Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.01.2013, Az. IV ZR 232/10

4. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 8981

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Gegenstand

Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes: Transparenz der Berechnung der Startgutschrift nach der geänderten Satzung der VBL


Leitsatz

§ 80 Satz 1 VBLS verstößt nicht gegen das Transparenzgebot.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 6. Zivilkammer des [X.] vom 24. September 2010 aufgehoben, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist, und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 24. November 2009 auch im Übrigen zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis 900 € festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Startgutschrift, die ihr als beitragsfrei versicherter Person von der beklagten [X.] und der Länder nach Umstellung der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst erteilt wurde.

2

Mit Neufassung ihrer Satzung vom 22. November 2002 (BAnz. [X.] vom 3. Januar 2003; im Folgenden: [X.]) ersetzte die Beklagte ihr früheres - auf dem Versorgungstarifvertrag vom 4. November 1966 ([X.]) beruhendes - endgehaltsbezogenes, im Umlageverfahren finanziertes Gesamtversorgungssystem durch ein auf einem Punktemodell beruhendes Betriebsrentensystem. Den Systemwechsel hatten die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes im Tarifvertrag Altersversorgung vom 1. März 2002 ([X.]) vereinbart.

3

Die neue Satzung der [X.] enthält Übergangsregelungen zum Erhalt von bis zur Systemumstellung erworbenen [X.]en. Diese werden wertmäßig festgestellt und als so genannte Startgutschriften auf die neuen [X.] übertragen. Dabei werden zunächst die Versicherten, deren Versorgungsfall noch nicht eingetreten ist, in [X.] und [X.] (Pflicht-)Versicherte unterschieden. Die Anwartschaften der [X.]n Versicherten werden weitgehend nach dem alten Satzungsrecht ermittelt und übertragen. Hingegen werden die Anwartschaften der [X.]n Versicherten nach den §§ 78 Abs. 1 und 2, 79 Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. § 18 Abs. 2 [X.] (in der Fassung des [X.] zur Änderung des [X.] der betrieblichen Altersversorgung vom 21. Dezember 2000, [X.] I S. 1914; im Folgenden auch: [X.]) berechnet.

4

Die Bestimmung der Anwartschaften der am 1. Januar 2002 beitragsfrei Versicherten, die am 1. Januar 2002 nicht mehr pflichtversichert waren, ohne dass ein Anspruch auf Betriebsrente bestand, und die nicht als pflichtversichert gelten, ist in § 80 [X.] geregelt, der - fast wortgleich mit § 34 Abs. 1 [X.] - lautet:

"§ 80 Anwartschaften für am 1. Januar 2002 beitragsfrei Versicherte

Die Anwartschaften der am 1. Januar 2002 beitragsfrei Versicherten werden nach der am 31. Dezember 2001 geltenden Versicherungsrentenberechnung ermittelt (…)."

5

Die am 4. Oktober 1954 geborene Klägerin, die zu den [X.]n Jahrgängen gehört, war vom 1. April 1975 bis zum 31. August 1993 als Beschäftigte im öffentlichen Dienst insgesamt 151 Monate bei der [X.] pflichtversichert. Diese erteilte der Klägerin zum 31. Dezember 2001 gemäß § 80 [X.] i.V.m. § 44 [X.] a.F. eine Startgutschrift für beitragsfrei Versicherte in Höhe von 18,13 Versorgungspunkten (entsprechend einer monatlichen [X.] von 72,53 €).

6

Die Klägerin meint, die ihr erteilte Startgutschrift lege den Wert ihrer im früheren Gesamtversorgungssystem erlangten Anwartschaft nicht verbindlich fest. Sie hat die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihr eine Startgutschrift zu erteilen, deren Höhe wie die [X.] berechnet werde, hilfsweise aus dem [X.] der für sie entrichteten Beiträge und Umlagen, hilfsweise gemäß § 2 [X.]. Weiterhin hat sie beantragt festzustellen, dass die Beklagte bei der Berechnung der Startgutschrift verpflichtet sei, die Entgelte gemäß § 43 [X.] a.F. bis zum 31. Dezember 2001 zu dynamisieren und danach den Altersfaktor gemäß § 36 Abs. 3 [X.] n.F. anzuwenden. Hilfsweise hat sie beantragt festzustellen, dass die von der [X.] erteilte Startgutschrift den Wert der von ihr bis zum 31. Dezember 2001 erlangten Anwartschaft auf eine bei Eintritt des Versicherungsfalles zu leistende Betriebsrente nicht verbindlich festlege.

7

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin im Übrigen dem zuletzt genannten Hilfsantrag stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Revision.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision hat Erfolg; sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückweisung der Berufung, soweit dem Hilfsantrag der Klägerin stattgegeben worden ist.

9

I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die der Klägerin erteilte Startgutschrift unverbindlich. Ob die Erwägungen in dem [X.]surteil vom 14. November 2007 ([X.], [X.], 127) zur Berechnung der Anwartschaften der rentenfernen Versicherten auf die Verhältnisse der beitragsfrei Versicherten übertragbar seien, könne dahinstehen. Jedenfalls sei die Übergangsregelung des § 80 [X.] schon wegen Intransparenz gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1, Abs. 3 Satz 2, § 310 Abs. 4 Satz 3 [X.] unwirksam. Insbesondere der Umstand, dass die Frage der Bedeutung des vom [X.] als verfassungswidrig erkannten § 44a [X.] a.F. im Rahmen der Verweisung nicht verdeutlicht werde, verstoße gegen das Verständlichkeitsgebot.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat die der Klägerin erteilte Startgutschrift zu Unrecht für unverbindlich erklärt.

1. In vier Urteilen vom 29. September 2010 ([X.], [X.], 63; [X.], juris; [X.], juris; [X.], juris) hat der [X.] grundsätzlich über die beitragsfrei Versicherten gemäß § 80 Satz 1 [X.] erteilten Startgutschriften entschieden.

a) Der [X.] hat § 80 Satz 1 [X.] nach dem maßgeblichen Verständnis des durchschnittlichen Versicherten so ausgelegt, dass die Anwartschaften entsprechend der - für die Klägerin maßgeblichen - Berechnung der (einfachen) [X.] nach § 44 [X.] a.F. oder - bei unverfallbaren Anwartschaften - der (qualifizierten) [X.] gemäß § 18 Abs. 2 [X.] n.F. (in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung) festgestellt werden ([X.]surteile vom 29. September 2010, [X.], [X.], 63 Rn. 12 ff.; [X.], juris Rn. 12 ff.; [X.], juris Rn. 9 ff.; [X.], juris Rn. 12 ff.).

b) Mit der Verweisung auf § 18 Abs. 2 [X.] n.F. hielt die Übergangsregelung des § 80 Satz 1 [X.] einer Rechtsprüfung nicht in vollem Umfang stand. Da sie auf einer maßgeblichen Grundentscheidung der Tarifvertragsparteien beruht, war dem [X.] eine Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. [X.] verwehrt ([X.]surteile vom 29. September 2010, [X.], [X.], 63 Rn. 22 f.; [X.], juris Rn. 22 f.; [X.], juris Rn. 19 f.; [X.], juris Rn. 22 f.; jeweils m.w.N.). Im Rahmen der gebotenen Überprüfung anhand der Grundrechte und grundgesetzlichen Wertentscheidungen hat der [X.] entschieden, dass die Übergangsregelung für beitragsfrei Versicherte gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, soweit sie auf die Berechnung der [X.] nach § 18 Abs. 2 [X.] Bezug nimmt und daher ein Versorgungssatz von 2,25% für jedes volle Jahr der Pflichtversicherung zugrunde zu legen ist ([X.]surteile vom 29. September 2010, [X.], [X.], 63 Rn. 28 ff.; [X.], juris Rn. 28 ff.; [X.], juris Rn. 25 ff.; [X.], juris Rn. 28 ff. unter Bezugnahme auf das [X.]surteil vom 14. November 2007 - [X.], [X.], 127 Rn. 128 ff.).

2. Ob die Übergangsregelung des § 80 Satz 1 [X.] auch wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam ist, hat der [X.] in den Urteilen vom 29. September 2010 offengelassen, weil es darauf für die damals in Rede stehende Berechnung der qualifizierten [X.] gemäß § 18 Abs. 2 [X.] n.F. nicht ankam ([X.]surteile vom 29. September 2010, [X.], [X.], 63 Rn. 37; [X.], juris Rn. 38; [X.], juris Rn. 37). Für die hier maßgebliche Bezugnahme auf die Berechnung der einfachen [X.] nach § 44 [X.] a.F. ist diese Frage entscheidungserheblich und zu verneinen.

a) Da eine Inhaltskontrolle der Übergangsregelung des § 80 Satz 1 [X.] ausscheidet, kommt auch eine Überprüfung am Maßstab des [X.] gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 [X.] nicht in Betracht.

b) Im Übrigen ist die in Rede stehende Übergangsregelung nicht intransparent.

aa) Nach dem Transparenzgebot ist der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen ([X.]surteil vom 24. März 1999 - [X.], [X.], 137, 143). Der durchschnittliche Versicherte kann § 80 Satz 1 [X.] entnehmen, dass darin nicht auf bestimmte Berechnungsregeln, insbesondere nicht auf die §§ 44 und 44a [X.] a.F. Bezug genommen wird, sondern nur auf die Berechnung der - einfachen oder qualifizierten - [X.] als solche und damit letztlich auf den Betrag, der sich für den jeweiligen beitragsfrei Versicherten errechnet, wenn die Voraussetzungen nach dem am [X.] maßgeblichen Satzungsrecht erfüllt sind (vgl. [X.]surteile vom 29. September 2010, [X.], [X.], 63 Rn. 14; [X.], juris Rn. 14; [X.], juris Rn. 11; [X.], juris Rn. 14). Die Verweisung auf die "am 31. Dezember 2001 geltende [X.]nberechnung" verdeutlicht, dass es sich um alle Vorschriften handeln soll, die an diesem Tag nach der Satzung der Beklagten für die Berechnung der [X.] einschlägig waren.

bb) Zudem ist ein Verstoß gegen das Transparenzgebot nicht schon dann gegeben, wenn der Versicherte keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Sinn des [X.] ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Versicherte von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Erst in der Gefahr, dass der Versicherte wegen unklar abgefasster Allgemeiner Geschäftsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung i.S. von § 307 Abs. 1 [X.] (vgl. [X.]surteile vom 17. März 1999 - [X.], [X.], 153, 159; vom 23. November 1994 - [X.], [X.], 54, 60 f.; [X.] NZA 2009, 538, 547 m.w.N.; [X.]E 122, 12, 18 f. m.w.N.). Eine solche Gefahr ist hier weder dargelegt noch sonst erkennbar. Dass sich die Rechtsstellung der Klägerin durch die Verweisung verschlechtert, zeigt die Revisionserwiderung nicht auf. Dagegen spricht bereits, dass sich die Übergangsregelung darauf beschränkt, den Inhalt einer früher maßgeblichen Berechnung festzuschreiben.

c) Schließlich begegnet die Übergangsregelung, soweit sie auf die - zur Berechnung der einfachen [X.] der Klägerin herangezogene - Bestimmung des § 44 [X.] a.F. verweist, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Dies hat der [X.] in den Urteilen vom 29. September 2010 ([X.], [X.], 63 Rn. 27; [X.], juris Rn. 27; [X.], juris Rn. 24; [X.], juris Rn. 27) näher begründet. Bereits mit Urteil vom 14. Januar 2004 ([X.], [X.], 453 unter [X.]) hat er entschieden, dass die Regelung des § 44 [X.] a.F. hinzunehmen ist (vgl. auch [X.]surteil vom 15. Februar 2006 - [X.], [X.], 684 Rn. 11). Soweit sie für die [X.]nberechnung im Rahmen der Übergangsregelung herangezogen wird, ist eine abweichende Beurteilung nicht geboten. Dementsprechend hat der [X.] schon in seiner Entscheidung vom 28. März 2007 ([X.], [X.], 1214 Rn. 10 ff.) die Berechnung einer auf § 80 Satz 1 [X.] i.V.m. § 44 [X.] a.F. beruhenden Startgutschrift nicht beanstandet.

[X.]                                          [X.]

                  [X.]                        [X.]

Meta

IV ZR 232/10

16.01.2013

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Karlsruhe, 24. September 2010, Az: 6 S 23/09

§ 80 S 1 VBLSa, § 307 Abs 1 S 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.01.2013, Az. IV ZR 232/10 (REWIS RS 2013, 8981)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8981

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