Bundesfinanzhof, Urteil vom 09.12.2014, Az. X R 45/11

10. Senat | REWIS RS 2014, 563

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Wirksame Bekanntgabe einer im Wege des sog. Ferrari-Fax-Verfahrens übermittelten und vom Empfangsgerät ausgedruckten Einspruchsentscheidung


Leitsatz

NV: Eine im sog. Ferrari-Fax-Verfahren übermittelte Einspruchsentscheidung, die vom Empfangsgerät ausgedruckt wird, ist kein elektronisches Dokument i.S. des § 87a AO und bedarf von daher zu ihrer Wirksamkeit keiner elektronischen Signatur .

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 17. März 2010  15 K 3625/08 E wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielte Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Im [X.] an eine Steuerfahndungs- sowie eine Umsatzsteuersonderprüfung rechnete der Beklagte und Revisionsbeklagte (das [X.]inanzamt --[X.]--) dem Kläger für das Streitjahr (2003) Gewinne aus einem Garten- und [X.]andschaftsbaubetrieb zu, die dieser über einen Strohmann erzielt habe. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies das [X.] mit Einspruchsentscheidung vom 17. Juli 2008 als unbegründet zurück. Die Bekanntgabe erfolgte an die [X.] als steuerliche Vertreterin des [X.], die Übermittlung der Einspruchsentscheidung erfolgte per Computerfax im sog. [X.]errari-[X.]ax-Verfahren.

2

Unter Beifügung eines vom 21. Juli 2008 datierenden Anschreibens, in dem darauf hingewiesen wurde, dass eine Klage bis zum 17. August 2008 erhoben werden müsse, leitete Rechtsanwalt [X.] die Einspruchsentscheidung an den Kläger weiter.

3

Die mit Telefax vom 17. September 2008 erhobene Klage ging am selben Tag beim [X.]inanzgericht ([X.]) ein. Zusammen mit der Klage beantragte der Kläger wegen Versäumung der Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und begründete dies im Wesentlichen damit, den --zwar schon am 22. Juli 2008 abgestempelten-- Umschlag erst am 5. September 2008 in seinem Briefkasten vorgefunden zu haben. Zur Glaubhaftmachung legte er zunächst das Anschreiben des [X.], eine Kopie eines Briefumschlags mit Poststempel vom 22. Juli 2008, eine Gesprächsnotiz vom 5. September 2008 über einen Anruf im Büro des [X.] sowie eine schriftliche Bestätigung seiner [X.]ebensgefährtin ([X.]) vom "6. September 2009" vor. Darin erklärte [X.], das Schriftstück mit dem [X.]. ... habe sich erst am [X.]reitag, den "5. September 2009", im Briefkasten des [X.] befunden. Mit eidesstattlicher Versicherung vom 28. September 2008 bestätigte sie, dass "die Angaben in meinem Schreiben vom [X.] richtig" seien. Im weiteren [X.] legte der Kläger eine ergänzende, nach den [X.]eststellungen des [X.] von [X.] vorgefertigte und im [X.] am 19. November 2008 von [X.] unterschriebene eidesstattliche Versicherung vor.

4

Das [X.] wies die Klage nach Vernehmung der [X.] als Zeugin wegen Versäumung der Klagefrist als unzulässig ab. Hierbei ging es von einer wirksamen Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung aus. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme nicht in Betracht, da nicht festgestellt werden könne, dass der Kläger an der Einhaltung der Klagefrist schuldlos gehindert gewesen sei. Dem stehe bereits entgegen, dass sich ein Verschulden des [X.], welches sich der Kläger wie ein eigenes Verschulden zurechnen lassen müsse, an dem Versäumen der Klagefrist nicht ausschließen lasse. Im Übrigen habe auch der Kläger nicht glaubhaft machen können, das auf den 21. Juli 2008 datierte Schriftstück erst am [X.]reitag, dem 5. September 2008, erhalten zu haben.

5

Mit der Revision macht der Kläger geltend, das [X.] gehe zu Unrecht davon aus, die Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung sei wirksam per Computerfax erfolgt. Als [X.] habe das [X.] gemäß § 122 Abs. 2a der Abgabenordnung ([X.]) den 21. Juli 2008 angenommen, so dass es die erst am 17. September 2008 erhobene Klage als verfristet angesehen habe. Dabei habe das Gericht übersehen, dass es im Streitfall an der nach § 366 [X.] erforderlichen schriftlichen Erteilung der Einspruchsentscheidung fehle, da diese lediglich per Computerfax ohne qualifizierte elektronische Signatur (§ 119 Abs. 3 Satz 3 [X.]) übermittelt worden sei. Damit sei die Einspruchsentscheidung nur elektronisch, nicht aber schriftlich übermittelt, so dass es insgesamt an einer wirksamen, die Klagefrist in Gang setzenden Bekanntgabe fehle.

6

Der Kläger beantragt,
das [X.]-Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

7

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist unbegründet und daher nach § 126 Abs. 2 der [X.]inanzgerichtsordnung ([X.]O) zurückzuweisen.

9

1. Das [X.] ist --ohne die [X.]rage zu [X.] im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, die Übersendung der Einspruchsentscheidung im Wege des in [X.] üblichen sog. [X.] habe auch ohne qualifizierte elektronische Signatur zu einer wirksamen Bekanntgabe und damit zur Ingangsetzung der Klagefrist geführt.

a) Bei der Übersendung eines Verwaltungsaktes, wie vorliegend der streitigen Einspruchsentscheidung, im Wege des sog. [X.] handelt es sich nicht um die Übersendung eines elektronischen Dokuments, sondern um eine Übersendung per Telefax, das die gesetzlich gebotene Schriftform für behördliche und gerichtliche Entscheidungen wahrt. Einer elektronischen Signatur i.S. des § 87a Abs. 4 AO bedurfte es deshalb nicht.

Zur Begründung verweist der erkennende Senat auf die Ausführungen des [X.]. Senats des [X.] in seinem Urteil vom 18. März 2014 [X.] R 9/10 ([X.], 484, [X.] 2014, 748, unter [X.]), denen er folgt.

b) Anders als in dem in [X.], 484, [X.] 2014, 748 zu beurteilenden [X.]all stellt sich die Problematik, ob die wirksame Bekanntgabe einer Verkörperung durch einen entsprechenden Ausdruck bedarf, nicht. Es ist unstreitig, dass [X.] die über sein Telefaxgerät empfangene Einspruchsentscheidung ausgedruckt und dem Kläger mit Schreiben vom 21. Juli 2008 zugeleitet hat. Streitig war allein die [X.]rage, wann die Weiterleitung durch [X.] und der Zugang beim Kläger erfolgten. Die erst am 17. September 2008 erhobene Klage war damit verfristet.

2. Gründe dafür, dass das [X.] die Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist nach § 56 [X.]O zu Unrecht nicht gewährt habe, macht der Kläger nicht geltend. Solche sind auch nicht erkennbar. Dies hätte insbesondere vorausgesetzt, dass der Kläger ohne Verschulden verhindert war, diese gesetzliche [X.]rist einzuhalten (vgl. § 56 Abs. 1 [X.]O), und dass er die Tatsachen zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags bei Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft gemacht hat (§ 56 Abs. 2 Satz 2 [X.]O).

Das [X.] hat dies aufgrund seiner tatsächlichen [X.]eststellungen, die der Kläger nicht mit Revisionsrügen angegriffen hat und die den Senat deswegen nach § 118 Abs. 2 [X.]O binden, rechtsfehlerfrei verneint.

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

X R 45/11

09.12.2014

Bundesfinanzhof 10. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 17. März 2010, Az: 15 K 3625/08 E, Urteil

§ 87a Abs 4 AO, § 122 Abs 2 AO, § 366 AO, § 119 Abs 3 S 3 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 09.12.2014, Az. X R 45/11 (REWIS RS 2014, 563)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 563

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VIII R 9/10 (Bundesfinanzhof)

Keine wirksame Bekanntgabe einer im Wege des sog. Ferrari-Fax-Verfahrens übermittelten, aber nicht vom Empfangsgerät ausgedruckten …


VIII R 38/08 (Bundesfinanzhof)

Wirksamkeit einer Klage mit eingescannter Unterschrift - Anforderungen an die Schriftform bei der Klageerhebung


VII R 30/10 (Bundesfinanzhof)

(Formunwirksamkeit einer Klageerhebung per E-Mail ohne qualifizierte Signatur - Geringfügige Überschreitung der Frist zur Übermittlung …


VIII R 28/13 (Bundesfinanzhof)

Wahrung der Festsetzungsfrist durch Übersendung eines Steuerbescheids im Wege des Telefax-Verfahrens


7 K 1023/21 (FG Nürnberg)

Bescheid, Feststellung, Beschwerde, Vermietung, Frist, Klage, Aufhebung, Form, Internet, Einspruch, Klageschrift, Gesellschaft, Minderung, Gerichtsbescheid, Vermietung …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.