Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.01.2016, Az. 7 AZR 376/14

7. Senat | REWIS RS 2016, 17445

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Gegenstand

Befristung - wissenschaftliches Personal - Lehrkräfte für besondere Aufgaben


Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 22. Januar 2014 - 2 Sa 496/13 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses und um Weiterbeschäftigung.

2

Die Klägerin ist Germanistin. Sie wurde von dem beklagten Land zunächst für die [X.] vom 1. September 2006 bis zum 31. August 2008 als wissenschaftliche Angestellte mit [X.] der regelmäßigen Arbeitszeit einer vollzeitbeschäftigten Angestellten am [X.] der [X.] eingestellt. Das [X.] gehört zum Fachbereich 02 (Geistes- und Kulturwissenschaften).

3

Auf der [X.]undlage des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 28. Mai 2008 wurde die Klägerin ab dem 1. September 2008 zu im Wesentlichen gleichen Bedingungen befristet bis zum 31. März 2010 als wissenschaftliche Mitarbeiterin nach § 2 Abs. 1 des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (Wiss[X.]VG) weiterbeschäftigt.

4

Mit zwei Arbeitsverträgen vom 3. März 2010 vereinbarten die Parteien parallel laufende befristete Arbeitsverhältnisse für die [X.] vom 1. April 2010 bis zum 31. März 2012. Die Klägerin wurde - jeweils auf der [X.]undlage des § 2 Abs. 1 Wiss[X.]VG - nach dem einen Arbeitsvertrag mit [X.] der Arbeitszeit einer Vollzeitbeschäftigten als Schulungskraft für Tutorinnen und Tutoren und nach dem anderen Arbeitsvertrag mit [X.] der regelmäßigen Arbeitszeit einer Vollzeitbeschäftigten als Lehrkraft für besondere Aufgaben im Fachbereich 02 weiterbeschäftigt. Diese Arbeitsverträge sahen die Anwendung ua. des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst des [X.] (TV-H) vor, der in § 2 Abs. 2 Folgendes regelt:

        

„Mehrere Arbeitsverhältnisse zu demselben Arbeitgeber dürfen nur begründet werden, wenn die jeweils übertragenen Tätigkeiten nicht in einem unmittelbaren Sachzusammenhang stehen. Andernfalls gelten sie als ein Arbeitsverhältnis.“

5

Nach der „Beschreibung aller anfallenden Arbeitsvorgänge“ des [X.] Dr. [X.] vom 24. Februar 2010 oblagen der Klägerin als Schulungskraft für Tutorinnen und Tutoren aufgrund des [X.] folgende Aufgaben:

        

„a)     

Arbeitsvorgang

                 

Planung und Durchführung der Schulungsseminare für angehende Tutorinnen und Tutoren mit semesterbegleitendem Coaching.

                 

Planung und Durchführung der Schulungsseminare für [X.].

                 

Regelmäßige Evaluierung und Berichterstattung an das Dekanat.

                 

Einarbeitung neuer MultiplikatorInnen

        

b)    

Benötigte Fachkenntnisse und Fähigkeiten

                 

Abgeschlossenes wiss. Universitätsstudium im Bereich der germanistischen Literaturwissenschaften.

                 

Ausbildung zur Multiplikatorin

                 

Erfahrungen mit literaturwissenschaftlicher Lehre; Erfahrungen bei der Vorbereitung und Durchführung von [X.]; genaue Kenntnis des Tutorenkonzepts des [X.]“

6

Dieser Arbeitsvertrag als Schulungskraft für Tutorinnen und Tutoren wurde durch Änderungsvertrag vom 31. August 2011 unter Fortgeltung der übrigen Bedingungen bis zum 31. März 2014 verlängert.

7

Der Tätigkeit als Lehrkraft für besondere Aufgaben aufgrund des weiteren [X.] lag die von Prof. Dr. G unterzeichnete „Beschreibung aller anfallenden Arbeitsvorgänge“ zugrunde. Diese hat folgenden Inhalt:

        

„a)     

Unterstützung des Fachgebiets im Bereich der Lehre

                 

-       

Lehrtätigkeit mit 9 Semesterwochenstunden im Bereich der Literaturwissenschaft

                 

-       

Mitarbeit bei der Durchführung von Lehrveranstaltungen

                 

-       

Betreuung von Studierenden

        

b)    

                 
                 

-       

fachliche Kenntnisse im Bereich der germanistischen Literaturwissenschaft

                 

-       

Unterrichtserfahrung

                 

-       

Organisatorische Fähigkeiten;

                 

-       

Kreativität, Innovativität, Belastbarkeit;

                 

-       

EDV-Kenntnisse.“

8

Unter § 2 Abs. 4 des Arbeitsvertrags vom 3. März 2010 ist Folgendes geregelt:

        

„Art und Umfang der wahrzunehmenden Aufgaben richten sich nach der ausgehändigten Arbeitsplatzbeschreibung. Die Festlegung der Aufgaben steht unter dem Vorbehalt einer Überprüfung in angemessenen Abständen.“

9

Diesen Arbeitsvertrag verlängerten die Parteien durch Änderungsvertrag vom 18. Januar 2012 ebenfalls bis zum 31. März 2014.

Nach Abschluss des [X.] wurde der Klägerin eine unter dem 1. April 2012 erstellte „Arbeitsplatzbeschreibung“ ausgehändigt, in der die der Klägerin übertragenen Aufgaben im Einzelnen bezeichnet und wie folgt zusammengefasst sind:

        

„1.     

a)    

Wissenschaftliche Dienstleistung und selbstbestimmte Forschung

19,50 

                          

…       

        

2.    

a)    

Lehre im Forschungsbereich des Fachgebiets

34,50 

                          

…       

        

3.    

a)    

Allg. Lehrveranstaltungen in der [X.]

46    

                          

…“    

Im Sommersemester 2012 hielt die Klägerin zwei Proseminare mit Tutorium sowie zwei Blockseminare. Im Wintersemester 2012/2013 führte sie ein Proseminar, zwei Proseminare mit Tutorium sowie ein Blockseminar durch. Die Lehrveranstaltungen wurden von der Klägerin im Rahmen vorgegebener Module eigenverantwortlich geplant.

Mit der am 15. Mai 2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen und am 30. Oktober 2012 erweiterten Befristungskontrollklage hat sich die Klägerin gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zum 31. März 2014 gewandt und dazu die Ansicht vertreten, die befristeten Arbeitsverträge vom 31. August 2011 und vom 18. Januar 2012 seien die [X.]undlage für ein einheitliches Arbeitsverhältnis iSv. § 2 Abs. 2 [X.] Die Befristung der Arbeitsverträge zum 31. März 2014 könne nicht auf § 2 Abs. 1 Wiss[X.]VG gestützt werden, weil die ihr übertragenen Tätigkeiten keinen wissenschaftlichen Zuschnitt aufgewiesen hätten und sie deshalb nicht zum wissenschaftlichen Personal nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Wiss[X.]VG gehört habe. Ihre eigene Qualifizierung und Forschung sei nicht vorgesehen gewesen. Die Lehraufgaben hätten sich auf eine repetierende Wissensvermittlung nach den Vorgaben eines Modulhandbuchs beschränkt. Auch im Rahmen ihrer Tätigkeit als Tutorenausbilderin sei sie nicht wissenschaftlich tätig gewesen, sondern habe lediglich gesicherte Erkenntnisse praktisch angewendet.

Die Klägerin hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis mit dem beklagten Land durch die Befristungen in den Arbeitsverträgen vom 31. August 2011 und 18. Januar 2012 nicht mit Ablauf des 31. März 2014 beendet wird;

        

2.    

das beklagte Land zu verurteilen, sie ab dem 1. April 2014 zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Lehrkraft für besondere Aufgaben an der Universität im Fachbereich 02 sowie als Multiplikatorin zur Tutorenausbildung weiterzubeschäftigen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Das beklagte Land beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Das [X.] hat die Befristungskontrollklage zu Recht abgewiesen. [X.] fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.

I. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 WissZeitV[X.] am 31. März 2014 geendet.

1. Das [X.] ist zutreffend davon ausgegangen, dass zwischen den Parteien aufgrund der Arbeitsverträge vom 31. August 2011 und vom 18. Januar 2012 gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 TV-H ein einheitliches Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitszeitanteil von [X.] eines Vollzeitarbeitsverhältnisses bestand.

a) Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 TV-H dürfen mehrere Arbeitsverhältnisse zu demselben Arbeitgeber nur begründet werden, wenn die jeweils übertragenen Tätigkeiten nicht in einem unmittelbaren Sachzusammenhang stehen. Anderenfalls gelten sie nach § 2 Abs. 2 Satz 2 TV-H als ein Arbeitsverhältnis. Nach dem tariflichen [X.]rundsatz sollen nicht nebeneinander mehrere Arbeitsverhältnisse zu demselben Arbeitgeber bestehen. Ausnahmsweise gilt nur dann etwas anderes, wenn kein unmittelbarer Sachzusammenhang zwischen den übertragenen Tätigkeiten besteht.

b) [X.] nicht zu beanstanden ist danach die Würdigung des [X.]s, dass die mit den Arbeitsverträgen vom 31. August 2011 und vom 18. Januar 2012 vereinbarten Aufgaben der Klägerin als „studierte [X.]ermanistin“ in einem unmittelbaren Sachzusammenhang stehen, weil sie insgesamt auf die Durchführung bzw. Unterstützung der Lehre im Fachbereich 02 der [X.] ausgerichtet sind. Dieser Sachzusammenhang wird nicht dadurch aufgelöst, dass die Tätigkeit einer Tutorenausbilderin zentral dem Dekanat zugeordnet ist und sich auf alle Tutorinnen und Tutoren des Fachbereichs 02 bezieht, während die Stelle als Lehrkraft für besondere Aufgaben dem [X.] zugeordnet ist. Auf den Umstand, dass die Stellen getrennt ausgeschrieben wurden und mit unterschiedlichen Arbeitnehmern hätten besetzt werden können, kommt es nach der tariflichen Vorgabe in § 2 Abs. 2 TV-H ebenfalls nicht entscheidend an. Dies ist bei Teilzeitstellen typischerweise der Fall.

2. Die Befristung zum 31. März 2014 gilt nicht nach § 17 Satz 2 TzBf[X.] iVm. § 7 Halbs. 1 KSch[X.] als wirksam. Mit dem Antrag zu 1. hat die Klägerin rechtzeitig eine zulässige Befristungskontrollklage iSv. § 1 Abs. 1 Satz 5 WissZeitV[X.] iVm. § 17 Satz 1 TzBf[X.] erhoben. Sie hat die Rechtsunwirksamkeit der Befristung im Arbeitsvertrag vom 18. Januar 2012 mit ihrer am 15. Mai 2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage und die Rechtsunwirksamkeit der Befristung im Arbeitsvertrag vom 31. August 2011 mit dem am 30. Oktober 2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen neugefassten Antrag zu 1. geltend gemacht. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] wahrt auch die Erhebung einer Klage vor dem Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit die Klagefrist des § 17 Satz 1 TzBf[X.] ([X.] 29. April 2015 - 7 [X.] - Rn. 10; 2. Juni 2010 - 7 [X.] - Rn. 13 mwN, [X.]E 134, 339).

3. Die Befristung zum 31. März 2014 ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 WissZeitV[X.] wirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien beendet.

a) Die vereinbarte Befristung genügt dem Zitiergebot des § 2 Abs. 4 Satz 1 WissZeitV[X.]. Danach ist im Arbeitsvertrag anzugeben, ob die Befristung auf den Vorschriften des WissZeitV[X.] beruht. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Die schriftlichen Arbeitsverträge vom 31. August 2011 und vom 18. Januar 2012 nehmen jeweils unter § 1 ausdrücklich Bezug auf § 2 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Satz 3 WissZeitV[X.].

b) Der zeitliche [X.]eltungsbereich des WissZeitV[X.] ist eröffnet. Für die Wirksamkeit der Befristung eines Arbeitsvertrags ist die im Zeitpunkt ihrer Vereinbarung geltende Rechtslage maßgeblich (vgl. [X.] 29. April 2015 - 7 [X.] - Rn. 15; 2. September 2009 - 7 [X.] - Rn. 10 , [X.]E 132, 54 ). Das WissZeitV[X.] ist mit dem „[X.]esetz zur Änderung arbeitsrechtlicher Vorschriften in der Wissenschaft“ vom 12. April 2007 ([X.]I S. 506) beschlossen worden und am 18. April 2007 in [X.] getreten. Die am 31. August 2011 und am 18. Januar 2012 vereinbarten Befristungen unterfallen nicht einer der auf andere Rechtsgrundlagen verweisenden Übergangsregelungen nach § 6 WissZeitV[X.] (vgl. hierzu [X.] 24. August 2011 -  7 [X.]  - Rn. 19 , [X.]E 139, 109 ; 1. Juni 2011 - 7 [X.] 827/09 - Rn. 16  f., [X.]E 138, 91 ).

c) Auch der betriebliche [X.]eltungsbereich von § 2 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 WissZeitV[X.] ist eröffnet. Es handelt sich um den Abschluss eines Arbeitsvertrags für eine bestimmte Zeit an einer Einrichtung des Bildungswesens, die nach Landesrecht eine staatliche Hochschule ist. [X.]emäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 [X.] ist die [X.] eine [X.]. Voraussetzung der Anwendbarkeit der §§ 2, 3 WissZeitV[X.] auf befristete Arbeitsverträge ist nicht, dass die staatliche Hochschule [X.] ist ([X.] 29. April 2015 - 7 [X.] - Rn. 16; 1. Juni 2011 - 7 [X.] 827/09 - Rn. 18 , [X.]E 138, 91 ).

d) Die zulässige Höchstdauer der Befristung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 iVm. Satz 3 WissZeitV[X.] ist nicht überschritten. § 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitV[X.] erlaubt für wissenschaftliches Personal, das - wie die Klägerin - nicht promoviert ist, eine Befristungsdauer von bis zu sechs Jahren. Nach § 2 Abs. 1 Satz 3 WissZeitV[X.] verlängert sich die insgesamt zulässige Befristungsdauer bei Betreuung eines oder mehrerer Kinder unter 18 Jahren um zwei Jahre je Kind. Innerhalb der jeweils zulässigen Befristungsdauer sind auch Verlängerungen eines befristeten Arbeitsvertrags möglich. Die Klägerin ist Mutter von zwei am 5. Mai 2000 und 7. Dezember 2003 geborenen Kindern, mit denen sie im Haushalt lebt und die von ihr betreut werden. Die danach hier zulässige Befristungshöchstdauer von zehn Jahren ist unter Anrechnung der seit 1. September 2006 geschlossenen befristeten Arbeitsverträge eingehalten. Die [X.]esamtdauer des Arbeitsverhältnisses beträgt sieben Jahre und sieben Monate.

e) Das [X.] hat im Ergebnis ohne Rechtsfehler erkannt, dass die der Klägerin vertraglich übertragenen Tätigkeiten wissenschaftlich geprägt sind und sie deshalb zum wissenschaftlichen Personal iSv. § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitV[X.] zählt.

aa) Der Begriff des „wissenschaftlichen und künstlerischen Personals“ ist durch § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitV[X.] eigenständig und abschließend bestimmt. Es kommt nicht auf [X.] oder [X.] nach den landeshochschulrechtlichen Regelungen an. Die einschlägigen landesrechtlichen Regelungen - hier §§ 66, 32 Abs. 3 Nr. 3 [X.] - bleiben insoweit außer Betracht. Ob die dem Angestellten übertragenen Aufgaben wissenschaftlichen Zuschnitt iSd. WissZeitV[X.] haben, richtet sich ausschließlich nach § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitV[X.]. Die Bedeutung der landesrechtlichen Vorschriften ist darauf beschränkt, den Rahmen zu bestimmen, in dem das Land einem Angestellten bestimmte Tätigkeiten übertragen darf ([X.] 29. April 2015 - 7 [X.] - Rn. 20).

(1) § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitV[X.] bezeichnet mit dem Ausdruck „wissenschaftliches Personal“ eine Beschäftigtengruppe, ohne diese näher zu definieren. Der Begriff des „wissenschaftlichen und künstlerischen Personals“ bestimmt sich [X.]. Anknüpfungspunkt ist die Art der zu erbringenden Dienstleistung. Zum „wissenschaftlichen Personal“ nach § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitV[X.] gehört derjenige Arbeitnehmer, der wissenschaftliche Dienstleistungen erbringt. Es kommt nicht auf dessen formelle Bezeichnung an, sondern auf den wissenschaftlichen Zuschnitt der von ihm auszuführenden Tätigkeit. Das Adjektiv „wissenschaftlich“ bedeutet, „die Wissenschaft betreffend“. Wissenschaftliche Tätigkeit ist alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter, planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist. Sie ist nach Aufgabenstellung und anzuwendender Arbeitsmethode darauf angelegt, neue Erkenntnisse zu gewinnen und zu verarbeiten, um den Erkenntnisstand der jeweiligen wissenschaftlichen Disziplin zu sichern oder zu erweitern ([X.] 29. April 2015 - 7 [X.] - Rn. 21 mwN; 1. Juni 2011 - 7 [X.] 827/09 - Rn. 35, [X.]E 138, 91; 19. März 2008 - 7 [X.] 1100/06 - Rn. 33, [X.]E 126, 211).

(2) Zur wissenschaftlichen Dienstleistung kann auch die Vermittlung von Fachwissen und praktischen Fertigkeiten an Studierende und deren Unterweisung in der Anwendung wissenschaftlicher Methoden gehören. Die wissenschaftliche Lehrtätigkeit ist dabei von einer unterrichtenden Lehrtätigkeit ohne Wissenschaftsbezug abzugrenzen. Bei [X.] ist es erforderlich, dass die wissenschaftlichen Dienstleistungen zeitlich überwiegen oder zumindest das Arbeitsverhältnis prägen. Überwiegend mit der bloßen Vermittlung von Sprachkenntnissen betraute Fremdsprachenlektoren gehören deshalb in der Regel nicht zum wissenschaftlichen Personal nach § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitV[X.]. Die Wissenschaftlichkeit der Lehre setzt voraus, dass dem Lehrenden die Möglichkeit zur eigenständigen Forschung und Reflexion verbleibt (vgl. [X.] 29. April 2015 - 7 [X.] - Rn. 22; 1. Juni 2011 - 7 [X.] 827/09 - Rn. 35 bis 45 mwN, [X.]E 138, 91 ). Das bedeutet nicht, dass wissenschaftliche Lehre iSv. § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitV[X.] das Hervorbringen eigener Forschungsergebnisse und deren Vermittlung an die Studierenden verlangt. Für eine wissenschaftliche Lehre ist es nicht erforderlich, dass sich der Lehrende um eigene, neue wissenschaftliche Erkenntnisse bemüht. Es kann vielmehr ausreichen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse Dritter vermittelt werden. Unter Berücksichtigung des Zwecks der durch § 2 Abs. 1 WissZeitV[X.] eröffneten besonderen Befristungsmöglichkeiten im Hochschulbereich ist jedoch nicht jede Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse als wissenschaftliche Dienstleistung anzusehen. Die Befristungsmöglichkeit in § 2 Abs. 1 WissZeitV[X.] dient der Wahrung der durch Art. 5 Abs. 3 [X.][X.] garantierten Wissenschaftsfreiheit im Interesse der Nachwuchs- und Qualifikationsförderung und zur Sicherung der Innovation in Forschung und Lehre ( [X.]. 15/4132 S. 17). Dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 [X.][X.] unterfällt auch eine Lehre, die nicht auf eigenen, neuen Forschungserkenntnissen basiert, sondern allein die ständige Reflexion fremder wissenschaftlicher Ergebnisse verlangt. Entscheidend ist, dass der Lehrende Forschungs- und Erkenntnisentwicklungen auf seinem jeweiligen [X.] permanent verfolgen, reflektieren und kritisch hinterfragen muss, um diese für seine Lehre didaktisch und methodisch zu verarbeiten. Würde man wissenschaftliche Lehre nur dann annehmen, wenn sie sich als Resultat eigener Forschung darstellt, wäre auch ein [X.]roßteil der Lehre an Universitäten nicht als wissenschaftlich zu qualifizieren, was dem [X.]rundrechtsschutz für die Freiheit der Lehre nicht gerecht würde (vgl. [X.] 13. April 2010 - 1 [X.]  - Rn. 50 , [X.]E 126, 1 ; [X.] 29. April 2015 - 7 [X.] - aaO mwN). Unter Berücksichtigung dessen ist eine Lehrtätigkeit, die sich nach dem vereinbarten Vertragsinhalt auf eine rein repetierende Wiedergabe vorgegebener Inhalte beschränkt, nicht als wissenschaftliche Lehre anzusehen, während eine Lehrtätigkeit auch dann eine wissenschaftliche Dienstleistung ist, wenn zwar keine eigenen Forschungsergebnisse gelehrt, sondern Erkenntnisse Dritter vermittelt werden, von dem Lehrenden aber nach dem Vertragsinhalt erwartet wird, dass er diese Erkenntnisse kritisch hinterfragt, sich damit auseinandersetzt und dass er diese eigenen Reflexionen in seine Lehrtätigkeit einbringt. Dies kann von dem Lehrenden allerdings nur erwartet werden, wenn ihm während seiner Arbeitszeit die [X.]elegenheit und insbesondere die erforderliche Zeit zu eigener Reflexion verbleibt. Die Möglichkeit der Nutzung wissenschaftlicher Einrichtungen außerhalb der Dienstzeit genügt nicht ([X.] 29. April 2015 - 7 [X.] - Rn. 23).

bb) Das [X.] hat danach im Ergebnis zutreffend angenommen, dass die mit Vertrag vom 18. Januar 2012 übertragenen Tätigkeiten der Klägerin als Lehrkraft für besondere Aufgaben, die den Umfang von [X.] einer Vollzeitkraft einnehmen, wissenschaftlichen Zuschnitt haben. Da nach § 2 Abs. 2 TV-H von einem einheitlichen Arbeitsverhältnis auszugehen ist, bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob auch die mit dem [X.] übertragenen Aufgaben im Zusammenhang mit der Ausbildung von Tutorinnen und Tutoren wissenschaftlich geprägt sind. Diese Aufgaben nehmen bei der anzustellenden [X.]esamtbetrachtung nur einen untergeordneten Zeitanteil von [X.] einer Vollzeitkraft ein und sind daher für das Arbeitsverhältnis nicht insgesamt prägend.

(1) Entgegen der Auffassung des [X.]s kann allerdings für die Beurteilung der Tätigkeit der Klägerin als Lehrkraft für besondere Aufgaben nicht auf die Arbeitsplatzbeschreibung vom 1. April 2012 abgestellt werden.

(a) Das [X.] hat ausgeführt, „maßgeblich für die Annahme der klägerischen Tätigkeit als eine mit wissenschaftlichem [X.]epräge“ sei „die Anfang April 2012 der Klägerin ausgehändigte Arbeitsplatzbeschreibung“ vom 1. April 2012. Hierdurch habe das beklagte Land in Anwendung des ihm zustehenden Direktions- und Weisungsrechts den Rahmen für die zukünftige Tätigkeit der Klägerin als Lehrkraft für besondere Aufgaben konkretisiert, ohne dass hiergegen rechtliche Bedenken bestünden. Eine rechtlich unzulässige, einseitige Abänderung der Tätigkeit sei hiermit nicht verbunden.

(b) Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht uneingeschränkt stand. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der am 18. Januar 2012 abgeschlossenen [X.] und damit auch für die Frage, ob die geschuldete Tätigkeit wissenschaftlichen Zuschnitt hat, kommt es auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses an. Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob die Klägerin im Rahmen der Tätigkeit als Lehrkraft für besondere Aufgaben wissenschaftliche Dienstleistungen zu erbringen hatte, kommt es daher darauf an, welche Tätigkeiten der Klägerin nach den Vereinbarungen bei Abschluss des befristeten [X.] am 18. Januar 2012 übertragen werden sollten. Danach sollte sich die Tätigkeit nach der von Prof. Dr. [X.] unterzeichneten „Beschreibung aller anfallenden Arbeitsvorgänge“, die der Klägerin bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrags vom 3. März 2010 überreicht worden war und im Zeitpunkt der [X.] galt, richten. Das beklagte Land hat es nicht in der Hand, die Wissenschaftlichkeit der Tätigkeit eines Mitarbeiters durch eine nachträgliche einseitige Modifizierung der Tätigkeitsbeschreibung herbeizuführen. § 2 Abs. 4 des Arbeitsvertrags bestimmt zwar, dass sich Art und Umfang der wahrzunehmenden Aufgaben nach der ausgehändigten Arbeitsplatzbeschreibung richten und die Festlegung der Aufgaben unter dem Vorbehalt einer Überprüfung in angemessenen Abständen steht. Dies ermöglicht es dem beklagten Land, der Arbeitnehmerin im Rahmen des ihm zustehenden Direktionsrechts andere Aufgaben zuzuweisen. Davon umfasst ist jedoch nicht die Umgestaltung einer bisher nicht wissenschaftlichen Tätigkeit in eine Tätigkeit mit wissenschaftlichem [X.]epräge. Für die Zuordnung zum wissenschaftlichen Personal nach § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitV[X.] ist es - wie das [X.] insoweit zutreffend ausgeführt hat - ebenso unbeachtlich, ob die vorgegebene Arbeitsplatzbeschreibung von der Klägerin tatsächlich umgesetzt wurde. Anderenfalls könnte erst aufgrund der im Einzelfall erbrachten Leistungen festgestellt werden, ob ein Mitarbeiter zum „wissenschaftlichen Personal“ iSd. § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitV[X.] gehört oder nicht.

(2) Die vom [X.] rechtsfehlerhaft zugrunde gelegte Arbeitsplatzbeschreibung vom 1. April 2012, die erstmals den Arbeitsvorgang „wissenschaftliche Dienstleistung und selbstbestimmte Forschung“ mit einem Zeitanteil von [X.] vorsieht, führt jedoch nicht zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.]. Die angefochtene Entscheidung ist aus anderen [X.]ründen im Ergebnis zutreffend (§ 561 ZPO). Denn die Änderung der Arbeitsplatzbeschreibung gegenüber der von Prof. Dr. [X.] unterzeichneten „Beschreibung aller anfallenden Arbeitsvorgänge“ begründet nicht erst die Zuordnung der Klägerin zum wissenschaftlichen Personal iSv. § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitV[X.]. Bereits die der Klägerin mit Arbeitsvertrag vom 18. Januar 2012 übertragenen Lehrtätigkeiten haben wissenschaftlichen Zuschnitt.

Das [X.] ist insoweit davon ausgegangen, dass die Anleitung von Studierenden zur wissenschaftlichen Tätigkeit nur aufgrund wissenschaftlicher Kriterien und wissenschaftlicher Technik erfolgen könne und es schlechterdings nicht vorstellbar sei, wie die Anleitung der Studenten zur wissenschaftlichen Tätigkeit ohne eigene wissenschaftliche Tätigkeit der Klägerin habe erfolgen sollen. Es kann dahinstehen, ob und inwieweit ein solcher Erfahrungssatz [X.]ültigkeit beansprucht. Denn das [X.] hat konkret festgestellt, dass die Klägerin ihre Erkenntnisquellen in die für die im Sommersemester 2012 und im Wintersemester 2012/2013 abgehaltenen Lehrveranstaltungen einfließen lassen konnte und schon mit der Konzeption und Vorbereitung der Lehrveranstaltungen die Möglichkeit zur eigenständigen Reflexion und Forschung hatte. Sie habe innerhalb der von ihr zu beachtenden Modulvorgaben die Themen gewählt und Inhalte frei bestimmt. Dies gelte auch bereits für Lehrveranstaltungen in den ersten Semestern der grundständigen Studiengänge. Schon bei diesen Veranstaltungen gehe es um die Einführung der Studierenden in das wissenschaftliche Denken und Arbeiten, auch wenn hier die Vermittlung von Basiswissen im Mittelpunkt stehe. Die Klägerin hat gegen diese Feststellungen keine zulässige Verfahrensrüge erhoben. Soweit sie zuletzt nochmals in der mündlichen Verhandlung ihre Auffassung bekräftigt hat, sie habe nicht über ausreichende Möglichkeiten verfügt, am wissenschaftlichen Prozess zu partizipieren, so vermag dieser Vortrag die Feststellungen des [X.]s revisionsrechtlich nicht in Frage zu stellen. Auch unter Berücksichtigung ihrer weiteren Aufgaben ist nicht ersichtlich, dass ihr als Lehrkraft für besondere Aufgaben mit einem während der Vorlesungszeit bestehenden Lehrvolumen von neun Wochenstunden, das weniger als die Hälfte der für die Lehre vorgesehenen wöchentlichen Arbeitszeit von [X.] eines Vollzeitbeschäftigten ausmacht, keine angemessene Zeit eingeräumt war, um die Unterrichtseinheiten auf wissenschaftlichem Niveau vorzubereiten. Zusätzlich stand ihr hierfür die vorlesungsfreie Zeit zur Verfügung (vgl. zu diesem [X.]esichtspunkt auch [X.] 29. April 2015 - 7 [X.] - Rn. 26).

4. Andere Unwirksamkeitsgründe für die Befristung sind nicht ersichtlich. Das [X.] hat zutreffend entschieden, dass die Maßstäbe des institutionellen Rechtsmissbrauchs (vgl. [X.]Rspr. des Senats seit [X.] 18. Juli 2012 - 7 [X.] 443/09 - [X.]E 142, 308) bei Befristungen im Wissenschaftsbereich nach dem WissZeitV[X.] grundsätzlich keine Anwendung finden, weil sich die zeitlichen [X.]renzen für den Abschluss befristeter Arbeitsverträge in diesen Fällen aus den Sonderregelungen des § 2 Abs. 1 WissZeitV[X.] ergeben, die ihrerseits durch die Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre (Art. 5 Abs. 3 [X.][X.]) gerechtfertigt sind.

II. [X.] fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Dieser Antrag ist als uneigentlicher Hilfsantrag für den Fall des Obsiegens mit dem Befristungskontrollantrag auszulegen. Diese innerprozessuale Bedingung ist nicht eingetreten.

III. [X.] folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    [X.]räfl    

        

    M. Rennpferdt    

        

    Kiel    

        

        

        

    Auhuber    

        

    [X.]lock    

                 

Meta

7 AZR 376/14

20.01.2016

Bundesarbeitsgericht 7. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Kassel, 31. Januar 2013, Az: 3 Ca 206/12, Urteil

§ 1 Abs 1 S 1 WissZeitVG, § 2 Abs 1 S 1 WissZeitVG, § 2 Abs 1 S 3 WissZeitVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.01.2016, Az. 7 AZR 376/14 (REWIS RS 2016, 17445)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 17445

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