Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.04.2016, Az. I ZB 92/15

1. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 12134

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Vermögensauskunft: Nachbesserungspflicht hinsichtlich eines Kautionsrückzahlungsanspruchs


Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des [X.] vom 23. September 2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

Gründe

1

I. Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner aus einem Vollstreckungsbescheid die Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung.

2

Der Schuldner gab am 16. Dezember 2014 die Vermögensauskunft nach § 802c ZPO ab. Dabei gab er auf die Frage Nr. 10 nach "Monatlichen Einkünften" an, [X.] und Leistungen für Unterkunft vom [X.] zu beziehen. Die Frage Nr. 17 nach "Ansprüchen aus Pacht-, Miet- und Leasingverträgen" verneinte der Schuldner und erklärte, dass die Mietkaution vom Jobcenter bezahlt worden sei. Die ebenfalls unter Nr. 17 gestellte Frage "Wurde die Zahlung der Nebenkosten durch einen [X.] als Darlehen geleistet?" verneinte der Schuldner. Angaben zum Vermieter machte der Schuldner nicht.

3

Mit Schreiben vom 30. Dezember 2014 beantragte die Gläubigerin beim zuständigen Gerichtsvollzieher die Nachbesserung der Vermögensauskunft, weil der Schuldner angeben müsse, in welcher Höhe und an [X.] die Mietkaution geleistet worden sei, wer Wohnungseigentümer sei und ob die Mietkaution vom Schuldner an das Jobcenter - gegebenenfalls in Raten - zurückgezahlt werde. Der Gerichtsvollzieher lehnte das Nachbesserungsverlangen mit der Begründung ab, der Schuldner werde bei Abnahme der Vermögensauskunft danach befragt, ob er die Kaution [X.]. Werde im Vermögensverzeichnis keine Ratenzahlung vermerkt, erfolge eine solche nicht. Die gegen die Ablehnung des Gerichtsvollziehers gerichtete Erinnerung wies das Amtsgericht zurück. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin ihren Nachbesserungsantrag weiter.

4

II. Das Beschwerdegericht hat angenommen, die Gläubigerin könne keine Nachbesserung der Vermögensauskunft verlangen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Anspruch auf Rückerstattung nicht verbrauchter Nebenkostenvorauszahlungen eines Beziehers von Leistungen nach dem [X.] sei unpfändbar. Das Nachbesserungsverlangen der Gläubigerin sei daher mutwillig oder schikanös.

5

III. Die aufgrund ihrer Zulassung gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch ansonsten zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

6

1. Die angefochtene Entscheidung ist unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) ergangen. Sie ist deshalb aufzuheben und zur neuen Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.

7

Der Einzelrichter durfte über die Beschwerde nicht selbst entscheiden, sondern hätte das Verfahren wegen der von ihm bejahten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO der mit drei Richtern besetzten Kammer übertragen müssen. Dem originären Einzelrichter nach § 568 ZPO ist die Entscheidung von Rechtssachen grundsätzlicher Bedeutung schlechthin versagt ([X.], Beschluss vom 16. Mai 2012 - [X.]/11, [X.], 3518 Rn. 4 mwN). Der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung ist im weitesten Sinne zu verstehen, so dass nicht der Einzelrichter, sondern das Kollegium entscheiden muss, [X.]n zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung oder  wie vorliegend - zur Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Rechtsmittelgerichts geboten ist (st. Rspr., vgl. nur [X.], Beschluss vom 24. November 2011 - [X.], NJW-RR 2012, 441 Rn. 9).

8

2. Hinsichtlich der im Rechtsbeschwerdeverfahren angefallenen Gerichtskosten macht der [X.] von der Möglichkeit des § 21 GKG Gebrauch.

9

IV. Für das weitere Verfahren weist der [X.] auf Folgendes hin:

1. Eine Nachbesserung der Vermögensauskunft mit Blick auf Ansprüche auf Rückerstattung von Betriebs- oder Nebenkostenrückzahlung kommt nicht in Betracht. Der [X.] hat mittlerweile entschieden, dass einem Verlangen auf Nachbesserung einer Vermögensauskunft gemäß § 802c ZPO das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, [X.]n der Gläubiger [X.] über Erstattungsforderungen für Betriebs- und Heizkosten verlangt, die der Sozialhilfeträger für einen Empfänger von Leistungen nach dem [X.] an dessen Vermieter geleistet hat. Ein solches [X.]sbegehren ist mutwillig, weil diese Ansprüche nicht der Pfändung unterliegen ([X.], Beschluss vom 3. März 2016 - [X.]/15).

2. Das Nachbesserungsverlangen ist auch hinsichtlich der Umstände der Kautionszahlung unbegründet. Die erteilte [X.] ist insoweit nicht unvollständig.

Der Gläubiger kann die Nachbesserung einer Vermögensauskunft verlangen, [X.]n der Schuldner ein äußerlich erkennbar unvollständiges, ungenaues oder widersprüchliches Verzeichnis vorgelegt hat (vgl. [X.], Beschluss vom 4. Oktober 2007 - [X.], NJW-RR 2008, 1163 Rn. 8; Beschluss vom 20. November 2008 - [X.], [X.], 1431 Rn. 13; Beschluss vom 3. Februar 2011 - [X.]/10, NJW-RR 2011, 667 Rn. 7; Beschluss vom 12. Januar 2012 - [X.], [X.], 606 Rn. 20, jeweils noch zu § 807 ZPO aF). Dazu muss aus dem Vermögensverzeichnis selbst ersichtlich sein, dass die Angaben unvollständig, ungenau oder widersprüchlich sind, oder der Gläubiger glaubhaft machen, dass der Schuldner im Vermögensverzeichnis versehentlich unvollständige oder unzutreffende Angaben gemacht hat (vgl. [X.], NJW-RR 2011, 667 Rn. 8 f.). Unzulässig ist allerdings eine Nachbesserung zur Beantwortung von Fragen über Vermögenspositionen, die schon zusammengefasst verneint sind ([X.], [X.] 2013, 46; [X.]/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 802d Rn. 16).

Im Streitfall geht aus dem Vermögensverzeichnis hervor, dass der Schuldner die Frage nach Ansprüchen aus Pacht-, Miet- und Leasingverträgen verneint hat. Die Frage, ob er die Kaution in Raten an das Jobcenter zurückzahlt, bedarf damit keiner Beantwortung, weil die Frage nach Ansprüchen aus dem Mietverhältnis bereits zusammenfassend verneint worden ist und somit kein berechtigtes Interesse an der Frage nach weiteren Einzelheiten eines [X.] besteht.

Büscher                        Schaffert                        [X.]
                   Koch                        [X.]

Meta

I ZB 92/15

28.04.2016

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Leipzig, 23. September 2015, Az: 3 T 339/15

§ 802c ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.04.2016, Az. I ZB 92/15 (REWIS RS 2016, 12134)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 12134

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

I ZB 92/15 (Bundesgerichtshof)


I ZB 84/16 (Bundesgerichtshof)

Zwangsvollstreckungsverfahren: Gläubigerverlangen auf Nachbesserung des Vermögensverzeichnisses hinsichtlich des Bestehens von Mietkautionsrückzahlungsansprüchen


I ZB 74/15 (Bundesgerichtshof)

Zwangsvollstreckungsverfahren: Rechtsschutzbedürfnis für Antrag auf Nachbesserung einer Vermögensauskunft über Erstattungsforderungen für vom Sozialhilfeträger geleistete Betriebs- …


I ZB 84/16 (Bundesgerichtshof)


I ZB 62/16 (Bundesgerichtshof)

Rechtsschutzbedürfnis für das Verlangen auf Nachbesserung einer Vermögensauskunft: Benennung des Vermieters bei Leistung der Unterkunftskosten …


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.