Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20.04.2023, Az. 2 C 11/22

2. Senat | REWIS RS 2023, 5249

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Gegenstand

Versorgungsanspruch eines vor Vollendung des 17. Lebensjahres ernannten Bundesbeamten


Leitsatz

1. Die durch § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG 2010 begründete unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters ist nicht nach Art. 6 Abs. 1 und 2 RL 2000/78/EG gerechtfertigt.

2. Ein bestandskräftiger Versorgungsfestsetzungsbescheid muss auf Antrag regelmäßig ab dem Beginn des Kalendermonats nach der Verkündung der gerichtlichen Entscheidung zurückgenommen werden, aufgrund derer sich die gesetzliche Grundlage des Bescheids wegen des Verstoßes gegen das Unionsrecht eindeutig als unanwendbar erweist.

Tenor

Das Urteil des [X.] vom 28. Juni 2022 wird aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 12. Februar 2019 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte ab Mai 2023 zur Neufestsetzung der Versorgungsbezüge des Klägers unter Berücksichtigung der Zeiten vom 1. Oktober 1986 bis zum 2. August 1987 verpflichtet ist.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Der Kläger trägt 1/3 und die Beklagte 2/3 der Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen.

Tatbestand

1

Der Kläger beansprucht die Neufestsetzung seiner bestandskräftig festgesetzten Versorgungsbezüge.

2

Der am 2. August 1970 geborene Kläger wurde bereits am 1. Oktober 1986 zum Beamten auf Widerruf ernannt. Mit Ablauf des 30. November 2015 wurde er wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Bei der Festsetzung seiner Versorgungsbezüge ab dem 1. Dezember 2015 wurde die Dienstzeit, die er vor Vollendung seines 17. Lebensjahres im Beamtenverhältnis zurückgelegt hatte, nicht als ruhegehaltfähig berücksichtigt. Am 24. Juni 2016 wurde dieser Bescheid dem Kläger zugestellt.

3

Mit Schreiben vom 27. Oktober 2016 beantragte der Kläger rückwirkend und künftig die Korrektur seiner Versorgungsbezüge im Versorgungsfestsetzungsbescheid vom 22. Juni 2016 insbesondere unter Berücksichtigung seiner vor Vollendung des 17. Lebensjahres im Beamtenverhältnis zurückgelegten Dienstzeit. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, auch der Widerspruch des [X.] blieb erfolglos.

4

Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, die Versorgungsbezüge des [X.] unter Berücksichtigung der weiteren ruhegehaltfähigen Dienstzeit in der [X.] vom 1. Oktober 1986 bis zum 2. August 1987 neu festzusetzen und den Bescheid vom 22. Juni 2016 insoweit aufzuheben. Der Kläger habe zwar keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen seines [X.], aber einen Anspruch auf Rücknahme des [X.], soweit dieser bei der Bemessung des Ruhegehalts die vom Kläger vor Vollendung des 17. Lebensjahres zurückgelegten Dienstzeiten unberücksichtigt lasse. Diese Regelung des Beamtenversorgungsgesetzes sei mit Unionsrecht unvereinbar. Der Grundsatz der vollen Wirksamkeit des Unionsrechts verlange die Anpassung des Versorgungsfestsetzungsbescheids durch die Beklagte.

5

Der [X.]hof hat das Urteil des [X.] aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Kläger habe weder einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des [X.] noch einen Anspruch auf Rücknahme des Bescheids. Es fehle an einem rechtswidrigen Verwaltungsakt, weil die innerstaatliche Regelung, wonach die vor Vollendung des 17. Lebensjahres im Beamtenverhältnis verbrachte [X.] bei der ruhegehaltfähigen Dienstzeit nicht zu berücksichtigen sei, mit dem Unionsrecht in Einklang stehe.

6

Zur Begründung der bereits vom Berufungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision trägt der Kläger vor: Er habe einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens, weil sich die Rechtslage durch verschiedene Urteile von Obergerichten zu seinen Gunsten geändert habe. Die durch die Vorschrift bewirkte unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters sei nach Maßgabe des Unionsrechts nicht gerechtfertigt.

7

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Bayerischen [X.]hofs vom 28. Juni 2022 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] Bayreuth vom 12. Februar 2019 zurückzuweisen.

8

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9

[X.] sei ausgeschlossen, weil sich die maßgebliche Rechtsnorm nicht geändert habe. Auch abweichende Entscheidungen einzelner Gerichte stellten keine Änderung der Rechtslage dar. Die Rücknahme des Bescheids sei ausgeschlossen, weil der bestandskräftige Festsetzungsbescheid nicht rechtswidrig sei. Die unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters sei gerechtfertigt. Die Vorschrift führe zulässigerweise dazu, dass ein Bundesbeamter erst nach Vollendung des 17. Lebensjahres unter das Versorgungssystem falle.

Die Vertreterin des [X.] beim [X.] beteiligt sich an dem Verfahren und verteidigt in Abstimmung mit der [X.] des [X.] und für Heimat die Auffassung des [X.], dass die unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters unionsrechtlich nicht gerechtfertigt ist.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] ist zulässig und überwiegend begründet. Das Berufungsurteil verletzt [X.]re[X.]ht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Zu Unre[X.]ht hat der Verwaltungsgeri[X.]htshof angenommen, die dur[X.]h § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Beamtenversorgungsgesetzes in der Fassung der Bekanntma[X.]hung vom 24. Februar 2010 ([X.] - [X.] 2010) begründete unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters sei na[X.]h Art. 6 Abs. 2 der Ri[X.]htlinie 2000/78/[X.] vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirkli[X.]hung der Glei[X.]hbehandlung in Bes[X.]häftigung und Beruf ([X.] L 303 S. 16; im Folgenden: [X.]/[X.]) zulässig.

Die die Klage abweisende Ents[X.]heidung des Berufungsgeri[X.]hts stellt si[X.]h au[X.]h nur teilweise aus anderen Gründen als ri[X.]htig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die Beklagte ist verpfli[X.]htet, den bestandskräftigen Versorgungsfestsetzungsbes[X.]heid vom 22. Juni 2016 für den [X.]raum ab Mai 2023 mit der Folge zurü[X.]kzunehmen, dass die Versorgungsbezüge des [X.] ab Mai 2023 unter Berü[X.]ksi[X.]htigung au[X.]h der [X.]en vom 1. Oktober 1986 bis zum 2. August 1987 neu festzusetzen sind. Dagegen hat der Kläger für den [X.]raum vom 1. Dezember 2015 bis Ende April 2023 keinen Anspru[X.]h auf Rü[X.]knahme des bestandskräftigen Bes[X.]heids.

Na[X.]h Maßgabe der für den Kläger geltenden innerstaatli[X.]hen Bestimmungen ist der Versorgungsfestsetzungsbes[X.]heid vom 22. Juni 2016 re[X.]htmäßig. Die vom Kläger im Beamtenverhältnis vor Vollendung des 17. Lebensjahres zurü[X.]kgelegten [X.]en sind na[X.]h nationalem Re[X.]ht ni[X.]ht ruhegehaltfähig (1.). Auf die vom Kläger erst im Revisionsverfahren geltend gema[X.]hten Aspekte, seine Versorgungsbezüge stellten seine amtsangemessene Alimentation ni[X.]ht si[X.]her und der zuständige Sa[X.]hbearbeiter der Generalzolldirektion habe ihn s[X.]huldhaft hinsi[X.]htli[X.]h der Frage der Vereinbarkeit der Festsetzung seiner Versorgungsbezüge mit dem Unionsre[X.]ht mit der Folge eines S[X.]hadensersatzanspru[X.]hs fals[X.]h beraten, kommt es im Revisionsverfahren ni[X.]ht an. Denn es handelt si[X.]h jeweils um eine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung (2.). Dem Kläger steht kein Anspru[X.]h auf Wiederaufgreifen des bestandskräftig abges[X.]hlossenen Verfahrens zur Festsetzung seiner Versorgungsbezüge zu (3.). Allerdings ist die hier maßgebli[X.]he Vors[X.]hrift des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] 2010 unionsre[X.]htswidrig und deshalb grundsätzli[X.]h unanwendbar. Sie begründet eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters, die ni[X.]ht na[X.]h Art. 6 [X.]/[X.] gere[X.]htfertigt ist (4.). Die dadur[X.]h begründete Re[X.]htswidrigkeit des Versorgungsfestsetzungsbes[X.]heids führt ledigli[X.]h dazu, dass der Kläger na[X.]h § 48 Abs. 1 VwVfG einen Anspru[X.]h auf Rü[X.]knahme des insoweit re[X.]htswidrigen Bes[X.]heids für den [X.]raum ab dem auf die Verkündung des Urteils folgenden Monat hat. Für den [X.]raum ab Eintritt in den Ruhestand bis Ende April 2023 hat der Kläger dagegen keinen Anspru[X.]h auf Rü[X.]knahme des Bes[X.]heids, weil insoweit dem Grundsatz der Re[X.]htssi[X.]herheit Vorrang vor dem Gebot der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gebührt (5.).

1. Gemessen an den für den Versorgungsanspru[X.]h des [X.] geltenden innerstaatli[X.]hen Vors[X.]hriften ist der Versorgungsfestsetzungsbes[X.]heid hinsi[X.]htli[X.]h der Ni[X.]htberü[X.]ksi[X.]htigung der [X.]en vom 1. Oktober 1986 bis zum 2. August 1987 re[X.]htmäßig.

§ 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] 2010 bestimmt als ruhegehaltfähig die Dienstzeit, die der Beamte vom Tage seiner ersten Berufung in das Beamtenverhältnis an im Dienst eines öffentli[X.]h-re[X.]htli[X.]hen Dienstherrn im Beamtenverhältnis zurü[X.]kgelegt hat. Na[X.]h § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] 2010 gilt dies ni[X.]ht für die [X.] vor Vollendung des 17. Lebensjahres.

Zwar hat der Gesetzgeber § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] 2010 mit Wirkung ab dem 11. Januar 2017 aufgehoben (Art. 3 Nr. 3 Bu[X.]hst. a des Gesetzes zur Änderung des [X.] und weiterer dienstre[X.]htli[X.]her Vors[X.]hriften vom 5. Januar 2017, [X.] I S. 17 - [X.] 2017). Allerdings ist diese Neuregelung ni[X.]ht auf den Kläger anwendbar, weil er bereits mit Ablauf des 30. November 2015 in den Ruhestand versetzt worden ist. Im [X.] ist die Re[X.]htslage maßgebli[X.]h, die bei Eintritt des [X.] gilt, soweit ni[X.]ht [X.] etwas anderes regeln (BVerwG, Urteil vom 1. Oktober 2020 - 2 [X.] 9.20 - BVerwGE 169, 293 Rn. 8 m. w. N.). Eine sol[X.]he Übergangsregelung besteht hier jedo[X.]h ni[X.]ht; vielmehr hat der Gesetzgeber dur[X.]h § 69k Satz 1 [X.] 2017 ausdrü[X.]kli[X.]h bestimmt, dass für [X.], die - wie der des [X.] - vor dem 11. Januar 2017 eingetreten sind, § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 in der bis zum 10. Januar 2017 geltenden Fassung anzuwenden ist. Ausgehend von der genannten Regel, wona[X.]h das bei Eintritt des [X.] geltende Re[X.]ht maßgebli[X.]h ist, hat § 69k Satz 1 [X.] 2017 ledigli[X.]h klarstellenden [X.]harakter (so au[X.]h ausdrü[X.]kli[X.]h die Begründung der Bes[X.]hlussempfehlung des Innenauss[X.]husses des [X.], [X.]. 18/10512 S. 18).

Gegen die Sti[X.]htagsregelung des § 69k Satz 1 [X.] 2017 bestehen au[X.]h im Hinbli[X.]k auf Art. 3 Abs. 1 GG keine verfassungsre[X.]htli[X.]hen Bedenken. Der Gesetzgeber darf Sti[X.]htage einführen, weil der Grundsatz der Re[X.]htssi[X.]herheit klare und eindeutige Ents[X.]heidungen über die zeitli[X.]he Abgrenzung zwis[X.]hen altem und neuem Re[X.]ht verlangt ([X.], Bes[X.]hluss vom 13. Januar 2003 - 2 BvL 9/00 - [X.] 2003, 247 <248>). [X.] der Gesetzgeber, wie hier, die Weitergeltung der bisherigen Re[X.]htslage daran, dass der betreffende Versorgungsfall bereits vor Inkrafttreten der gesetzli[X.]hen Neuregelung eingetreten ist, so ist diese Regelung sa[X.]hli[X.]h vertretbar und damit trotz der damit verbundenen Härten verfassungsgemäß.

2. Erst im Revisionsverfahren hat der Kläger geltend gema[X.]ht, die ihm ausgezahlten Versorgungsbezüge stellten ni[X.]ht seine amtsangemessene Alimentation si[X.]her. Diese Frage kann im Revisionsverfahren jedo[X.]h ni[X.]ht geklärt werden, weil sie auf die geri[X.]htli[X.]he Feststellung hinausliefe, dass die Alimentation des [X.] seit Beginn seines Ruhestands am 1. Dezember 2015 verfassungswidrig zu niedrig ist. Diese Feststellung stellt gegenüber dem bisherigen Gegenstand des Verfahrens einen anderen Streitgegenstand dar; Klageänderungen sind im Revisionsverfahren jedo[X.]h na[X.]h § 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO unzulässig.

Aus diesem Grund ist au[X.]h dem weiteren Vorbringen des [X.] im Revisionsverfahren ni[X.]ht weiter na[X.]hzugehen, der zuständige Sa[X.]hbearbeiter der Generalzolldirektion habe ihn bei seiner telefonis[X.]hen Anfrage unmittelbar na[X.]h Erhalt des Versorgungsfestsetzungsbes[X.]heids im Hinbli[X.]k auf die Berü[X.]ksi[X.]htigung der im Beamtenverhältnis vor Vollendung des 17. Lebensjahres zurü[X.]kgelegten [X.]en mit der Folge unri[X.]htig beraten, dass er keinen Widerspru[X.]h erhoben habe. Zwar kann eine vom Dienstherrn erbetene, von diesem aber unri[X.]htig erteilte Auskunft als Verletzung der aus § 78 [X.] folgenden Fürsorgepfli[X.]ht gewertet werden und einen entspre[X.]henden S[X.]hadensersatzanspru[X.]h begründen (BVerwG, Urteil vom 7. April 2005 - 2 [X.] 5.04 - BVerwGE 123, 175 <188>). Diesem Vorbringen zur fahrlässigen Verletzung der Fürsorgepfli[X.]ht liegt aber ein anderer Lebenssa[X.]hverhalt (Klagegrund) zugrunde, sodass es si[X.]h wiederum um einen anderen Streitgegenstand handelt.

3. Der Kläger hat keinen Anspru[X.]h auf Wiederaufgreifen des bestandskräftig abges[X.]hlossenen Verfahrens zur Festsetzung seiner Versorgungsbezüge na[X.]h § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG für den [X.]raum ab dem 1. Dezember 2015. Zwar ist der Versorgungsfestsetzungsbes[X.]heid vom 22. Juni 2016, zugestellt am 24. Juni 2016, unanfe[X.]htbar (a); allerdings hat si[X.]h die diesem Bes[X.]heid zugrunde liegende Sa[X.]h- und Re[X.]htslage ni[X.]ht i. S. v. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG na[X.]hträgli[X.]h zugunsten des [X.] geändert (b).

a) Die dem Bes[X.]heid vom Juni 2016 beigefügte Re[X.]htsbehelfsbelehrung ist ni[X.]ht i. S. v. § 70 Abs. 2 und § 58 Abs. 2 VwGO unri[X.]htig. Zwar fehlen in der Belehrung Angaben zur Form des Widerspru[X.]hs; eine ordnungsgemäße Belehrung über die vers[X.]hiedenen Formen des einzulegenden Re[X.]htsbehelfs ist jedo[X.]h ni[X.]ht erforderli[X.]h (BVerwG, Urteil vom 29. August 2018 - 1 [X.] 6.18 - BVerwGE 163, 26 Rn. 13 m. w. N.).

Erst mit S[X.]hreiben vom 27. Oktober 2016 hat der Kläger unter der Übers[X.]hrift "Widerspru[X.]h, Antrag auf rü[X.]kwirkende und künftige Berü[X.]ksi[X.]htigung" mit Hinweis auf § 48 VwVfG, hilfsweise § 32 VwVfG, die Korrektur seiner Versorgungsbezüge beantragt. Selbst wenn dieses S[X.]hreiben au[X.]h als Antrag auf Wiedereinsetzung in die vom Kläger versäumte Widerspru[X.]hsfrist zu verstehen sein sollte, wäre ihm keine Wiedereinsetzung zu gewähren. Denn der Kläger hat die Tatsa[X.]hen zur Begründung des Antrags auf Wiedereinsetzung ni[X.]ht glaubhaft gema[X.]ht (§ 70 Abs. 2 und § 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO).

b) Die Re[X.]htslage ist aufgrund der ausdrü[X.]kli[X.]hen gesetzli[X.]hen Regelung des § 69k Satz 1 [X.] 2017 unverändert geblieben. Auf den Versorgungsfall des [X.] ist § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] in der bis zum 10. Januar 2017 geltenden Fassung anzuwenden. Ents[X.]heidungen einiger Oberverwaltungsgeri[X.]hte, die diese Bestimmung als unionsre[X.]htswidrig bewertet und dementspre[X.]hend ni[X.]ht angewendet haben, haben keine Änderung der Re[X.]htslage i. S. v. § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG bewirkt (BVerwG, Urteil vom 7. Oktober 2020 - 2 [X.] 18.19 - BVerwGE 169, 318 Rn. 41).

4. § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] 2010 ist aber unionsre[X.]htswidrig und deshalb bei der Festsetzung der Versorgungsbezüge des [X.] grundsätzli[X.]h ni[X.]ht anzuwenden.

§ 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] 2010 begründet eine unmittelbare Diskriminierung von sol[X.]hen Beamten wegen des Alters, die bereits vor Vollendung des 17. Lebensjahres ernannt worden sind (a). Diese Unglei[X.]hbehandlung ist weder na[X.]h Art. 6 Abs. 2 (b) no[X.]h na[X.]h Art. 6 Abs. 1 [X.]/[X.] gere[X.]htfertigt ([X.]). Eine Vorlage an den Geri[X.]htshof der Europäis[X.]hen Union na[X.]h Art. 267 Abs. 3 AEUV zur Auslegung der Bestimmungen der Ri[X.]htlinie 2000/78/[X.] ist ni[X.]ht veranlasst. Au[X.]h bedarf es keiner Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Geri[X.]htshöfe des [X.] (d).

a) Der persönli[X.]he Anwendungsberei[X.]h der Ri[X.]htlinie 2000/78/[X.] ist eröffnet. Na[X.]h ihrem Art. 3 Abs. 1 gilt die Ri[X.]htlinie für alle Personen in öffentli[X.]hen Berei[X.]hen. Dazu zählen au[X.]h Ruhestandsbeamte. § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] 2010 berührt au[X.]h den sa[X.]hli[X.]hen Anwendungsberei[X.]h der Ri[X.]htlinie. Denn eine Regelung, die vor Vollendung des 17. Lebensjahres im Beamtenverhältnis zurü[X.]kgelegte [X.]en bei der Bestimmung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit auss[X.]hließt, betrifft das Arbeitsentgelt des Beamten i. S. v. Art. 3 Abs. 1 Bu[X.]hst. [X.] [X.]/[X.].

§ 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] 2010 begründet eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters i. S. v. Art. 2 Abs. 2 Bu[X.]hst. a [X.]/[X.]. Die Vors[X.]hrift begünstigt einen Bediensteten, der erst na[X.]h Vollendung des 17. Lebensjahres als Beamter auf Widerruf eingestellt worden ist, gegenüber einer ansonsten in jeder Hinsi[X.]ht verglei[X.]hbaren Person, die, wie der Kläger, bereits vor Vollendung seines 17. Lebensjahres zum Beamten auf Widerruf ernannt worden ist. Denn beim erstgenannten [X.] werden für die Bestimmung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit na[X.]h § 6 Abs. 1 [X.] 2010 sämtli[X.]he [X.]en vom Tage der ersten Berufung in ein Beamtenverhältnis an berü[X.]ksi[X.]htigt, bei einer Person wie dem Kläger dagegen nur die [X.]en ab Vollendung des 17. Lebensjahres.

b) Die unmittelbare Diskriminierung ist ni[X.]ht na[X.]h Art. 6 Abs. 2 [X.]/[X.] gere[X.]htfertigt.

Na[X.]h Art. 6 Abs. 2 [X.]/[X.] können die Mitgliedstaaten ungea[X.]htet des Artikels 2 Abs. 2 vorsehen, dass bei den betriebli[X.]hen Systemen der [X.] Si[X.]herheit die Festsetzung von Altersgrenzen als Voraussetzung für die Mitglieds[X.]haft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität eins[X.]hließli[X.]h der Festsetzung unters[X.]hiedli[X.]her Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Bes[X.]häftigte oder Gruppen bzw. Kategorien von Bes[X.]häftigten und die Verwendung im Rahmen dieser Systeme von Alterskriterien für versi[X.]herungsmathematis[X.]he Bere[X.]hnungen keine Diskriminierung wegen des Alters darstellt, solange dies ni[X.]ht zu Diskriminierungen wegen des Ges[X.]hle[X.]hts führt.

Bei der Versorgung von [X.]beamten na[X.]h dem 2. Abs[X.]hnitt des Beamtenversorgungsgesetzes (§§ 4 ff., Ruhegehalt, Unterhaltsbeitrag) handelt es si[X.]h um ein System, das im Sinne des insoweit heranzuziehenden Art. 2 Abs. 1 Bu[X.]hst. f der Ri[X.]htlinie 2006/54/[X.] zur Verwirkli[X.]hung des Grundsatzes der [X.]han[X.]englei[X.]hheit und Glei[X.]hbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Bes[X.]häftigungsfragen ([X.] L 204 S. 23; [X.], Urteil vom 16. Juni 2016 - [X.]-159/15, [X.] - NVwZ 2016, 1699 Rn. 27) den Angehörigen einer Berufsgruppe (Gruppe der [X.]beamten) für die Risiken von Alter und Invalidität Leistungen gewährt, die als Ersatzleistung an die Stelle der Leistungen eines gesetzli[X.]hen Sozialversi[X.]herungssystems treten. Na[X.]h § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] sind Beamte auf Lebenszeit, auf [X.] oder auf Probe und Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst versi[X.]herungsfrei.

aa) Das Urteil des Geri[X.]htshofs der Europäis[X.]hen Union vom 16. Juni 2016 - [X.]-159/15, [X.] - (NVwZ 2016, 1699) kann ni[X.]ht zur Re[X.]htfertigung der dur[X.]h § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] 2010 begründeten Altersdiskriminierung na[X.]h Art. 6 Abs. 2 [X.]/[X.] herangezogen werden. Die versorgungsre[X.]htli[X.]hen Vors[X.]hriften der Republik Österrei[X.]h, auf die si[X.]h die Ausführungen des Geri[X.]htshofs beziehen, bilden eine in si[X.]h ges[X.]hlossene und konsequente Gesamtregelung, die si[X.]h grundlegend von den hier ents[X.]heidungserhebli[X.]hen Vors[X.]hriften unters[X.]heidet.

Da die Beamten im [X.] regelmäßig hoheitli[X.]h tätig werden, ist die Vollendung des 18. Lebensjahres in der Republik Österrei[X.]h allgemeines Ernennungserfordernis für den Eintritt in den [X.] (§ 4 Abs. 1 Nr. 4 des Beamten-Dienstre[X.]htsgesetzes vom 27. Juni 1979, [X.] [X.]). Mit der Begründung des Beamtenverhältnisses sind [X.]beamte na[X.]h § 22 des Österrei[X.]his[X.]hen Gehaltsgesetzes vom 29. Feber 1956 ([X.] Nr. 54/1956) verpfli[X.]htet, für jeden Kalendermonat ihrer "ruhegenussfähigen [X.]zeit" im Voraus einen monatli[X.]hen Pensionsbeitrag zu entri[X.]hten, der von den Bezügen des Beamten einzuhalten ist. Zwar sieht das Re[X.]ht der Republik Österrei[X.]h au[X.]h vor, dass außerhalb eines Beamtenverhältnisses zurü[X.]kgelegte Lehr- und Bes[X.]häftigungszeiten als "Ruhegenussvordienstzeiten" angere[X.]hnet werden. Da die Berü[X.]ksi[X.]htigung dieser [X.]en eine Ausglei[X.]hsfunktion für sol[X.]he Beamte, die eine längere Ausbildung absolvieren müssen, gegenüber denjenigen Beamten hat, die zum frühestmögli[X.]hen [X.]punkt ernannt werden können, ist die Anre[X.]hnung auf die [X.] bes[X.]hränkt, die der Beamte na[X.]h Vollendung des 18. Lebensjahres zurü[X.]kgelegt hat (§ 53 Abs. 2 Bu[X.]hst. a und § 54 Abs. 2 Bu[X.]hst. a des [X.] vom 18. November 1965, [X.] [X.]/1965).

Damit besteht na[X.]h österrei[X.]his[X.]hem Re[X.]ht mit der Vollendung des 18. Lebensjahres eine einheitli[X.]he Altersgrenze für die Begründung des Beamtenverhältnisses, für den Beginn der Zahlung von Beiträgen des Beamten und damit für seine Beteiligung am Beamtenpensionssystem, für den Erwerb der Anwarts[X.]haft auf Pensionsvorsorge und für die Berü[X.]ksi[X.]htigung von Lehr- und Ausbildungszeiten im Vorfeld der Begründung des Beamtenverhältnisses. Diese si[X.]h aus dem nationalen Re[X.]ht ergebende Einheitli[X.]hkeit der Altersgrenze ist der wesentli[X.]he Gesi[X.]htspunkt für die Ents[X.]heidung des Geri[X.]htshofs, dass Art. 2 Abs. 1 und 2 und Art. 6 Abs. 2 [X.]/[X.] dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung wie der der Republik Österrei[X.]h ni[X.]ht entgegenstehen ([X.], Urteil vom 16. Juni 2016 - [X.]-159/15, [X.] - NVwZ 2016, 1699 Rn. 20 sowie 29 bis 32 unter Hinweis auf Nr. 37 der S[X.]hlussanträge des Generalanwalts).

Eine sol[X.]he einheitli[X.]he Altersgrenze sehen die hier maßgebli[X.]hen versorgungsre[X.]htli[X.]hen Bestimmungen gerade ni[X.]ht vor. Das Beamtenverhältnis kann au[X.]h vor Vollendung des 17. Lebensjahres begründet werden. Mit seiner Ernennung ist der Beamte ungea[X.]htet seines Lebensalters automatis[X.]h Mitglied des Systems der Beamtenversorgung. Denn die zur Finanzierung der Beamtenversorgung von vornherein "abgesenkten" Besoldungsbezüge entspre[X.]hen funktional dem Beitrag eines beitragsfinanzierten Versorgungssystems. Von dieser Leistung profitiert er bis zur Vollendung seines 17. Lebensjahres aber ni[X.]ht, obwohl der von ihm während des aktiven Dienstes au[X.]h vor Vollendung seines 17. Lebensjahres [X.]e Versorgungsanspru[X.]h grundsätzli[X.]h verfassungsre[X.]htli[X.]h ges[X.]hützt ist.

Na[X.]h dem Dienstre[X.]ht der [X.]republik wird die Versorgung des Ruhestandsbeamten von diesem dur[X.]h die Dienstleistung während der Dienstzeit [X.]. Der Dienstherr behält ni[X.]ht ausdrü[X.]kli[X.]h Beiträge für die Versorgung ein, vielmehr zahlt der Dienstherr von vornherein entspre[X.]hend geringere Bezüge aus. Die Dienstbezüge sind daher im Hinbli[X.]k auf die künftigen Versorgungsansprü[X.]he des Beamten niedriger festgesetzt und der Dienstherr behält einen fiktiven Anteil ein, um die Versorgung zu finanzieren ([X.], Urteile vom 6. März 2002 - 2 BvL 17/99 - [X.]E 105, 73 <115> und vom 27. September 2005 - 2 BvR 1387/02 - [X.]E 114, 258 <298>, Bes[X.]hluss vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12, 2 BvR 1989/12 - [X.]E 139, 19 Rn. 80; so bereits die Begründung des Entwurfs der [X.]regierung eines [X.]beamtengesetzes vom 19. November 1951, [X.]. Nr. 2846 [X.]). Für den betroffenen jungen Beamten hat § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] 2010 damit zur Folge, dass er zwar au[X.]h im [X.]raum vor Vollendung seines 17. Lebensjahres die - im Hinbli[X.]k auf die Versorgung generell - abgesenkten aktiven Dienstbezüge erhält und si[X.]h an der Finanzierung der Versorgung beteiligt, dieser [X.]raum jedo[X.]h bei der Bestimmung des Ruhegehaltssatzes und der Bemessung seiner Versorgung ni[X.]ht berü[X.]ksi[X.]htigt wird.

bb) Als Ausnahmevors[X.]hrift ist Art. 6 Abs. 2 [X.]/[X.] eng auszulegen ([X.], Urteil vom 16. Juni 2016 - [X.]-159/15, [X.] - NVwZ 2016, 1699 Rn. 24 m. w. N.). Die Ermä[X.]htigung ist auf die in Art. 6 Abs. 2 [X.]/[X.] genannten Merkmale bes[X.]hränkt. Ni[X.]ht sämtli[X.]he Umstände, die ein betriebli[X.]hes System der [X.] Si[X.]herheit zur Absi[X.]herung der Risiken des Alters kennzei[X.]hnen, wie [X.] die Festlegung der Höhe der Beiträge des Arbeitgebers aufgrund einer Vereinbarung in einem Arbeitsvertrag zu diesem System, fallen in den Geltungsberei[X.]h des Art. 6 Abs. 2 [X.]/[X.], sondern nur die dort ausdrü[X.]kli[X.]h aufgeführten ([X.], Urteil vom 26. September 2013 - [X.]-476/11, [X.] - EuZW 2013, 951 Rn. 52). Die in § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] 2010 bestimmte Altersgrenze der Vollendung des 17. Lebensjahres ist weder eine "Altersgrenze als Voraussetzung für die Mitglieds[X.]haft im betriebli[X.]hen System der [X.] Si[X.]herheit" no[X.]h eine "Altersgrenze als Voraussetzung für den Bezug von Altersrente".

(1) Der Anwendung des Merkmals "Altersgrenze als Voraussetzung für die Mitglieds[X.]haft in den betriebli[X.]hen Systemen der [X.] Si[X.]herheit" i. S. v. Art. 6 Abs. 2 [X.]/[X.] auf die Zugehörigkeit von Beamten zum System der Alterssi[X.]herung steht ni[X.]ht entgegen, dass die Begründung der Mitglieds[X.]haft keinen gesonderten Akt oder eine darauf geri[X.]htete ausdrü[X.]kli[X.]he Willenserklärung des Beamten voraussetzt, sondern die Zugehörigkeit ohne Weiteres Folge der Ernennung zum Beamten ist (a. A. OVG [X.], Urteil vom 17. April 2020 - 1 A 135/18 - juris Rn. 40 f.). Die Vollendung des 17. Lebensjahres ist au[X.]h keine Voraussetzung für die Einstellung in den Dienst des [X.] und damit für den Eintritt des Beamten in das System der Alterssi[X.]herung. Die "Mitglieds[X.]haft" des jungen Beamten im System der Beamtenversorgung ist automatis[X.]he Folge seiner Ernennung, die au[X.]h vor Vollendung des 17. Lebensjahres liegen kann. Der junge Beamte leistet dur[X.]h die abgesenkten Bezüge mittelbar Beiträge zur Altersversorgung, die entspre[X.]hende [X.] wird jedo[X.]h bei der Bestimmung seiner Altersversorgung von vornherein ni[X.]ht berü[X.]ksi[X.]htigt.

Bereits § 111 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des [X.]beamtengesetzes vom 14. Juli 1953 ([X.] I S. 551) sah vor, dass bei der Bestimmung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit die vor Vollendung des 17. Lebensjahres im Beamtenverhältnis zurü[X.]kgelegte [X.] unberü[X.]ksi[X.]htigt bleibt. Diese Regelung war Bestandteil der grundlegenden Reform dur[X.]h das [X.]beamtengesetz vom Juli 1953, die zehnjährige Wartefrist des Rei[X.]hsbeamtengesetzes von 1873 für die Gewährung einer Altersversorgung wieder einzuführen, die dur[X.]h das Deuts[X.]he Beamtengesetz vom 26. Januar 1937 abges[X.]hafft worden war (Begründung des [X.], [X.]. Nr. 2846 [X.] und [X.] zu § 103; Na[X.]htrag zum S[X.]hriftli[X.]hen Beri[X.]ht des Auss[X.]husses für Beamtenre[X.]ht zu Drs. Nr. 4246 S. 14 zu § 103). Die Bestimmung, dass vor Vollendung eines bestimmten Lebensjahres im Beamtenverhältnis zurü[X.]kgelegte [X.]en unberü[X.]ksi[X.]htigt bleiben, verfolgte jedo[X.]h einen speziellen Zwe[X.]k (Begründung des [X.], [X.]. Nr. 2846 [X.] zu § 108). Der Gesetzgeber wollte zur Vermeidung von Na[X.]hteilen infolge laufbahnbedingter Unters[X.]hiede einen einheitli[X.]hen versorgungsre[X.]htli[X.]hen Startpunkt für alle Beamten über alle Laufbahnen hinweg ungea[X.]htet der konkreten Umstände des Einzelfalles s[X.]haffen. Hierdur[X.]h sollte insbesondere eine annähernde Glei[X.]hstellung zwis[X.]hen den Dienstverhältnissen, die keine weitere Vorbildung verlangen (einfa[X.]her und mittlerer Dienst), und denen, die eine bestimmte Vor- und fa[X.]hbezogene Ausbildung (gehobener und höherer Dienst) voraussetzen, errei[X.]ht werden. Dur[X.]h den Auss[X.]hluss der Berü[X.]ksi[X.]htigung von [X.]en vor Vollendung des 17. Lebensjahres sollte verhindert werden, dass bereits sol[X.]he [X.]en - insbesondere bei Beamten des einfa[X.]hen und mittleren Dienstes - als ruhegehaltfähige Dienstzeit anzuerkennen sind, die bei Beamten des gehobenen und höheren Dienstes regelmäßig no[X.]h in die S[X.]hul- oder Ausbildungszeit fallen. Dieses Motiv der ursprüngli[X.]hen Regelung wird au[X.]h bei den Überlegungen des Gesetzgebers zur Abs[X.]haffung dieses generalisierenden Ansatzes zugunsten der Berü[X.]ksi[X.]htigung der konkreten Erwerbsbiografie des Beamten deutli[X.]h (Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des [X.] und weiterer dienstre[X.]htli[X.]her Vors[X.]hriften, [X.]. 18/9532 S. 38 zu Nr. 3 Bu[X.]hst. a).

(2) § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] 2010 unterfällt au[X.]h ni[X.]ht der selbstständigen Tatbestandsalternative der Festsetzung einer "Altersgrenze als Voraussetzung für den Bezug von Altersrente". Wie dargelegt, hat die Vors[X.]hrift ni[X.]ht zur Folge, dass der Beamte erst na[X.]h Vollendung seines 17. Lebensjahres unter das Versorgungssystem fällt. Es wird die Ansi[X.]ht vertreten, die Alternative "Bezug von Altersrente" de[X.]ke ni[X.]ht nur das "Ob" des Bezugs ab, sondern au[X.]h das "Wie" und erfasse damit au[X.]h die Höhe des Ruhegehalts (VG Ansba[X.]h, Urteil vom 12. September 2019 - 16 K 17.02720 - juris Rn. 34 und VG Gelsenkir[X.]hen, Urteil vom 6. März 2020 - 3 K 5019/16 - juris Rn. 29). Zwar trifft es zu, dass § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] 2010 dadur[X.]h die Höhe des Ruhegehalts bestimmt, dass die [X.] vor Vollendung des 17. Lebensjahres trotz der Leistung von Beiträgen für die Altersversorgung unberü[X.]ksi[X.]htigt bleibt. Die Ermä[X.]htigung in Art. 6 Abs. 2 [X.]/[X.] gilt jedo[X.]h ni[X.]ht für sämtli[X.]he Umstände, die ein betriebli[X.]hes System der [X.] Si[X.]herheit zur Absi[X.]herung der Risiken von Alter und Invalidität kennzei[X.]hnen, sondern nur für diejenigen, die dort ausdrü[X.]kli[X.]h erwähnt sind ([X.], Urteile vom 26. September 2013 - [X.]-476/11, [X.] - EuZW 2013, 951 Rn. 52 und vom 16. Juni 2016 - [X.]-159/15, [X.] - NVwZ 2016, 1699 Rn. 25). Die dur[X.]h die Altersgrenze des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] 2010 unmittelbar bestimmte Höhe des Versorgungsanspru[X.]hs gehört ni[X.]ht dazu.

[X.]) Au[X.]h eine Re[X.]htfertigung na[X.]h Art. 6 Abs. 1 [X.]/[X.] ist ausges[X.]hlossen.

Na[X.]h Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.]/[X.] können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Unglei[X.]hbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Re[X.]hts dur[X.]h ein legitimes Ziel, worunter insbesondere re[X.]htmäßige Ziele aus den Berei[X.]hen Bes[X.]häftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufli[X.]he Bildung zu verstehen sind, gere[X.]htfertigt und die Mittel zur Errei[X.]hung dieses Ziels angemessen und erforderli[X.]h sind.

Beweggrund für die Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] 2010 ist es, eine Glei[X.]hstellung von Beamten des einfa[X.]hen und mittleren Dienstes mit sol[X.]hen des gehobenen und höheren Dienstes zu gewährleisten, die regelmäßig [X.]en außerhalb des Beamtenverhältnisses zurü[X.]klegen müssen, um die für die Ernennung erforderli[X.]he Vor- und Ausbildung zu erlangen. Dieses Motiv ist als "re[X.]htmäßiges sozialpolitis[X.]hes Ziel" einzustufen ([X.], Urteil vom 18. Juni 2009 - [X.]-88/08, [X.] - Slg. 2009, [X.] Rn. 40 und 42).

Allerdings erfordert der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass die Erfordernisse des Glei[X.]hbehandlungsgrundsatzes soweit wie mögli[X.]h mit denen des angestrebten Zieles in Einklang gebra[X.]ht werden müssen. Demna[X.]h sind sol[X.]he nationalen Vors[X.]hriften ni[X.]ht na[X.]h Art. 6 Abs. 1 [X.]/[X.] gere[X.]htfertigt, die das Alter des Betroffenen als einziges Kriterium festlegen, ohne dass na[X.]hgewiesen wäre, dass die Festlegung einer Altersgrenze als sol[X.]he unabhängig von anderen Erwägungen zur Errei[X.]hung des Ziels objektiv erforderli[X.]h ist, und die deshalb über das hinausgehen, was zur Errei[X.]hung des verfolgten Zieles angemessen und erforderli[X.]h ist ([X.], Urteil vom 22. November 2005 - [X.]-144/04, [X.] - Slg. 2005, [X.] Rn. 62 ff.). Diese Prüfung obliegt dem nationalen Geri[X.]ht ([X.], Urteil vom 26. September 2013 - [X.]-476/11, [X.] - EuZW 2013, 951 Rn. 68 f.).

Hieran gemessen ist die Altersgrenze der Vollendung des 17. Lebensjahres zur Errei[X.]hung des Ziels der versorgungsre[X.]htli[X.]hen Glei[X.]hbehandlung der Laufbahngruppen ni[X.]ht objektiv erforderli[X.]h.

Zur Gewährleistung der Glei[X.]hstellung der Beamten der vers[X.]hiedenen Laufbahngruppen hätte es ni[X.]ht der Vorgabe der Vollendung des 17. Lebensjahres und damit der unmittelbar diskriminierenden Regelung bedurft. Der Gesetzgeber hätte au[X.]h bestimmen können, dass bei den Beamten des einfa[X.]hen und mittleren Dienstes ein bestimmter [X.]raum zu Beginn des Beamtenverhältnisses unberü[X.]ksi[X.]htigt bleibt, unabhängig davon, ob dieser [X.]raum vor oder na[X.]h Vollendung des 17. Lebensjahres liegt (vgl. [X.], Urteil vom 28. Januar 2015 - [X.]-417/13, [X.] - [X.], 217 Rn. 25). Zudem führt § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] 2010 zu Bena[X.]hteiligungen innerhalb der Gruppe der Beamten des einfa[X.]hen und mittleren Dienstes. Denn die Beamten des einfa[X.]hen und mittleren Dienstes, die vor Vollendung des 17. Lebensjahres eingestellt worden sind, werden gegenüber denjenigen Beamten des einfa[X.]hen und mittleren Dienstes bena[X.]hteiligt, die na[X.]h Vollendung dieses Sti[X.]htags ernannt worden sind. Der Beweggrund, eine Bena[X.]hteiligung der Gruppe der Beamten des gehobenen und höheren Dienstes vermeiden zu wollen, kann zur Re[X.]htfertigung dieser Bena[X.]hteiligung ni[X.]ht herangezogen werden (vgl. [X.], Urteil vom 17. Februar 2014 - 2 K 1907/10 - juris Rn. 24).

Bezogen auf die ganz überwiegende Zahl der von ihr betroffenen [X.] hat die Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] 2010 zudem kaum Bedeutung. Eine Regelung ist aber nur dann geeignet, wenn sie das Ziel in kohärenter und systematis[X.]her Weise verfolgt ([X.], Urteil vom 26. September 2013 - [X.]-476/11, [X.] - EuZW 2013, 951 Rn. 67 m. w. N.). Bei den vor Vollendung ihres 17. Lebensjahres eingestellten Beamten kann wegen der bis zum Errei[X.]hen der gesetzli[X.]hen Altersgrenze verbleibenden [X.] der maximale Ruhegehaltssatz regelmäßig au[X.]h ohne die Berü[X.]ksi[X.]htigung der na[X.]h § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] 2010 ausges[X.]hlossenen [X.]en errei[X.]ht werden. Bedeutung hat die gesetzli[X.]he Regelung allein für diejenigen atypis[X.]hen Fälle, in denen der Beamte aus individuellen Gründen - etwa infolge vorzeitiger Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit oder langjähriger Teilzeittätigkeit - den hö[X.]hsten Ruhegehaltssatz ni[X.]ht zu errei[X.]hen vermag.

d) Die Feststellung der Unionsre[X.]htswidrigkeit von § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] 2010 kann der Senat treffen, ohne dem Geri[X.]htshof der Europäis[X.]hen Union na[X.]h Art. 267 AEUV Fragen zur Auslegung der Bestimmungen der Ri[X.]htlinie 2000/78/[X.] vorzulegen.

Na[X.]h Maßgabe der Re[X.]htspre[X.]hung des Geri[X.]htshofs der Europäis[X.]hen Union ist eine Vorlage na[X.]h Art. 267 Abs. 3 AEUV ni[X.]ht geboten ([X.], Urteile vom 6. Oktober 1982 - [X.]-283/81, [X.].I.L.F.I.T. - Slg. 1982, 3415 Rn. 21 und vom 6. Oktober 2021 - [X.]-561/19, [X.]onsorzio Italian Management - NJW 2021, 3303 Rn. 33). Es stellt si[X.]h keine ents[X.]heidungserhebli[X.]he Frage zur Auslegung der Bestimmungen der Ri[X.]htlinie 2000/78/[X.], die ni[X.]ht bereits dur[X.]h die Re[X.]htspre[X.]hung des Geri[X.]htshofs ausdrü[X.]kli[X.]h geklärt oder auf dieser Basis ni[X.]ht zweifelsfrei zu beantworten ist. Dies gilt insbesondere im Hinbli[X.]k auf die Re[X.]htspre[X.]hung des Geri[X.]htshofs, wona[X.]h die Ermä[X.]htigung in Art. 6 Abs. 2 [X.]/[X.] auf die dort ausdrü[X.]kli[X.]h erwähnten Merkmale bes[X.]hränkt ist ([X.], Urteile vom 26. September 2013 - [X.]-476/11, [X.] - EuZW 2013, 951 Rn. 52 und vom 16. Juni 2016 - [X.]-159/15, [X.] - NVwZ 2016, 1699 Rn. 24).

Au[X.]h eine Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Geri[X.]htshöfe des [X.] na[X.]h den § 2 Abs. 1 und § 11 [X.] kommt ni[X.]ht in Betra[X.]ht. Die Bedeutung des Art. 6 [X.]/[X.] ist dur[X.]h Ents[X.]heidungen des zur verbindli[X.]hen Auslegung des Unionsre[X.]hts berufenen Geri[X.]htshofs der Europäis[X.]hen Union geklärt. Zudem betrifft das Urteil des [X.]arbeitsgeri[X.]hts vom 26. September 2017 - 3 [X.] - ([X.], 255) die Auslegung von Bestimmungen des Allgemeinen Glei[X.]hbehandlungsgesetzes vom 14. August 2006 ([X.] I S. 1897). Vorliegend geht es dagegen darum, ob das Beamtenversorgungsgesetz als [X.]gesetz mit dem Unionsre[X.]ht in Einklang steht oder unangewendet bleiben muss.

5. Der Kläger hat aufgrund von § 51 Abs. 5 i. V. m. § 48 Abs. 1 VwVfG Anspru[X.]h auf Rü[X.]knahme des Versorgungsfestsetzungsbes[X.]heids vom 22. Juni 2016, soweit seine vor Vollendung des 17. Lebensjahres im Beamtenverhältnis zurü[X.]kgelegten [X.]en bei der Bemessung des Ruhegehalts ab Mai 2023 unberü[X.]ksi[X.]htigt bleiben. Das der Behörde im Hinbli[X.]k auf die Rü[X.]knahme eröffnete Ermessen, das au[X.]h dem Interesse des [X.] zu dienen bestimmt ist, ist für den [X.]raum ab Mai 2023 auf Null reduziert. Infolge dieser Teilaufhebung des Festsetzungsbes[X.]heids hat die Beklagte die Versorgungsbezüge des [X.] ab Mai 2023 neu festzusetzen. Für den [X.]raum vom Eintritt des [X.] in den Ruhestand bis Ende April 2023 hat der Kläger dagegen weder einen Anspru[X.]h auf Rü[X.]knahme des Bes[X.]heids no[X.]h einen Anspru[X.]h auf fehlerfreie Ausübung des Rü[X.]knahmeermessens, weil insoweit dem Aspekt der Re[X.]htssi[X.]herheit in Gestalt der Bestandskraft des Verwaltungsakts der Vorrang gebührt.

a) Während die Dienstbezüge der aktiven Beamten unmittelbar aufgrund Gesetzes gezahlt werden, werden die Ansprü[X.]he der Ruhestandsbeamten und anderer Versorgungsempfänger auf Zahlung der Versorgungsbezüge dur[X.]h den Versorgungsfestsetzungsbes[X.]heid begründet. Na[X.]h dem dur[X.]h § 49 Abs. 1 [X.] vorgegebenen Regelungsgehalt ist dieser Bes[X.]heid die gesetzli[X.]h vorges[X.]hriebene, re[X.]htsverbindli[X.]he Mitteilung über die Höhe der Versorgungsbezüge. Er regelt die Versorgungsbezüge in ihrer Gesamtheit (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 24. April 1959 - 6 [X.] 91.57 - BVerwGE 8, 261 <265 f.>). Es handelt si[X.]h um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, weil die Festsetzungen während der gesamten Versorgungszeit Re[X.]htswirkungen entfalten. Änderungen der tatsä[X.]hli[X.]hen Verhältnisse, die na[X.]h seinem Erlass eintreten, können si[X.]h unmittelbar auf die re[X.]htli[X.]he Beurteilung auswirken. Eine bei Erlass re[X.]htmäßige Festsetzung kann na[X.]hträgli[X.]h - wegen überhöhter Leistungen - re[X.]htswidrig werden. Die Aufhebung eines ursprüngli[X.]h re[X.]htmäßigen Versorgungsfestsetzungsbes[X.]heids wegen na[X.]hträgli[X.]h eingetretener Re[X.]htswidrigkeit ri[X.]htet si[X.]h ni[X.]ht na[X.]h den Bestimmungen des § 49 VwVfG, sondern na[X.]h § 48 Abs. 1 und 2 Satz 1 bis 4 VwVfG (BVerwG, Urteile vom 16. November 1989 - 2 [X.] 43.87 - BVerwGE 84, 111 <113 f.>, vom 16. Juli 2009 - 2 [X.] 43.08 - Bu[X.]hholz 239.1 § 11 [X.] Nr. 13 Rn. 15 und vom 28. Juni 2012 - 2 [X.] 13.11 - BVerwGE 143, 230 Rn. 15). Der Versorgungsfestsetzungsbes[X.]heid ist zwar ein begünstigender Verwaltungsakt (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 1964 - 6 [X.] 150.62 - BVerwGE 18, 168 <169>), weil er den Anspru[X.]h auf Zahlung von Versorgungsbezügen - na[X.]h Maßgabe der im Bes[X.]heid enthaltenen Festsetzungen - begründet. Soweit die Festsetzungen hinter den beantragten Feststellungen zurü[X.]kbleiben, enthält der Bes[X.]heid indes eine belastende Wirkung. Mit Bli[X.]k auf Sinn und Zwe[X.]k der in §§ 48 ff. VwVfG getroffenen Regelungen ist das na[X.]h Eintritt der Unanfe[X.]htbarkeit des Versorgungsfestsetzungsbes[X.]heids geltend gema[X.]hte Begehren auf die Festsetzung eines höheren Ruhegehaltssatzes daher na[X.]h den Vors[X.]hriften über das Wiederaufgreifen eines belastenden Verwaltungsakts gemäß § 51 Abs. 5 i. V. m. § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG zu beurteilen (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 2 [X.] 59.11 - BVerwGE 145, 14 Rn. 10).

b) Das Wiederaufgreifen na[X.]h § 51 Abs. 5 i. V. m. § 48 Abs. 1 VwVfG steht im Ermessen der Behörde. Dies zeigt, dass die Re[X.]htswidrigkeit des belastenden Verwaltungsakts allein ni[X.]ht zur Rü[X.]knahme führt. Der Gesetzgeber räumt bei der Aufhebung [X.] belastender Verwaltungsakte in verfassungsre[X.]htli[X.]h ni[X.]ht zu beanstandender Weise weder dem Vorrang des Gesetzes no[X.]h der Re[X.]htssi[X.]herheit als Ausprägungen des Re[X.]htsstaatsprinzips den generellen Vorrang ein. Die Prinzipien der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Bestandskraft von Verwaltungsakten stehen vielmehr glei[X.]hbere[X.]htigt nebeneinander. Das Gebot der materiellen Gere[X.]htigkeit begründet jedo[X.]h ausnahmsweise den Anspru[X.]h auf Rü[X.]knahme eines bestandskräftigen belastenden Verwaltungsakts, wenn dessen Aufre[X.]hterhaltung s[X.]hle[X.]hthin unerträgli[X.]h ist (BVerwG, Urteile vom 20. März 2008 - 1 [X.] 33.07 - Bu[X.]hholz 402.242 § 54 AufenthG Nr. 5 Rn. 13, vom 24. Februar 2011 - 2 [X.] 50.09 - Bu[X.]hholz 316 § 51 VwVfG Nr. 58 Rn. 11 und vom 7. Oktober 2020 - 2 [X.] 18.19 - BVerwGE 169, 318 Rn. 42). Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn das eins[X.]hlägige Fa[X.]hre[X.]ht die Ermessensents[X.]heidung für die Rü[X.]knahme des re[X.]htswidrigen Verwaltungsakts vorgibt, sodass si[X.]h das Ermessen in diesem Sinne als intendiert erweist (BVerwG, Bes[X.]hluss vom 7. Juli 2004 - 6 [X.] 24.03 - BVerwGE 121, 226 <231>; Urteile vom 17. Januar 2007 - 6 [X.] 32.06 - NVwZ 2007, 709 Rn. 13 und vom 9. Mai 2012 - 6 [X.] 3.11 - BVerwGE 143, 87 Rn. 51).

Erweist si[X.]h ein Versorgungsfestsetzungsbes[X.]heid aufgrund einer die Re[X.]htslage klärenden Geri[X.]htsents[X.]heidung als re[X.]htswidrig, ist dur[X.]h die das [X.] prägenden Grundsätze die Ri[X.]htung für die na[X.]h § 48 Abs. 1 VwVfG zu treffende Ents[X.]heidung in der Weise vorgegeben, dass si[X.]h nur die Rü[X.]knahme des Verwaltungsakts als ermessensfehlerfrei erweist (BVerwG, Urteile vom 26. September 2012 - 2 [X.] 48.11 - Bu[X.]hholz 239.1 § 5 [X.] Nr. 21 Rn. 24 ff., vom 25. Oktober 2012 - 2 [X.] 59.11 - BVerwGE 145, 14 Rn. 20, 27 ff. und vom 7. Oktober 2020 - 2 [X.] 18.19 - BVerwGE 169, 318 Rn. 48). Im Beamtenversorgungsre[X.]ht besteht na[X.]h dem ausdrü[X.]kli[X.]hen Willen des Gesetzgebers na[X.]h § 3 [X.] eine strikte Gesetzesbindung der Verwaltung. Auf die gesetzli[X.]h zustehende Versorgung kann weder ganz no[X.]h teilweise verzi[X.]htet werden (§ 3 Abs. 3 [X.]). Zudem ist der Versorgungsanspru[X.]h, wie er si[X.]h aus den gesetzli[X.]hen Bestimmungen ergibt, verfassungsre[X.]htli[X.]h ges[X.]hützt, weil der Versorgungsbere[X.]htigte ihn in der aktiven Dienstzeit [X.] hat (BVerwG, Urteile vom 27. Januar 2011 - 2 [X.] 25.09 - Bu[X.]hholz 449.4 § 55b [X.] Rn. 22, vom 26. September 2012 - 2 [X.] 48.11 - Bu[X.]hholz 239.1 § 5 [X.] Nr. 21 Rn. 30 und vom 25. Oktober 2012 - 2 [X.] 59.11 - BVerwGE 145, 14 Rn. 29; vgl. au[X.]h [X.], Bes[X.]hluss vom 23. Mai 2017 - 2 BvL 10/11 u. a. - [X.]E 145, 249 Rn. 91).

Aus dieser Re[X.]htsnatur des Versorgungsanspru[X.]hs ergibt si[X.]h, dass der Anspru[X.]h des Versorgungsbere[X.]htigten auf Festsetzung und Auszahlung des Ruhegehalts in gesetzli[X.]her Höhe dur[X.]h die Aufhebung [X.] Bes[X.]heide ab einem gewissen [X.]punkt zu verwirkli[X.]hen ist. Aus dem aus § 79 Abs. 2 [X.]G abgeleiteten Re[X.]htsgedanken folgt, dass dieser [X.]punkt die Verkündung des Urteils ist, das die Re[X.]htslage eindeutig klärt. Aus Gründen der Praktikabilität ist es im Hinbli[X.]k auf die monatli[X.]h gewährten Versorgungsbezüge sa[X.]hgere[X.]ht, auf den Beginn des Kalendermonats na[X.]h der Verkündung der die Re[X.]htslage eindeutig klärenden Geri[X.]htsents[X.]heidung abzustellen (BVerwG, Urteil vom 7. Oktober 2020 - 2 [X.] 18.19 - BVerwGE 169, 318 Rn. 46 ff. m. w. N.).

§ 79 Abs. 2 [X.]G lässt si[X.]h der allgemeine Re[X.]htsgedanke entnehmen, dass einerseits zwar unanfe[X.]htbar gewordene fehlerhafte Akte der öffentli[X.]hen Gewalt ni[X.]ht rü[X.]kwirkend aufgehoben und die in der Vergangenheit von ihnen ausgegangenen na[X.]hteiligen Wirkungen ni[X.]ht beseitigt werden, andererseits jedo[X.]h zukünftige Folgen, die si[X.]h aus einer zwangsweisen Dur[X.]hsetzung der verfassungswidrigen Ents[X.]heidung ergeben würden, abgewendet werden sollen (stRspr, [X.], Bes[X.]hlüsse vom 27. November 1997 - 1 BvL 12/91 - [X.]E 97, 35 <48> und vom 6. Dezember 2005 - 1 BvR 1905/02 - [X.]E 115, 51 <63> m. w. N.; BVerwG, Urteil vom 26. September 2012 - 2 [X.] 48.11 - Bu[X.]hholz 239.1 § 5 [X.] Nr. 21 Rn. 28). Dieser Re[X.]htsgedanke ist auf Dauerverwaltungsakte wie Versorgungsfestsetzungsbes[X.]heide, die ni[X.]ht im engeren Sinne des § 79 Abs. 2 Satz 2 [X.]G vollstre[X.]kt werden, sondern die Grundlage für monatli[X.]h im Voraus zu zahlende Versorgungsbezüge bilden, für den Fall der Ni[X.]htigerklärung einer gesetzli[X.]hen Grundlage des Festsetzungsbes[X.]heids übertragen worden. Der Betroffene kann ni[X.]ht unter Berufung auf die Ni[X.]htigerklärung der gesetzli[X.]hen Regelung für die Vergangenheit höhere Leistungen beanspru[X.]hen, er kann jedo[X.]h für die Zukunft die Anpassung des Verwaltungsakts an die klargestellte Re[X.]htslage verlangen (BVerwG, Urteile vom 26. September 2012 - 2 [X.] 48.11 - Bu[X.]hholz 239.1 § 5 [X.] Nr. 21 Rn. 29, vom 25. Oktober 2012 - 2 [X.] 59.11 - BVerwGE 145, 14 Rn. 27 f. und vom 7. Oktober 2020 - 2 [X.] 18.19 - BVerwGE 169, 318 Rn. 50). Diese Wertungen gelten aber ni[X.]ht nur für Ents[X.]heidungen des [X.]verfassungsgeri[X.]hts, die eine Norm für ni[X.]htig erklären, sondern au[X.]h für sol[X.]he des Geri[X.]htshofs der Europäis[X.]hen Union, die Unionsre[X.]ht verbindli[X.]h auslegen, und sol[X.]he des [X.]verwaltungsgeri[X.]hts, die eine Re[X.]htslage verbindli[X.]h klären. Diese haben zur Folge, dass ein Dauerverwaltungsakt in der Regel ab dem Beginn des auf die Verkündung des Urteils folgenden Kalendermonats zurü[X.]kzunehmen ist (BVerwG, Urteile vom 25. Oktober 2012 - 2 [X.] 59.11 - BVerwGE 145, 14 Rn. 31 ff. und vom 7. Oktober 2020 - 2 [X.] 18.19 - BVerwGE 169, 318 Rn. 52 ff.).

[X.]) Aus dem Unionsre[X.]ht ergeben si[X.]h für die Ausübung des Ermessens na[X.]h § 51 Abs. 5 i. V. m. § 48 Abs. 1 VwVfG keine weitergehenden re[X.]htli[X.]hen Vorgaben.

Folgt die Re[X.]htswidrigkeit des Versorgungsfestsetzungsbes[X.]heids aus einem Verstoß gegen das Unionsre[X.]ht, so verlangt der Grundsatz des Vorrangs des Unionsre[X.]hts insbesondere ni[X.]ht, dass die Verwaltungsents[X.]heidung wegen Re[X.]htswidrigkeit in jedem Fall zurü[X.]kzunehmen ist. Denn au[X.]h das Unionsre[X.]ht berü[X.]ksi[X.]htigt den Aspekt der Re[X.]htssi[X.]herheit ([X.], Urteil vom 13. Januar 2004 - [X.]-453/00, [X.]. 2004, [X.] Rn. 24). Mangels einer eins[X.]hlägigen gemeins[X.]haftsre[X.]htli[X.]hen Regelung sind die Vorgaben für die Rü[X.]knahme von belastenden bestandskräftigen Verwaltungsakten, die mit dem Unionsre[X.]ht unvereinbar sind, Sa[X.]he der innerstaatli[X.]hen Re[X.]htsordnungen der Mitgliedstaaten ([X.], Urteil vom 19. September 2006 - [X.]-392/04 und [X.]-422/04, [X.]. 2006, [X.] Rn. 57 m. w. N.). Das Unionsre[X.]ht verlangt ledigli[X.]h, dass die Vors[X.]hriften ni[X.]ht ungünstiger sind als diejenigen, die glei[X.]hartige Sa[X.]hverhalte innerstaatli[X.]her Art regeln (Äquivalenzprinzip), und dass die Ausübung der dur[X.]h das Unionsre[X.]ht verliehenen Re[X.]hte ni[X.]ht praktis[X.]h unmögli[X.]h gema[X.]ht oder übermäßig ers[X.]hwert werden (Effektivitätsprinzip). Sehen die innerstaatli[X.]hen Vors[X.]hriften vor, dass ein re[X.]htswidriger, aber [X.] Verwaltungsakt zurü[X.]kzunehmen ist, weil seine "Aufre[X.]hterhaltung s[X.]hle[X.]hthin unerträgli[X.]h" ist, so gilt dies au[X.]h für eine mit dem Unionsre[X.]ht unvereinbare Verwaltungsents[X.]heidung ([X.], Urteil vom 19. September 2006 - [X.]-392/04 und [X.]-422/04, [X.]. 2006, [X.] Rn. 63).

d) Das vorliegende Urteil klärt, dass § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] 2010 unionsre[X.]htswidrig und deshalb unanwendbar ist und dass die vom Kläger vor Vollendung seines 17. Lebensjahres im Beamtenverhältnis zurü[X.]kgelegten [X.]en bei der Bestimmung seiner ruhegehaltfähigen Dienstzeit zu berü[X.]ksi[X.]htigen sind. Insbesondere wegen des verfassungsre[X.]htli[X.]hen S[X.]hutzes des vom Kläger während der aktiven Dienstzeit [X.]en Versorgungsanspru[X.]hs wäre die Aufre[X.]hterhaltung des re[X.]htswidrigen, aber bestandskräftigen Versorgungsfestsetzungsbes[X.]heids s[X.]hle[X.]hthin unerträgli[X.]h. Na[X.]h Maßgabe der vorstehenden Grundsätze ist das Ermessen der Beklagten zur Rü[X.]knahme des re[X.]htswidrigen Bes[X.]heids vom 22. Juni 2016 für den [X.]raum ab Mai 2023 auf Null reduziert, während für den [X.]raum bis Ende April 2023 der bestandskräftige Bes[X.]heid bestehen bleibt. Gewi[X.]htige Gründe, die entgegen der dargelegten Regel das Hinauss[X.]hieben der Anpassung des Versorgungsfestsetzungsbes[X.]heids an die Re[X.]htslage re[X.]htfertigen könnten (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 2 [X.] 59.11 - BVerwGE 145, 14 Rn. 33), sind ni[X.]ht ersi[X.]htli[X.]h.

Ob die Regelung au[X.]h gegen die nationalen Vorgaben aus Art. 33 Abs. 5 GG verstößt, weil sie bewirkt, dass si[X.]h ni[X.]ht die Gesamtdauer der aktiven Dienstzeit in der Höhe der Versorgungsbezüge nieders[X.]hlägt (vgl. [X.], Bes[X.]hluss vom 23. Mai 2017 - 2 BvL 10/11 u. a. - [X.]E 145, 249 Rn. 50 m. w. N.), bedarf keiner Ents[X.]heidung.

6. Die Kostenents[X.]heidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Meta

2 C 11/22

20.04.2023

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 28. Juni 2022, Az: 14 BV 19.580, Urteil

Art 2 Abs 2 EGRL 78/2000, Art 3 Abs 1 EGRL 78/2000, Art 6 Abs 1 EGRL 78/2000, Art 6 Abs 2 EGRL 78/2000, § 6 Abs 1 S 2 Nr 1 BeamtVG vom 24.02.2010, § 69k S 1 BeamtVG vom 11.01.2017, § 51 Abs 1 VwVfG, § 51 Abs 5 VwVfG, § 48 Abs 1 VwVfG, § 79 Abs 2 BVerfGG, § 142 Abs 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20.04.2023, Az. 2 C 11/22 (REWIS RS 2023, 5249)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 5249

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Referenzen
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Zitiert

1 BvR 1905/02

1 BvL 12/91

3 AZR 72/16

2 BvR 1387/02

2 BvL 17/99

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