Bundesfinanzhof, Urteil vom 18.03.2014, Az. VIII R 9/10

8. Senat | REWIS RS 2014, 7033

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Gegenstand

Keine wirksame Bekanntgabe einer im Wege des sog. Ferrari-Fax-Verfahrens übermittelten, aber nicht vom Empfangsgerät ausgedruckten Einspruchsentscheidung


Leitsatz

1. Die gesetzlich gebotene Schriftform für behördliche und gerichtliche Entscheidungen wird auch durch Übersendung per Telefax gewahrt (ständige Rechtsprechung; BFH-Urteile vom 4. Juli 2002 V R 31/01, BFHE 198, 337, BStBl II 2003, 45; vom 18. August 2009 X R 25/06, BFHE 226, 77, BStBl II 2009, 965).

2. Dies gilt auch für die Übersendung im sog. Ferrari-Fax-Verfahren; die auf diesem Weg übersandten Bescheide sind keine elektronischen Dokumente i.S. des § 87a AO und bedürfen deshalb zu ihrer Wirksamkeit keiner elektronischen Signatur.

3. Per Telefax übersandte Bescheide sind erst mit ihrem Ausdruck durch das --auf automatischen Ausdruck eingestellte-- Empfangsgerät wirksam "schriftlich erlassen" (Anschluss an das BFH-Urteil vom 8. Juli 1998 I R 17/96, BFHE 186, 491, BStBl II 1999, 48, sowie die BGH-Beschlüsse vom 15. Juli 2008 X ZB 8/08, NJW 2008, 2649, und vom 4. Dezember 2008 IX ZB 41/08, WM 2009, 331). Hat das Empfangsgerät nach dem unwiderleglichen Vortrag des Adressaten den Bescheid nicht ausgedruckt, gehen die sich daraus ergebenden Zweifel an der wirksamen Bekanntgabe zu Lasten der Finanzbehörde.

Tatbestand

1

I. Nach einer beim Kläger und [X.] (Kläger) durchgeführten Außenprüfung erließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) für 2001 einen erstmaligen sowie für 2002 einen nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung ([X.]) geänderten Bescheid über die gesonderte Feststellung der Einkünfte des [X.] aus dessen freiberuflicher Tätigkeit als Steuerberater. Dementsprechend änderte das [X.] die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre 2001 und 2002 nach Maßgabe des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] und erfasste für 2001 zugleich einen zuvor nicht berücksichtigten Veräußerungsgewinn.

2

Gegen alle Bescheide legte der Kläger Einspruch ein, den das [X.] mit zusammengefasster Einspruchsentscheidung (für alle Einsprüche) vom 17. September 2008 als unbegründet zurückwies.

3

Die Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung erfolgte im Wege des sog. [X.]. Es ist dadurch gekennzeichnet, dass der Sachbearbeiter des Finanzamts eine E-Mail mit einer angehängten Datei, die den Text des zu faxenden Schreibens (wie im Streitfall die Einspruchsentscheidung) enthält, über das Intranet der Finanzverwaltung an deren Rechenzentrum schickt. Das Rechenzentrum wandelt die Textdatei in ein Telefax um und sendet es über das Telefonnetz mittels Tonsignalen an die angegebene Nummer. Die E-Mail wird nicht mit einer elektronischen Signatur versehen. Liegt das Zeichnungsrecht beim Sachgebietsleiter, muss dieser den Steuerfall an seinem Computer freigeben, bevor die E-Mail verschickt werden kann.

4

Diesem Verfahren entsprechend veranlasste das [X.] die Übersendung der Einspruchsentscheidung über das Rechenzentrum an den Kläger. Zugleich druckte es den Text der Einspruchsentscheidung aus und nahm den Ausdruck mit dem Sendebericht vom 17. September 2008 zu den Steuerakten.

5

Nachdem das [X.] den Kläger wegen Nichtzahlung der geändert festgesetzten Steuern gemahnt hatte, machte dieser unter Vorlage seines [X.] geltend, das Telefax mit der Einspruchsentscheidung sei im [X.] seines Büros nicht eingegangen. Das im September 2008 genutzte --inzwischen nicht mehr im Betrieb befindliche-- [X.] sei als Zentraldrucker, Scanner, Kopierer sowie für Erhalt und Versand von [X.] benutzt worden und habe eingehende Telefaxe automatisch ausgedruckt.

6

Das [X.] übergab dem Kläger am 17. November 2008 eine Kopie der Einspruchsentscheidung, in der die Rechtsmittelbelehrung gestrichen worden war.

7

Am 20. November 2008 erhob der Kläger "wegen Einkommensteuer 2001, 2002 und 2003" Klage mit dem Antrag, "die Einkommensteuer gemäß den Steuererklärungen und dem Einspruchsschreiben entsprechend festzusetzen und zu veranlagen". Mit der Klagebegründung nahm er Bezug auf die Einspruchsentscheidung

"wegen der Einkommensteuerbescheide 2001 und 2002, die aufgrund eines Betriebsprüfungsergebnisses erlassen worden waren und gegen die ich Rechtsbehelf eingelegt hatte".

8

Mit am 4. September 2009 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz machte er geltend, die Klage richte sich auch gegen die gesonderte Feststellung der Einkünfte für 2001 und 2002.

9

Auf seinen Antrag hat das Finanzgericht ([X.]) durch Zwischenurteil die Zulässigkeit der Klage mit der Begründung festgestellt, der Kläger habe die Klagefrist i.S. des § 47 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) gewahrt. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2010, 618 veröffentlicht.

Dagegen richtet sich die Revision des [X.].

Es trägt vor, das angefochtene Urteil gehe unter Verletzung der §§ 87a, 119 und 366 [X.] davon aus, dass die mit [X.] versandte Einspruchsentscheidung nicht schriftlich i.S. des § 366 [X.] ergangen und ohne qualifizierte elektronische Signatur nichtig sei.

Zum einen liege keine Verwaltungsentscheidung in Form eines elektronischen Dokuments vor. Die Einspruchsentscheidung genüge auch den übrigen Formvorschriften des § 119 [X.]. Danach müsse der Verwaltungsakt die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder Namenswiedergabe des zeichnungsberechtigten Bearbeiters enthalten (§ 119 Abs. 3 Sätze 1 und 2 [X.]). Bei einer schriftlich erteilten Einspruchsentscheidung sei demnach eine eigenhändige Unterschrift nicht zwingend erforderlich. Es genüge die Namenswiedergabe des zeichnungsberechtigten Sachgebietsleiters.

Die nach § 119 Abs. 3 Satz 3 [X.] erforderliche Signatur solle lediglich die eigenhändige Unterschrift im elektronischen Verkehr ersetzen. Sei eine Unterschrift für den betreffenden Verwaltungsakt nicht erforderlich, so könne auch keine Signatur verlangt werden.

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Gesichtspunkte könne im Streitfall, der bisherigen Rechtsprechung des [X.] ([X.]) folgend, das Schriftformerfordernis nur an der behaupteten fehlenden Verkörperung der Einspruchsentscheidung beim Kläger scheitern. Hierzu habe das [X.] jedoch keine ausreichenden Sachverhaltsfeststellungen getroffen.

Bei der vom Kläger geschilderten [X.], wonach alle eingehenden Telefaxe automatisch ausgedruckt würden, ohne dass es der Mitwirkung eines Mitarbeiters bedürfe, könne grundsätzlich nach erfolgreichem Zugang der Telefonsignale von der schriftlichen Verkörperung eingehender Verwaltungsentscheidungen ausgegangen werden. Gescheitert sein könne im Streitfall ein solcher Ausdruck nur an Fehlern, die vom Empfänger selbst zu verantworten seien (z.B. Papierstau, Stromausfall).

Im [X.] erhalte der Absender nach Abschluss der Übertragung immer einen sog. qualifizierten Sendebericht. Neben den Übertragungsdaten werde zusätzlich der Inhalt des gesendeten Dokuments in verkleinerter Form angezeigt. Auf jeder Seite des Dokuments seien die Übertragungsdaten zusätzlich --nochmals-- aufgedruckt. Bei dieser Übertragungs- und Dokumentationsform seien Fehler nahezu ausgeschlossen. Danach könne das [X.] im Streitfall den vollständigen Empfang der Telefonsignale am 17. September 2008 mit dem qualifizierten Sendebericht nachweisen.

Im Übrigen stelle sich unter Berücksichtigung der heutigen Kommunikationsformen die grundsätzliche Frage, ob für die Wirksamkeit eines per Telefax übermittelten Verwaltungsakts weiterhin an der bisher höchstrichterlich geforderten tatsächlichen Verkörperung beim Empfänger angeknüpft werden müsse. In den meisten Büros befänden sich keine einfachen Telefaxgeräte mehr, sondern Geräte mit verschiedenen Funktionen, sodass das empfangene Telefax nicht nur ausgedruckt, sondern auch gespeichert oder an Computer anderer Mitarbeiter weitergeleitet werden könne.

Diese Vorgänge spielten sich in der Risikosphäre des Empfängers ab und seien dem Absender nicht zugänglich. Der Absender könne über das Sendeprotokoll mit "[X.] nur die vollständige Übertragung der Signale nachweisen, habe aber keinen Überblick darüber, ob der Empfänger das Telefax sofort oder erst später ausgedruckt, gelöscht, gespeichert oder weitergeleitet habe. Der Empfänger habe dagegen die Möglichkeit, durch Speicherung oder Druck der Protokolldateien nachzuweisen, dass ihn ein Telefax in der fraglichen Zeit nicht erreicht habe.

Den Nachweis, dass ein elektronisch übermitteltes Dokument beim Empfänger auch tatsächlich ausgedruckt worden sei, könne der Absender regelmäßig nicht erbringen.

Es dürfe aber nicht allein dem Empfänger bzw. aus Sicht des Absenders dem Zufall überlassen bleiben, über die Qualifizierung und damit die Formerfordernisse des erhaltenen Verwaltungsakts zu bestimmen. Der Empfänger könnte durch eigenes Zutun eine schriftliche Verkörperung jederzeit verhindern.

Nach alledem sei davon auszugehen, dass die per [X.] übermittelte schriftliche Einspruchsentscheidung am 17. September 2008 wirksam bekannt gegeben worden und dagegen verspätet Klage erhoben worden sei.

Das [X.] beantragt, das Zwischenurteil des [X.] Köln aufzuheben und die Klage als unzulässig abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen.

Zu Recht macht das [X.] zwar geltend, das angefochtene Urteil verletze mit seiner Auffassung, die im Streitfall ergangene Einspruchsentscheidung sei ein elektronisches Dokument und bedürfe deshalb zu ihrer Wirksamkeit einer elektronischen Signatur, materielles Recht (nachfolgend unter [X.]). Die [X.] erweist sich aber aus anderen Gründen als rechtmäßig (§ 126 Abs. 4 [X.]O, nachfolgend unter II.2.).

1. Rechtsfehlerhaft ist das [X.] davon ausgegangen, dass die streitige Übersendung der Einspruchsentscheidung im Wege des sog. [X.] als Übersendung eines elektronischen Dokuments wegen fehlender elektronischer Signatur den Lauf der Klagefrist gegen die streitbefangenen Gewinnfeststellungs- und Einkommensteuerbescheide nicht in Gang gesetzt hat und allein deshalb nicht von einer Verfristung der Klage auszugehen ist.

a) Nach ständiger [X.]FH-Rechtsprechung wird eine gesetzlich gebotene Schriftform auch durch Übersendung per [X.] gewahrt ([X.]FH-Urteil vom 4. Juli 2002 V R 31/01, [X.], 337, [X.], 45).

aa) Ein [X.] gewährleistet gleichermaßen den mit dem Gebot der Schriftlichkeit verfolgten Zweck, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können. Zudem weist ein [X.] gleichermaßen aus, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Willen des [X.]erechtigten dem Empfänger zugeleitet worden ist (vgl. [X.]eschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.] vom 5. April 2000 GmS-OG[X.] 1/98, [X.] --NJW-- 2000, 2340, unter I[X.]). Dementsprechend ist nach der dem technischen Fortschritt auf dem Gebiet der Telekommunikation Rechnung tragenden Rechtsprechung die Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per [X.] in allen Gerichtszweigen uneingeschränkt zulässig (vgl. [X.]eschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.] in NJW 2000, 2340, unter [X.], m.w.N.; Urteil des [X.]sozialgerichts vom 13. März 2001 [X.] 3 KR 12/00 R, [X.]SGE 88, 1; Urteil des [X.] vom 11. Januar 2006 L 1 P 14/05, juris).

bb) Für die Übermittlung von Steuerbescheiden gilt auf dieser Grundlage nichts anderes ([X.]FH-Urteile vom 8. Juli 1998 I R 17/96, [X.]FHE 186, 491, [X.]St[X.]l II 1999, 48; vom 18. August 2009 X R 25/06, [X.]FHE 226, 77, [X.]St[X.]l II 2009, 965, unter [X.]ezugnahme auf das [X.]FH-Urteil vom 28. Mai 2009 III R 84/06, [X.]FHE 225, 11, [X.]St[X.]l II 2009, 949 zur bejahten Wirksamkeit einer einen Verwaltungsakt mündlich widerrufenen Mitteilung; die Verfassungsbeschwerde gegen das [X.]FH-Urteil in [X.]FHE 226, 77, [X.]St[X.]l II 2009, 965 hat das [X.]verfassungsgericht mit [X.]eschluss vom 29. Oktober 2012  2 [X.]vR 2579/09, juris, nicht zur Entscheidung angenommen; [X.]FH-[X.]eschluss vom 31. März 1998 I S 8/97, [X.]FH/NV 1998, 1318; Güroff in [X.]eermann/Gosch, [X.] § 122 Rz 32; vgl. auch [X.]FH-[X.]eschluss vom 27. Juni 2001 X [X.] 23/01, [X.]FH/NV 2001, 1529).

cc) Die Übersendung per [X.] ist auch nicht als Übersendung eines elektronischen Verwaltungsakts anzusehen, für den nach § 87a Abs. 4 [X.] eine Signatur erforderlich wäre (vgl. § 119 Abs. 3 Satz 3 [X.]). Denn die Wirksamkeit einer [X.]ekanntgabe behördlicher oder gerichtlicher Entscheidungen per [X.] wird nach der Rechtsprechung des [X.]verwaltungsgerichts ([X.]VerwG) durch die Einfügung der Vorschriften über den elektronischen Rechtsverkehr in die [X.] nicht berührt, weil ein Computerfax oder [X.] kein elektronisches Dokument darstellt ([X.]VerwG-[X.]eschluss vom 30. März 2006  8 [X.] 8/06, [X.], 1989; ebenso [X.]/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 19. Aufl., § 55a Rz 5).

Per [X.] übermittelte Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidungen erfordern keinen besonderen Nachweis der Urheberschaft (Authentizität) und keinen besonderen Schutz vor nachträglicher Veränderung (Integrität). Insoweit unterscheiden sie sich maßgeblich von elektronischen Dokumenten, die leicht elektronisch änderbar sind und deren Absicherung die Regelungen zur qualifizierten Signatur allein bezwecken (vgl. [X.]eschluss des [X.]gerichtshofs --[X.]GH-- vom 14. Januar 2010 VII Z[X.] 112/08, [X.]GHZ 184, 75, unter [X.]ezugnahme auf den [X.]GH-[X.]eschluss vom 4. Dezember 2008 IX Z[X.] 41/08, [X.] –[X.] Zivilrecht --NJW-RR-- 2009, 357 und [X.]TDrucks 14/4987, S. 24; [X.]TDrucks 15/4067, S. 37 f. zu § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung).

Für andere Dokumente stellt sich selbst bei Übermittlung per [X.] --wie im [X.] das Problem der Integrität nicht anders als bei traditionell übermittelten Schriftstücken, für die eine qualifizierte Signatur nicht erforderlich ist ([X.]VerwG-[X.]eschluss in [X.], 1989).

b) Für das [X.] ist ersichtlich eine abweichende [X.]eurteilung nicht geboten. Denn das im Rahmen dieses Verfahrens vom Rechenzentrum der Finanzverwaltung auf Veranlassung des [X.] abgesandte und auf dem [X.] eingehende [X.] entspricht hinsichtlich Format und Abänderbarkeit den im "normalen" [X.] übermittelten Dokumenten, für die das [X.] --wie ausgeführt-- ohne [X.]indung an die Vorschriften für elektronische Dokumente zulässig ist.

Auf die im [X.]ereich der Finanzverwaltung bis zur Absendung durch das Rechenzentrum ablaufenden Vorgänge kommt es schon deshalb nicht an, weil es sich bis zur Absendung der [X.]escheide lediglich um Entwürfe bzw. nicht rechtsverbindliche Fassungen handelt, die frühestens mit Absendung (hier durch das Landesrechnungszentrum) rechtliche Wirkung gegenüber Steuerpflichtigen entfalten.

2. Die angefochtene [X.] erweist sich indessen aus anderen Gründen als rechtmäßig (§ 126 Abs. 4 [X.]O).

a) Obwohl die im sog. [X.] übersandten Entscheidungen der Finanzverwaltung nicht anders als andere per [X.] übersandte Dokumente keine elektronischen Dokumente i.S. des § 87a [X.] sind und infolgedessen wie auf dem Postweg übersandte Steuerbescheide weder einer Unterschrift noch einer Signatur nach dem Signaturgesetz bedürfen, ist mit der Vorinstanz [X.] auch aus anderen als den von ihr angenommenen und unter [X.] verworfenen [X.] davon auszugehen, dass die einmonatige Frist zur Erhebung der Klage gegen die angefochtenen [X.]escheide nach § 47 Abs. 1 [X.]O gewahrt ist.

Die Klagefrist läuft nicht an, wenn die anzufechtende Entscheidung --wie im Streitfall die Einspruchsentscheidung des [X.]-- nicht wirksam bekannt gegeben wird ([X.]FH-Urteil vom 20. Oktober 1987 VII R 19/87, [X.]FHE 151, 24, [X.]St[X.]l II 1988, 97) und dieser Mangel auch nicht geheilt wird (vgl. [X.]FH-Urteil vom 25. Januar 1994 VIII R 45/92, [X.]FHE 173, 213, [X.]St[X.]l II 1994, 603).

b) Im Streitfall fehlt eine wirksame [X.]ekanntgabe der Einspruchsentscheidung.

aa) Nach den für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des [X.] (§ 118 Abs. 2 [X.]O) druckte das im Streitzeitraum verwendete und inzwischen nicht mehr vorhandene [X.]gerät des [X.], an das die Einspruchsentscheidung übersandt wurde, zwar jeweils nach Maßgabe der technischen Einstellungen "automatisch" (ohne Tätigkeit des Empfängers oder seiner [X.]ediensteten) eingehende [X.]e aus. Ein entsprechender Ausdruck der Einspruchsentscheidung wurde aber nach dem unwiderleglichen Vortrag des [X.] unter [X.]ezugnahme auf sein Posteingangsbuch nicht von ihm vorgefunden.

bb) Ohne eine solche Verkörperung fehlte es an der nach den §§ 122, 124 [X.] erforderlichen [X.]ekanntgabe der --nach § 366 [X.] schriftlich zu erlassenden-- Einspruchsentscheidung. Sie kann zwar durch [X.] übermittelt werden, ist aber bei dieser Form der Übermittlung erst mit dem Ausdruck durch das empfangende [X.]gerät "schriftlich" erlassen.

(1) Dabei kann nach der [X.]FH-Rechtsprechung nicht allein wegen des Sendeberichts des Sendegeräts (sog. "OK"-Vermerk) und eines Eingangsvermerks im [X.] des angewählten Geräts nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises davon ausgegangen werden, dass der betroffene [X.]escheid ordnungsgemäß übermittelt und ausgedruckt worden ist ([X.]FH-Urteil in [X.]FHE 186, 491, [X.]St[X.]l II 1999, 48, unter [X.]ezugnahme auf das [X.]GH-Urteil vom 7. Dezember 1994 VIII ZR 153/93, NJW 1995, 665; [X.] Urteil des [X.] vom 16. Dezember 1992  7 U 5553/92, NJW 1993, 2447; [X.]eschluss des Kammergerichts [X.]erlin vom 4. März 1994  5 W 7083/93, NJW 1994, 3172; [X.]eschluss des [X.] vom 4. Januar 1995  27 W 20/94, Monatsschrift für Deutsches Recht --[X.]-- 1995, 411; zur Notwendigkeit eines Ausdrucks als Voraussetzung einer wirksamen [X.]ekanntgabe Urteil des [X.] vom 25. Juli 2013  1 K 759/09, juris; Schmittmann, [X.] 1994, 1081; [X.]/[X.], [X.] 1996, 230; [X.]/[X.], NJW 1996, 417, 425; [X.] in [X.]/[X.], Nachschlagewerk des [X.]gerichtshofs, § 144 ZPO Nr. 12; [X.], Wirtschaftsrechtliche [X.]eratung 1995, 355; a.A. z.[X.]. Urteil des [X.] vom 12. Januar 1993  3/8 0 208/91, Recht der internationalen Wirtschaft 1994, 778; [X.]urgard, [X.]etriebs-[X.]erater 1995, 222, und in Archiv für die civilistische Praxis 195, 74, 132).

(2) Auch nach der Rechtsprechung des [X.]GH wird die erforderliche Schriftform einer bekannt zu gebenden Entscheidung nicht schon dadurch hergestellt, dass sie nach Übersendung durch [X.] zunächst im Empfangsgerät elektronisch gespeichert wird. Vielmehr ist die Schriftform --im Gegensatz zu der fristwahrenden Wirkung von elektronisch eingelegten Rechtsbehelfen bereits bei elektronischer Speicherung ([X.]GH-[X.]eschlüsse vom 25. April 2006 IV Z[X.] 20/05, [X.]GHZ 167, 214, Rz 18; vom 8. Mai 2007 VI Z[X.] 74/06, NJW 2007, 2045, Rz 12; vom 15. September 2009 XI Z[X.] 29/08, juris, Rz 16; vom 18. November 2010 I Z[X.] 62/10, juris, Rz 5; vom 17. April 2012 XI Z[X.] 4/11, juris; [X.]eschluss des [X.] vom 27. August 2012 U 32/12, [X.] 2013, 55)-- erst mit dem Ausdruck des gespeicherten Dokuments erfüllt ([X.]GH-[X.]eschlüsse in [X.]GHZ 167, 214, Rz 21; in NJW 2008, 2649, Rz 11, und in NJW-RR 2009, 357, Rz 8). Dementsprechend hat auch der Senat die erforderliche Schriftform einer elektronisch übermittelten [X.] erst mit ihrem Ausdruck als gegeben angesehen ([X.]FH-Urteil vom 22. Juni 2010 VIII R 38/08, [X.]FHE 230, 115, [X.]St[X.]l II 2010, 1017).

cc) Nach dieser Rechtsprechung kommt es auf den Einwand des [X.], ein solcher fehlender Ausdruck beruhe allenfalls auf Fehlern in der Sphäre des Empfängers (wie z.[X.]. Papierstau und ähnliche Umstände), ersichtlich nicht an. Denn für den Zugang von [X.]escheiden trägt im Zweifel die Finanzbehörde die [X.]eweislast (vgl. [X.]FH-Urteile vom 12. März 2003 [X.], [X.]FH/NV 2003, 1031; vom 18. November 2003 VII R 5/02, [X.]FH/NV 2004, 1057). Für den möglichen Sonderfall, dass ein Ausdruck eingehender [X.]e durch den [X.]ekanntgabeempfänger vorsätzlich verhindert wird und deshalb ausnahmsweise eine Speicherung im [X.]gerät des [X.]ekanntgabeempfängers für ausreichend erachtet werden könnte (vgl. [X.]FH-Urteil in [X.]FHE 186, 491, [X.]St[X.]l II 1999, 48), sind Anhaltspunkte im Streitfall weder vorgetragen noch ersichtlich.

Abgesehen davon zeigt die Regelung des § 122 Abs. 2 Halbsatz 2 [X.] den ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, dem Finanzamt "im Zweifel" die [X.]eweislast für den Zugang von [X.]escheiden aufzuerlegen. [X.] rechtsmissbräuchlichem Verhalten von Empfängern der [X.]escheide kann die [X.]ehörde im Übrigen durch Zustellung der [X.]escheide mittels Zustellungsurkunde angemessen begegnen.

Ist --wie im Streitfall nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des [X.] (§ 118 Abs. 2 [X.]O)-- ein automatisch vorgesehener Ausdruck tatsächlich nicht erfolgt, kann der Empfänger in der Regel nicht erkennen, dass ein solches [X.] im Gerät eingegangen ist. Davon muss er --bei automatischem Ausdruck eingehender [X.]e wie im [X.] grundsätzlich auch nicht ausgehen, sodass eine regelmäßige Pflicht, Sendeprotokolle hinsichtlich eingegangener, aber nicht ausgedruckter [X.]e zu prüfen, die Sorgfaltspflichten der Adressaten überspannen würde.

dd) Die Aushändigung einer [X.]escheidkopie an den Kläger unter Streichen der Rechtsmittelbelehrung stellt schon wegen des erkennbaren Willens des [X.], keinen [X.]escheid zu erlassen, keine Zweitbescheidung dar, die ihrerseits den Lauf einer Rechtsbehelfsfrist hätte auslösen können.

(1) Gemäß § 124 Abs. 1 [X.] ist für die Wirksamkeit eines Steuerbescheides die [X.]ekanntgabe notwendige Voraussetzung. Die [X.]ekanntgabe muss vom Willen der den Steuerbescheid erlassenden [X.]ehörde getragen werden. Ein ohne [X.]ekanntgabewillen zur Kenntnis gebrachter Verwaltungsakt erlangt daher keine Wirksamkeit ([X.]FH-Urteile vom 27. Juni 1986 VI R 23/83, [X.]FHE 147, 205, [X.]St[X.]l II 1986, 832; vom 24. November 1988 V R 123/83, [X.]FHE 155, 466, [X.]St[X.]l II 1989, 344; zum Sonderfall einer vollständigen [X.]escheidkopie zur Heilung einer früheren fehlerhaften [X.]ekanntgabe vgl. [X.]FH-[X.]eschluss vom 7. November 2008 X [X.] 55/08, [X.]FH/NV 2009, 195; [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 124 [X.] Rz 8 ff.; Güroff in [X.]eermann/Gosch, [X.] § 124 Rz 7).

(2) Der [X.]ekanntgabewille fehlt, wenn die Übersendung eines Schriftstücks nicht zu dem Zweck erfolgt, die an eine [X.]ekanntgabe geknüpften Rechtsfolgen herbeizuführen, sondern etwa nur der Information des Empfängers über den Inhalt eines bei den Akten befindlichen Schriftstücks dienen soll (vgl. Urteil des [X.] vom 11. März 1985 V OE 82/82, Rechtsprechung der [X.] Verwaltungsgerichte 1985, 81; Urteil des [X.] Düsseldorf vom 11. September 1985 VIII 325/81 V, E[X.] 1986, 55).

Insbesondere das Streichen der Rechtsbehelfsbelehrung zeigt, dass sich an die Übersendung der [X.]escheidkopie keine Rechtsfolgen knüpfen sollten (vgl. dazu [X.]FH-Urteil vom 22. Oktober 1986 I R 254/83, [X.]FH/NV 1988, 10).

Meta

VIII R 9/10

18.03.2014

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend FG Köln, 5. November 2009, Az: 6 K 3931/08, Zwischenurteil

§ 87a Abs 4 AO, § 118 AO, § 119 Abs 3 AO, § 122 Abs 2 AO, § 124 Abs 1 AO, § 366 AO, § 47 Abs 1 FGO, § 126 Abs 4 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 18.03.2014, Az. VIII R 9/10 (REWIS RS 2014, 7033)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7033

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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