten ausgeht, und können daher nicht eingreifen, wenn allein eine Täuschung durch den [X.]

hier die [X.] als Versicherungsnehmerin

in Rede steht (vgl. [X.]sbeschluss vom 21.
September 2011 [X.]O Rn.
34; [X.], Urteil vom 8.
Dezember 1959

VIII ZR 134/58, [X.]Z 31, 321, 327
f.).

§
334 [X.] steht der Geltendmachung der Anfechtungsfolgen ge-genüber der Klägerin ebenfalls nicht entgegen. Als Versicherte des [X.] [X.] und den beteiligten [X.] kann sie Rechte nur so erwerben, wie die Versicherungs-7
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nehmerin sie gestaltet hat (vgl. [X.], Urteil vom 19.
Januar 1967

II
ZR 37/64, VersR
1967, 343 unter
IV; [X.], [X.] §
75 Rn.
4). Der Klä-gerin stehen nach §
334 [X.] mithin alle Einwendungen entgegen, die dem Versicherer aus dem Vertrag oder auch dessen Nichtigkeit erwach-sen. Dazu zählt die Anfechtung (vgl. nur [X.], [X.] §
74 Rn.
27). Diese konnte die Beklagte deshalb auch mit Wirkung für die Versicherte gegenüber der Versicherungsnehmerin erklären.

c) Durch die [X.]srechtsprechung ist weiter geklärt, dass den Versicherer keine Nachfrageobliegenheit trifft, wenn ihn der Versiche-rungsnehmer bei Anbahnung des Versicherungsvertrages arglistig täuscht ([X.]sbeschlüsse vom 15.
März 2006

[X.], [X.], 96; vom 4.
Juli 2007

IV ZR 170/04, [X.], 1256 unter 2 m.w.N.). Seine
früher anderslautende Rechtsprechung ([X.]Z 117, 385, 387) hat der [X.]
aufgegeben.

Ist der Versicherer bei Vertragsschluss infolge
des arglistigen Ver-haltens des Versicherungsnehmers nicht gehalten nachzufragen, so kann auch ein erst nachträglich in den Schutzbereich des mittels Arglist erschlichenen Versicherungsvertrages eintretender Dritter (Versicherter) nicht mehr geltend machen, der Versicherer habe seine [X.] verletzt. Ob eine Nachfrageobliegenheit besteht und der [X.] dagegen verstößt, richtet sich allein nach der Sachlage im [X.]-punkt des Vertragsschlusses.

d) Die Angriffe der Nichtzulassungsbeschwerde gegen die
für die Anwendbarkeit des §
123 Abs.
1 [X.] entscheidende

Feststellung des Berufungsgerichts, es sei mit Wirkung ab dem
1.
Dezember 2001 zum Neuabschluss des Versicherungsvertrages (Police Nr.
7509) und nicht 10
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lediglich zu einer Änderung
des seinerzeit schon bestehenden Vertrages (Police Nr.
7265) gekommen, erfordern ebenfalls nicht die Zulassung der Revision. Der [X.] hat insbesondere die damit in Zusammenhang ste-henden [X.] der Verletzung von [X.] (Art.
103 Abs.
1, Art.
3 Abs.
1 [X.]) geprüft und für nicht durchgreifend erachtet.
Dazu weist er ergänzend auf folgendes hin:

[X.]) Ein neuer Vertrag liegt vor, wenn der aus den gesamten [X.] zu ermittelnde [X.]e der Vertragsparteien darauf gerichtet war, die vertraglichen Beziehungen auf eine selbständige neue [X.] zu stellen und nicht
lediglich einzelne Regelungen des bestehenden Vertrages zu modifizieren. Für einen neuen Vertrag spricht die Verände-rung wesentlicher Vertragsinhalte, etwa des versicherten Risikos, des versicherten Objekts, der Vertragsdauer, der Vertragsparteien und der Gesamtversicherungssumme (vgl. [X.]sbeschluss vom 21.
September 2011

[X.]/09 [X.]O Rn.
21; [X.]surteil vom 19.
Oktober 1988

[X.], r+s 1989, 22, 23; OLG S[X.]rbrücken [X.], 1681, 1682; [X.] VersR 2002, 1225; [X.], [X.] §
38 Rn.
9; [X.] in [X.]/[X.], [X.] 28.
Aufl. §
37 Rn.
5; [X.] in [X.]/Langheid, [X.] 2.
Aufl. §
38 Rn.
6).

bb) Unter Beachtung dieser Maßstäbe und Heranziehung der den Einzelfall prägenden Umstände ist das Berufungsgericht ohne durchgrei-fenden Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, die Police Nr.
7509 sei als neuer, zum 1.
Dezember 2001 in [X.] getretener Vertrag anzusehen. Entscheidungserheblichen Vortrag oder relevante Beweisangebote der Klägerin hat es

entgegen dem Vorwurf der Beschwerde

nicht über-gangen. Vielmehr hat es sich mit den Tatsachen, die als Indizien gegen einen Neuabschluss des Versicherungsvertrages vorgetragen und unter 13
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Beweis gestellt worden sind, im Rahmen seiner Abwägung der Fallum-stände befasst, ohne jedoch daraus die von der
Klägerin gewünschten Schlüsse zu ziehen. Die dagegen gerichteten Angriffe erschöpfen sich im Wesentlichen in dem revisionsrechtlich unbehelflichen Versuch, die Be-weiswürdigung des Berufungsgerichts unter abweichender Bewertung einzelner Indizien durch eine vermeintlich bessere eigene Würdigung zu ersetzen.
Die
Beschwerdeführerin
verkennt insbesondere, dass ihr [X.], zahlreiche vom Berufungsgericht als Indiz für den Neuabschluss herangezogene Änderungen des Vertragswerkes seien ihrer Art nach auch schon bei anderer Gelegenheit im Rahmen des laufenden Vertra-ges vorgekommen, eine indizielle Wirkung dieser Umstände für einen Neuabschluss im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht ent-fallen lässt.

cc) Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht vorgenommenen Gesamtschau der entscheidungserheblichen Umstände, die sich insbe-sondere nicht als willkürlich i.S. von Art.
3 Abs.
1 [X.] erweist, schließt der [X.] weiter aus, dass einzelne von der Beschwerde [X.] Aspekte das Berufungsgericht zu einer anderen Entscheidung [X.] hätten, mögen sie auch
für sich betrachtet

auf eine Verlängerung der früheren Police hindeuten.

Das gilt zum einen, soweit das Berufungsgericht übersehen hat, dass [X.] von und zu einer Bank in [X.] bereits seit 1996 auf der Grundlage einer Zusatzvereinbarung von der Police Nr.
7265 umfasst waren, weshalb seine Annahme, die in Ziffer
4.1.11 der Police Nr.
7509 getroffene "Sondervereinbarung [X.]" spreche für eine Neuregelung, nicht trägt. Es gilt zum anderen, soweit das [X.]

ebenfalls nicht ganz unbedenklich

angenommen hat, die 15
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anlässlich der Währungsumstellung von [X.] zu [X.] abgeschlossenen zusätzlichen
Versicherungsverträge hätten das mit dieser Währungsum-stellung verbundene [X.] nur unzureichend abgedeckt. Es gilt schließlich für die Frage, ob die Erweiterung des Versicherungs-schutzes auf Subunternehmer der [X.] bereits zur [X.] der Geltung der Police Nr.
7265 vereinbart worden war. Der [X.] schließt aus, dass das Berufungsgericht, hätte es die genannten Punkte anders behandelt, auch insgesamt zu einer anderen Bewertung der Police Nr.
7509 gelangt wäre.

e)
Die Erörterungen des Berufungsgerichts
zum arglistigen
Verhal-ten des [X.]-Geschäftsführers W.

und dazu, dass es nach §
166 Abs.
2 [X.] für die [X.] nicht auf eine etwaige Unkenntnis der Mitarbeiter der Versicherungsmaklerin vom Schneeballsystem an-kommt, setzen sich mit dem dazu gehaltenen Vortrag der Klägerin
aus-einander. Ein Verstoß gegen Art.
103 Abs.
1 [X.] liegt insoweit nicht vor.

f) Ohne Rechtsfehler nimmt das Berufungsgericht weiter an, die [X.] habe der Beklagten bei Abschluss der Police Nr.
7509 ihr bis dahin praktiziertes Schneeballsystem offenbaren müssen (vgl. da-zu [X.]sbeschluss vom 21.
September 2011

[X.]/09 [X.]O Rn.
35-40).

g)
Im Ergebnis ohne Erfolg bleiben auch die Angriffe der Be-schwerde gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe Ende 2001 von dem Schneeballsystem der [X.] nichts gewusst und ihre Vertragserklärung sei durch diesen Irrtum verursacht.
Ein Revisionszulassungsgrund ist damit nicht dargetan.

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[X.]) Allerdings durfte das Berufungsgericht den Irrtum der Beklag-ten nicht im Wege des Anscheinsbeweises feststellen, weil der dafür vo-rausgesetzte typische Geschehensablauf nicht vorliegt, vielmehr die in Rede stehenden außergewöhnlichen Vorgänge einer Typisierung nicht zugänglich sind (vgl. [X.], Urteil vom 20.
November 1995

[X.], NJW 1996, 1051 unter 2 m.w.N.).

Im Ergebnis hat sich dieser Rechtsfehler des Berufungsgerichts aber nicht ausgewirkt; das Berufungsurteil beruht darauf nicht.

(1)
Es ist tatrichterliche Aufgabe festzustellen, ob die Beklagte [X.] 2001 wusste, dass sie mit dem Abschluss der Police ein Geldtrans-portunternehmen versicherte, das schon seit Jahren systematisch auf Kundengelder zugriff und hierdurch eine ungedeckte Finanzlücke in [X.] Millionenhöhe verursacht hatte. Insoweit obliegt der Beklagten, wie das Berufungsgericht im Ansatz noch zutreffend angenommen hat, der Beweis für ihren behaupteten Irrtum.

Verübt der [X.] seine Täuschung durch Verschwei-gen, besteht der Irrtum des Erklärenden in einem Nichtwissen. [X.] er sich auf die Unkenntnis der verschwiegenen Umstände berufen, muss er mithin darlegen und unter Beweis stellen, er habe diese Umstände nicht gekannt. Hierfür gelten die Regeln über Darlegung und Beweis von [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 20.
Oktober 2000
[X.], NJW 2001, 64 unter III; [X.]/[X.], [X.] 71.
Aufl. §
123 Rn.
30). Dabei genügt der Anfechtende seiner Darlegungslast zunächst mit der Behauptung, die betreffenden Umstände seien ihm vom [X.] verschwiegen worden und auch nicht auf andere Weise zur Kenntnis gelangt. Sodann ist es Aufgabe des Gegners, Umstände darzu-20
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legen, aus denen sich das Wissen des [X.] um die verschwie-genen Tatsachen ergibt. Diese in erster Linie den [X.], mithin die Versicherungsnehmerin ([X.]), treffende sekundäre Darle-gungslast trifft auch denjenigen Versicherten, der

wie die Klägerin

an Stelle der Versicherungsnehmerin Rechte aus dem angefochtenen [X.] herleiten will.

(2) Das Berufungsgericht hätte, nachdem sich die Beklagte auf ei-nen durch Verschweigen des Schneeballsystems hervorgerufenen Irrtum berufen hatte, prüfen müssen, ob der Klagvortrag insoweit geeignet war, substantiiert und schlüssig darzulegen, dass die Beklagte entgegen ihrer Behauptung Wesen und Ausmaß des von [X.] im Jahre 2001 unter-haltenen Schneeballsystems kannte.

(3) Das Berufungsgericht hat bei seiner rechtsirrtümlichen Prüfung, ob der von ihm herangezogene Anscheinsbeweis erschüttert sei, den Vortrag der Klägerin zu den behaupteten Indizien als wahr unterstellt und anschließend unter Abwägung der Gesamtumstände zugrunde
gelegt, dass selbst dann, wenn sich alle Behauptungen der Klägerin beweisen ließen, daraus nicht folge, dass die Beklagte Ende 2001 vom Schnee-ballsystem der [X.] in seiner tatsächlichen Dimension [X.]. Es hat damit im Ergebnis festgestellt, der Vor-trag der Klägerin reiche letztlich nicht aus, um die Irrtumsbehauptung der Beklagten ernstlich zu erschüttern. Der [X.] schließt aus, dass es

hätte es erkannt, dass die Klägerin nicht lediglich einen Anscheinsbe-weis erschüttern, sondern eine sekundäre Darlegungslast erfüllen muss-te

zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Eine Verletzung von [X.] der Klägerin liegt darin nicht. Misst der Tatrichter dem Parteivortrag nach Würdigung aller Umstände keine ausreichende 24
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Indizwirkung für das Vorliegen einer entscheidungserheblichen Tatsache bei, ist der Vortrag damit nicht unter Verstoß gegen
Art.
103 Abs.
1 [X.] übergangen, er kann vielmehr
analog §
244 Abs.
3 StPO davon absehen, Beweis über die dann bedeutungslosen Indiztatsachen zu erheben (vgl. [X.], Urteil vom 10.
Februar 1993

XII ZR 241/91, [X.]Z 121, 266, 270
f.).

(4)
Zwar hat der [X.] in der Sache [X.]/09
(Beschluss vom 21.
September 2011 [X.]O), in der die Klage einer anderen Versicherten vom Berufungsgericht ebenfalls mit der Begründung abgewiesen worden war, die Beklagte habe den Versicherungsvertrag mit der [X.]-Grup-pe wirksam angefochten, die Revision zugelassen. Alleiniger Zulas-sungsgrund war jedoch, dass das Berufungsgericht einen Beweisantritt auf Vernehmung zweier Zeugen zur Frage der Kenntnis der Beklagten vom Anfechtungsgrund übergangen und damit gegen Art.
103 Abs.
1 [X.] verstoßen hatte ([X.]O Rn.
12
ff.). Der [X.] hat deshalb das dortige Be-rufungsurteil nach §
544 Abs.
7 ZPO im [X.] aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Einen solchen zur Zulassung der Revision führenden Verfahrens-fehler des Berufungsgerichts hat die Beschwerdeführerin nicht in der nach den §§
544 Abs.
2 Satz
3, 551 Abs.
3 Satz
1 Nr.
2b ZPO gebotenen Form darlegen können.

(a) Nach §
544 Abs.
2 Satz
3 ZPO sind in der Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde
die Zulassungsgründe darzulegen. [X.] sich der Beschwerdeführer darauf stützen, das Gericht habe bei Erlass der angefochtenen Entscheidung mittels eines Verfahrensfehlers das Recht auf rechtliches Gehör verletzt, so müssen für die Darlegung die gleichen 26
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Anforderungen gelten, wie sie die ständige höchstrichterliche Rechtspre-chung für eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge nach §
551 Abs.
3 Satz
1 Nr.
2b ZPO aufgestellt hat (vgl. dazu [X.], Urteil vom 8.
Juli 1954

[X.], [X.]Z 14, 205, 209
f.; [X.], Beschlüsse vom 19.
Dezem-ber 2002
VII ZR 101/02, NJW 2003, 831
f. unter [X.] [X.]; vom 11.
Februar 2003
[X.], NJW-RR 2003, 1003
f. unter
1; vom 2.
Dezember 2004
IX ZR 56/04, juris unter 1
f., jeweils m.w.N.). [X.] sind in der Beschwerdebegründung die Tatsachen anzugeben, aus denen sich der behauptete Verfahrensmangel ergibt. Bei einer Be-schwerde, das Gericht habe einen Beweisantritt des Beschwerdeführers übergangen, ist es nicht nur geboten, das betreffende Beweisthema und das angebotene Beweismittel genau zu bezeichnen, sondern auch anzu-geben, zu welchem Ergebnis die Beweisaufnahme geführt hätte. Eine nicht näher bestimmte Bezugnahme auf einen übergangenen [X.] reicht dazu nicht aus (vgl. [X.], Urteil vom 12.
Juli 2007
2 [X.], [X.], 540 unter [X.] (3) (a)).
§
551 Abs.
3 Nr.
2b ZPO dient der Entlastung des [X.], indem letzteres davor geschützt werden soll, den gesamten Akteninhalt selbst daraufhin zu er-forschen, welche Tatsachen, insbesondere auch Behauptungen und Be-weisantritte, den Gegenstand einer Verfahrensrüge bilden sollen ([X.]Z [X.]O S.
210).

(b) Soweit es um die Frage der Kenntnis der Beklagten vom [X.] und die Beweisantritte der Klägerin dazu geht, vermag die Nichtzulassungsbeschwerde
den genannten Anforderungen nicht zu genügen.

Die Klägerin hat
in der von ihrer Gehörsrüge
in Bezug genomme-nen Berufungsbegründung

umfangreich und unter zahlreichen Beweis-29
30
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antritten vorgetragen, zugunsten des Prokuristen der Beklagten, S.

, seien
von Seiten der [X.] zahlreiche Zuwendungen, etwa Ho-telaufenthalte, Reisen und Sachgeschenke,
erfolgt, die den Zeugen dazu hätten bewegen sollen, über Geldentnahmen und Veruntreuungen bei der [X.] hinwegzusehen. Soweit dem Vortrag [X.]angaben zu entnehmen sind, beziehen sich diese auf das Jahr 2005. Der [X.]begründung kann aber nicht entnommen werden, dass die Klägerin Tatsachen unter Beweis gestellt hätte, die eine Kenntnis des Zeugen S.

vom langjährigen Schneeballsystem der [X.] und [X.] Ausmaß bereits zur [X.] des Vertragsschlusses im Jahre 2001 erge-ben. Das Berufungsgericht durfte aus den insoweit behaupteten [X.] folgern, sie reichten nicht aus, um eine Kenntnis der Beklagten vom Anfechtungsgrund auch schon im Jahre 2001 zu belegen.

bb) Keine Bedenken bestehen dagegen, dass das Berufungsge-richt die Kausalität des Irrtums der Beklagten für ihre Vertragserklärung als im Wege des Anscheinsbeweises erwiesen angesehen hat.

(1) Zwar hat der I[X.]
Zivilsenat im
Urteil vom 20.
November 1995 (II
ZR 209/94, NJW 1996, 1051 unter 2) darauf hingewiesen, dass der ursächliche Zusammenhang zwischen Täuschung und Vertragsabschluss meist nicht mittels Anscheinsbeweises festgestellt werden könne (vgl. dazu auch [X.], Urteile
vom 10.
April 1958
II ZR 324/56, [X.], 991, 992; vom 20.
September 1968
[X.], NJW 1968, 2139). Dies hat seinen Grund darin, dass diese Beweisführung einen typischen Geschehensablauf voraussetzt, während die einem Vertragsschluss zu-grunde
liegende [X.]ensentschließung in der Regel von individuellen Umständen des Einzelfalles abhängt. Der I[X.] Zivilsenat hat aber nicht in Abrede gestellt, dass bei bestimmten Rechtsgeschäften und unter be-31
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sonderen Umständen aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung
den-noch eine ausreichende Typizität gegeben sein kann.

(2) So liegt der Fall hier. Es versteht sich, dass der Versicherer [X.] nicht bereit ist, Versicherungsschutz zu gewäh-ren, der unter anderem auch die Unterschlagung von Kundengeldern durch die Versicherungsnehmerin umfassen soll, wenn er weiß, dass diese Versicherungsnehmerin bereits seit Jahren durch systematischen rechtswidrigen Zugriff auf Kundengelder Millionenschäden verursacht hat. Die Annahme des Berufungsgerichts, hier sei nach der [X.] die Täuschung geeignet gewesen, die Vertragserklärung der [X.] zu beeinflussen, ist deshalb nicht zu beanstanden und steht mit der Rechtsprechung des [X.] im Einklang (vgl. dazu [X.], Urteile vom 12.
November 1957
VIII ZR 311/56, NJW 1958, 177; vom 5.
Dezember 1975
[X.], [X.], 111; vom 12.
Mai 1995

[X.], NJW 1995, 2361).

h) Die [X.], das Berufungsgericht habe die Indizien für eine Kenntnis der Beklagten vom Anfechtungsgrund bei der Prüfung des Be-ginns der Anfechtungsfrist nach §
124 Abs.
1 [X.] unzureichend gewür-digt und zu Unrecht eine Bestätigung des anfechtbaren Vertrages nach §
144 Abs.
1 [X.] verneint, zeigen keinen Revisionszulassungsgrund, insbesondere keinen Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte auf.
[X.] ergeben die in das Wissen des Zeugen S.

gestellten
diver-sen Zuwendungen nicht
zwingend, dass der Zeuge auch von dem bis zum Jahre 2001 entwickelten Schneeballsystem, seinem Ausmaß und dem Umstand Kenntnis gehabt hätte, dass [X.]-Verantwortliche der Beklagten all dies schon Ende 2001 wissentlich verschwiegen hatten. Für den Beginn des Fristlaufes nach §
124 Abs.
2 Satz
1 [X.] ist nicht 33
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entscheidend, ob es bei der [X.] irgendwann Geldentnahmen und Veruntreuungen gegeben hatte, sondern ob die Beklagte wusste, dass sie bei Abschluss der Police Nr.
7509 über die Existenz des damals schon für Millionenschäden verantwortlichen Schneeballsystems ge-täuscht worden war. Es stellt keinen Verstoß gegen Art.
103 Abs.
1 [X.] dar, dass das Berufungsgericht den erörterten Beweisantritt der Klägerin letztlich als nicht entscheidungserheblich

und überdies als auf die Aus-forschung der Zeugen W.

und S.

gerichtet

angesehen hat.

i) Im Beschluss vom 21.
September 2011 ([X.]O Rn.
53-59) hat der [X.] allerdings im Rahmen eines rechtlichen Hinweises die Begründung beanstandet, mit der das Berufungsgericht es
wie auch im vorliegenden Rechtsstreit

verneint hat, dass die [X.] über den [X.] des Versicherungsvertrages Nr.
7509 hinaus auch die zeitgleiche einvernehmliche Aufhebung der [X.] Nr.
7265 erfasst und im Ergebnis zu deren Wiederaufleben führt. Soweit dem Berufungsge-richt bei der Prüfung der Voraussetzungen des §
139 [X.] ein Rechts-fehler unterlaufen ist, gebietet dies nicht die Zulassung der Revision.

An einer grundsätzlichen Bedeutung i.S. von §
543 Abs.
2 Satz
1 Nr.
1 ZPO fehlt es schon deshalb, weil die allein auf Umständen des [X.] beruhende Entscheidung nur für die beiden zwischen der
[X.] und der Beklagten abgeschlossenen Versicherungspoli-cen und die dazu erklärte [X.] bedeutsam ist. Zwar ist
mit-telbar eine Reihe Versicherter dieser beiden Verträge nach ihrer Behaup-tung mit erheblichen Schäden betroffen,
doch handelt es sich insoweit sämtlich um ehemalige Auftraggeber der Versicherungsnehmerin
([X.]) und damit um einen abgeschlossenen Kreis von Ge-schädigten, weshalb sich die vom Berufungsgericht entschiedene 35
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Rechtsfrage nicht in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellt (vgl. [X.], Beschlüsse vom 1.
Oktober 2002

XI ZR 71/02, [X.]Z 152, 182, 191; vom 4. Juli 2002
[X.], [X.]Z 151, 221, 223). Einen verallgemeinerungsfähigen unrichtigen Rechtssatz hat das Berufungsge-richt bei Prüfung der Voraussetzungen des §
139 [X.] nicht aufgestellt. Seine Entscheidung steht deshalb nicht in Divergenz zum Urteil des Oberlandesgerichts S[X.]rbrücken vom 16.
Mai 2007 ([X.], 1681), so dass die Zulassung der Revision auch nicht zur Sicherung einer ein-heitlichen Rechtsprechung erfolgen muss (§
543 Abs.
2 Satz
1 Nr.
2 Alt.
2 ZPO). Dass das Berufungsgericht Verfahrensgrundrechte der Klä-gerin bei der Prüfung des §
139 [X.] verletzt hätte, ist nicht ersichtlich.

2. Soweit das Berufungsgericht Schadensersatzansprüche der Klägerin
gegen die Beklagte sowohl aus dem angefochtenen Vertrag als auch der Versicherungsbestätigung
verneint hat, zeigt die Beschwerde keinen Rechtsfehler auf, der die Zulassung der Revision erfordert. Er-gänzend verweist der [X.] auf das [X.]surteil vom 25.
Mai 2011 ([X.]/09 [X.]O Rn.
68).

3. Die [X.] der Verletzung von [X.] hat der [X.] auch im Übrigen geprüft, sie greifen nicht durch. Von einer weite-ren Begründung wird gemäß §
544 Abs.
4 Satz
2 Halbsatz
2 ZPO abge-sehen.

37
38
-
18
-

4. Da
nach allem
die Abweisung der Klage infolge der [X.] im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde standhält, kommt es auf Fragen des Versicherungsfalles
nicht an.

[X.] [X.] [X.]

[X.] Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 15.07.2009 -
22 O 9/09 -

OLG Celle, Entscheidung vom 28.10.2010 -
8 [X.] -

39

Meta

IV ZR 264/10

21.03.2012

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.03.2012, Az. IV ZR 264/10 (REWIS RS 2012, 7923)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7923

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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