Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.10.2011, Az. 4 StR 465/11

4. Strafsenat | REWIS RS 2011, 2720

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4
StR 465/11
vom
5. Oktober
2011
in der Strafsache
gegen

wegen
versuchten Mordes
u.a.

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Der 4. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am
5. Oktober
2011 gemäß §
349 Abs.
4 StPO beschlossen:
1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 19. Mai 2011 mit den Feststel-lungen aufgehoben.
2.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in [X.] mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jah-ren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Der Erörterung der Sachrüge und der weiteren Verfahrensrüge bedarf es daher nicht.
1. Nach den Feststellungen griff der Angeklagte die auf dem Sofa schla-fende Geschädigte ohne Vorwarnung an und würgte sie in Tötungsabsicht, bis die gemeinsame Tochter [X.] H.

das Zimmer betrat. Die sich gegen den Vorwurf der Heimtücke richtende Einlassung des Angeklagten, der Angriff sei aus einer verbalen Streitigkeit heraus entstanden, die in eine körperliche Auseinandersetzung umgeschlagen sei, hat das [X.] insbesondere auf-grund der Zeugenaussagen der Geschädigten und der gemeinsamen Tochter 1
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[X.] H.

als widerlegt erachtet. Die Tochter hatte in der Hauptverhand-lung erklärt, von einem Röcheln geweckt worden zu sein, [X.] aber nicht gehört zu haben.
2. In der Hauptverhandlung beantragte der Verteidiger die Vernehmung der Zeugin S.

zum Beweis der Tatsache, dass [X.] H.

gegen-über dieser unmittelbar nach der Tat angegeben habe, sie habe Geräusche in der Wohnung gehört, als ob etwas geschoben oder geruckelt werde, und sei deswegen aufgestanden, was die Annahme nahe lege, dass
es, der Einlassung
des Angeklagten entsprechend, zwischen diesem und dem Tatopfer vor der Tat einen Streit gegeben habe. Das [X.] wies den Antrag zurück und führte zur Begründung
aus, Ungeeignetheit gem. § 244 Abs. 3 StPO abzulehnen, da sich mit diesem Be-e-Ungeeignetheit fehlen.
3. [X.] ist rechtsfehlerhaft und zwingt zur Aufhe-bung des Urteils.
a) Ein Beweisantrag kann wegen völliger Ungeeignetheit des Beweismit-tels im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO abgelehnt werden, wenn dessen Inanspruchnahme von vornherein gänzlich aussichtslos wäre, so dass sich die Erhebung des Beweises in einer reinen Förmlichkeit erschöpfen müsste ([X.], Beschluss vom 12. Januar 2010

3 [X.], [X.], 211 m.w.N.). Dies ist dann der Fall, wenn mit dem vom Antragsteller benannten Beweismittel die behauptete [X.] nach sicherer Lebenserfahrung nicht bestätigt werden kann (LR-Becker, StPO, 26. Aufl., § 244, Rn. 230). Zeugen sind grund-sätzlich geeignete Beweismittel zum Nachweis des Inhaltes von ihnen geführter 3
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Gespräche. Im vorliegenden Fall
käme die Annahme völliger Ungeeignetheit der Zeugin als Beweismittel daher nur dann in Betracht, wenn
ausgeschlossen werden könnte, dass diese
Zeugin den Gesprächsverlauf zuverlässig in ihrem Gedächtnis behalten hat (vgl. Senatsbeschluss vom 14.
September 2004

4 [X.], [X.]R StPO,
§ 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit 23). Dies hat der Tatrichter anhand allgemeiner Lebenserfahrung unter Berücksichtigung al-ler Umstände
zu beurteilen, die dafür oder dagegen sprechen, dass ein Zeuge die in sein Wissen
gestellten Wahrnehmungen gemacht hat und sich an sie [X.] kann
(Senatsbeschluss vom 14. September 2004

4 [X.], aaO). Eine solche Beurteilung enthält die Begründung des den Antrag ablehnenden Beschlusses
nicht. Die völlige Ungeeignetheit der Zeugin als [X.] zu Bekundungen über ein Gespräch, das bei Antragstellung weniger als sieben Monate zurücklag und das einen außergewöhnlichen Lebensvorgang zum [X.] hatte, lag auch nicht auf der Hand.
b) Das Urteil beruht auf dem Verfahrensfehler. Das [X.] hat sich bei der Annahme heimtückischer Tatbegehung wesentlich darauf gestützt, die Einlassung des Angeklagten, dem Würgen sei eine Auseinandersetzung vo-rausgegangen, werde
auch durch die Bekundung der Tochter [X.] widerlegt, die bekundet hatte, keine darauf hindeutenden Geräusche gehört zu haben. Es ist nicht auszuschließen, dass das Ergebnis der beantragten Beweiserhebung Einfluss auf die Überzeugungsbildung des [X.] hinsichtlich der An-nahme des [X.] der Heimtücke gehabt hätte.
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4. Der Rechtsfehler nötigt zur Aufhebung des Urteils insgesamt, wenn-gleich die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlicher Kör-perverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB
an sich rechtsfehlerfrei erfolgt ist (vgl. Senatsurteil vom 20. Februar 1997

4 [X.], [X.]R StPO § 353 Aufhebung 1).
Ernemann Cierniak Franke

Mutzbauer

Quentin

7

Meta

4 StR 465/11

05.10.2011

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.10.2011, Az. 4 StR 465/11 (REWIS RS 2011, 2720)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2720

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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3 StR 519/09

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