Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.09.2003, Az. VIII ZR 22/03

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 1722

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]Verkündet am:10. September 2003Kirchgeßner,[X.] Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z:[X.]: [X.] § 564b Abs. 1 a.F.Wird ein Mitglied einer Wohnungsgenossenschaft, das von der [X.] einen Dauernutzungsvertrag eine Wohnung gemietet hat, gemäß § 68 [X.]wegen genossenschaftswidrigen Verhaltens aus der Genossenschaft [X.] und wird die von ihm genutzte Wohnung für ein anderes Mitglied benötigt, so [X.] Genossenschaft ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhält-nisses.[X.], Urteil vom 10. September 2003 - [X.] -LG [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] durch die Vorsitzende Richterin [X.] und [X.] Dr. [X.], [X.], [X.] und [X.] Recht erkannt:Die Revision des Beklagten gegen das Urteil der [X.] [X.] vom 25. November 2002 wird auf [X.] zurückgewiesen.Von Rechts [X.]:Die Klägerin, ein in der Form einer eingetragenen Genossenschaft orga-nisiertes Wohnungsunternehmen, ist Eigentümerin eines in [X.], [X.] , gelegenen [X.]. Eine in dem Gebäude befindliche [X.] hat sie mit Dauernutzungsvertrag vom 2. Mai 1985 seit dem 1. Juni 1985an den Beklagten, der damals als Mitglied der Genossenschaft angehörte, [X.]. Der Beklagte bewohnt die Wohnung zusammen mit seiner Ehefrau undseinen beiden Töchtern.Für die Jahre 1996 bis 1999 wurde der Beklagte als Vertreter in die [X.] der Klägerin gewählt. Im Zusammenhang mit umfangreichenModernisierungsmaßnahmen der Klägerin erhob der Beklagte in seiner Eigen-schaft als Mitglied der Vertreterversammlung wiederholt schwere Vorwürfe ge-gen den Vorstand der Klägerin, die zu Auseinandersetzungen und [X.] 3 -sen zwischen den Parteien und schließlich im Juni 1998 zum Ausschluß [X.] aus der Genossenschaft führten. Der Ausschluß wurde im genos-senschaftsinternen Berufungsverfahren durch den Aufsichtsrat der Klägerinbestätigt. Die hiergegen erhobene Klage des Beklagten auf Feststellung desFortbestehens seiner Mitgliedschaft wurde vom [X.] abge-wiesen; seine Berufung blieb erfolglos.Mit Schreiben vom 25. Juni 2000 kündigte die Klägerin den mit dem [X.] geschlossenen Dauernutzungsvertrag zum 31. Juli 2001. Nachdem [X.] mit Schreiben seiner Anwälte vom 24. Mai 2001 der Kündigung wider-sprochen hatte, hat die Klägerin beim [X.] erhoben. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufungder Klägerin hat das [X.] das erstinstanzliche Urteil aufgehoben [X.] Beklagten zur Räumung der Wohnung verurteilt. Mit seiner vom [X.] zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die [X.] des amtsgerichtlichen Urteils.Entscheidungsgründe:I.Das [X.] hat im wesentlichen ausgeführt:Auf das zwischen den Parteien geschlossene [X.] die Vorschriften des Wohnraummietrechts anzuwenden. Die [X.] an der Beendigung des Nutzungsverhältnisses ein berechtigtes Interesse [X.] des § 564b Abs. 1 BGB a.F., nachdem der Beklagte rechtskräftig gemäߧ 68 [X.] aus der Genossenschaft ausgeschlossen worden sei. Satzungsmä-ßiger Zweck der Klägerin sei die Versorgung ihrer Mitglieder mit [X.] -daher habe sie ein legitimes Interesse daran, Wohnungen nur an Mitglieder zuvermieten und das Nutzungsverhältnis zu beenden, wenn der Mieter seine [X.]chaft durch freiwilligen Austritt oder durch Ausschluß gemäß § 68 [X.] habe. Da dem Ausschluß hohe Hürden entgegenstünden, sei es [X.] auch nicht möglich, auf dem Weg über einenAusschluß den Schutz des § 564b BGB a.F. zu umgehen. Weitere [X.] sei allerdings, daß für die freiwerdendeWohnung eine andere genossenschaftsinterne Nutzungsmöglichkeit bestehe.Dies habe die Klägerin durch die vorgelegte Warteliste und Bewerbungen ande-rer Mitglieder bewiesen.[X.] Erwägungen halten der rechtlichen Prüfung stand.Zutreffend ist das [X.] davon ausgegangen, daß es sich bei demzwischen den Parteien geschlossenen Dauernutzungsvertrag der Sache nachum einen Mietvertrag handelt und deshalb die Frage, ob die Klägerin ein be-rechtigtes Interesse an der Beendigung des Nutzungsverhältnisses hatte, nachdem hier noch anwendbaren § 564b BGB a.F. zu beurteilen ist (arg. Art. 229§ 3 Abs. 1, 2 und 6 EGBGB). Zu Recht hat das Berufungsgericht auch ein be-rechtigtes Interesse der Klägerin an der Beendigung des [X.] im Sinne des § 564b Abs. 1 BGB a.F. bejaht, weil der Beklagte nach§ 68 [X.] aus der Genossenschaft ausgeschlossen worden ist und die [X.] zur Nutzung durch andere Mitglieder der Klägerin benötigt wird.1. Bei der Würdigung des [X.] der Vermieterin [X.] besondere Charakter des genossenschaftlichen Mietverhältnisses nicht un-- 5 -berücksichtigt bleiben. Er wird geprägt durch die körperschaftliche Bindung zwi-schen der Genossenschaft und ihren Mitgliedern, den gemeinsamen, durch [X.] festgelegten wirtschaftlichen Zweck des Zusammenschlusses (vgl. § 1[X.], insbesondere dessen Abs. 1 Nr. 7) sowie die sich daraus ergebendenbeiderseitigen Treuepflichten; überdies ist in § 1 Abs. 4 des vorliegenden [X.] ausdrücklich bestimmt, daß das Recht zur Nutzung [X.] an die Mitgliedschaft bei der Genossenschaft ge-bunden ist. Dementsprechend ist die Mitgliedschaft in einer Wohnungsgenos-senschaft in erster Linie auf die Versorgung mit preisgünstigem Wohnraum ge-richtet; sie verleiht dem Mitglied eine im Verhältnis zu außenstehenden Drittenbevorrechtigte Aussicht auf den Abschluß eines Mietvertrages ([X.]) zu günstigen Bedingungen. Vor einer Kündigung wegen anderweiti-gen Bedarfs des Vermieters ist der vertragstreue genossenschaftliche Mieterweitestgehend geschützt, weil ein Eigenbedarf im Sinne des § 564b Abs. 2Satz 1 Nr. 2 BGB a.F. begrifflich ausgeschlossen und ein vorrangiger [X.] anderer Mitglieder der Genossenschaft in aller Regel nicht anzuerkennenist ([X.], [X.], 43; [X.]/Sonnenschein, Miete, 6. Aufl.,§ 564b Rdnr. 71; [X.] in Bub/[X.], Handbuch der Geschäfts- und Wohn-raummiete, 3. Aufl., [X.]. 90; [X.], [X.], 5; [X.], Mietrecht, 7. Aufl., § 564b Rdnr. 214; a.A. OLG Stuttgart WuM1991, 379).2. Diese an die Mitgliedschaft in der Genossenschaft gebundeneRechtsstellung rechtfertigt es, das Erlöschen der Mitgliedschaft durch freiwilli-gen Austritt oder durch Ausschluß nach § 68 [X.] grundsätzlich als eine derVoraussetzungen für die Geltendmachung eines berechtigten Interesses derVermieterin an der Beendigung des Dauernutzungsverhältnisses anzuerkennen([X.] aaO S. 6); ob dies auch für die Beendigung der Mitgliedschaftdurch Tod, wenn Nichtmitglieder die Wohnung mit genutzt haben, oder durch- 6 -Gläubigerkündigung nach § 66 [X.] gilt, kann der Senat ebenso wie das Be-rufungsgericht dahingestellt sein lassen. Mit dem Verlust der Mitgliedschaftdurch Austritt oder Ausschluß entfällt zugleich die innere Rechtfertigung für diegegenüber Dritten bevorzugte Berücksichtigung bei der Versorgung mit preis-günstigem Wohnraum. Der Umstand, daß der Mieter im Zeitpunkt des [X.] war, änderthieran nichts.Für die grundsätzliche Bindung des Mietverhältnisses an die Mitglied-schaft in der Genossenschaft in diesen Fällen spricht überdies, daß die Fortset-zung eines Mietverhältnisses über eine Genossenschaftswohnung mit einemNichtmitglied regelmäßig zur statutwidrigen Benachteiligung eines Mitgliedesführt, das noch keine oder keine angemessene Genossenschaftswohnung in-nehat und sich für eine vergleichbare Wohnung beworben hat. Müßte [X.] Genossenschaft die Fortsetzung des Nutzungsverhältnisses mit einemMieter, dessen Mitgliedschaft erloschen ist, dulden und wäre sie deshalb an deranderweitigen Vermietung der betreffenden Wohnung gehindert, so hätte [X.] Ergebnis eine Verletzung der ihr gegenüber jedem Mitglied obliegendenTreuepflicht und statutmäßigen Pflicht zur Wohnraumversorgung zur Folge.3. Entgegen der Rüge der Revision gewährleistet das Ausschlußverfah-ren einen der Vorschrift des § 564b BGB a.F. vergleichbaren Schutz des ge-nossenschaftlichen Mieters vor willkürlicher Kündigung. Zwar ist der Revisionzuzugeben, daß § 68 [X.] nach seinem Wortlaut jedenfalls für [X.] vorliegenden Art die Voraussetzungen für einen Ausschluß nicht festlegt.Nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift steht jedoch außer Frage, daß nur eingenossenschaftswidriges Verhalten von erheblichem Gewicht eine [X.] rechtfertigt; das ergibt sich mit hinreichender Klarheit schon aus der [X.], im übrigen aber auch aus dem in Abs. 1 Satz 1 umschriebenen- 7 -Ausschlußgrund des genossenschaftswidrigen Betreibens eines Konkurrenzge-schäfts. Zumindest für den Regelfall ist deshalb davon auszugehen, daß [X.] eines Mitgliedes aus der Wohnungsgenossenschaft gemäß § 68[X.] als Anknüpfungspunkt für die Kündigung des Dauernutzungsvertragesüber eine Genossenschaftswohnung nach § 564b Abs. 1 BGB a.F. anzusehenist ([X.] aaO S. 6).Der Genosse ist auch verfahrensmäßig vor einem [X.] aus der Genossenschaft hinreichend geschützt. Zutreffend führt das[X.] aus, daß der Verlust der Mitgliedschaft gegen den Willen des [X.] an strenge Voraussetzungen, etwa ein genossenschaftswidriges Verhal-ten, geknüpft ist, daß es vor dem Ausschluß zudem einer Abmahnung bedarf,daß das Ausschlußverfahren regelmäßig ein Anhörungsrecht des Mitglieds undeine Beschwerdemöglichkeit vorsieht und daß dem Mitglied schließlich einezivilrechtliche Klage zur Verfügung steht. Von diesen rechtlichen Möglichkeitenhat der Beklagte Gebrauch gemacht; sein Verhalten ist sowohl von den sat-zungsgemäß zuständigen Organen der Klägerin als auch von den ordentlichenGerichten als hinreichender Anlaß für den Ausschluß aus der Genossenschaftwegen genossenschaftswidrigen Verhaltens angesehen worden.4. Ob bereits der Verlust der Mitgliedschaft in einer Wohnungsgenossen-schaft in den genannten Fällen für sich allein ein im Sinne des § 564b Abs. 1BGB a.F. berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses übereine Genossenschaftswohnung begründet - wogegen allerdings Bedenken be-stehen -, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Zumindest dann,wenn die Wohnung für die Versorgung eines anderen Mitglieds der Genossen-schaft benötigt wird, ist ein derartiges Interesse zu bejahen. In diesem Fallüberwiegen die Interessen der Genossenschaft am bestimmungsgemäßen Ein-satz ihres Wohnungsbestandes (Art. 14 GG) und das Interesse eines woh-- 8 -nungssuchenden Mitgliedes an der Erlangung einer preiswerten Genossen-schaftswohnung die Belange des [X.] an der Beibehaltung seinesvertrauten Wohnumfeldes so sehr, daß letztere zurücktreten müssen (ebenso[X.]/Sonnenschein aaO; [X.] aaO; [X.] aaO S. 5 [X.]/Voelskow, 3. Aufl., § 564b Rdnr. 67; wohl auch [X.] aaO Rdnr. 225). Daß diese Voraussetzung - Wohnungsbedarf andererGenossenschaftsmitglieder - hier erfüllt ist, hat das Berufungsgericht rechts-fehlerfrei und von der Revision unangegriffen festgestellt.[X.] hat daher zu Recht die Kündigung der Klägerin [X.] angesehen und der Räumungsklage stattgegeben. Die Revision [X.] erweist sich deshalb als erfolglos und ist zurückzuweisen.[X.] Dr. [X.] [X.][X.] Dr. Frellesen

Meta

VIII ZR 22/03

10.09.2003

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.09.2003, Az. VIII ZR 22/03 (REWIS RS 2003, 1722)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 1722

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