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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
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PDF anzeigen[X.]/03vom4. November 2003in der [X.] 2 -Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 4. November 2003 gemäߧ 349 Abs. 2 und 4 StPO [X.] Auf die Revision der Angeklagten wird das [X.]eil des [X.] vom 29. April 2003 im Rechtsfolgenausspruchmit den Feststellungen aufgehoben.2. Die weitergehende Revision der Angeklagten gegen das vor-bezeichnete [X.]eil wird als unbegründet verworfen.3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.].Gründe:Das [X.] hat die Angeklagte wegen Betruges in Tateinheit [X.] in 138 Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahrenverurteilt und ihre Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus [X.]. Die hiergegen gerichtete Revision der Angeklagten rügt die [X.]. Das Rechtsmittel hat Erfolg, soweit es den Rechtsfolgen-ausspruch betrifft, ist im übrigen jedoch unbegründet im Sinne des § 349 Abs.2 StPO.- 3 - I.Nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen wurde der [X.] wegen Diebstahls vorbestraften Angeklagten von einer namentlich nichtbekannten Person die im November 2000 in [X.] gestohlene EC-Karte [X.]zur Verfügung gestellt. Diese Person wies die Ange-klagte an, in bestimmten Geschäften näher bezeichnete Waren unter Verwen-dung dieser gestohlenen EC-Karte zu erwerben. Da der Angeklagten die PIN-Nummer der EC-Karte nicht bekannt war, suchte sie mit dieser nur solche Ge-schäfte an verschiedenen Orten im [X.] auf, die sich in [X.] der EC-Karte des sog. Lastschriftverfahrens bedienten ([X.]). [X.] zwischen dem 2. April und dem 17. August 2001 trat sie dort [X.] zahlungswillige und zahlungsfähige Kundin auf. Bei der Bezahlung ihrerEinkäufe mit der EC-Karte der [X.]erweckte sie den Anschein, siesei die Berechtigte und unterschrieb die entsprechenden Belege, mit denen [X.] erteilte, mit dem Namen der berechtigten Karteninhabe-rin. In dieser Weise verfuhr sie [X.] und [X.] sich so die unter-schiedlichsten Gegenstände, u.a. Bekleidung, Haushalts- und Spielwaren, aberauch sog. Hummelfiguren, Teddybären der Marke [X.] und Puppen. [X.]widerrief jeweils die Einzugsermächtigung, so daß die auf den [X.] Geschäftsinhaber erfolgten Gutschriften rückbelastet wurden. Der enstan-dene Gesamtschaden beläuft sich auf mehr als 50.000 [X.] hat eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit [X.] während der von ihr begangenen Taten (positiv) festgestellt. [X.] liege eine "reaktiv-depressive Verstimmung nach [X.] (Interna-tionale Klassifikation psychischer Störungen der [X.] belastenden Lebensumständen auf dem Boden einer hierzu disponierten- 4 -Persönlichkeitsstruktur" vor. Diese reaktiv-depressive Störung bestehe [X.]. Die Angeklagte erlebe Situationen des Ladendiebstahls oder auchder hier gegenständlichen betrügerischen Einkäufe als eine Veränderung ihrerLebensumstände; sie erfahre diese subjektiv als "leidensmindernd", weil diejeweilige Tat zu einer kurzfristigen "Befindlichkeitsaufwertung" führe. Das gelteauch in den Fällen, in denen die Angeklagte zu den Taten durch [X.] oder bestimmt worden sei. Die [X.] hat deshalb von der [X.] Gebrauch gemacht, den der Strafzumessung zugrundegelegten Strafrah-men nach den §§ 21, 49 Abs. 1 Nr. 2 StGB zu mildern.Darüber hinaus hat sie die Unterbringung der Angeklagten in [X.] Krankenhaus angeordnet (§ 63 StGB). Die bei ihr festgestellteseelische Abartigkeit sei bislang nicht adäquat behandelt worden. Es bestehedie Gefahr, daß sie weiterhin in Belastungssituationen Eigentums- und Vermö-gensdelikte begehe, die im weitesten Sinne "zu dem Umfeld der [X.]" gehörten. Die Angeklagte unterliege immer wieder dem mehr oder [X.] unwiderstehlichen Zwang, derartige Delikte zu begehen. Deshalb sei zuerwarten, daß sie ohne Behandlung weiter gleichartige Delikte begehe. Sie seideshalb für die Allgemeinheit gefährlich. II.Der Schuldspruch hat aus den vom [X.] in seiner An-tragsschrift dargelegten Gründen von Rechts wegen Bestand (§ 349 Abs. 2StPO). [X.] Annahme erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB)der Angeklagten während der Taten und die Anordnung ihrer Unterbringung in- 5 -einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) begegnen hingegen durch-greifenden rechtlichen Bedenken.1. Die [X.] geht mit dem von ihr hinzugezogenen psychiatri-schen Sachverständigen davon aus, die Angeklagte habe unter einer reaktiv-depressiven Verstimmung gelitten; sie habe mit den Taten eine "emotionaleBefindlichkeitsaufwertung" erlebt, die sie nach [X.] unter der Kategorie [X.] einordnet, als —schwere andere seelische Abartigkeitfi (im Sinne des § 20StGB) bewertet und die zu einer erheblichen Einschränkung ihrer Steuerungs-fähigkeit geführt habe. Diese Würdigung ist jedoch in tatsächlicher wie auch inrechtlicher Hinsicht durch die [X.]eilsgründe nicht tragfähig [X.]) Nach der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen - kli-nisch-diagnostische Leitlinien - ([X.] 10 Kapitel [X.]) handelt es sich bei den sog. Anpassungsstörungen ([X.]) um Zu-stände von subjektivem Leiden und emotionaler Beeinträchtigung, die sozialeFunktionen und Leistungen behindern und während des [X.] einer entscheidenden Lebensveränderung, nach einem belastenden Le-bensereignis oder auch nach schwerer körperlicher Krankheit auftreten. Unterder Bezeichnung [X.]1, die der Sachverständige hier angenommen hat, [X.] "leichter depressiver Zustand als Reaktion auf eine länger anhaltende Be-lastungssituation, die aber nicht länger als zwei Jahre dauert" beschrieben. [X.] nicht nahe, daß eine solche, als "leichter depressiver Zustand" zu bewer-tende Befindlichkeit bei der Angeklagten [X.] freilich auf der Grundlage einer ent-sprechend disponierten Persönlichkeit [X.] zu einer, wie die [X.] aus-führt, schweren seelischen Abartigkeit im Sinne des Eingangsmerkmals des§ 20 StGB geführt haben könnte. Dies hätte der näheren Darlegung und [X.] -Eine solche Begründung läßt sich nicht etwa dem Zusammenhang [X.] entnehmen. Zwar stellt die [X.] fest, die Angeklagte ha-be zwischen 1984 und 1996 —im Überfluß Alkohol und Tabletten zu sich ge-nommenfi; sie leide seit längerer [X.] an Depressionen, habe im [X.] 2002[X.] also nach den Taten [X.] einen [X.] mit Tabletten unternommen [X.] darauf zwei Wochen stationär in einer Psychiatrischen Klinik behandeltworden. Der Sachverständige hat die durchgehend belastenden Lebensum-stände der Angeklagten im wesentlichen in der Trennung von ihrem erstenEhemann, in der Erkrankung ihres jetzigen Mannes sowie in den gegen siegeführten Strafverfahren gesehen ([X.]. [X.]). Auch diese fest-gestellten Umstände belegen aber nicht ohne weiteres die Erfüllung des [X.] der schweren anderen seelischen Abartigkeit (§ 20 StGB).b) Ohne weitere Begründung ist zudem nicht tragfähig belegt, [X.] Steuerungsfähigkeit in einem Maße beeinträchtigt gewesen sein könnte,daß die rechtliche Kategorie der "Erheblichkeit" im Sinne des § 21 StGB sichererreicht gewesen wäre. Soweit die Kammer mit dem Sachverständigen [X.], die Taten habe die Angeklagte als Befindlichkeitsaufwertung erlebt, [X.] sie einem Leidensdruck entgangen sei, und auch insoweit auf die reak-tiv-depressive Verstimmung abhebt, die letztlich auf die Belastung durch Tren-nung vom ersten Ehemann, Erkrankung des zweiten Ehemannes und die Straf-verfahren gegen die Angeklagte zurückgeführt wird, ist dadurch eine —erhebli-chefi Verringerung der Steuerungsfähigkeit im Blick auf Betrug und Urkunden-fälschung nicht hinreichend dargetan.Die Frage, ob eine Verminderung der Steuerungsfähigkeit "erheblich" [X.] des § 21 StGB ist, stellt sich als Rechtsfrage dar. Diese hat der Tatrich-ter ohne Bindung an Äußerungen von Sachverständigen zu beantworten. [X.] 7 -bei fließen normative Erwägungen mit ein. Die rechtliche Erheblichkeit [X.] des Hemmungsvermögens hängt auch von den Ansprüchen ab,die die Rechtsordnung an das Verhalten des Einzelnen zu stellen hat. Dies zubewerten und zu entscheiden ist Sache des Richters. Allein zur Beurteilung [X.] nach den medizinisch-psychiatrischen Anknüpfungstatsachen bedarfer sachverständiger Hilfe, sofern er hierzu nicht aufgrund eigener Sachkundebefinden kann ([X.]St 43, 66, 77; [X.], 309, 310; [X.], [X.]. vom10. September 2003 - 1 StR 147/03).2. Soweit die Annahme der Voraussetzungen des § 21 StGB zur [X.] des von der Kammer zugrundegelegten Strafrahmens geführt hat, ist [X.] zwar nicht beschwert. Im Zusammenhang mit der Anordnung ihrerUnterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, die sie ausdrücklich mitihrem Rechtsmittel angreift, vermag der [X.] aber nicht auszuschließen, daßsie sich auch zu Lasten der Angeklagten ausgewirkt haben kann. Denn [X.] nach § 63 StGB setzt wenigstens die sichere Annahme erheb-lich verminderter Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB voraus. Ist diese miteinem Rechtsfehler behaftet, kann die Unterbringungsordnung schon deswe-gen keinen Bestand haben. Darüber hinaus erweisen sich aber auch die Erwä-gungen des [X.]s zu den weiteren Voraussetzungen der [X.] nicht tragfähig:Die Angeklagte hat die Taten zwischen April und August des [X.] begangen. Die aufgrund sachverständiger Beratung angenommene [X.] der Angeklagten dauert nach der Beschreibung in der Internationa-len Klassifikation psychischer Störungen ([X.] [X.]1) "aber nicht [X.] zwei Jahre" an. Unter diesen Umständen hätte auch die [X.] Angeklagten und ihrer Taten zum [X.]punkt der Hauptverhandlung, die- 8 -knapp zwei Jahre nach den Taten stattfand, im Rahmen der Prognose hieraufeingehen müssen. Hinzu kommt, daß die Angeklagte sich zum [X.]punkt der[X.]eilsverkündung seit etwa neun Monaten wieder auf freiem Fuß befand [X.] [X.]eil nicht ergibt, daß sie in dieser [X.] aufgrund ihres Zustandes erneutstraffällig geworden wäre.3. Nach allem bedarf die Frage des Vorliegens einer erheblich vermin-derten Steuerungsfähigkeit zu den [X.] ebenso wie die Anordnung [X.] der Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus neuerVerhandlung und Entscheidung. Der Rechtsfolgenausspruch kann deshalbinsgesamt keinen Bestand haben. Nicht betroffen ist hingegen der Schuld-spruch. Der [X.] vermag aufgrund der bisherigen, insoweit rechtsfehlerfreigetroffenen Feststellungen sicher auszuschließen, daß die Angeklagte im Zu-stand der Schuldunfähigkeit gehandelt haben könnte.[X.]Boetticher Schluckebier Hebenstreit Elf
Meta
04.11.2003
Bundesgerichtshof 1. Strafsenat
Sachgebiet: StR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.11.2003, Az. 1 StR 384/03 (REWIS RS 2003, 894)
Papierfundstellen: REWIS RS 2003, 894
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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