Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.03.2021, Az. VII R 43/19

7. Senat | REWIS RS 2021, 7593

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Gegenstand

Voraussetzungen für die Anwendung des ermäßigten Biersteuersatzes


Leitsatz

Die Anwendung des ermäßigten Biersteuersatzes gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 BierStG setzt nicht den Betrieb eines Steuerlagers durch die Brauerei voraus.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 30.10.2019 - 1 K 148/17 (5) aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) stellt seit November 2015 Bier im Brauverfahren her. Ihre Gesamtjahreserzeugung beträgt weniger als 200 000 hl Bier. Sie ist rechtlich und wirtschaftlich von anderen Brauereien unabhängig und benutzt Betriebsräume, die räumlich von anderen Brauereien getrennt sind.

2

Im Oktober 2015 stellte die Klägerin einen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zum Betrieb eines Steuerlagers.

3

In ihren Steueranmeldungen berechnete die Klägerin die Steuer unter Anwendung des ermäßigten Steuersatzes i.S. von § 2 Abs. 2 des [X.]es ([X.]) i.d.[X.] ([X.] 1870). Davon abweichend setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --[X.]--) die Steuer mit 14 Steuerbescheiden, die im Zeitraum vom 23.11.2016 bis 06.06.2017 ergingen, unter Anwendung des [X.] nach § 2 Abs. 1 [X.] mit der Begründung fest, dass die Klägerin nicht Inhaberin einer Erlaubnis zum Betrieb eines Steuerlagers für Bier gemäß § 5 [X.] sei. Sie gelte daher nicht als Brauerei im Sinne des [X.]es, da gemäß § 1 Nr. 9 der Verordnung zur Durchführung des [X.]es (BierStV) i.d.[X.] ([X.] 3262, 3319) eine Brauerei jedes Steuerlager sei, in dem Bier unter Steueraussetzung im Brauverfahren hergestellt und gelagert werden dürfe. Die Einspruchsverfahren blieben erfolglos.

4

Mit Wirkung vom 01.09.2017 wurde der Klägerin die Erlaubnis zum Betrieb eines Steuerlagers für Bier erteilt.

5

Das Finanzgericht ([X.]) urteilte, das [X.] habe die Steuer zu Recht unter Anwendung des [X.] festgesetzt, weil der Klägerin erst am 01.09.2017 eine Erlaubnis zum Betrieb eines Steuerlagers erteilt worden sei. Die ermäßigten Steuersätze kämen nur dann zur Anwendung, wenn es sich bei der unabhängigen Brauerei um ein Steuerlager handele. Durch § 1 Nr. 9 BierStV habe zwar keine verbindliche Definition des in § 2 Abs. 2 [X.] verwendeten Begriffs der Brauerei erfolgen sollen und können. Eine einschränkende Definition des Begriffs der Brauerei wäre auch nicht von der Verordnungsermächtigung des § 29 Abs. 3 Nr. 2 [X.] gedeckt. Dass die ermäßigten Steuersätze nur dann zur Anwendung kämen, wenn es sich bei der Brauerei um ein Steuerlager handele, ergebe sich jedoch u.a. daraus, dass in § 2 Abs. 2 Satz 6 [X.] auch die [X.] genannt würden, die aus der Brauerei unter Steueraussetzung entfernt würden, was ein Steuerlager voraussetze. Darüber hinaus ergebe sich auch aus der Entstehungsgeschichte der Steuerermäßigung, dass diese nur für Steuerlager anzuwenden sei. Bei der Herstellung ohne Erlaubnis handele es sich um eine grundsätzlich nicht erwünschte Sachverhaltsgestaltung.

6

Die Klägerin begründet ihre Revision mit der Verletzung von § 2 Abs. 2 Satz 1 [X.], weil die Tarifbegünstigung keine Erlaubnis als Steuerlagerinhaber voraussetze und sich aus dem Wortlaut der Vorschrift keine Beschränkung auf nur einen Teil der Brauereien ergebe. Daraus, dass zur Gesamtjahreserzeugung auch [X.] gehörten, die bei Inhabern einer Biersteuerlagererlaubnis anfielen, lasse sich eine Einschränkung des Begriffs der Brauerei nicht begründen. Eine einschränkende Auslegung von § 2 Abs. 2 Satz 6 [X.] könne auch nicht durch Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16.12.2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der [X.][X.] [X.] 2008/118-- ([X.] Nr. L 9, 12) begründet werden, weil sich diese Regelung nur auf die Herstellung in einem Verfahren der Steueraussetzung beziehe. Auch der Entstehungsgeschichte lasse sich keine Bestätigung der vom [X.] vorgenommenen Auslegung des § 2 Abs. 2 Satz 6 [X.] entnehmen. Die vom [X.] seiner teleologischen Auslegung zugrunde gelegte Auffassung, kleine Brauereien ohne Erlaubnis seien "unerwünscht", finde im Gesetz, in der Historie und im Unionsrecht keine Grundlage.

7

§ 2 Abs. 2 [X.] verstieße in der Auslegung des [X.] gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot und damit gegen den Parlamentsvorbehalt. Gleiches gelte im Falle einer Regelung des Brauereibegriffs durch § 1 Nr. 9 BierStV. Der Regelungsbereich dieser Norm sei ausdrücklich auf die Biersteuerverordnung begrenzt. Brauereien ohne Erlaubnis von der Steuervergünstigung auszuschließen, wäre darüber hinaus nicht mit Art. 3 des Grundgesetzes vereinbar und widerspräche dem [X.] der [X.] sowie dem Ziel des [X.] Gesetzgebers. Der Begriff der Gesamtjahreserzeugung habe abgesehen davon nur den Sinn, für die Abgrenzung der zu begünstigenden kleinen Brauereien aus der Gesamtmenge aller Brauereien über die Jahreserzeugung hinaus die [X.] einzubeziehen, die in Lizenz gebraut oder zur Herstellung von Bier i.S. des § 1 Abs. 2 Nr. 2 [X.] verwendet würden. Auch die Richtlinie ([X.]) Nr. 92/83 des Rates vom 19.10.1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke [X.] 92/83-- ([X.] --ABlEG-- Nr. L 316, 21) unterscheide nicht danach, ob die Brauerei eine Biersteuerlagererlaubnis habe.

8

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Vorentscheidung aufzuheben und die streitgegenständlichen Biersteuerbescheide vom ... in Gestalt der jeweils dazu ergangenen Einspruchsentscheidung dahingehend zu ändern, dass die Biersteuer unter Anwendung des ermäßigten Steuersatzes i.S. des § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 [X.] festgesetzt wird.

9

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Eine Steuerermäßigung gemäß § 2 [X.] für Hersteller ohne Erlaubnis sei nicht vorgesehen. Infolgedessen seien Regelungen dazu im Biersteuerrecht nicht vorhanden. Der in § 1 Nr. 9 BierStV definierte Begriff der Brauerei könne sich nicht nur auf die Biersteuerverordnung beziehen, sondern sei ebenso für das [X.] anzuwenden, weil unterschiedliche Auslegungen dieses Begriffs im Biersteuerrecht vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen seien. Eine eventuelle rechtliche und wirtschaftliche Abhängigkeit oder ein Brauen unter Lizenz könne bei einem Hersteller ohne Erlaubnis nicht geprüft werden. Demgegenüber hätten Brauereien bei Stellung eines Erlaubnisantrags die rechtlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeiten von anderen Brauereien offenzulegen und entsprechende Unterlagen vorzulegen. Auch die Ermittlung der für die Gewährung der Steuerermäßigung notwendigen Gesamtjahreserzeugung und der Jahreserzeugung sei beim Hersteller ohne Erlaubnis nicht vorgesehen, so dass die jeweiligen [X.] für das jeweilige [X.] nicht feststellbar seien.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Die Vorentscheidung verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 [X.]O). Das [X.] ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der ermäßigte [X.] i.S. des § 2 Abs. 2 Satz 1 [X.] nur dann zur Anwendung kommt, wenn es sich bei der unabhängigen Brauerei, in der das Bier hergestellt wird, um ein Steuerlager i.S. des § 4 [X.] handelt. Der [X.] kann jedoch nicht selbst abschließend entscheiden, weil das [X.] --von seinem Standpunkt aus zu [X.] keine Feststellungen zur Jahreserzeugung getroffen hat.

1. Der [X.] entscheidet gemäß §§ 121 Satz 1, 90 Abs. 2 [X.]O ohne mündliche Verhandlung, da die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichtet haben.

2. Gemäß § 14 Abs. 1 [X.] entsteht die Steuer zum Zeitpunkt der Überführung des Bieres in den steuerrechtlich freien Verkehr, es sei denn, es schließt sich eine Steuerbefreiung an. Bier wird u.a. durch die Entnahme aus dem Steuerlager in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt, es sei denn, es schließt sich ein weiteres Verfahren der Steueraussetzung an (§ 14 Abs. 2 Nr. 1 [X.]), oder durch die Herstellung ohne Erlaubnis nach § 5 [X.] (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 [X.]). Steuerschuldner ist im Fall der Entnahme aus dem Steuerlager gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 [X.] der [X.] und im Fall der Herstellung ohne Erlaubnis gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 [X.] der Hersteller sowie jede an der Handlung beteiligte Person.

Diese Regelung dient der Umsetzung von Art. 7 Abs. 2 Buchst. a und [X.] 2008/118, wonach ebenfalls sowohl die Entnahme aus einem Verfahren der Steueraussetzung als auch die Herstellung außerhalb eines Verfahrens der Steueraussetzung als Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr anzusehen ist.

Die in Art. 7 Abs. 2 Buchst. a und [X.] 2008/118 bzw. § 14 Abs. 2 [X.] genannten Steuerentstehungstatbestände stehen gleichberechtigt nebeneinander. Eine Wertung des ([X.] dahingehend, dass die Entnahme aus dem Steuerlager den Normalfall und die Herstellung außerhalb eines Steuerlagers einen Ausnahmefall darstellt, ist diesen Regelungen nicht zu entnehmen.

3. Der Steuertarif wird in § 2 [X.] geregelt, wobei § 2 Abs. 1 Satz 3 [X.] den Regelsteuersatz und § 2 Abs. 2 Satz 1 [X.] nach der Jahreserzeugung gestaffelte ermäßigte Steuersätze für kleine Brauereien vorsieht. Demnach ermäßigt sich der Steuersatz für im Brauverfahren hergestelltes Bier aus unabhängigen Brauereien mit einer Gesamtjahreserzeugung von weniger als 200 000 hl Bier in Stufen. Als unabhängig ist eine Brauerei anzusehen, die rechtlich und wirtschaftlich von einer anderen Brauerei unabhängig ist, Betriebsräume benutzt, die räumlich von anderen Brauereien getrennt sind, und Bier nicht unter Lizenz braut (§ 2 Abs. 3 Satz 1 [X.]).

Die ermäßigten Steuersätze i.S. des § 2 Abs. 2 [X.] gelten auch für Brauereien, die nicht über eine Erlaubnis zum Betrieb eines [X.] § 5 [X.] verfügen. Ein derartiges Erfordernis ergibt sich weder aus den einschlägigen Vorschriften des Biersteuerrechts noch aus der Systematik der Normen oder der Intention des Gesetzgebers. Auch aus dem Unionsrecht lässt sich nicht ableiten, dass nur [X.] einen ermäßigten Steuersatz in Anspruch nehmen können.

a) Das [X.] enthält keine Definition des Begriffs der Brauerei. Gegen eine Beschränkung des Brauereibegriffs auf Steuerlager spricht allerdings bereits, dass das [X.] beide Begriffe nebeneinander verwendet. So werden in § 23 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.] die Steuerlager und in § 23 Abs. 2 Nr. 5 [X.] die Brauereien angesprochen.

Darüber hinaus verwendet das Gesetz an anderer Stelle den Begriff der Brauerei in einem Zusammenhang, in dem noch keine Lagererlaubnis vorliegt. Denn nach § 5 Abs. 1 Satz 5 [X.] haben Brauereien, die erstmals mit der Herstellung von Bier beginnen, in ihrem Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zum Betrieb eines Steuerlagers die voraussichtliche Jahreserzeugung anzugeben. Obwohl also in diesem Zeitpunkt eine Lagererlaubnis erst beantragt wird, spricht das Gesetz von "Brauerei".

Dass dem Begriff der Brauerei in § 2 Abs. 2 [X.] im Zusammenhang mit der Regelung ermäßigter Steuersätze zugunsten der kleinen Brauereien ein anderes Verständnis zugrunde liegt, ist nicht erkennbar. § 2 Abs. 2 [X.] verlangt für die Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes lediglich, dass die Brauerei unabhängig ist und ihre Gesamtjahreserzeugung unter 200 000 hl liegt. Eine Beschränkung der ermäßigten Steuersätze auf Steuerlager enthält die Norm dagegen nicht. Dass zur Gesamtjahreserzeugung gemäß § 2 Abs. 2 Satz 6 [X.] auch Bier zählt, das unter Steueraussetzung aus der Brauerei entfernt wurde, lässt nicht den Schluss zu, dass eine Brauerei in diesem Sinne nur dann vorliegt, wenn es sich dabei um ein Steuerlager handelt. Vielmehr wird an dieser Stelle nur die unter Steueraussetzung entfernte Biermenge im Sinne eines Berechnungspostens im Rahmen der Gesamtjahreserzeugung ("zuzüglich") angesprochen. Abgesehen davon stellt § 2 Abs. 2 Satz 6 [X.] auf die gesamte in der Brauerei im Brauverfahren erzeugte Biermenge, für die die Steuer entstanden ist, ab. Dies beinhaltet die Möglichkeit, dass die Steuer bereits in der Brauerei entstanden ist, was u.a. bei der Herstellung ohne Erlaubnis zum Betrieb eines [X.] § 5 Abs. 1 Satz 2 [X.] der Fall ist (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 [X.]).

Soweit § 2 Abs. 5 Satz 2 [X.] die Steuerermäßigung auch für Bier ausländischer unabhängiger Brauereien vorsieht, ist darauf hinzuweisen, dass die Norm hier ebenfalls den Begriff der Brauerei verwendet, obwohl der Geltungsbereich des [X.]es auf das in der [X.] gelegene Steuergebiet (§ 1 Abs. 1 Satz 2 [X.]) beschränkt ist und die Zollverwaltung daher einer im Ausland ansässigen Brauerei kein Steuerlager bewilligen kann. Eine Differenzierung danach, ob in dem Recht anderer Mitgliedstaaten für den Betrieb einer Brauerei ein Steuerlager vorausgesetzt wird, findet sich in § 2 Abs. 5 Satz 2 [X.] nicht.

b) Die Definition der Brauerei in § 1 Nr. 9 BierStV gilt nur für diese Verordnung, wie sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt. Der in § 1 Nr. 9 BierStV definierte engere Brauereibegriff kann daher schon aus diesem Grund nicht auf das [X.] übertragen werden. Abgesehen davon räumt § 29 Abs. 3 Nr. 2 [X.] dem [X.] nur die Befugnis ein, Vorschriften zur Steuerermäßigung nach § 2 Abs. 2 bis 5 [X.] --insbesondere zum [X.] zu erlassen. Eine inhaltliche Bestimmung oder Einschränkung der Tatbestandsmerkmale des § 2 Abs. 2 [X.] im [X.] ist von der Ermächtigung nicht gedeckt.

c) Auch aus systematischen Gründen kann es für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nicht darauf ankommen, ob die Brauerei ein Steuerlager betreibt.

Der Steuertarif ist vom [X.] zu unterscheiden (s. oben), wobei die Anwendung des Steuertarifs und die Bestimmung des Steuersatzes nicht davon abhängen, unter welchen Umständen die Steuer entsteht. Unabhängig davon, ob die Steuer gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1 [X.] durch Entnahme aus dem Steuerlager oder gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 [X.] durch Herstellung ohne Lagererlaubnis entsteht, befindet sich das zu versteuernde Bier im Zeitpunkt der Steuerentstehung im steuerrechtlich freien Verkehr. Die Existenz eines Steuerlagers hat damit nur Einfluss auf den Zeitpunkt der Steuerentstehung und den maßgeblichen [X.], aber nicht auf den anzuwendenden Steuersatz.

Für die Auffassung des [X.], wonach die ermäßigten Biersteuersätze nur [X.]n zugutekommen sollen, lassen sich dem [X.] auch im Übrigen keine Anhaltspunkte entnehmen. Die eingangs dargestellten Steuerentstehungstatbestände deuten vielmehr darauf hin, dass der Gesetzgeber --genauso wie der [X.] sowohl die Herstellung von Bier im Rahmen eines Steuerlagers als auch dessen Herstellung außerhalb eines Steuerlagers im Blick hatte und diese Vorgänge als gleichrangige bzw. gleichwertige Steuerentstehungstatbestände geregelt hat. Eine Rangfolge oder eine Wertung ergibt sich daher aus § 14 Abs. 2 [X.] nicht. Auch wenn der Betrieb eines Steuerlagers aufgrund der Aussetzung der Steuer für eine Brauerei mit steuerlichen Vorteilen verbunden ist, behandelt das [X.] die Herstellung von Bier außerhalb eines Steuerlagers nicht als eine untergeordnete oder gar unerwünschte Form der Bierherstellung.

Schließlich ergibt sich eine Verpflichtung zum Betrieb eines Steuerlagers auch nicht aus § 4 [X.], weil in dieser Vorschrift nur die Funktion eines Steuerlagers erläutert wird.

d) Dass die ermäßigten Steuersätze nur [X.]n zugutekommen, lässt sich auch aus den unionsrechtlichen Grundlagen nicht folgern.

Der Definition der kleinen unabhängigen Brauereien in Art. 4 [X.] 92/83 sind im Wesentlichen die Anforderungen an deren Unabhängigkeit und Größe, nicht aber eine Beschränkung auf Inhaber von Steuerlagern zu entnehmen.

Das hier maßgebliche Unionsrecht zielt vielmehr darauf ab, Erleichterungen für kleine Brauereien zu schaffen. So wird in den Erwägungsgründen der [X.] über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren --[X.] 92/12-- ([X.], 1, 2) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die kleinen Warenerzeuger von einigen mit dem allgemeinen Verbrauchsteuersystem zusammenhängenden Verpflichtungen befreit werden können. Der Vorteil des ermäßigten Steuersatzes würde durch die verpflichtende Unterhaltung eines Steuerlagers jedoch insoweit wieder relativiert, als ein Steuerlager einen gewissen Verwaltungsaufwand verursacht und unter Umständen eine Sicherheit geleistet werden muss (§ 5 Abs. 1 Satz 4 [X.]).

Der [X.] ([X.]) hat sich in seiner bisherigen Rechtsprechung vor allem mit der Unabhängigkeit und der Produktionskapazität einer Brauerei befasst. Nach den Erwägungen des [X.] in seiner Entscheidung [X.] vom 02.04.2009 - [X.]/08 ([X.]:C:2009:228, Rz 26 und 29, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2009, 191) soll verhindert werden, dass Brauereien in den Genuss der Verbrauchsteuerermäßigung kommen, deren Größe und Produktionskapazität eine Verzerrung des Binnenmarkts hervorrufen könnten; die Begünstigung solle den wegen ihrer Größe benachteiligten Brauereien und nicht Brauereien zugutekommen, die einem Konzern angehören ([X.]sbeschluss vom 05.07.2010 - VII B 257/09, [X.], 2030, Rz 9). Da es sich bei dem ermäßigten [X.] i.S. des Art. 4 [X.] 92/83 um eine fakultative Steuerermäßigung handelt, wäre der nationale Gesetzgeber zwar nicht gehindert, zusätzlich eine Erlaubnis zum Betrieb eines Steuerlagers zu verlangen. Dies ist jedoch im [X.] Biersteuerrecht nicht geschehen (s. oben).

e) Darüber hinaus ist auch der Gesetzeshistorie und den Motiven des Gesetzgebers keine Beschränkung des ermäßigten Steuersatzes auf Steuerlager zu entnehmen.

Wie der [X.] mit Urteil vom 26.05.2020 - VII R 58/18 ([X.], 70, [X.], 304, Rz 28) klargestellt hat, kannten das [X.] vor der Harmonisierung ([X.] i.d.F. vom 14.03.1952, [X.], 149 --[X.] a.F.--) und § 51 der Durchführungsbestimmungen zum [X.] in der Neufassung vom 14.03.1952 (BierStDB) als [X.] im Wesentlichen die Entfernung von Bier aus der Brauerei gemäß § 2 Abs. 1 [X.] a.F. Die Herstellung von Bier außerhalb der Brauerei war dagegen im [X.] a.F. nicht geregelt. Die Brauerei nach altem Recht war vielmehr mit dem heutigen Steuerlager vergleichbar und als Standardfall vorgesehen (vgl. §§ 1, 51 BierStDB; zur Steuerentstehung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 [X.] in der im Jahr 1959 geltenden Fassung vgl. [X.]surteil vom 25.10.1961 - VII 68, 69/60 U, [X.], 59).

Demgegenüber sieht das Biersteuerrecht nach der Harmonisierung durch die [X.] 92/12 bzw. die [X.] 2008/118 die Herstellung von Bier ohne eine Erlaubnis zum Betrieb eines Steuerlagers gleichermaßen wie die Entnahme von Bier aus dem Steuerlager als Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr und damit als gleichrangigen [X.] an (§ 14 Abs. 2 Nr. 1 und 2 i.V.m. Abs. 1 [X.]). Bereits Art. 6 Abs. 1 Buchst. b [X.] 92/12 regelte die Steuerentstehung durch Herstellung außerhalb eines Verfahrens der Steueraussetzung neben der Steuerentstehung durch Entnahme aus dem Verfahren der Steueraussetzung gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. a [X.] 92/12.

Der enge Brauereibegriff des nationalen Biersteuerrechts wurde folgerichtig nicht in das [X.] in der im Jahr 1993 gültigen Fassung ([X.] 1993), mit dem die [X.] 92/12 in nationales Recht umgesetzt worden war (vgl. BTDrucks 12/3432, S. 73), übernommen. Im Zuge der Harmonisierung ist vielmehr der Fall der Herstellung außerhalb eines Steuerlagers ausdrücklich geregelt worden (vgl. § 7 Abs. 2 [X.] 1993). Soweit § 5 Abs. 2 [X.] 1993 für die Herstellung von Bier unter Steueraussetzung eine Erlaubnis vorschrieb, wurde damit nicht ausgeschlossen, dass ein Herstellungsbetrieb ohne Steuerlager ebenfalls als Brauerei angesehen werden konnte.

Mit der Regelung der Steuerentstehung außerhalb eines Steueraussetzungsverfahrens hat der Gesetzgeber zudem einen Paradigmenwechsel vollzogen. Ausweislich der Gesetzesbegründung ging er nach der Harmonisierung des Biersteuerrechts von dem Prinzip der sofortigen Versteuerung aus, von dem nur im Rahmen eines Steueraussetzungsverfahrens abgewichen werden kann (vgl. BTDrucks 12/3432, S. 74). Auch dies belegt, dass der Gesetzgeber die Steuerentstehung außerhalb eines Steuerlagers als regulären Vorgang anerkannt und geregelt hat.

f) Der [X.] verkennt nicht das Interesse der Verwaltung an der Ausübung der Steueraufsicht. Dies rechtfertigt allerdings nicht eine einschränkende Auslegung des Brauereibegriffs entgegen dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes und der oben dargelegten Intention des Gesetzgebers. Es wäre vielmehr Aufgabe des Gesetzgebers, § 2 Abs. 2 [X.] entsprechend zu ändern, wenn der ermäßigte Steuersatz nur Betreibern von Steuerlagern zugutekommen soll.

Im Übrigen hat der Gesetzgeber dem Bedürfnis an einer effektiven Steueraufsicht durchaus auf andere Weise Rechnung getragen. Gemäß § 139 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung ([X.]) ist die beabsichtigte Herstellung von Waren, an deren Herstellung eine Verbrauchsteuerpflicht geknüpft ist, bereits vor Eröffnung des Betriebs anzumelden. Zudem treffen den Steuerpflichtigen die Mitwirkungspflichten i.S. des § 211 [X.]. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin die Feststellungslast für die Tatsachen trägt, aus denen sich ergibt, dass die Voraussetzungen der Steuerbefreiung oder Steuerermäßigung erfüllt sind (BFH-Urteile vom 23.02.2017 - V R 51/15, [X.], 882, und [X.] - V R 67/16, [X.], 1, [X.], 40, Rz 23; [X.] vom [X.] - I B 95/04, [X.] 2005, 160).

4. Ausgehend von diesen rechtlichen Grundlagen ist die Klägerin eine kleine unabhängige [X.] § 2 Abs. 2 und 3 [X.] mit der Folge, dass auf die von ihr hergestellte streitgegenständliche Biermenge ein ermäßigter [X.] anzuwenden ist.

Dass die Klägerin unabhängig ist und ihre Gesamtjahreserzeugung weniger als 200 000 hl beträgt, ist zwischen den Beteiligten unstreitig und wurde bereits vom [X.] festgestellt. Der Betrieb eines Steuerlagers ist für die Inanspruchnahme des ermäßigten Steuersatzes nach § 2 Abs. 2 [X.] nicht erforderlich.

Im zweiten Rechtsgang hat das [X.] die Jahreserzeugung i.S. des § 2 Abs. 2 Satz 7 [X.] der Klägerin festzustellen, um abschließend entscheiden zu können, in welchem Umfang sich der Regelsteuersatz i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 3 [X.] im Streitfall ermäßigt. Dieser ermäßigte Steuersatz (§ 2 Abs. 2 Satz 1 [X.]) ist der Neuberechnung der Biersteuer für die streitgegenständliche Biermenge zugrunde zu legen.

5. [X.] beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VII R 43/19

23.03.2021

Bundesfinanzhof 7. Senat

Urteil

vorgehend FG Bremen, 30. Oktober 2019, Az: 1 K 148/17 (5), Urteil

§ 2 Abs 2 S 1 BierStG 2009, § 2 Abs 1 BierStG, § 4 BierStG, § 5 BierStG, § 1 Nr 9 BierStV, § 29 Abs 3 Nr 2 BierStG, § 14 BierStG, EWGRL 12/92, EGRL 118/2008

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.03.2021, Az. VII R 43/19 (REWIS RS 2021, 7593)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 7593

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