Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.09.2014, Az. V ZR 58/14

5. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 2569

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Gegenstand

Hofübergabevertrag: Auslegung einer Wertsicherungsklausel hinsichtlich der Anpassung des Versorgungsbetrags


Tenor

Die Revision gegen das Urteil des [X.] - 5. Zivilkammer - vom 12. Februar 2014 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Gemäß notarieller Urkunde vom 24. Juni 1998 übergaben die Kläger ihr landwirtschaftliches Anwesen mit dem zugehörigen Grundbesitz an ihren [X.], den Beklagten. Dieser verpflichtete sich u. a. zur Zahlung eines sog. [X.] von monatlich 1.500 [X.]. In dem Übergabevertrag ist folgende Regelung enthalten:

„Sollte sich der vom [X.] amtlich festgelegte Index für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte in [X.] (Basis 1991 = 100) künftig um mindestens 10% gegenüber dem Stand des Monats des [X.] nach oben oder unten verändern, so verändert sich auch der Versorgungsbetrag in dem gleichen prozentualen Verhältnis, und zwar vom Beginn des auf den Eintritt der Änderung folgenden Monatsersten an. Veränderungen sind jedoch nur zu berücksichtigen, wenn es verlangt wird."

2

Mit Schreiben vom 13. Dezember 2012 machten die Kläger gegenüber dem Beklagten erstmals eine Anpassung des [X.] geltend. Darin wiesen sie darauf hin, dass ab Januar 2007 monatlich 1.808,58 [X.] zu zahlen gewesen seien. Daher ergebe sich für die Jahre 2009 bis 2012 ein Rückstand von 7.572,96 €. Der Beklagte erkannte an, ab Januar 2013 den erhöhten Versorgungsbetrag zu schulden. Zahlungen für zurückliegende Zeiträume lehnte er ab.

3

Die Kläger verlangen mit ihrer Klage von dem Beklagten einen rückständigen Betrag für das [X.] in Höhe von 1.893,24 €. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das [X.] die Klage abgewiesen. Mit der von dem [X.] zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, wollen die Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erreichen.

Entscheidungsgründe

I.

4

Das Berufungsgericht meint, den Klägern stehe kein Nachzahlungsanspruch auf der Grundlage des notariellen Vertrages vom 24. Juni 1998 zu. Zwar ändere sich die Höhe des [X.] nach der vertraglichen Regelung bei einer relevanten Veränderung der Indexwerte ohne weiteres Zutun. Der geänderte Betrag sei aber nur dann geschuldet, wenn er verlangt werde. Eine Auslegung nach der Interessenlage ergebe, dass das Verlangen nicht auf zurückliegende Zeiträume bezogen werden könne. Zwar sei der monatlich zu zahlende Versorgungsbetrag ebenfalls eine Gegenleistung für die Hofübergabe, aber eben unter dem Aspekt der Sicherung des Lebensunterhalts der betagten Kläger, deren Existenzgrundlage durch die Hofübergabe entfallen sei. Diesem [X.] werde aber auch Rechnung getragen, wenn keine rückständigen [X.] verlangt werden könnten. Entsprechend dem in § 1613 [X.] zum Ausdruck gekommenen Rechtsgedanken müsse der Beklagte als Leistungspflichtiger geschützt werden, um kalkulieren zu können, ohne eine finanziell belastende Inanspruchnahme für lange zurückliegende Zeiträume befürchten zu müssen.

II.

5

1. Die Revision ist zulässig. Dem steht nicht entgegen, dass es an einem Zulassungsgrund gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO fehlt. Die von dem Berufungsgericht als Zulassungsgrund gewertete Auslegung des [X.] ist dem Tatrichter vorbehalten und kann von dem Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüft werden (ständige Rechtsprechung, vgl. nur [X.], Urteil vom 20. November 2013 - [X.], [X.]Z 199, 123 Rn. 14; Urteil vom 23. April 1997 - [X.], [X.]Z 135, 269, 273 jeweils mwN). Hieran ändert sich nicht dadurch etwas, dass es sich bei den auszulegenden Regelungen um eine von Notaren in [X.] üblicherweise verwendete Klausel handelt, wovon das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit dem Vortrag der Kläger ausgeht. Dies eröffnet dem Revisionsgericht noch nicht die Möglichkeit, die Klausel wie [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 5. Juli 2005 - [X.], NJW 2005, 2919, 2921 mwN) oder Satzungen ([X.], Beschluss vom 11. November 1985 - [X.], [X.]Z 96, 245, 250) frei auszulegen. Auch die Auslegung von Regelungen, die einem Formularbuch entnommen sind und in gleicher oder ähnlicher Weise allgemeine Verwendung finden, ist bei einem ansonsten individuell gestalteten Vertrag ein Fall der tatrichterlichen Würdigung, die der revisionsrechtlichen Prüfung nur eingeschränkt zugänglich ist (vgl. Senat, Urteil vom 26. November 2004 - [X.], [X.] 2005, 395). Trotz Fehlens eines Zulassungsgrundes ist der Senat an die erfolgte Zulassung jedoch gebunden (§ 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

6

2. Die Revision hat in der Sache keinen Erfolg.

7

a) Das Berufungsgericht verneint ohne Rechtsfehler einen Zahlungsanspruch der Kläger aufgrund einer Auslegung der in dem notariellen Übergabevertrag enthaltenen [X.]. Da das Berufungsgericht den Vertrag selbst ausgelegt hat, kann dies nach ständiger Rechtsprechung (vgl. statt aller [X.], Urteil vom 20. November 2013 - [X.], [X.]Z 199, 123 Rn. 14) von dem Senat nur darauf überprüft werden, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemein anerkannte Erfahrungssätze verletzt worden sind oder ob die Auslegung auf einem im Revisionsverfahren gerügten Verfahrensfehler beruht. Solche Fehler liegen nicht vor.

8

b) Das Berufungsgericht geht zutreffend von der Auslegungsbedürftigkeit der [X.] aus. Die Frage, wann nach Änderung des Lebenshaltungskostenindexes der Anspruch auf Zahlung eines geänderten [X.] entsteht, ist in der Klausel nicht ausdrücklich geregelt. Soweit die Kläger darauf verweisen, dass sich aus der Annahme einer automatischen Änderung der Höhe des [X.] mit dem Eintritt der festgelegten Veränderung des [X.] zwingend ergebe, der erhöhte Betrag könne auch rückwirkend verlangt werden, kann dem nicht gefolgt werden. Nach der vertraglichen Ausgestaltung der [X.] findet die relevante Veränderung des [X.] nur dann Berücksichtigung, wenn sie auch verlangt wird. Das Änderungsverlangen kann daher sowohl als Fälligkeitsvoraussetzung als auch - wovon das Berufungsgericht ausgeht - als Voraussetzung für das Entstehen des Anspruchs verstanden werden. Die Frage, welcher Auslegungsmöglichkeit der Vorzug zu geben ist, kann - wie das Berufungsgericht richtig erkennt - nicht allein durch den Wortlaut der [X.], sondern nur unter Berücksichtigung des Parteiwillens und der Interessenlage der Parteien (§ 157 [X.]) beantwortet werden.

9

c) Die Auffassung des Berufungsgerichts, nach der eine Veränderung des [X.] nur für die Zukunft verlangt werden kann, mithin das vorgesehene Änderungsverlangen eine Anspruchsvoraussetzung darstellt, entspricht dem Gebot einer nach beiden Seiten interessengerechten Auslegung.

aa) Die Rüge der Kläger, es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass sich der beurkundende Notar von der unterhaltsrechtlichen Regelung des § 1613 [X.] habe leiten lassen, verkennt den rechtlichen Ausgangspunkt. Maßgebend für die Auslegung der in dem Hofübergabevertrag enthaltenen [X.] ist der Wille der Parteien und deren Interessenlage. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass es sich um eine [X.] handelt, die üblicherweise in Hofübergabeverträgen verwendet wird. Sie kann gleichwohl bei ansonsten individuell gestalteten Verträgen bedingt durch den Willen der Parteien eine unterschiedliche Auslegung erfahren.

bb) Ebenso wenig ergibt sich aus dem Einwand der Kläger, es gehe nicht um Unterhaltsleistungen, sondern um eine Gegenleistung für die Hofübergabe, ein revisionsrechtlich beachtlicher Auslegungsfehler. Das Berufungsgericht hat gesehen, dass die monatlich von dem Beklagten zu zahlenden [X.] Teil der von ihm für die Übergabe des Hofs zu erbringenden Gegenleistung sind. Dies schließt es nicht aus, ihnen unterhaltsrechtliche Züge zuzusprechen. Solche hat das Berufungsgericht in vertretbarer Weise aus dem Wortlaut und dem Gesamtzusammenhang des Vertrages hergeleitet. Die Kläger setzen dem lediglich entgegen, dass die Abrede über monatliche Zahlungen des Beklagten als Leibrente im Sinne der §§ 759 ff. [X.] anzusehen sei, und stellen damit nur ihr Verständnis dem Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts gegenüber. Hingegen zeigen sie hierdurch nicht auf, dass das Berufungsgericht entscheidungserheblichen Vortrag übergangen hat, aus dem sich ergibt, dass das Veränderungsverlangen eine bloße Fälligkeitsvoraussetzung darstellen sollte.

cc) Soweit die Kläger schließlich rügen, der Rechtsgedanke des § 1613 [X.] könne deshalb nicht herangezogen werden, weil die Vorschrift nach der Rechtsprechung des [X.] (Urteil vom 5. Oktober 1988 - [X.], [X.]Z 105, 250, 252 ff.; Urteil vom 24. September 2009 - [X.], [X.], 2075, 2077) nicht anwendbar sei, wenn die Unterhaltspflicht durch Vertrag geregelt worden ist, zeigt dies ebenfalls keine rechtsfehlerhafte Auslegung des Berufungsgerichts auf. Die von den Klägern angeführte Rechtsprechung beruht auf der Überlegung, dass ein Unterhaltsschuldner, der sich vertraglich zur Leistung eines zumindest der Höhe nach ermittelbaren Unterhalts verpflichtet hat, nicht des Schutzes der einschränkenden Voraussetzungen bedarf, unter denen nach § 1613 [X.] Unterhalt für die Vergangenheit verlangt werden kann. Er weiß um seine vertraglich eingegangene Verpflichtung und kann sich, auch wenn der Ermittlung der Höhe des zu zahlenden Unterhalts ein schwieriges Verfahren zugrunde liegt, nicht auf eine Unkenntnis der Höhe seiner Leistungspflicht berufen. Vorliegend ist es dem Beklagten zwar möglich, die Höhe des neu zu zahlenden [X.] zu ermitteln. Allein daraus ergibt sich für ihn aber noch nicht die Pflicht, diesen Betrag zu zahlen. Eine entsprechende Verpflichtung entsteht für ihn nach dem Inhalt der [X.] erst, wenn die Kläger die Erhöhung auch verlangen. Damit ist der Rückgriff auf die den § 1613 [X.] zugrundeliegende Schutzfunktion für den Unterhaltsschuldner durchaus möglich. Sie besteht darin, dass der Leistungspflichtige vor einer stark belastenden Inanspruchnahme in Form zu lange zurückliegender Zeiträume bewahrt und in die Lage versetzt werden soll, sich auf die von ihm zu erfüllende Unterhaltspflicht einzustellen (vgl. MünchKomm[X.]/[X.], 6. Aufl., § 1613 Rn. 2). Wenn das Berufungsgericht diese Funktion dem nach dem Inhalt der [X.] notwendigen Verlangen beilegt, ist dies vertretbar und damit revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Stresemann                        Schmidt-Räntsch                          Czub

                       Roth                                        Kazele

Meta

V ZR 58/14

26.09.2014

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Traunstein, 12. Februar 2014, Az: 5 S 3235/13

§ 133 BGB, § 157 BGB, § 1613 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.09.2014, Az. V ZR 58/14 (REWIS RS 2014, 2569)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2569

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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V ZR 58/14

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IV ZR 54/13

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