Bundespatentgericht, Beschluss vom 28.11.2012, Az. 29 W (pat) 45/11

29. Senat | REWIS RS 2012, 910

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Wir machen Kinderlachen" – keine Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 023 995.9

hat der 29. Senat ([X.]) des [X.] im schriftlichen Verfahren am 28. November 2012 durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.] und die Richterin am Landgericht Uhlmann

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

2

Wir machen Kinderlachen

3

ist am 26. Juni 2009 zur Eintragung als Marke in das beim [X.] ([X.]) geführte Register für nachfolgende Dienstleistungen angemeldet worden:

4

Klasse 35:Werbung, insbesondere zum Zwecke der Beschaffung von Spenden und Mitteln für Stiftungszwecke; Geschäftsführung für Dritte; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten, Beratung in Geschäftsangelegenheiten; Beschaffungsdienstleistungen für Dritte (Erwerb von Waren und Dienstleistungen für andere Unternehmen); Geschäftsführung für Dritte von unselbständigen Stiftungen; Verwaltung fremder Geschäftsinteressen, nämlich von unselbstständigen Stiftungen; Sponsorensuche, nämlich Durchführung vonSpenden- und [X.] (Fundraising);

5

Klasse 36:Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; [X.]; Sammeln von Spenden für Wohltätigkeitszwecke; finanzielles Sponsoring, insbesondere durch Zustiftungen und Schenkungen; Verwaltung von Spenden- und Stiftungsgeldern, Vermögensverwaltung von unselbstständigen Stiftungen;

6

Klasse 41:Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten;

7

Klasse 45:Von Dritten erbrachte persönliche und [X.] Dienstleistungen betreffend individuelle Bedürfnisse, insbesondere zur Hilfe für Dritte.

8

Mit Beschluss vom 11. Januar 2011 hat die Markenstelle für Klasse 35 die Anmeldung teilweise, nämlich bezüglich folgender Dienstleistungen:

9

Klasse 35:

Werbung, insbesondere zum Zwecke der Beschaffung von Spenden und Mitteln für Stiftungszwecke; Beschaffungsdienstleistungen für Dritte (Erwerb von Waren und Dienstleistungen für andere Unternehmen); Sponsorensuche, nämlich Durchführung von Spenden- und [X.] (Fundraising);

Klasse 36:

Finanzwesen; Geldgeschäfte; Sammeln von Spenden für Wohltätigkeitszwecke; finanzielles Sponsoring, insbesondere durch Zustiftungen und Schenkungen; Verwaltung von Spenden- und Stiftungsgeldern, Vermögensverwaltung von unselbstständigen Stiftungen;

Klasse 41:

Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten;

Klasse 45:

Von Dritten erbrachte persönliche und [X.] Dienstleistungen betreffend individuelle Bedürfnisse, insbesondere zur Hilfe für Dritte

wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen.

Die sloganartige Wortfolge weise darauf hin, dass es sich um Dienstleistungen handele, die in irgendeiner Weise geeignet seien, Kinder zum Lachen zu bringen oder glücklich zu machen. Dies werde von den angesprochenen allgemeinen Verkehrskreisen unmittelbar verstanden. Alle beanspruchten Dienstleistungen seien geeignet, Kinder glücklich zu machen. Wie dies geschehe, müsse nicht genau definiert werden, da dies auf vielfältige Weise geschehen könne. Der Umstand, dass der Slogan kein korrektes [X.] darstelle, da die Aussage korrekt „Wir bringen Kinder zum Lachen“ heißen müsse, mache die Aussage nicht unverständlich. Denn eine entsprechende Verwendung des Wortes „machen“ tauche in vielen vergleichbaren Slogans auf. Die angesprochenen Verkehrskreise gingen nicht davon aus, dass es nur eine Institution gebe, die Kinder glücklich mache.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders vom 12. August 2010, mit der er sinngemäß beantragt,

den Beschluss des [X.]es vom 11. Januar 2011 aufzuheben.

Die angemeldete Wortfolge beschreibe nicht die beanspruchten Dienstleistungen, sondern lediglich ihre möglichen Folgen. Die Verbindung von „Wir machen“ und „Kinderlachen“ sei eine Neuschöpfung, der Unterscheidungskraft zukomme. Dies gelte auch für die in dem angegriffenen Beschluss zitierten [X.], die „wir machen“ enthielten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Der Beschluss des [X.] ist rechtmäßig.

Der Anmelder hat gemäß §§ 41, 37 Abs. 1, 33 Abs. 2 [X.] i. V. m. § 8 [X.] keinen Anspruch auf Eintragung des angemeldeten Wortzeichens, da der Eintragung ein absolutes Eintragungshindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 35, 38 und 41 entgegensteht. Danach sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, denen für die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt.

Unterscheidungskraft in diesem Sinn ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren und Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet ([X.] GRUR 2008, 608, 611 Rn. 66 g. – [X.]; [X.], 825, 826 Rn. 133 – [X.]; 935 Rn. 8 – [X.]; [X.] 2006, 850, 854 Rn. 18 – [X.]). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.] GRUR 2006, 233, 235 Rn. 45 – Standbeutel; 229, 230 Rn. 27 – [X.]). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.] a.a.O. [X.]). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist ([X.] GRUR 2006, 411, 412 Rn. 24 Matratzen [X.]/[X.]). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen ([X.] GRUR 2004, 428, 431 Rn. 53 – [X.]). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden ([X.] a.a.O. – [X.]). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen ([X.], 110 1102 Rn. 23 – TOOOR!).

Das angemeldete Zeichen ist eine sloganartige Wortfolge. Für die Beurteilung der Unterscheidungskraft solcher Marken sind keine strengeren Maßstäbe anzulegen als bei sonstigen Zeichen. Daher wäre es unzulässig, die Unterscheidungskraft nur bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen wie etwa besonders phantasievollen oder überraschenden Wortfolgen zu bejahen; bei der Anwendung der allgemeinen Maßstäbe kann sich aber zeigen, dass die maßgeblichen Verkehrskreise nicht jede Art von Zeichen notwendig in gleicher Weise wahrnehmen ([X.], 935 ff. Rn 11 - [X.]).

Der angemeldete Slogan „Wir machen Kinderlachen“ besteht aus einem einfachen, unmittelbar verständlichen [X.] Satz, in dem das Verb „machen“ mit einem Akkusativobjekt verbunden ist. Die Verbindung des Verbs „machen“ mit dem Wort „(Kinder)lachen“ ist zwar selten, aber grammatikalisch nicht falsch. Die [X.] kennt die Begriffe „Mut machen“, „[X.] machen“. Auch die Verbindung mit dem Verb „lachen“ ist lexikalisch nachweisbar, wenn auch veraltet („Das macht uns lachen“ ([X.] online)). Die angesprochenen Verkehrskreise bestehen insbesondere hinsichtlich der Dienstleistungen der Klasse 35 aus Unternehmen und Stiftungen, also dem Fachverkehr, während hinsichtlich der Dienstleistungen der Klassen 36, 41 und 45 auch die allgemeinen Verbraucher angesprochen sind. Beide Gruppen verstehen die inhaltliche Aussage des Zeichens unmittelbar dahingehend, dass die beanspruchten Dienstleistungen Kinder zum Lachen bringen bzw. glücklich machen. Denn glückliche Kinder werden üblicherweise lachend oder lächelnd dargestellt. Das Lachen oder Lächeln ist die Mimik, mit der der Mensch Freude oder Zufriedenheit zum Ausdruck bringt. Daher wird es häufig dem Gefühl der Freude gleichgestellt. Man sagt: „[X.]“ um das Gegenüber aufzufordern, nicht mehr traurig zu sein, „Du hast gut lachen“, um auszudrücken, dass es jemandem gut geht, „er hat nichts zu lachen“, wenn jemand schlecht behandelt wird.

Für die Dienstleistungen der Klasse 41 „Unterhaltung“; „sportliche und kulturelle Aktivitäten“ ist die Wortfolge damit unmittelbar beschreibend. Sie bringt zum Ausdruck, dass diese Dienstleistungen Kinder belustigen und unterhalten. Auch für die Dienstleistungen „Erziehung“ und „Ausbildung“ wird das Publikum das Zeichen als eine Sachaussage dahingehend verstehen, dass die Dienstleistungen Lerninhalte kindgerecht und in humorvoller Weise vermitteln.

Zu der Dienstleistung der Klasse 45 „Von Dritten erbrachte persönliche und [X.] Dienstleistungen betreffend individuelle Bedürfnisse, insbesondere zur Hilfe für Dritte“ ist der angemeldete Satz ebenfalls eine Sachaussage. Denn diese Dienstleistungen können für hilfsbedürftige Kinder erbracht werden und deren Lebenssituation so verbessern, dass sie glücklich sind und dies mit einem Lachen zum Ausdruck bringen.

Für die Dienstleistungen der Klasse 35 und 36 weist der Slogan „Wir machen Kinderlachen“ auf die Branche hin, in der die Dienstleistungen angeboten werden, nämlich Hilfsorganisationen und sonstige gemeinnützige Einrichtungen, die Spenden sammeln, um dadurch mit Hilfsprojekten Kinder glücklich zu machen. Sämtliche Dienstleistungen einschließlich des [X.] können dazu dienen, Spendengelder aufzubringen, ertragreich anzulegen oder zu verwalten. Für [X.] gilt insbesondere, dass Grundstücke und/oder Häuser zur Unterbringung von Kindern erworben oder gemietet werden (vgl. [X.]). Das Spendenaufkommen in [X.]land betrug im Jahr 2011 rund … Millionen € und verteilt sich auf eine Vielzahl von Organisationen, die zum Sammeln gezieltes Marketing betreiben. Da die Spendenbereitschaft für Kinder besonders hoch ist, steht das lachende oder traurige Kind im Mittelpunkt der Spendenwerbung einer Vielzahl von Hilfsorganisationen. Damit ist die Wortfolge für das angesprochene Publikum nicht anders zu verstehen als eine für diese Branche typische werbende Aufforderung zur Unterstützung von Organisationen, die die Lebenssituation von Kindern verbessern und diese zum Lachen bringen. Die in Klasse 36 beanspruchten Dienstleistungen können ebenfalls von Hilfsorganisationen erbracht werden und damit dem Glück von Kindern dienen. Dazu gehört auch Finanzierung z.B. der Ausbildung von Kindern. Gleiches gilt für „Finanzgeschäfte“, denn auch zu vergebende Kredite dienen unmittelbar dem Wohl von Kindern.

Damit enthält das Zeichen auch für die Dienstleistungen der Klassen 35 und 36 eine klare inhaltliche Aussage und ist als betrieblicher Herkunftshinweis nicht geeignet.

Meta

29 W (pat) 45/11

28.11.2012

Bundespatentgericht 29. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 28.11.2012, Az. 29 W (pat) 45/11 (REWIS RS 2012, 910)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 910

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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