Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.05.2013, Az. 2 StR 68/13

2. Strafsenat | REWIS RS 2013, 5629

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Gegenstand

Sexueller Missbrauch von Kindern: Berücksichtigung noch nicht abgeurteilter Taten bei der Strafzumessung


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 24. Oktober 2012 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechts-mittels und die der Nebenklägerin        G.    dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Daneben hat es eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Mit seiner Revision beanstandet der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat zum Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Nach den Feststellungen kam es von Juni 2004 bis Oktober 2005 und zu [X.] 2010 oder 2011 an nicht näher bestimmbaren Tagen zu sexuellen Übergriffen des Angeklagten auf seine am 21. Februar 2001 geborene Enkelin          [X.], von denen drei individualisierbar waren; diese Taten, die dem Angeklagten mit der Anklage vom 30. März 2012 zur Last gelegt worden waren, sind Gegenstand der Verurteilung. Soweit dem Angeklagten mit der Anklage vom 20. Juli 2012 daneben zur Last gelegt worden war, in weiteren zwölf Fällen auch seine Enkeltochter        [X.]     sexuell missbraucht zu haben, hat das [X.] den Angeklagten freigesprochen; gleichwohl hat es festgestellt, dass es zum Nachteil dieser Enkeltochter in der [X.] von Januar 1993 bis Juni 1997 zu einer Vielzahl sexueller Übergriffe durch den Angeklagten gekommen sei, ohne dass sich konkrete Fälle hätten individualisieren lassen. Im Rahmen der Strafzumessung hat das [X.] bei den Einzelstrafen zu Lasten des Angeklagten als "erheblich strafschärfend" auch den festgestellten sexuellen Missbrauch zum Nachteil seiner Enkeltochter        [X.]     gewertet.

3

2. Diese straferschwerende Erwägung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

4

Zwar hat es die Rechtsprechung etwa in Fällen von [X.] zum Nachteil desselben Geschädigten als grundsätzlich zulässig angesehen, bei der Strafzumessung zu berücksichtigen, dass der Angeklagte noch sonstige Straftaten begangen hat; dies gilt allerdings nur, wenn diese Taten prozessordnungsgemäß und so bestimmt festgestellt sind, dass sie in ihrem wesentlichen Unrechtsgehalt abzuschätzen sind (vgl. [X.], Beschlüsse vom 12. Mai 1995 - 3 [X.], [X.]R StGB § 54 [X.] 2; vom 9. Oktober 2003 - 4 [X.], [X.] NStZ-RR 2004, 359 Nr. 37; vom 2. Juli 2009 - 3 StR 251/09, [X.], 306; Senat, Urteil vom 16. März 2005 - 2 StR 487/04; [X.], StGB, 60. Aufl., § 46 Rn. 41a).

5

Hier vermochte das [X.] jedoch Sexualstraftaten des Angeklagten zum Nachteil seiner Enkeltochter        [X.]      gerade nicht näher zu konkretisieren. Es hat die Angaben dieser Geschädigten zu jeder der angeklagten Taten nicht als zuverlässig angesehen und auch ein "Herunterkürzen" der Aussage auf [X.] der belastenden Angaben als nicht möglich angesehen. Das [X.] hat den Angeklagten dementsprechend von dem mit der diesbezüglichen Anklage erhobenen Schuldvorwurf freigesprochen. Es durfte deshalb auch nicht bei der Strafzumessung eine pauschale Feststellung sexueller Übergriffe zum Nachteil von        [X.]      berücksichtigen und zu Lasten des Angeklagten von einem hierdurch erhöhten Schuldumfang ausgehen.

6

Der Senat kann nicht ausschließen, dass auf dem aufgezeigten Rechtsfehler die Einzelstrafen beruhen. Deren Aufhebung zieht auch die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.

[X.]                         [X.]

                 Berger                        [X.]

Meta

2 StR 68/13

22.05.2013

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Köln, 24. Oktober 2012, Az: 102 KLs 12/12

§ 46 StGB, § 176 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.05.2013, Az. 2 StR 68/13 (REWIS RS 2013, 5629)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5629

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Referenzen
Wird zitiert von

4 StR 351/17

4 StR 448/13

2 StR 68/13

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