Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.04.2011, Az. II ZR 279/08

2. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 7936

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BUNDESGERICHTSHOF (BGH) HAFTUNG HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT BANKEN

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Gegenstand

Haftungsübernahme durch GmbH-Gesellschafter: Inanspruchnahme der Mitgesellschafter aus einem von der Bank abgetretenen Darlehensrückzahlungsanspruch gegen die GmbH


Leitsatz

Lässt sich ein GmbH-Gesellschafter von der Bank einen Darlehensrückzahlungsanspruch gegen die Gesellschaft abtreten, für den die Gesellschafter in einem begrenzten, insgesamt die Höhe der Forderung nicht erreichenden Umfang die persönliche Haftung übernommen haben, kann er seine Mitgesellschafter in voller Höhe ihrer jeweiligen Mithaft auf Zahlung in Anspruch nehmen .

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des [X.] vom 1. Juli 2008 aufgehoben, soweit zum Nachteil des Beklagten entschieden worden ist.

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des [X.] vom 13. November 2007 wird insgesamt zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin zu 1, ihr während des Revisionsverfahrens verstorbener Ehemann, für den nun der Kläger zu 2 als [X.] auftritt (im Folgenden einheitlich: Kläger zu 2), und der [X.] sind bzw. waren neben der von dem [X.]n beherrschten [X.] Gesellschafter der [X.] (im Folgenden: T. GmbH). Die Anteile der Kläger betrugen anfangs je 10 %. Der Anteil des Klägers zu 2 erhöhte sich in der Folgezeit auf 16,6 %. Die Gesellschaft errichtete und betreibt ein Wohn-, Geschäfts-, Freizeit- und Einkaufszentrum in [X.] Sie erhielt Kredite der Hypothekenbank in H. AG in Höhe von zusammen 39 Mio. DM. Zur Besicherung übernahmen die Kläger u.a. gemäß notarieller Urkunde vom 17. März 1998 mit Ergänzung vom 20. März 1998 die persönliche Haftung in Höhe von 1.520.000 DM und die übrigen Gesellschafter eine solche in Höhe von 4.390.500 DM. Die Gesellschafter unterwarfen sich jeweils der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen.

2

Am 18./19. Juli 2001 verkaufte die Bank ihre offene Darlehensforderung in Höhe von 37.408.082,89 DM für 22,2 Mio. DM an den [X.]n. [X.] August 2006 trat sie an ihn ihre Rechte aus der Schuldübernahme ab.

3

Am 20. Februar 2003 beschlossen die Gesellschafter, das Stammkapital von 50.000 DM auf 11.472.940 € zu erhöhen. Dies geschah durch Einbringung von [X.] des [X.]n und der [X.] gegen die Gesellschaft als Sacheinlagen. Dadurch verminderte sich der Anteil der Kläger am Stammkapital auf insgesamt 0,06 %. Zugleich wurde vereinbart, dass die etwaigen [X.] der Kläger nach wie vor nach einem Anteil in Höhe von 26,6 % berechnet werden sollen.

4

Der [X.] betreibt mittlerweile die Zwangsvollstreckung gegen die Kläger aus deren Haftungsübernahmeerklärungen bezüglich der noch offenen Ansprüche aus dem übernommenen Darlehen. Die Kläger haben dagegen Vollstreckungsabwehrklage erhoben. Das [X.] hat die Klage abgewiesen, das [X.] hat ihr im Wesentlichen stattgegeben. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des [X.]n.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision ist begründet und führt unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

6

I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

7

Die [X.] sei verpflichtet, die Kläger von ihrer Haftung aus den [X.] freizustellen. Das ergebe sich aus § 775 BGB. Diese Vorschrift sei nicht nur auf Bürgschaften, sondern auch auf andere Sicherheiten - analog - anwendbar. Das gelte jedenfalls dann, wenn ein [X.]er - wie hier die Kläger - zwar nicht vollständig, aber doch bis auf eine Splitterbeteiligung aus der [X.] ausgeschieden sei. Denn dann seien seine Interessen nicht mehr mit denen der [X.] identisch. Dem verbleibenden Zwerganteil sei dadurch Rechnung zu tragen, dass der [X.]er in dieser Höhe aus der Sicherheit verpflichtet bleibe; das seien bei den Klägern 466,30 €, hinsichtlich derer die Klage abzuweisen sei.

8

Aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles müsse sich der [X.] nach Treu und Glauben so behandeln lassen, als könnten die Kläger von ihm persönlich die Freistellung verlangen, so dass die Vollstreckung treuwidrig sei. Der [X.] habe sich durch den Erwerb der besicherten Forderung zum Hauptgläubiger der [X.] und durch die Kapitalerhöhung praktisch zu ihrem Alleingesellschafter gemacht. Deshalb dienten die von den Klägern begebenen Sicherheiten nur noch formal den Interessen der [X.], tatsächlich jedoch den persönlichen Interessen des [X.]n.

9

II. Diese Ausführungen sind nicht frei von Rechtsfehlern.

1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts verhält sich der [X.] nicht treuwidrig, indem er die Zwangsvollstreckung gegen die Kläger aus den von diesen erklärten, als Schuldbeitritte zu wertenden Haftungsübernahmen betreibt. Insbesondere kann ihm kein widersprüchliches Verhalten vorgeworfen werden. Er ist nämlich nicht verpflichtet, die Kläger von ihrer Haftung freizustellen.

a) Dabei kann offen bleiben, ob die Kläger einen Freistellungsanspruch gegen die [X.] haben, etwa in entsprechender Anwendung des § 738 Abs. 1 Satz 2, 3 HGB oder des § 775 BGB. Denn dieser etwaige Freistellungsanspruch würde sich jedenfalls nur gegen die [X.] richten und nicht auch eine Einwendung gegen die Inanspruchnahme durch den [X.]n begründen.

Der [X.] tritt den Klägern im Rahmen der Zwangsvollstreckung nicht als Mitgesellschafter, sondern als Rechtsnachfolger der Bank und damit als Gläubiger der [X.] gegenüber. An ihn hat die Bank ihre restliche Darlehensforderung abgetreten, und er macht diese Forderung nun gegen die [X.] geltend. Dabei stehen ihm dieselben Sicherungsrechte wie der Bank zu, nachdem sie diese Rechte - soweit nicht schon ein Übergang kraft Gesetzes stattgefunden hat - an den [X.]n abgetreten hat. Damit kann der [X.] die Kläger aus den von ihnen erklärten Haftungsübernahmen in voller Höhe in Anspruch nehmen.

b) Allerdings haften [X.]er, die gemeinsam die persönliche Mithaft für die [X.]sschulden übernommen haben und insoweit als Gesamtschuldner zu behandeln sind, im Innenverhältnis gemäß § 426 Abs. 1 BGB im Zweifel nur anteilig in Höhe ihrer jeweiligen Anteile am [X.]svermögen ([X.], Urteil vom 19. Dezember 1988 - [X.], GmbHR 1989, 249; Urteil vom 24. September 1991 - [X.], [X.], 1536, 1537). Daraus ergibt sich hier aber keine Beschränkung der Haftung der Kläger gegenüber dem [X.]n. Denn angesichts der Besonderheiten der Schuldbeitritte besteht hier zwar jeweils eine Gesamtschuld im Verhältnis zu der [X.], nicht aber auch im Verhältnis der [X.]er zueinander. Die [X.]er haben nämlich nicht jeweils die Mithaft für die gesamten Bankkredite übernommen. Ihre Schuldbeitritte belaufen sich vielmehr nur auf insgesamt 5,9105 Mio. DM bei einer zu sichernden Valuta in Höhe von ursprünglich 39 Mio. DM. Die Rechtsfolge einer Gesamtschuld nach § 421 BGB, dass bei Zahlung eines Gesamtschuldners auch die Schuld der anderen Gesamtschuldner erlischt, würde bei dieser Sachlage nicht passen. Vielmehr haften die [X.]er ohne Rückgriffsmöglichkeit nach § 426 BGB der Bank und damit jetzt dem [X.]n gegenüber jeweils in voller Höhe der von ihnen erklärten Schuldbeitritte.

2. Auch im Übrigen bestehen keine Einwendungen gegen die Haftung der Kläger.

a) Ob die [X.] mit der Zahlung der Annuitäten in Verzug gekommen ist und ob ein solcher Verzug Voraussetzung für die Haftung aus den [X.] sein sollte, kann offen bleiben. Angesichts des abstrakten Charakters des Schuldbeitritts haben die Kläger gegebenenfalls das Fehlen eines Verzugs darzulegen und zu beweisen, wie das [X.] zutreffend ausgeführt hat. Diesen Beweis haben sie nicht angetreten.

b) Ebenfalls ohne Bedeutung ist, ob bei der Abtretung der Bankforderungen an den [X.]n oder danach die Voraussetzungen einer Kapitalbindung nach den Grundsätzen über eigenkapitalersetzende [X.]erdarlehen erfüllt waren. Nach der Rechtslage vor Geltung des [X.] erfasste die daraus für eine Darlehensforderung folgende Durchsetzungssperre (s. etwa [X.], Urteil vom 19. September 2005 - [X.], [X.], 2016) grundsätzlich nicht den zur Sicherung erklärten Schuldbeitritt eines [X.]ers. Dazu bedarf es hier keiner Auslegung der den [X.] zugrunde liegenden Sicherungsabreden (vgl. dazu [X.], Urteil vom 27. April 2004 - [X.], [X.], 1303, 1305 f.; Urteil vom 10. Juni 2008 - [X.], [X.], 1376, 1378). Denn als die Kläger die [X.] abgegeben haben, waren die [X.] noch nicht an den [X.]n abgetreten. Es handelte sich vielmehr um normale Drittforderungen, für deren Durchsetzbarkeit unerheblich war, ob die [X.] kreditunwürdig oder insolvenzreif war. Durch die Abtretung an den [X.]n hat sich an dieser Rechtslage jedenfalls hinsichtlich der Haftung der Kläger aus den [X.] nichts geändert.

c) Auch die Auffassung des Berufungsgerichts, der [X.] habe den nicht mehr werthaltigen Teil der Forderungen aus den [X.]erdarlehen für die Kapitalerhöhung verwendet und sich so praktisch zum Alleingesellschafter gemacht, und deshalb dienten die von den Klägern gegebenen Sicherheiten nur noch formal den Interessen der [X.], in Wahrheit jedoch den Eigeninteressen des [X.]n, ist unzutreffend. Zum einen haben die Kläger, die im Zeitpunkt der Beschlussfassung über Kapitalanteile in Höhe von 26,6 % verfügten, der Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen zugestimmt. Zum anderen hat die [X.] gegen den [X.]n und die [X.] Ausgleichsansprüche nach §§ 9, 56 Abs. 2 GmbHG, wenn und soweit die als Sacheinlagen eingebrachten [X.] nicht werthaltig waren. Jedenfalls unter Berücksichtigung dieser zusätzlichen Vermögensgegenstände, auf die die Kläger gegebenenfalls im Wege der Zwangsvollstreckung zugreifen können, ist davon auszugehen, dass der nach einer Zahlung an den [X.]n aus § 670 BGB folgende Regressanspruch gegen die [X.] durchsetzbar sein wird, zumal die Kläger selbst vorgetragen haben, die [X.] sei in wirtschaftlich guter Verfassung.

d) Schon aus diesem Grund kann die Revision auch nichts aus den von den Klägern behaupteten mehrfachen Äußerungen des [X.]n herleiten, sie kämen "ohne Verluste aus dem Engagement heraus". Daraus ergibt sich weder ein Vollstreckungsverzicht noch eine Stundung.

III. Da keine weiteren Feststellungen erforderlich sind, entscheidet der Senat in der Sache, § 563 Abs. 3 ZPO.

Bergmann                                      Strohn                                     Drescher

                            [X.]

Meta

II ZR 279/08

05.04.2011

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Düsseldorf, 1. Juli 2008, Az: I-3 U 15/08, Urteil

§ 426 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.04.2011, Az. II ZR 279/08 (REWIS RS 2011, 7936)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7936

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

XI ZR 81/15

II ZR 149/12

II ZR 150/12

II ZR 279/08

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