Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.02.2014, Az. VI R 34/13

6. Senat | REWIS RS 2014, 8116

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Gegenstand

Regelmäßige Arbeitsstätte des Fahrers eines Müllfahrzeugs


Leitsatz

1.NV: Der Fahrer eines Müllfahrzeugs ist schwerpunktmäßig auf einem Fahrzeug und damit auswärts tätig.

2. NV: Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und dem Ort an dem er das Fahrzeug übernimmt, sind daher nicht in Höhe der Entfernungspauschale, sondern nach Dienstreisegrundsätzen als Werbungskosten abzugsfähig.

Tatbestand

1

I. [X.]treitig ist, ob Aufwendungen eines Fahrers eines Müllwagens für die Wege zwischen seiner Wohnung und dem Betriebshof eines [X.]ubunternehmers ([X.]) seines Arbeitgebers, auf dem er das Fahrzeug arbeitstäglich übernimmt, nach Maßgabe der Entfernungspauschale zu berücksichtigen sind.

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die in den [X.]treitjahren 2008 und 2009 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger erzielte in den [X.]treitjahren als Fahrer eines Müllfahrzeugs Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 27.739 € (2008) und in Höhe von 31.809 € (2009).

3

[X.] fuhr der Kläger von seiner Wohnung an 229 Arbeitstagen und im [X.] an 238 Arbeitstagen zum 38 km entfernten Betriebshof des [X.] übernahm er das Müllfahrzeug und stellte es als einziges Fremdfahrzeug nach jedem Arbeitstag auch wieder ab. Hierzu war der Kläger aufgrund des "[X.]" befugt. Denn in diesem war zwischen dem Arbeitgeber des [X.] und [X.] die Nutzung eines offenen Abstellplatzes für das von ihm eingesetzte Fahrzeug, die Mitbenutzung der [X.]ozialeinrichtungen durch dessen Mitarbeiter, die Mitbenutzung der Tankstelle gegen [X.]elbstkostenersatz laut jeweiligem Einkaufspreis des [X.] für Dieselkraftstoff und die Nutzung der Werkstatteinrichtungen gegen Kostenersatz vereinbart.

4

In seiner Einkommensteuererklärung für 2008 vom 26. Januar 2009 machte der Kläger Fahrtkosten in Höhe von 5.221,20 € (= 76 km x 229 Tage x 0,30 €) und in der für 2009 vom 29. März 2010 Fahrtkosten in Höhe von 5.426,40 € (= 76 km x 238 Tage x 0,30 €) geltend. Der Ort der Fahrzeugübernahme sei mangels betrieblicher Einrichtung des Arbeitgebers keine regelmäßige Arbeitsstätte. Die Fahrten zur Übernahmestelle würden deshalb nach Reisekostengrundsätzen und nicht lediglich nach Maßgabe der Entfernungspauschale als Werbungskosten geltend gemacht.

5

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) berücksichtigte die geltend gemachten [X.] in den Einkommensteuerfestsetzungen 2008 vom 16. April 2010 und 2009 vom 15. April 2010 lediglich in Höhe der Entfernungspauschale.

6

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 1578 veröffentlicht.

7

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung von § 9 Abs. 1 [X.]atz 3 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (E[X.]tG). Das Finanzgericht ([X.]) habe den Begriff der regelmäßigen Arbeitsstätte fehlerhaft ausgelegt.

8

[X.]ie beantragen,
das angefochtene Urteil des [X.] Rheinland-Pfalz vom 17. Dezember 2012  5 K 2052/10 und die Einspruchsentscheidung vom 9. Juli 2010 aufzuheben sowie die Einkommensteuerbescheide für das [X.] vom 16. April 2010 und das [X.] vom 15. April 2010 dahingehend abzuändern, dass bei den Einkünften des [X.] aus nichtselbständiger Arbeit im [X.] weitere Fahrtkosten in Höhe von 2.611 € und im [X.] in Höhe von 2.533 € als Werbungskosten berücksichtigt werden.

9

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision der Kläger ist [X.]gründet. [X.]ie führt zur [X.]tattga[X.] der Klage (§ 126 Abs. 3 [X.]atz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat den Betriebshof zu Unrecht als regelmäßige Ar[X.]itsstätte des [X.] angesehen.

1. Beruflich veranlasste Fahrtkosten sind Erwerbsaufwendungen und gemäß § 9 Abs. 1 [X.]atz 1 E[X.]tG in Höhe des dafür tatsächlich entstandenen Aufwands als Werbungskosten zu [X.]rücksichtigen. Erwerbsaufwendungen sind grundsätzlich auch die Aufwendungen des Ar[X.]itnehmers für Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Ar[X.]itsstätte. Allerdings sind die Aufwendungen dafür nach § 9 Abs. 1 [X.]atz 3 Nr. 4 E[X.]tG in der in den [X.]treitjahren geltenden Fassung nur [X.]grenzt nach Maßga[X.] einer Entfernungspauschale als Werbungskosten zu [X.]rücksichtigen.

a) Regelmäßige Ar[X.]itsstätte im [X.]inne dieser die [X.]ruflichen Mobilitätskosten nur eingeschränkt [X.]rücksichtigenden Regelung ist nach der neueren Rechtsprechung des erkennenden [X.]enats nur der ortsgebundene Mittelpunkt der dauerhaft angelegten [X.]ruflichen Tätigkeit des Ar[X.]itnehmers und damit der Ort, an dem der Ar[X.]itnehmer seine aufgrund des Dienstverhältnisses geschuldete Leistung zu erbringen hat. Dies ist im Regelfall der Betrieb, Zweig[X.]trieb oder eine Betriebsstätte des Ar[X.]itge[X.]rs, denen der Ar[X.]itnehmer zugeordnet ist und die er nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, also fortdauernd und immer wieder aufsucht ([X.]enatsurteile vom 10. Juli 2008 VI R 21/07, [X.], 391, [X.], 818; vom 9. Juli 2009 VI R 21/08, [X.], 449, [X.], 822; vom 17. Juni 2010 VI R 35/08, [X.], 147, [X.], 852; vom 22. [X.]eptem[X.]r 2010 VI R 54/09, [X.], 127, [X.], 354, m.w.N.; vom 9. Juni 2011 VI R 55/10, [X.], 164, [X.], 38; vom 9. Februar 2012 VI R 44/10, [X.], 431, [X.], 234, und vom 28. März 2012 VI R 48/11, [X.], 82, [X.], 926).

b) Eine Ar[X.]itsstätte ist allerdings nicht jeder [X.]liebige Tätigkeitsort, sondern der Ort, an dem der Ar[X.]itnehmer typischerweise seine Ar[X.]itsleistung im [X.]chwerpunkt zu erbringen hat. Insoweit ist entscheidend, wo sich der ortsgebundene Mittelpunkt der [X.]ruflichen Tätigkeit eines Ar[X.]itnehmers [X.]findet. Dort liegt die eine regelmäßige Ar[X.]itsstätte, die ein Ar[X.]itnehmer nur ha[X.]n kann. Dieser Mittelpunkt der dauerhaft angelegten [X.]ruflichen Tätigkeit [X.]stimmt sich nach den qualitativen Merkmalen einer wie auch immer gearteten Ar[X.]itsleistung, die der Ar[X.]itnehmer an dieser Ar[X.]itsstätte im Einzelnen wahrnimmt oder wahrzunehmen hat, sowie nach dem konkreten Gewicht dieser dort verrichteten Tätigkeit ([X.]enatsurteile vom 19. Januar 2012 VI R 36/11, [X.], 353, [X.], 503, und VI R 32/11, [X.], 936, sowie vom 9. Juni 2011 in [X.], 164, [X.], 38; VI R 36/10, [X.], 160, [X.], 36, und VI R 58/09, [X.], 155, [X.], 34).

c) Ist der Ar[X.]itnehmer nicht an einer solchen dauerhaften [X.]trieblichen Einrichtung tätig, liegt regelmäßig eine Auswärtstätigkeit vor, weil der Ar[X.]itnehmer entweder vorü[X.]rgehend von seiner Wohnung und auch dem ortsgebundenen Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten [X.]ruflichen Tätigkeit ([X.]) entfernt tätig wird oder weil er schon ü[X.]r keinen dauerhaft angelegten ortsgebundenen Bezugspunkt für seine [X.]rufliche Tätigkeit verfügt, sondern nur an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten oder auf einem Fahrzeug eingesetzt wird (vgl. [X.]enatsurteil vom 18. Juni 2009 VI R 61/06, [X.], 59, [X.], 564).

2. Nach diesen Grundsätzen hatte der Kläger keine regelmäßige Ar[X.]itsstätte i.[X.]. des § 9 Abs. 1 [X.]atz 3 Nr. 4 E[X.]tG.

Der Betriebshof des [X.] erfüllt nicht die Voraussetzungen einer solchen. Zum einen unterhält der Ar[X.]itge[X.]r des [X.] dort keine eigene [X.]triebliche Einrichtung. Allein die Befugnis, auf dem Betriebshof eines Dritten ein Fahrzeug abzustellen, die dortige Tankstelle gegen [X.]elbstkostenersatz und die vorhandenen Werkstatteinrichtungen gegen Kostenersatz sowie die auf dem Betriebshof [X.]findlichen [X.]ozialeinrichtungen zu ([X.])nutzen, erlaubt entgegen der Auffassung des [X.] noch nicht den [X.]chluss, dort den Betrieb, Zweig[X.]trieb oder eine Betriebsstätte des Ar[X.]itge[X.]rs zu verorten. Ferner ist der Kläger dort nicht in einer Weise tätig geworden, die es rechtfertigt, diesen Tätigkeitsort als regelmäßige Ar[X.]itsstätte zu [X.]urteilen. Nach den bindenden Feststellungen des [X.] war der Kläger als Fahrer des [X.] und damit schwerpunktmäßig auf einem Fahrzeug eingesetzt, das mangels Ortsfestigkeit seinerseits keine regelmäßige Ar[X.]itsstätte ist ([X.]enatsurteil in [X.], 82, [X.], 926); er war damit auswärts tätig. [X.]elbst wenn der Betriebshof des [X.] als [X.]triebliche Einrichtung des Ar[X.]itsge[X.]rs des [X.] anzusehen wäre, genügt es --entgegen der Auffassung des [X.] und des [X.]-- nicht, dass der Kläger diese nachhaltig (ar[X.]itstäglich) aufgesucht hat. Entscheidend ist vielmehr, dass er seiner eigentlichen Tätigkeit, das Führen des [X.], außerhalb des Betriebshofes des [X.] nachgegangen ist.

3. Die [X.]ache ist spruchreif. Denn Einwände gegen die vom Kläger vorgelegte Berechnung der tatsächlichen Fahrtkosten für die Fahrten zwischen Wohnung und dem Betriebshof des [X.] sind vom [X.] weder vorgetragen noch ersichtlich.

4. Die Ermittlung und Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuer wird dem [X.] ü[X.]rlassen (§ 100 Abs. 2 [X.]atz 2 [X.]O).

Meta

VI R 34/13

06.02.2014

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 17. Dezember 2012, Az: 5 K 2052/10, Urteil

§ 9 Abs 1 S 3 Nr 4 EStG 2008, § 9 Abs 1 S 3 Nr 4 EStG 2009, § 9 Abs 1 EStG 2002, § 9 Abs 1 EStG 2009, EStG VZ 2008, EStG VZ 2009

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.02.2014, Az. VI R 34/13 (REWIS RS 2014, 8116)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 8116

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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11 Sa 961/13

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