Bundessozialgericht, Beschluss vom 12.12.2022, Az. B 9 V 19/22 B

9. Senat | REWIS RS 2022, 8916

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - soziales Entschädigungsrecht - Soldatenversorgung - Beweislastumkehr oder Beweismaßreduzierung in bestimmten anerkannten Fallkonstellationen - keine grundsätzliche Bedeutung der Anwendung auf den konkreten Einzelfall


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 28. April 2022 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Der Kläger begehrt in der Hauptsache die Feststellung einer Wehrdienstbeschädigung und Versorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz ([X.]).

2

Das [X.] hat den Anspruch wie vor ihm der Beklagte und das [X.] verneint. Die rezidivierende Kehlkopfpapillomatose des [X.] sei nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit durch schädigende Einwirkungen im Sinne des [X.] während seines Hochwassereinsatzes im Jahr 2013 verursacht worden. Wie der erstinstanzlich gehörte Sachverständige W vielmehr überzeugend dargelegt habe, würden HPV-Viren nur durch sehr intensiven Körper- und vor allem Schleimhautkontakt übertragen. Dazu sei es bei dem Einsatz auch nach dem Vortrag des [X.] nicht gekommen. Zu einer Umkehr der Beweislast führten weder der zeitliche Zusammenhang zwischen dem Auftreten der Infektion und dem Hochwassereinsatz noch das Fehlen von Vorschädigungen bei Diensteintritt (Urteil vom 28.4.2022).

3

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde zum B[X.] eingelegt. Das [X.] habe die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache verkannt.

4

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] ist unzulässig. Die Begründung verfehlt die gesetzlichen Anforderungen, weil sie die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht ordnungsgemäß dargelegt hat (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G).

5

1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Fragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB B[X.] Beschluss vom [X.] [X.] 3/20 B - juris Rd[X.]4; B[X.] Beschluss vom [X.] - B 5 R 401/16 B - juris Rd[X.] 6). Diese Darlegungsanforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht.

6

Der Kläger misst sinngemäß der Frage grundsätzliche Bedeutung bei,

ob bei einer während der [X.] aufgetretenen und festgestellten Gesundheitsschädigung eine Beweislastumkehr oder zumindest eine Reduzierung des Beweismaßes zugunsten des [X.] vorzunehmen ist, wenn als Ursache für die Gesundheitsschädigung ein Ereignis während der [X.], gleichfalls aber auch ein Ereignis außerhalb der [X.] in Betracht kommt, für das keine konkreten Feststellungen zur Möglichkeit der Verursachung getroffen werden können.

7

Damit formuliert die Beschwerdebegründung indes bereits keine klare Rechtsfrage iS des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer bestimmten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 [X.]G) mit höherrangigem Recht. Unabhängig davon legt sie aber auch keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf für den mit der Frage angesprochenen Problemkreis dar. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (stRspr; zB B[X.] Beschluss vom 17.10.2018 - [X.] V 20/18 B - juris Rd[X.] 9 mwN). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung substantiiert vorgetragen werden, dass das B[X.] zu diesem [X.] noch keine Entscheidung gefällt hat oder durch die schon vorliegenden Entscheidungen die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet worden ist (vgl stRspr; zB B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] SB 23/19 B - juris Rd[X.] 9 mwN). Hieran fehlt es.

8

Zwar thematisiert die Beschwerde mögliche Beweiserleichterungen im Recht der Soldatenversorgung und der [X.] Entschädigung. Auf die hierzu bereits ergangene Rechtsprechung des B[X.] geht sie jedoch nicht im gebotenen Maße ein. So hat sich das B[X.] im [X.] Entschädigungsrecht bereits mehrfach mit Fragen der Beweiserleichterung bis hin zur Beweislastumkehr befasst (vgl zB B[X.] Urteil vom 18.5.2006 - [X.]a V 2/05 R - [X.] 4-3100 § 1 [X.] Rd[X.]2; B[X.] Urteil vom 3.2.1999 - [X.] V 33/97 R - B[X.]E 83, 279 = [X.] 3-3900 § 15 [X.] - juris Rd[X.]3 ff; B[X.] Urteil vom [X.] [X.] - [X.] 3-1750 § 444 [X.] - juris Rd[X.]4 ff; B[X.] Beschluss vom 9.12.2016 - [X.] V 35/16 B - juris Rd[X.]4; B[X.] Beschluss vom 2.10.2008 - [X.] [X.] 3/08 B - [X.] 4-1500 § 124 [X.] Rd[X.] 8). Auch der Gesetzgeber hat den typischerweise im [X.] Entschädigungsrecht vorkommenden Beweisschwierigkeiten durch begrenzte Regeln zu Gunsten der Geschädigten Rechnung getragen. Insbesondere genügt zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer ([X.] schon die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs (§ 1 Abs 3 Satz 1 [X.], § 81 Abs 6 Satz 1 [X.]). Zudem führen Beweisschwierigkeiten oder möglicherweise unzulängliche Ermittlungen einer Behörde nach der Rechtsprechung des B[X.] nicht grundsätzlich zu einer Beweislastumkehr. Diese tritt bei einem Beweisnotstand allenfalls dann ein, wenn er auf einer schuldhaft unterlassenen bzw unvollkommenen Beweiserhebung oder sogar auf einer Beweisvereitelung durch denjenigen beruht, dem die [X.] der Tatsachen zum prozessualen Vorteil gereicht (B[X.] Urteil vom [X.] - [X.]a [X.] 1/05 R - juris Rd[X.]2; B[X.] Beschluss vom 9.12.2016 aaO). Der Kläger zeigt nicht auf, dass sich aus der in der Beschwerdebegründung zitierten Entscheidung des B[X.] vom 2.9.2004 ([X.] [X.] 88/03 R - [X.] 4-1500 § 128 [X.] 5) zur Beweiserleichterung und Beweislastumkehr bei Verletzung von [X.] im Recht der Arbeitslosenversicherung substanziell etwas anderes ergibt. Entsprechendes gilt für das von ihm erwähnte Urteil des B[X.] vom 13.9.2006 (B 11a [X.] 19/06 R - juris).

9

Der Kläger hat keinen trotz dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung fortbestehenden oder neu entstandenen Klärungsbedarf dargelegt. Wie er vielmehr selbst ausführt, können nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung verminderte Anforderungen an die Beweislast zu stellen sein, wenn eine Fallkonstellation dazu Anlass gibt. Die Frage, ob dies auf seinen Einzelfall zutrifft, hat aber keine grundsätzliche Bedeutung. Das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ermöglicht keine allgemeine Überprüfung des Rechtsstreits in dem Sinne, ob das [X.] in der Sache richtig entschieden hat (vgl stRspr; zB B[X.] Beschluss vom 27.8.2018 - [X.] SB 24/18 B - juris Rd[X.] 7 mwN).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]G).

2. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung [X.] zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 Satz 2 und 3 [X.]G).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 [X.]G.

 Kaltenstein

Ch. Mecke

Röhl   

Meta

B 9 V 19/22 B

12.12.2022

Bundessozialgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: V

vorgehend SG Lüneburg, 20. August 2020, Az: S 11 VE 14/18

§ 81 Abs 6 S 1 SVG, § 1 Abs 3 S 1 BVG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 12.12.2022, Az. B 9 V 19/22 B (REWIS RS 2022, 8916)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 8916

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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