Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.05.2019, Az. 9 AZR 260/18

9. Senat | REWIS RS 2019, 7076

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Gegenstand

Urlaubsanspruch - vergangenheitsbezogene Feststellungsklage - unzulässige Elementenfeststellungsklage


Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 28. November 2017 - 7 [X.]/17 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Urlaubsansprüche des [X.] aus den Jahren 2013, 2014 und 2015.

2

Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 1. Oktober 2008 zunächst aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverträge als Mitarbeiter im Bereich Personaldienstleistung tätig. Ihm standen nach dem Arbeitsvertrag kalenderjährlich 30 Tage Urlaub „nach Maßgabe des [X.]“ zu.

3

In einem gerichtlichen Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO vereinbarten die Parteien letztmalig die Befristung ihres Arbeitsverhältnisses bis zum 31. Dezember 2012. Im Rahmen des vom Kläger gegen diese Befristung angestrengten Befristungskontrollverfahrens hat das [X.] mit Urteil vom 8. Juni 2016 (- 7 [X.] -) festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch Fristablauf zum 31. Dezember 2012 geendet hat. Für die [X.] bis 2015 gewährte die Beklagte dem Kläger keinen Urlaub. Mit Schreiben vom 20. Juli 2016 forderte der Kläger die Beklagte auf, ihm 90 Arbeitstage Urlaub aus dieser [X.] zu gewähren. Die Beklagte lehnte dies mit der Begründung ab, die Urlaubsansprüche seien verfallen.

4

Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete durch Kündigung der Beklagten vom 23. März 2017 mit Ablauf des 31. Mai 2017. Die gegen die Kündigung erhobene Kündigungsschutzklage wurde rechtskräftig abgewiesen (vgl. [X.] 14. November 2018 - 2 [X.] 721/18 -).

5

Mit seiner am 13. Dezember 2016 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Beklagte habe ihm aus den Jahren 2013, 2014 und 2015 jeweils 30 Arbeitstage Urlaub bzw. [X.] zu gewähren.

6

Der Kläger hat in den Vorinstanzen beantragt

        

festzustellen, dass ihm für die [X.], 2014 und 2015 jeweils ein Jahresurlaubsanspruch iHv. 30 Kalendertagen gegen die Beklagte zusteht.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Urlaubsansprüche des [X.] seien mit Ablauf der betreffenden Urlaubsjahre ersatzlos verfallen.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung des [X.] gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Mit der Revision hat der Kläger zunächst sein ursprüngliches Klageziel weiterverfolgt. Mit Schriftsatz vom 28. März 2019 hat er zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass ihm für die [X.], 2014 und 2015 jeweils ein Jahresurlaubsanspruch iHv. 30 Kalendertagen gegen die Beklagte zustand;

                 

hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit dem Klageantrag zu 1.

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 11.630,77 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2017 zu zahlen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

A. Die Revision des [X.] ist unbegründet.

I. Der erstmals in der Revisionsinstanz gestellte vergangenheitsbezogene Feststellungsantrag ist unzulässig.

1. Der zuletzt gestellte Antrag ist der Beurteilung des Senats nicht bereits deshalb entzogen, weil der Kläger den gegenwartsbezogenen in einen vergangenheitsbezogenen Feststellungsantrag geändert hat. Dies stellt keine unzulässige Klageänderung in der Revisionsinstanz dar.

a) Nach § 559 Abs. 1 ZPO ist eine Klageänderung in der Revisionsinstanz grundsätzlich ausgeschlossen. Der Schluss der mündlichen Verhandlung in zweiter Instanz bildet nicht nur bezüglich des tatsächlichen Vorbringens, sondern auch hinsichtlich der Anträge der [X.]en die Entscheidungsgrundlage für das Revisionsgericht. Hiervon hat das [X.] Ausnahmen in den Fällen des § 264 Nr. 2 ZPO sowie dann zugelassen, wenn sich der geänderte Sachantrag auf einen in der Berufungsinstanz festgestellten oder von den [X.]en übereinstimmend vorgetragenen Sachverhalt stützen kann, sich das rechtliche Prüfprogramm nicht wesentlich ändert und die Verfahrensrechte der anderen [X.] durch eine Sachentscheidung nicht verkürzt werden ([X.] 29. August 2018 - 7 [X.]/17 - Rn. 26 mwN).

b) Die durch den Kläger als Rechtsmittelführer vorgenommene zeitliche Begrenzung des Klageantrags ist danach zulässig. Der Kläger hat den Klageantrag lediglich iSv. § 264 Nr. 2 ZPO in der Hauptsache ohne Änderung des [X.] in zeitlicher Hinsicht beschränkt. Außerdem stützt er den nunmehr vergangenheitsbezogenen Feststellungsantrag auf den in der Berufungsinstanz festgestellten Sachverhalt. Das rechtliche Prüfprogramm ändert sich nicht. Auch werden Verfahrensrechte der Beklagten nicht beeinträchtigt.

2. In der gebotenen rechtsschutzgewährenden Auslegung (vgl. [X.] 19. November 2015 - 6 [X.] - Rn. 16, [X.]E 153, 271) ist der Feststellungsantrag hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Zwar benennt der Kläger keinen konkreten Zeitpunkt, zu dem das Bestehen der Urlaubsansprüche aus den Jahren 2013, 2014 und 2015 festgestellt werden soll. Der Kläger betrachtet die von ihm beantragte Feststellung jedoch als Vorfrage der mit seinem Hilfsantrag beanspruchten Urlaubsabgeltung. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung setzt nach § 7 Abs. 4 [X.] voraus, dass die Urlaubsansprüche zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch bestanden haben. Dementsprechend ist der Feststellungsantrag des [X.] dahin gehend zu verstehen, dass er festgestellt wissen möchte, dass die Urlaubsansprüche aus den Jahren 2013, 2014 und 2015 am 31. Mai 2017 noch bestanden haben.

3. Dem Antrag fehlt es jedoch am erforderlichen Feststellungsinteresse. Der Kläger hat mit seinem Antrag auf Feststellung, dass ihm am 31. Mai 2017 für die [X.], 2014 und 2015 jeweils ein Jahresurlaubsanspruch iHv. 30 Kalendertagen zustand, eine unzulässige Elementenfeststellungsklage erhoben.

a) Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn die [X.] ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Die Feststellungsklage kann sich auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken - sog. Elementenfeststellungsklage - ([X.] 23. März 2016 - 5 [X.] - Rn. 16 mwN, [X.]E 154, 357). Dabei kann eine Feststellungsklage auch darauf gerichtet sein, dass dem Arbeitnehmer für einen bestimmten Zeitraum noch eine bestimmte Anzahl von Arbeitstagen Urlaub zusteht (vgl. [X.] 12. April 2011 - 9 [X.] - Rn. 12 ff., [X.]E 137, 328). Ein Feststellungsinteresse ist in diesem Fall jedoch nur dann gegeben, wenn durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag der Streit insgesamt beseitigt wird und das Rechtsverhältnis der [X.]en abschließend geklärt werden kann. Die Rechtskraft der Entscheidung muss weitere gerichtliche Auseinandersetzungen über die zwischen den [X.]en strittigen Fragen um denselben Fragenkomplex ausschließen. Es fehlt, wenn durch die Entscheidung kein Rechtsfrieden geschaffen wird, weil nur einzelne Elemente des Rechtsverhältnisses zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden ([X.] 23. März 2016 - 5 [X.] - aaO; vgl. auch [X.] 15. Januar 2013 - 9 [X.] - Rn. 16, [X.]E 144, 150).

b) Die vom Kläger begehrte Feststellung wäre nicht geeignet, weitere gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen den [X.]en auszuschließen. Der Feststellungsantrag ist lediglich auf die Entscheidung über eine - vorgreifliche - Rechtsfrage gerichtet, deren Klärung nicht zum Rechtsfrieden zwischen den [X.]en führen könnte. Mit einer klagestattgebenden Entscheidung wäre nur das Bestehen der Urlaubsansprüche für die [X.], 2014 und 2015 bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses abschließend geklärt. Es bliebe jedoch offen, mit welchem Betrag dieser Urlaub abzugelten wäre. Überdies bliebe offen, ob ein Anspruch des [X.] auf Urlaubsabgeltung - wie von der Beklagten eingewandt - nach § 16 des [X.] vom 11. November 2003 erloschen wäre. Die Abgeltung der festgestellten Urlaubsansprüche könnte von den [X.]en somit nicht ohne Weiteres, wie für die Zulässigkeit einer Elementenfeststellungsklage erforderlich, vergleichbar mit einer einfachen Rechenaufgabe (vgl. [X.] 25. März 2015 - 5 [X.] - Rn. 15) umgesetzt werden.

4. Der Feststellungsantrag ist auch nicht als Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 2 ZPO zulässig.

a) Nach § 256 Abs. 2 ZPO kann der Kläger zugleich mit der Hauptklage die Feststellung eines die Entscheidung bedingenden, dh. vorgreiflichen Rechtsverhältnisses verlangen. Damit wird ein Element aus der Gesamtentscheidung verselbstständigt und mit eigener Rechtskraft versehen, weil hierdurch Rechtssicherheit und Rechtsklarheit für mögliche Folgestreitigkeiten hergestellt werden. Eine Zwischenfeststellungsklage bedingt daher, dass die Frage nach dem Bestehen des Rechtsverhältnisses notwendig auch bei der Entscheidung über den Hauptantrag beantwortet werden muss, aber darüber hinaus auch für andere denkbare Folgestreitigkeiten Bedeutung haben kann (vgl. [X.] 25. April 2018 - 5 [X.] - Rn. 19).

b) Vorliegend reicht eine Feststellung, dass dem Kläger für die [X.], 2014 und 2015 jeweils ein Jahresurlaubsanspruch iHv. 30 Kalendertagen zustand, nicht über das mit dem hilfsweise gestellten Leistungsantrag erfasste Rechtsschutzziel des [X.] hinaus. Das Bestehen dieser Urlaubsansprüche kann sich nur noch auf einen etwaigen Urlaubsabgeltungsanspruch des [X.] auswirken.

II. Dem Senat ist ein Sachurteil auch nicht unter dem Gesichtspunkt möglich, dass das Feststellungsinteresse echte Prozessvoraussetzung nur für das stattgebende Urteil ist und das Revisionsgericht auch bei seinem Fehlen jedenfalls dann zu einer Sachentscheidung befugt ist, wenn gewichtige prozessökonomische Gründe gegen eine Prozessabweisung sprechen, etwa weil die Klage eindeutig und unzweifelhaft abweisungsreif ist (vgl. [X.] 23. März 2016 - 5 [X.] - Rn. 18 mwN, [X.]E 154, 337).

1. Die Klage wäre in der Sache abweisungsreif, wenn man mit dem [X.] annehmen könnte, die Urlaubsansprüche des [X.] aus den Jahren 2013, 2014 und 2015 seien mangels eines Antrags des [X.] auf Urlaubsgewährung gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 [X.] automatisch mit Ablauf des betreffenden Urlaubsjahres erloschen, ohne dass es auf eine vorausgehende Überprüfung ankäme, ob die Beklagte den Kläger zuvor ausreichend in die Lage versetzt hatte, seinen Urlaub auch tatsächlich nehmen zu können.

2. Dieses - mit der früheren Rechtsprechung des Senats zum Verfall von Urlaubsansprüchen (vgl. [X.] 23. Januar 2018 - 9 [X.] - Rn. 21, [X.]E 161, 347; 13. Dezember 2016 - 9 [X.] (A) - Rn. 13) im Einklang stehende - Verständnis des § 7 Abs. 3 [X.] hat der Senat weiterentwickelt. Das Eingreifen des Fristenregimes des § 7 Abs. 3 [X.] setzt grundsätzlich voraus, dass der Arbeitgeber konkret und in völliger Transparenz dafür gesorgt hat, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage war, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Der Urlaub kann danach in der Regel nur verfallen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor konkret aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen, und ihn klar und rechtzeitig darauf hingewiesen hat, dass der Urlaub anderenfalls mit Ablauf des Kalenderjahres erlischt. Dies ist das Ergebnis einer richtlinienkonformen Auslegung von § 7 Abs. 1 und Abs. 3 [X.] (vgl. im Einzelnen [X.] 19. Februar 2019 - 9 [X.] - Rn. 39 ff.).

3. Auf der Grundlage der Feststellungen des [X.]s kann die Klage nicht abgewiesen werden. Das [X.] hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Beklagte ihren Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen ist und die Urlaubsansprüche des [X.] deshalb gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 [X.] mit Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres verfallen konnten.

III. Da der Kläger seinen Hilfsantrag auf Urlaubsabgeltung nur für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag gestellt hat, fällt dieser nicht zur Entscheidung an.

B. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Kiel    

        

    Weber    

        

    Zimmermann    

        

        

        

    Faltyn    

        

    [X.]    

                 

Meta

9 AZR 260/18

21.05.2019

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG München, 30. Mai 2017, Az: 3 Ca 13395/16, Urteil

§ 256 Abs 2 ZPO, § 253 Abs 2 ZPO, § 256 Abs 1 ZPO, § 559 Abs 1 ZPO, § 264 Nr 2 ZPO, § 7 Abs 4 BUrlG, § 7 Abs 3 BUrlG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.05.2019, Az. 9 AZR 260/18 (REWIS RS 2019, 7076)

Papier­fundstellen: NJW 2019, 3330 REWIS RS 2019, 7076


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 9 AZR 260/18

Bundesarbeitsgericht, 9 AZR 260/18, 21.05.2019.


Az. 3 Ca 13395/16

ArbG München, 3 Ca 13395/16, 30.05.2017.


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Referenzen
Wird zitiert von

12 Sa 621/22

9 AZR 91/19

3 Sa 636/19

3 Sa 637/19

14 Sa 822/21

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