Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.11.2018, Az. I R 81/16

1. Senat | REWIS RS 2018, 1754

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Gegenstand

Buchführungspflicht einer ausländischen Immobilienkapitalgesellschaft


Leitsatz

"Andere Gesetze" i.S. des § 140 AO können auch ausländische Rechtsnormen sein. Eine in Deutschland beschränkt körperschaftsteuerpflichtige Aktiengesellschaft liechtensteinischen Rechts ist daher im Inland nach § 140 AO i.V.m. ihrer Buchführungspflicht aus liechtensteinischem Recht buchführungspflichtig .

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Finanzgerichts des [X.] vom 25. Mai 2016  3 K 1521/11 und die Mitteilung des Beklagten vom 1. September 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Dezember 2011 aufgehoben.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Mitteilung des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --[X.]--) über den Beginn der Buchführungspflicht der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) nach § 141 der Abgabenordnung i.d.[X.] des Bilanzrechts ([X.] --BilMoG--) vom 25. Mai 2009 ([X.], 1102, BStBl I 2009, 650) --AO--.

2

Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft liechtensteinischen Rechts. Nach den Feststellungen der Vorinstanz hat sie im Inland keinen ständigen Vertreter und ist deshalb nur mit ihren aus der Vermietung eines im Inland belegenen Grundstücks erzielten Einkünften beschränkt körperschaftsteuerpflichtig (§ 2 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes --[X.]--). Zudem unterliegt sie nach liechtensteinischem Recht in [X.] der Buchführungspflicht. Nachdem die Klägerin für das [X.] aus der Vermietung dieses Grundstücks einen nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f des Einkommensteuergesetzes 2009 (EStG 2009) i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 [X.] als gewerbliche Einkünfte zu erfassenden Gewinn in Höhe von 133.131,82 € erklärt hatte, erließ das [X.] ihr gegenüber mit Bescheid vom 1. September 2011 die Mitteilung nach § 141 Abs. 2 Satz 1 AO über den Beginn der Buchführungspflicht für den Gewerbebetrieb "Vermietung und Verwaltung von Grundbesitz".

3

Die Klage hatte keinen Erfolg (Finanzgericht --[X.]-- des [X.], Urteil vom 25. Mai 2016  3 K 1521/11, Entscheidungen der Finanzgerichte --E[X.]-- 2016, 2024).

4

Gegen das Urteil des [X.] richtet sich die Revision der Klägerin.

5

Die Klägerin rügt die Verletzung materiellen Rechts und beantragt, das Urteil des [X.] und die Verfügung vom 1. September 2011 über den Beginn der Buchführungspflicht in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Dezember 2011 aufzuheben.

6

Das [X.] beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

7

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und der Mitteilung des [X.] über den Beginn der Buchführungspflicht (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

8

1. Die Klage ist zulässig.

9

a) Die Mitteilung nach § 141 Abs. 2 Satz 1 [X.], durch die das [X.] auf die Verpflichtung hinweist, ab Beginn des nächsten Wirtschaftsjahres Bücher zu führen und auf Grund jährlicher Bestandsaufnahmen Abschlüsse zu machen, ist ein rechtsgestaltender Verwaltungsakt, gegen den die Anfechtungsklage (§ 40 Abs. 1 Variante 1 [X.]O) statthaft ist (vgl. [X.], S. 124, rechte Spalte; Senatsbeschluss vom 15. Oktober 2015 I B 93/15, [X.], 309, [X.], 66, Rz 5; Beschluss des [X.] --BFH-- vom 6. Dezember 1979 IV B 32/79, [X.], 300, [X.] 1980, 427; [X.] in [X.], [X.] § 141 Rz 42).

b) Die Klägerin ist durch die Mitteilung beschwert. Zwar hat das [X.] bindend festgestellt (§ 118 Abs. 2 [X.]O), dass die Klägerin in [X.] nach liechtensteinischem Recht buchführungspflichtig ist. Eine auf § 141 [X.] gestützte Buchführungspflicht endet jedoch nicht allein durch ein Unterschreiten der Grenzwerte des § 141 Abs. 1 [X.], sondern erst nach einer entsprechenden Feststellung der Finanzbehörden mit Ablauf des darauf folgenden Wirtschaftsjahres (§ 141 Abs. 2 Satz 2 [X.]; vgl. auch Senatsbeschluss in [X.], 309, [X.], 66, Rz 11; [X.] in [X.], [X.] § 141 Rz 45).

2. Die Klage ist begründet. Die Mitteilung des [X.] vom 1. September 2011 über den Beginn der Buchführungspflicht nach § 141 Abs. 2 Satz 1 [X.] ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 [X.]O).

a) Nach § 141 Abs. 1 Satz 1 [X.] sind gewerbliche Unternehmer, für die sich die Buchführungspflicht nicht aus § 140 [X.] ergibt, u.a. dann verpflichtet, für diesen Betrieb Bücher zu führen und auf Grund jährlicher Bestandsaufnahmen Abschlüsse zu machen, wenn sie nach den Feststellungen der Finanzbehörde für den einzelnen Betrieb einen Gewinn aus Gewerbebetrieb von mehr als 50.000 € im Wirtschaftsjahr gehabt haben. Die Verpflichtung nach § 141 Abs. 1 [X.] ist gemäß § 141 Abs. 2 Satz 1 [X.] vom Beginn des Wirtschaftsjahres an zu erfüllen, das auf die Bekanntgabe der Mitteilung folgt, durch die die Finanzbehörde auf den Beginn dieser Verpflichtung hingewiesen hat.

b) Die Klägerin war bereits nach § 140 [X.] i.V.m. ihrer Buchführungspflicht aus liechtensteinischem Recht (auch im Inland) zur Buchführung verpflichtet, so dass für die Begründung einer Buchführungspflicht gemäß § 141 [X.] kein Raum bestand.

aa) Nach § 140 [X.] hat derjenige, der nach anderen Gesetzen als den Steuergesetzen Bücher und Aufzeichnungen zu führen hat, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, die Verpflichtungen, die ihm nach den anderen Gesetzen obliegen, auch für die Besteuerung zu erfüllen. Ob sich eine materiell-rechtliche Buchführungspflicht isoliert nach Maßgabe von § 140 [X.] i.V.m. ausländischem Recht ergeben kann, ist umstritten (bejahend Schreiben des [X.] vom 16. Mai 2011, [X.], 530, Rz 3; [X.], [X.], 1582; [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 140 [X.] Rz 7; derselbe, Internationale [X.] --[X.]-- 2014, 265; [X.] in [X.], EStG, 17. Aufl., § 49 Rz 46; [X.] in [X.]/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5 Rz A 219; verneinend Urteil des [X.] vom 6. Juni 1934 IV A 42/34, [X.] 1934, 823; Hessisches [X.], Urteil vom 15. November 2012  11 K 3175/09, E[X.] 2013, 503; [X.] Nürnberg, Urteil vom 28. Februar 2013  6 K 875/11, E[X.] 2013, 1018; [X.], Betriebs-Berater --[X.]-- 2014, 2928, 2930; [X.]/Werder, Der Betrieb --[X.]-- 2005, 1480, 1485; Bernütz/ [X.], Internationales Steuerrecht --[X.]-- 2011, 587, 588; [X.], [X.] 2009, 592, 593; Gläser/Birk, [X.] 2011, 762; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 140 [X.] Rz 11; [X.]/[X.], [X.], 220, 221; Koenig/[X.], Abgabenordnung, 3. Aufl., § 140 Rz 11; [X.] in [X.], [X.] § 140 Rz 10; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 49 EStG Rz 633; [X.]/[X.], [X.] 2014, 37; [X.], [X.] 2010, 1171, 1174; Schnitger/[X.], [X.] 2007, 598; Stahl/[X.], [X.] --[X.]-- 2013, 286, 293; [X.], [X.] 2006, 393, 399). Die Frage konnte vom Senat bislang offen gelassen werden (s. Senatsurteile vom 13. September 1989 I R 117/87, [X.], 340, [X.] 1990, 57; vom 14. September 1994 I R 116/93, [X.], 125, [X.] 1995, 238, und vom 25. Juni 2014 I R 24/13, [X.], 404, [X.] 2015, 141, sowie Senatsbeschlüsse vom 9. August 1989 I B 118/88, [X.], 40, [X.] 1990, 175, und in [X.], 309, [X.], 66).

bb) Der Senat schließt sich der Auffassung an, wonach die Regelung des § 140 [X.] nicht nur auf inländische, sondern auch auf ausländische Buchführungspflichten verweist.

aaa) Die in § 140 [X.] verwendete Formulierung ("andere Gesetze") beschränkt sich [X.] wie diejenige in § 4 [X.] ("Gesetz ist jede [X.] nicht nur auf inländische Rechtsnormen. Der Wortlaut des § 140 [X.] ist im Gegenteil offen und lässt eine Erstreckung auch auf ausländische Rechtsnormen zu (so auch [X.] Nürnberg, Urteil in E[X.] 2013, 1018; [X.] in Tipke/[X.], a.a.[X.], § 140 [X.] Rz 7; derselbe, [X.] 2014, 265, 267; [X.]/[X.], [X.] 2014, 37, 38; a.A. Hessisches [X.], Urteil in E[X.] 2013, 503).

bbb) Dies wird auch durch den mit § 140 [X.] verfolgten Zweck, möglichst viele außersteuerliche Pflichten für das [X.] Steuerrecht nutzbar zu machen und dadurch den Steuergesetzgeber zu entlasten, bestätigt ([X.], S. 123; [X.] in Tipke/[X.], a.a.[X.], § 140 [X.] Rz 7; derselbe, [X.] 2014, 265, 269; Gläser/Birk, [X.] 2011, 762; [X.]/[X.], [X.] 2012, 220, 221; [X.] in [X.], [X.] § 140 Rz 2; [X.], [X.] 1972, 1363, 1366; derselbe, [X.] 1973, 32, 35). Dieser Zweck würde nur eingeschränkt erreicht werden, wenn man nur inländische außersteuerliche Pflichten heranziehen könnte. In rechtsstaatlicher Hinsicht werden allerdings Bedenken an den Umstand geknüpft, dass die durch § 140 [X.] in innerstaatliches Recht transformierten ausländischen Rechtsnormen naturgemäß nicht den Maßgaben des [X.]n Grundgesetzes und der Kontrolle des [X.]n Gesetzgebers unterliegen (vgl. [X.] in [X.], [X.] § 140 Rz 10; [X.]/[X.], [X.] 2014, 37, 38; Stahl/ [X.], [X.] 2013, 286, 293). Den rechtsstaatlichen Bedenken kann indessen ggf. mit einer entsprechenden Anwendung des kollisionsrechtlichen ordre public begegnet werden, dem zufolge eine Rechtsnorm eines anderen Staates nicht anzuwenden ist, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des [X.]n Rechts --insbesondere mit den [X.] unvereinbar ist (s. Art. 6 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch). Im Übrigen sind dem [X.]n Gesetzgeber im internationalen Steuerrecht auch in anderen Konstellationen Einflussnahmemöglichkeiten versagt, z.B. in den Fällen der sog. Qualifikationsverkettung und den Regelungen, die ausländische Rechtsnormen auf die inländische Besteuerung durchschlagen lassen (z.B. § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG).

ccc) Schließlich führt auch die Regelung des § 146 Abs. 2 Satz 3 [X.], wonach die Übernahme der Ergebnisse der ausländischen Buchführung für bestimmte Fälle angeordnet wird, zu keiner anderen Beurteilung (vgl. [X.], [X.] 2014, 265, 269; [X.] in [X.]/Söhn/Mellinghoff, a.a.[X.], § 5 Rz A 219; a.A. [X.] Nürnberg, Urteil in E[X.] 2013, 1018). Die Vorschrift bezieht sich auf die Fälle des § 146 Abs. 2 Satz 2 [X.] und vermeidet lediglich eine Pflichtenkollision zwischen inländischen und ausländischen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten (vgl. [X.], [X.] 2002, 498, 501). Eine darüber hinausgehende Aussage, wonach diese Anordnung "logisch" voraussetze, dass nicht bereits über § 140 [X.] durch die ausländischen Buchführungsvorschriften eine inländische Buchführungspflicht begründet wurde, lässt sich der Regelung des § 146 Abs. 2 Satz 3 [X.] nicht entnehmen (vgl. auch [X.], [X.] 2014, 265, 269; [X.] in [X.]/Söhn/Mellinghoff, a.a.[X.], § 5 Rz A 219; a.A. [X.] Nürnberg, Urteil in E[X.] 2013, 1018).

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

I R 81/16

14.11.2018

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 25. Mai 2016, Az: 3 K 1521/11, Urteil

§ 140 AO, § 141 Abs 2 AO, § 49 Abs 1 Nr 2 Buchst f EStG 2009, § 2 Nr 1 KStG 2002, § 8 Abs 1 S 1 KStG 2002, EStG VZ 2011, KStG VZ 2011

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.11.2018, Az. I R 81/16 (REWIS RS 2018, 1754)

Papier­fundstellen: NJW 2019, 1479 REWIS RS 2018, 1754

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5 K 3305/17

7 K 36/18

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