Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.11.2011, Az. VIII ZR 106/11

8. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 1403

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Gegenstand

Wohnraummiete: Auskunftsanspruch des Mieters zur tatsächlichen Höhe der von einer Pauschale abgedeckten Betriebskosten


Leitsatz

Ein Auskunftsanspruch des Mieters gegen den Vermieter zur tatsächlichen Höhe der bei der Wohnraummiete von einer Pauschale abgedeckten Betriebskosten gemäß § 242 BGB kommt nur in Betracht, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine nachträgliche Ermäßigung der Betriebskosten bestehen. Dabei sind Ermäßigungen einzelner Betriebskosten nicht relevant, wenn sie durch Erhöhungen in anderen Bereichen ausgeglichen werden .

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des [X.] vom 10. März 2011 wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Kläger sind Mieter einer Dreizimmerwohnung der [X.]eklagten in [X.]  . In § 4 Ziff. 1 des [X.] vom 22. Februar 2007 in Verbindung mit der Anlage [X.] vereinbarten die Parteien eine Nebenkostenpauschale für die in der Anlage zum Mietvertrag näher bezeichneten kalten [X.]etriebskosten in Höhe von 190 € monatlich. Die Grundmiete beträgt monatlich 600 €.

2

Die Kläger halten die Nebenkostenpauschale für zu hoch. Sie verlangen im Wege der Stufenklage - mit der sie die Herabsetzung der Nebenkostenpauschale erstreben - zunächst Auskunft über die Höhe der von der Pauschale erfassten Nebenkosten und [X.]elegeinsicht.

3

Das Amtsgericht hat der Klage auf Auskunft und [X.]elegeinsicht durch Teilurteil stattgegeben. Auf die [X.]erufung der [X.]eklagten hat das [X.]erufungsgericht das Teilurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit der vom [X.]erufungsgericht zugelassenen Revision erstreben die Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Teilurteils.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

5

Das [X.]erufungsgericht hat zur [X.]egründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

6

Den Klägern stehe kein Auskunftsrecht gegen die [X.]eklagte zu. Aus Sinn und Zweck der Vereinbarung einer Nebenkostenpauschale ergebe sich, dass ein Mieter nicht jederzeit Auskunft über die Höhe der betreffenden Nebenkosten verlangen könne. Vielmehr habe er dieser im Rahmen der vertraglichen Vereinbarung sehenden Auges zugestimmt. An dieser Zustimmung müsse er sich grundsätzlich festhalten lassen. Eine Prüfung der Höhe der [X.] sei vor Abschluss des [X.] möglich gewesen. Durch die Vereinbarung einer Pauschale solle gerade die genaue Ermittlung und Abrechnung der betreffenden Kostenarten vermieden werden. Daher sei als Voraussetzung eines Auskunftsanspruchs zu verlangen, dass der Mieter konkrete Anhaltspunkte für eine Veränderung der betreffenden Nebenkosten vortragen müsse. Diese Anhaltspunkte könne der Mieter sowohl aus den Medien, beispielsweise bezüglich der Müllgebühr, als auch aus den Umständen des Einzelfalles, beispielsweise bei Abschaffung eines Gärtners oder Hausmeisters, erhalten.

7

Derartige Anhaltspunkte hätten die Kläger hier nicht vorgetragen. Insbesondere sei die durch die Mieter zu erfolgende Treppenhausreinigung in der Anlage [X.] zum Mietvertrag geregelt. Auch der [X.]etriebskostenspiegel der Stadt [X.]  aus dem [X.] helfe nicht weiter, da dieser sich nicht auf das konkrete Gebäude beziehe. Gleiches gelte für den [X.]etriebskostenspiegel aus dem [X.], der sich auf ganz [X.] beziehe.

II.

8

Diese [X.]eurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist. Das [X.]erufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass den Klägern ein Anspruch aus § 242 [X.]G[X.] auf Auskunft über die Höhe der von der vereinbarten Pauschale erfassten [X.]etriebskosten nicht zusteht.

9

1. Soweit die Kläger von der [X.]eklagten Auskunft verlangen, weil sie die vereinbarte [X.] - von Anfang an - für deutlich überhöht halten, weist das [X.]erufungsgericht zutreffend darauf hin, dass die Kläger im Rahmen ihrer Vertragsautonomie die Höhe der [X.] vereinbart haben. An dieser Vereinbarung müssen sie sich festhalten lassen. Der Vermieter ist grundsätzlich nicht verpflichtet, seine anfängliche Kalkulation einer [X.] offenzulegen (Rips in [X.]/Wall/Rips, [X.]etriebskostenkommentar, 3. Aufl., Rn. 2402; [X.]t-Futterer/Langenberg, Mietrecht, 10. Aufl., § 556 [X.]G[X.] Rn. 24).

Ein Anspruch auf Offenlegung der anfänglichen Kalkulation der [X.]etriebskosten kann auch nicht aus § 560 Abs. 3 [X.]G[X.] hergeleitet werden. Hiernach ist der Vermieter bei einer Ermäßigung der [X.]etriebskosten verpflichtet, die [X.] entsprechend herabzusetzen. Die Vorschrift gilt aber nicht für von vornherein zu hoch angesetzte Pauschalen (MünchKomm[X.]G[X.]/[X.], 5. Aufl., § 560 Rn. 23).

2. Danach kann ein Auskunftsanspruch des Mieters zur tatsächlichen Höhe der von einer Pauschale abgedeckten [X.]etriebskosten gemäß § 242 [X.]G[X.] nur in [X.]etracht kommen, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine nachträgliche Ermäßigung der [X.]etriebskosten bestehen. Denn ohne einen solchen Auskunftsanspruch wäre dem Mieter keine Kontrolle möglich, ob der Vermieter seiner Pflicht aus § 560 Abs. 3 [X.]G[X.] nachgekommen ist, die [X.] bei einer Ermäßigung der [X.]etriebskosten entsprechend herabzusetzen. Dabei sind Ermäßigungen einzelner [X.]etriebskosten nicht relevant, wenn sie durch Erhöhungen in anderen [X.]ereichen ausgeglichen werden ([X.]t-Futterer/Langenberg, aaO, § 560 [X.]G[X.] Rn. 40).

a) Allerdings wird im mietrechtlichen Schrifttum teilweise angenommen, dass dem Mieter ein solcher Auskunftsanspruch nach Ablauf eines jeden Jahres zustehe, ohne dass es der Darlegung besonderer Anhaltspunkte für eine Ermäßigung der von der Pauschale erfassten [X.]etriebskosten bedürfe, da sich erfahrungsgemäß die Höhe der Gesamtbelastung von Jahr zu Jahr ändere (MünchKomm[X.]G[X.]/[X.], aaO, § 560 Rn. 26; [X.]lank/[X.]örstinghaus, Miete, 3. Aufl., § 560 Rn. 18; [X.], Mietrecht Aktuell, 4. Aufl., Rn. [X.]; Rips in [X.]/Wall/Rips, aaO, Rn. 2414 a).

Dem kann - wie das [X.]erufungsgericht mit Recht angenommen hat - in dieser Weite nicht gefolgt werden. Nach zutreffender Auffassung besteht der Auskunftsanspruch nur dann, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich die von der Pauschale erfassten [X.]etriebskosten insgesamt ermäßigt haben ([X.]t-Futterer/Langenberg, aaO, § 560 Rn. 124; [X.]/[X.], [X.]G[X.], Neubearb. 2011, § 560 Rn. 44; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]ieber, Miet- und [X.], 6. Aufl., § 560 Rn. 64). Denn nach dem Sinn und Zweck der vereinbarten Pauschale ist der Vermieter grundsätzlich nicht zur Abrechnung verpflichtet.

Die gemäß § 556 Abs. 2, § 560 [X.]G[X.] - vorbehaltlich anderweitiger Vorschriften - zulässige Vereinbarung einer [X.] erspart dem Vermieter die genaue Abrechnung der [X.]etriebskosten und entlastet ihn damit von dem ansonsten jährlich anfallenden Arbeitsaufwand. Stünde dem Mieter demgegenüber - jährlich - ohne Weiteres ein Auskunftsanspruch über die tatsächliche Höhe der anfallenden [X.]etriebskosten zu, würde diese Arbeitserleichterung für den Vermieter entfallen, während der Mieter den mit der Pauschale verbundenen Vorteil behielte, zumindest vorerst von einem auch zukünftig gleichbleibenden, festen [X.]etrag der [X.]etriebskosten ausgehen zu können ([X.]t-Futterer/Langenberg, aaO, § 556 [X.]G[X.] Rn. 24). Eine solche Unausgewogenheit widerspräche dem Sinn und Zweck der vereinbarten, im beiderseitigen Interesse liegenden Pauschale. Deshalb kann dem Mieter ein Auskunftsanspruch über die tatsächliche Höhe der von einer Pauschale abgedeckten Nebenkosten nur dann zustehen, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine - nachträgliche - Ermäßigung der [X.]etriebskosten ohne Kompensation in anderen [X.]ereichen bestehen.

b) Das [X.]erufungsgericht hat entgegen der Auffassung der Revision rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Kläger hier keine zureichenden Anhaltspunkte für eine nachträgliche Ermäßigung der tatsächlich anfallenden [X.]etriebskosten dargelegt haben. Weder der [X.]etriebskostenspiegel der Stadt [X.]   aus dem [X.] noch derjenige für das gesamte Land aus dem [X.] sind geeignet, eine nachträgliche Ermäßigung der [X.]etriebskosten für die konkrete, von den Klägern gemietete Wohnung darzulegen.

Dr. Frellesen                                               Dr. Hessel                                          Dr. [X.]

                              [X.]                                            Dr. [X.]ünger

Meta

VIII ZR 106/11

16.11.2011

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Köln, 10. März 2011, Az: 1 S 142/09, Urteil

§ 242 BGB, § 556 Abs 2 BGB, § 560 Abs 3 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.11.2011, Az. VIII ZR 106/11 (REWIS RS 2011, 1403)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1403

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

VIII ZR 106/11

I-24 U 25/16

8 U 2907/21

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