Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.10.2011, Az. VIII ZR 222/10

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 1929

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VIII ZR 222/10
Verkündet am:

26. Oktober 2011

Vorusso,

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
HGB § 89b
a)
Übernimmt eine neu gegründete Gesellschaft sowohl die Kunden als auch den Handelsvertreter eines insolvent gewordenen Unternehmens, so sind die [X.] Kunden des insolventen Unternehmens, die aufgrund der Tätigkeit des [X.] erstmals ein Geschäft mit dem neu gegründeten [X.] haben, als vom Handelsvertreter geworbene Neukunden dieses Un-ternehmens anzusehen.
b)
Der Umstand, dass der Inhaber des neu gegründeten Unternehmens vom [X.] den Kundenstamm des übernommenen Unternehmens erworben und dem Handelsvertreter die entsprechenden Informationen zur Verfügung ge-stellt hat, kann unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit (§
89b Abs.
1 Satz
1 Nr.
2 HGB) zu einer Kürzung des Ausgleichsanspruchs führen, wenn dem [X.] dadurch die Werbung dieser Kunden für das neu gegründete Unternehmen erleichtert wird.
[X.], Urteil vom 26. Oktober 2011 -
VIII ZR 222/10 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der VIII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. Oktober 2011 durch den Vorsitzenden [X.], [X.]
Frellesen, die Richterin Dr.
Milger sowie die
Richter Dr.
[X.] und Dr.
Schneider
für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 10.
Zivilsenats des [X.] vom 3.
August 2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der Kläger war aufgrund von
Verträgen vom 6.
Juni 2002 für die [X.]

GmbH und die I.

GmbH als [X.] tätig. [X.] wurde über das Vermögen dieser Gesellschaf-ten (im Folgenden: [X.]) das
Insolvenzverfahren eröffnet. Die [X.] neu gegründete Beklagte beabsichtigte, den Geschäftsbetrieb der [X.] fortzuführen, und schloss mit dem Insolvenzverwalter der [X.] am 5.
September 2003 einen Kaufvertrag, mit dem sie die im Vertrag näher bezeichneten
Gegenstände der [X.] erwarb. Der Klä-ger, der auch während des Insolvenzverfahrens für die [X.] noch 1
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-
tätig gewesen war, schloss mit der [X.] am 30.
Dezember 2003 einen Handelsvertretervertrag, dessen §
1 Abs.
4 wie folgt lautet:
"Die vom Handelsvertreter seit Aufnahme der Tätigkeit ab 1.
September 2003 für [X.]

[=
Beklagte]
geworbenen neuen Kunden sowie die zu [X.] Zeitpunkt vorhandenen Altkunden von [X.]

, zu denen der [X.] die Geschäftsverbindung wesentlich erweitert oder [X.] hat, bleiben auch nach Abschluss dieses Vertrages Neukunden des Handelsvertreters im Sinne von §
89b I HGB."
Die Beklagte kündigte den
Handelsvertretervertrag zum 31.
August 2005.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger [X.] gemäß §
89b HGB in Höhe von 116.985,95

Klage stattgegeben. Auf die Berufung der [X.] hat das [X.] das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Sache an das [X.] zu-rückverwiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt:
Die zulässige Berufung der [X.] führe gemäß §
538 Abs.
2 Satz
1 Nr.
1 ZPO zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und [X.] der Sache an das [X.], weil das erstinstanzliche Gericht verfah-2
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4
-
rensfehlerhaft wesentliches [X.]vorbringen übergangen und die diesbezüglich erforderliche Aufklärung nicht vorgenommen habe.
Das [X.] habe dem Kläger einen Ausgleichsanspruch auf der Grundlage zugesprochen, dass im letzten Vertragsjahr eine Provision von 117.500

sei zwar unstreitig. Das [X.] habe aber bei seiner Entscheidung das gesamte unter Beweis gestellte Vorbringen der [X.] übergangen, wonach in dem genannten Betrag in erheblicher Höhe Provisionen in Bezug auf Kunden der [X.] enthalten seien, die nicht berücksichtigt werden könnten, weil diese Kunden der [X.] durch den mit dem Insolvenzverwalter ge-schlossenen Kaufvertrag vom 5.
März 2003 übertragen worden
seien und die Beklagte diesen Kundenstamm dem Kläger zur Verfügung gestellt habe; des-halb
sei
im Handelsvertretervertrag vom 30.
Dezember 2003 zwischen den [X.] vereinbart worden, dass es sich insofern um Altkunden der [X.] handele, die nur dann und insofern als Neukunden im Sinne von §
89b Abs.
1 HGB anzusehen seien, wenn der Kläger die diesbezügliche Geschäfts-verbindung wesentlich erweitert oder wiederbelebt habe.
Das [X.] habe seiner Entscheidung die Annahme zugrunde ge-legt, sämtliche im letzten Vertragsjahr abgeschlossenen Geschäfte seien als solche mit Neukunden anzusehen, weil die Beklagte zu Beginn des Vertrags-verhältnisses mit dem Kläger am 1.
September 2003 noch keine Kunden [X.] habe. Damit habe das [X.] den unter Beweis gestellten Vortrag der [X.] übergangen, dass durch §
2 des genannten [X.] von seinem genauen Wortlaut jedenfalls nach dem übereinstimmenden Verständnis und den übereinstimmenden Erklärungen der Vertragsparteien sämtliche [X.] und damit auch der Kundenstamm der beiden [X.] auf die Beklagte übertragen werden sollten.
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5
-
Das [X.] habe zudem [X.] das Vorbringen der [X.] übergangen, dass sich die
[X.]en bei Abschluss des [X.]vertrages einig gewesen seien, §
1 Abs.
4 des Vertrages sei so zu verste-hen, dass Altkunden der [X.], die diese durch den Kaufvertrag mit dem
Insolvenzverwalter übernommen habe, nur in besonderen Fällen beim [X.] zu berücksichtigen seien. Der Kläger sei dem zwar [X.] nicht entgegengetreten, sondern habe sich nur darauf berufen, dass diese Regelung, falls sie eine Einschränkung des Ausgleichsanspruchs bedeute, un-wirksam sei. Dennoch sei es nicht angezeigt, im jetzigen Stadium eine sich ge-gen den Kläger richtende Entscheidung zu treffen, weil erstinstanzlich ein ent-sprechender Hinweis (§
139 ZPO) nicht erfolgt sei. Das Vorbringen der [X.] könne auch nicht im Hinblick auf §
89b Abs.
4 Satz 1 HGB übergangen werden. Die Regelung in §
1 Abs.
4 des Vertrages sei entgegen der Auffassung des [X.]s kein unzulässiger Ausschluss des Anspruchs auf [X.]ausgleichs, sondern halte, wenn das [X.]vorbringen zutreffe, nur das fest, was auch ohne eine solche ausdrückliche Regelung nach der Geset-zeslage der Fall wäre.

II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung sowohl in prozessualer als auch in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht stand.
1. Die Revision rügt mit Recht, dass die vom Berufungsgericht ausge-sprochene Zurückverweisung
an das erstinstanzliche Gericht, durch die der Kläger beschwert ist (vgl. [X.], Urteil vom 6.
November 2000 -
II
ZR 67/99, NJW 2001, 1500 unter II),
gegen
§ 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO
verstößt. Das 9
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11
-
6
-
Berufungsgericht hat die Voraussetzungen dieser Bestimmung zu Unrecht be-jaht.
a) Der
Bundesgerichtshof hat bereits zu §
539 ZPO aF
entschieden, dass eine Aufhebung und Zurückverweisung durch das Berufungsgericht nur dann erfolgen
darf, wenn das
erstinstanzliche
Verfahren an einem so erhebli-chen und eindeutigen Mangel leidet, dass es keine ordnungsgemäße Grundla-ge für eine instanzbeendende Entscheidung sein kann. Eine kassatorische Ent-scheidung des Berufungsgerichts kann nicht darauf gestützt werden, dass das erstinstanzliche Gericht einen materiell-rechtlichen Gesichtspunkt verkannt hat (st. Rspr.; [X.], Urteil vom 22.
Mai 2001 -
VI
ZR 74/00, NJW 2001, 2550 unter [X.] mwN). Zwar kann es einen schweren Verfahrensfehler darstellen, wenn das erstinstanzliche Gericht den Anspruch der [X.] auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass es [X.] ihres Vorbringens verkennt und daher eine entschei-dungserhebliche Frage verfehlt. Das ist hingegen nicht der Fall, wenn es die sachlich-rechtliche Relevanz eines [X.]vorbringens verkennt und ihm deshalb keine Bedeutung beimisst. Ob ein Verfahrensfehler vorliegt, ist allein aufgrund des materiell-rechtlichen Standpunkts des Erstrichters zu beantworten, und zwar auch dann, wenn dieser Standpunkt verfehlt ist und das Berufungsgericht ihn nicht teilt ([X.], Urteile
vom 6.
November 2000 -
II
ZR 67/99, [X.]O
unter II 1 mwN; vom 30.
Oktober 1990 -
XI
ZR 173/89, NJW 1991, 704 unter [X.]).
Für eine Aufhebung und Zurückverweisung gemäß §
538 Abs.
2 Satz
1 Nr.
1 ZPO gilt dies ebenso
([X.], Urteile
vom 13. Juli 2010 -
VI
ZR 254/09, VersR 2010,
1666
Rn. 8; vom 1. Februar 2010 -
II
ZR 209/08, [X.], 892 Rn.
11
ff.).
Denn für die Frage, ob das Verfahren des ersten [X.] an einem wesentlichen Mangel
leidet, hat sich durch die Zivilprozessrechtsreform
nichts geändert.
Bewertet das Berufungsgericht das [X.]vorbringen materiell-rechtlich anders als das Erstgericht, liegt ein zur Aufhebung und Zurückverwei-12
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7
-
sung berechtigender wesentlicher Verfahrensmangel auch dann nicht vor, wenn infolge der abweichenden Beurteilung, wie das Berufungsgericht gemeint hat,
eine Beweisaufnahme erforderlich wird ([X.], Urteil vom 1. Februar 2010 -
II
ZR 209/08, [X.]O Rn.
14 mwN).
b) Nach diesen Grundsätzen leidet das Verfahren des ersten Rechtszu-ges entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht an einem wesentli-chen Mangel
im Sinne des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO.
[X.]) Das [X.] hat das Vorbringen der [X.], dass diese dem Kläger den Kundenstamm der [X.] zur Verfügung gestellt
habe, nicht übergangen, sondern hat die
Weitergabe der Information, welche Kunden Vertragspartner der [X.] waren,
mit der Begründung für unerheblich gehalten, dass
dieser Umstand die Kunden nicht zu Altkunden der [X.] mache. Diese materiell-rechtliche Beurteilung des [X.]s stellt unabhän-gig davon, ob sie zutrifft, keinen Verfahrensfehler
dar
(vgl. [X.], Urteile vom 13.
Juli 2010 -
VI
ZR 254/09, [X.]O; vom 1. Februar 2010 -
II
ZR 209/08, [X.]O).

bb) Ebenso wenig hat das [X.] das Vorbringen der [X.] übergangen, die [X.]en seien sich bei Abschluss des [X.] einig gewesen, dass frühere Kunden der [X.] nur unter den in §
1 Abs.
4 des Vertrages geregelten Voraussetzungen beim [X.] zu berücksichtigen seien. Das [X.] ist diesem Vorbringen nicht weiter nachgegangen, weil es die Auffassung vertreten hat, dass §
1
Abs.
4
des Kaufvertrages gegen §
89b Abs.
4 Satz
1 HGB verstoße, wenn diese Regelung den von der [X.] behaupteten Inhalt habe. Insoweit handelt es sich um
eine materiell-rechtliche Beurteilung des [X.]s, die eine Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das [X.] auch dann nicht rechtfertigt, wenn
das Berufungsgericht -
wie hier
-
diese Beur-14
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8
-
teilung nicht teilt
und deshalb eine Beweisaufnahme für erforderlich hält (vgl. [X.], Urteil vom 1. Februar 2010 -
II
ZR 209/08, [X.]O).
cc) Dem [X.] ist schließlich auch kein Verstoß gegen § 139 ZPO
vorzuwerfen, der nach Auffassung des Berufungsgerichts darin liegen soll, dass erstinstanzlich kein Hinweis an den Kläger erfolgt sei, dass die Regelung in §
1 Abs. 4 entgegen der Auffassung des [X.] wirksam sei.
Zu dem
vom [X.] geforderten Hinweis bestand
schon deshalb keine Veranlassung, weil das [X.] die betreffende Regelung ebenso wie der Kläger -
und anders als das Berufungsgericht
-
für unwirksam gehalten hat.
Davon abgesehen ist es schon im Ansatz verfehlt, eine -
wirklich

oder vermeintlich
-
unrichtige Rechtsansicht des Erstrichters auf dem Umweg über eine angebliche Hinweispflicht gegenüber den [X.]en in einen Verfah-rensmangel umzudeuten. §
139 Abs.
1 ZPO begründet richterliche Aufklärungs-
und Hinweispflichten ausschließlich mit dem Ziel, die [X.] zur vollständigen Erklärung über alle erheblichen Tatsachen, zur Bezeichnung der Beweismittel und zur Stellung sachdienlicher Anträge zu veranlassen. Eine Pflicht des [X.], die [X.]en auf seine Rechtsansichten hinzuweisen, um sich von ihnen eines Besseren belehren zu lassen, findet im Gesetz keine Grundlage ([X.], Urteil vom 30.
Oktober 1990 -
XI
ZR 173/89, [X.]O unter [X.] b).

2. Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht hat das Berufungsgericht den Sachverhalt nicht zutreffend beurteilt.
a) Das Berufungsgericht hat gemeint,
dass es sich bei den Stammkun-den der [X.], die durch Vermittlung des [X.] Geschäfte mit der neu gegründeten [X.] getätigt haben und dadurch zu Stammkunden der [X.] geworden sind, nach dem unter Beweis gestellten Vorbringen der [X.] um Altkunden der [X.] handele
und dass diese auf Grund der 17
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19
20
-
9
-
Vereinbarung in § 1 Abs. 4 des [X.] nur unter der [X.] als vom Kläger geworbene Neukunden im Sinne von §
89b Abs.
1 HGB anzusehen seien, dass der Kläger die diesbezügliche Geschäftsverbin-dung wesentlich erweitert oder wiederbelebt habe. Dies
trifft nicht zu. Das [X.] hat den Begriff des "neuen"
Kunden im Sinne des §
89b Abs.
1 Satz
1 Nr.
1
HGB verkannt.
Neue Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, sind alle Kunden, die mit dem Unternehmer noch nicht in geschäftlicher
Beziehung standen, [X.] erstmals unter Einschaltung des Handelsvertreters ein Geschäft mit dem Unternehmer abgeschlossen haben; das gilt auch für Kunden, die der [X.] aus einer früheren Vertretung in das neue Vertragsverhältnis einbringt ([X.] in [X.], Großkommentar HGB, 5.
Aufl., §
89b Rn.
61
f.; [X.]/von [X.], 3.
Aufl., §
89b Rn.
57; [X.] in [X.]/
Boujong/[X.]/Strohn, HGB, 2. Aufl., §
89b Rn.
76; [X.]/Sonnenschein/
[X.], HGB, 2.
Aufl., §
89b Rn.
24). Da die Beklagte im [X.] an die Insolvenz der [X.] neu gegründet wurde, sind alle früheren Kunden
der [X.], mit denen die Beklagte unter Vermittlung des [X.] erstmals Geschäfte abgeschlossen hat, neue Kunden
der [X.]
im Sinne von §
89b Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 HGB. Die Beklagte hatte -
als neu gegründete Gesellschaft
-
noch keine
Alt-
oder Bestandskunden. Ein Handelsvertreter "der ersten Stunde"
-
wie hier der Kläger
-
wirbt notwendigerweise Neukunden
([X.], [X.]O
mwN).
b) Daran ändert sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nichts dadurch, dass die Beklagte, wie diese geltend macht, den Kundenstamm der [X.] vom Insolvenzverwalter erworben und dem Kläger zur [X.] gestellt hat.
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-
10
-
[X.]) Übernimmt eine neu gegründete Gesellschaft sowohl die Kunden als auch den Handelsvertreter eines insolvent gewordenen Unternehmens, so sind die
bisherigen Kunden
des insolventen Unternehmens, die aufgrund der Tätig-keit des Handelsvertreters erstmals ein Geschäft mit dem neu
gegründeten Un-ternehmen abgeschlossen haben, als vom Handelsvertreter geworbene [X.] dieses
Unternehmens anzusehen. Ein neu gegründetes Unternehmen hat noch keine Alt-
oder Bestandskunden und kann diese auf Grund der Neu-gründung auch noch nicht haben. Dies entspricht auch der in Rechtsprechung und Literatur nahezu einhellig vertretenen Auffassung ([X.],
[X.], 312
f.; [X.], HVR Nr.
640; BeckRS 2007, 04602; [X.],
HVR Nr.
882; [X.], HVR
Nr. 608;
[X.], [X.]O Rn.
68; [X.]/
Sonnenschein/[X.], [X.]O; [X.], [X.]O; MünchKommHGB/von
Hoy-ningen-Huene, [X.]O; [X.]/Thume, Handbuch des
gesamten Außendienst-rechts, Bd.
2, 8.
Aufl., VI Rn.
12, 78
ff.; Thume in Röhricht/Graf von
Westpha-len, HGB, 3.
Aufl., §
89b Rn.
65; [X.], BeckRS 2007, 14360; [X.], [X.], 59, 60
ff. zu Unternehmensveräußerungen allgemein; vgl. auch OLG S[X.]rbrücken, [X.] 1997, 1603, m. Anm. Thume).

Käuflich erwerben kann ein neu gegründetes Unternehmen
vom [X.] lediglich die Information über die Kundenbeziehungen des insol-venten Unternehmens, nicht aber die Kunden selbst. Die vom Insolvenzverwal-ter im Rahmen des Unternehmenskaufs erlangte Information über die
Stamm-kunden des insolventen Unternehmens begründet noch keine Geschäftsbezie-hung des neuen Unternehmens mit diesen
Kunden, sondern eröffnet nur die Chance, dass die Stammkunden des insolventen Unternehmens auch
mit dem neu gegründeten Unternehmen eine Geschäftsbeziehung eingehen
werden. Begründet wird die Geschäftsbeziehung aber erst durch den Abschluss ent-sprechender Verträge. Kommen diese Verträge durch Vermittlung des Han-23
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-
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-
delsvertreters zustande, so ist er es, der die Kunden des insolventen [X.] als (neue) Stammkunden des Nachfolgeunternehmens geworben hat.
Dies gilt auch
dann, wenn die Beklagte, wie sie behauptet, dem Kläger die vom Insolvenzverwalter erworbene
Kundenliste zur Verfügung gestellt hat. Die Weitergabe der Kundenliste an den Kläger ändert nichts daran, dass erst der Kläger als Handelsvertreter "der ersten Stunde"
die bisherigen Kunden der [X.] als Kunden der [X.] geworben hat (vgl. [X.],
[X.]O Rn.
66; [X.], [X.]O mwN; [X.], Vertriebsrecht, Bd.
1, 1998, Rn.
940).

bb) Der Gesichtspunkt, dass der Inhaber des neu
gegründeten [X.] dem Handelsvertreter die Werbung von Kunden für dieses Unterneh-men dadurch erleichtert, dass er ihm Informationen über anzusprechende
Kun-den des übernommenen Unternehmens zur Verfügung stellt, ist allerdings für den späteren Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters nicht bedeutungslos. Er kann bei der Prüfung, ob und inwieweit die Zahlung eines [X.]s
der Billigkeit entspricht (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB aF bzw. §
89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB
nF) zu berücksichtigen sein und zu einer entsprechen-den Kürzung des Ausgleichsanspruchs führen. Das [X.] hat eine derar-tige Erleichterung der Handelsvertretertätigkeit des [X.] durch die Beklagte allerdings bezweifelt und gemeint, dass der Kundenstamm der [X.] dem Kläger aus seiner Tätigkeit für die [X.] ohnehin bekannt gewe-sen sein dürfte. Das Berufungsgericht
hat hierzu -
von seinem Standpunkt aus folgerichtig
-
nichts festgestellt.
c) Auch die Vereinbarung in §
1 Abs.
4 des [X.] führt nicht zu der vom Berufungsgericht angenommenen Beschränkung
des gegen die Beklagte gerichteten Ausgleichsanspruchs. Das Berufungsgericht hat gemeint, diese Vertragsbestimmung sei nach dem unter Beweis gestellten Vor-25
26
27
-
12
-
bringen der [X.] so zu verstehen, dass für den Ausgleichsanspruch des [X.] gegenüber der [X.] bisherige Kunden der [X.] nur dann als Neukunden der [X.] anzusehen seien, wenn der Kläger die Ge-schäftsbeziehung zwischen der [X.] und diesen Kunden
-
im Verhältnis zur früheren Geschäftsbeziehung der [X.] zu diesen Kunden
-
we-sentlich erweitert oder wiederbelebt habe.
Es kann
dahingestellt bleiben, ob diese Auslegung zutrifft. Denn mit dem vom Berufungsgericht angenommenen Inhalt wäre
§
1 Abs.
4 des [X.]vertrages, wie das [X.] mit Recht angenommen hat, wegen [X.] gegen §
89b Abs. 4 Satz 1 HGB unwirksam.
Die Bestimmung regelte
bei einer solchen Auslegung entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht das, was kraft Gesetzes ohnehin gilt, sondern enthielte entgegen §
89b Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 HGB eine Beschränkung der ausgleichsrelevanten Geschäfte und damit eine nach § 89b Abs. 4 Satz 1 BGB unzulässige Einschränkung des [X.]s.
28
-
13
-
III.
Da die Revision Erfolg hat, ist das Berufungsurteil aufzuheben

562 Abs.
1
ZPO). Die nicht entscheidungsreife Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen

563 Abs.
1 und 3 ZPO), damit das Berufungsgericht die erforderlichen Feststellungen nachholen kann.

Ball
Dr. Frellesen
Dr. Milger

Dr. [X.]
Dr. Schneider
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 11.12.2008 -
8 [X.]/07 -

OLG [X.], Entscheidung vom 03.08.2010 -
10 U 10/09 -

29

Meta

VIII ZR 222/10

26.10.2011

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.10.2011, Az. VIII ZR 222/10 (REWIS RS 2011, 1929)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1929

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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