Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.04.2011, Az. IV ZR 204/09

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 7570

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[X.]IM NAMEN DES [X.]OLKES URTEIL [X.]/09 [X.]erkündet am:

13. April 2011

Bott

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]Z: ja [X.]R: ja [X.] §§ 1924 Abs. 2, 2303 Abs. 1, 2309 a) Ein gesetzliches Erbrecht des entfernteren [X.] besteht auch dann, wenn der nähere Abkömmling durch [X.]erfügung von Todes wegen enterbt wurde ([X.] an [X.], 14; 93, 193). b) § 2309 [X.] setzt eine Pflichtteilsberechtigung des entfernteren [X.] voraus, beschränkt diese aber zur [X.]ermeidung einer [X.]ervielfältigung der [X.]slast. Ob dem näheren Abkömmling wirksam der Pflichtteil entzogen wurde, kann auch in dem Rechtsstreit über den Pflichtteilsanspruch zwischen dem ent-fernteren Abkömmling und dem Erben geklärt werden.
[X.], Urteil vom 13. April 2011 - [X.]/09 - OLG [X.]furt am Main LG [X.] - 2 -

[X.] hat durch die [X.]orsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.], [X.], [X.] und die Richterin [X.] auf die mündliche [X.]erhandlung vom 13. April 2011 für Recht erkannt: Auf die Rechtsmittel des [X.] wird das Urteil des [X.] in [X.] des [X.]s [X.]furt am Main vom 10. September 2009 aufgehoben und das Urteil des [X.]s [X.] vom 26. No-vember 2008 geändert. Der Beklagte wird unter Abweisung des [X.] im Übrigen verurteilt, dem Kläger durch [X.]orlage [X.] von ihm unterzeichneten, nach [X.] und Passiva gegliederten Aufstellung des [X.] zum Todestag Auskunft über den Nachlass der am 18. Dezember 2007 verstorbenen [X.], geborene [X.], sowie über Ausstattungen i.S. von § 1624 [X.] und über alle dem Beklagten bekannten [X.] Zuwendungen der Erblasserin zu erteilen, soweit diese über die in der Familie üblichen [X.] hinausgingen und, falls es sich um nicht an den Ehegatten der Erblasserin erfolgte Zuwendungen handelte, zur [X.] des Erbfalls [X.] des zugewendeten Gegenstandes noch nicht ver-strichen waren. - 3 -

Die Sache wird zur Entscheidung über die weiteren mit der Stufenklage verfolgten Klaganträge und über den [X.] auf Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten sowie darüber hinaus zur Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens an das [X.] [X.] zurückverwiesen. [X.]on Rechts wegen
Tatbestand:

Der Kläger macht im Wege der Stufenklage [X.] und [X.] nach seiner am 18. Dezember 2007 [X.] Großmutter geltend, deren Alleinerbe der Beklagte ist. 1 Die Parteien sind Geschwister. Ihre Großeltern väterlicherseits setzten sich mit gemeinschaftlichem notariellem Testament vom 26. Fe-bruar 1991 gegenseitig zu Alleinerben des Erstversterbenden ein. Der [X.]ater der Parteien wurde zum alleinigen Erben des [X.] be-stimmt. Nach dem Tod des Großvaters am 23. Juli 1998 errichtete die Großmutter am 21. Mai 2001 ein notarielles Testament, in dem es unter anderem heißt: 2 "– Ich habe bereits mit meinem verstorbenen Ehemann – am 26.02.1991 ein gemeinschaftliches notarielles Testa-ment – errichtet –. Jedoch sind in der jüngeren [X.]ergangenheit Dinge gesche-hen, die zu meinem Entschluss geführt haben, dieses Testament vom 26.02.1991 zu widerrufen, meinem [X.] - 4 -

den Pflichtteil zu entziehen und letztwillig neu zu [X.]. – Nach dem Tode meines Ehemannes 1998 hat mein [X.] sich zunächst um [X.] gekümmert und auch meine finan-ziellen Dinge geregelt. Hierzu gehörte u.a. auch die In-[X.]erwahrnahme eines [X.] gehörenden Goldbarrens im Wert von rd. 20.000,-- DM, den ich bisher immer zu Hause aufbewahrt hatte als 'Not-groschen'. [X.] stand die Reparatur des Daches sowie an-derer Dinge in meinem Wohnhaus – an. Ich ging daher mit meinem [X.] zu meiner Hausbank –, um dort den Betrag von rd. 72.000,-- DM abzuheben. Davon sollten [X.] Arbeiten am Haus ausgeführt werden –. Der nach Durchführung der notwendigen Arbeiten verblei-bende Betrag war als Schenkung für meinen [X.] be-stimmt. – Mein [X.] hat dann das Geld an sich genommen und ver-sprochen, die besprochenen Arbeiten auch in Auftrag zu geben und durchführen zu lassen. Nachdem dann jedoch längere [X.] nichts passiert ist, ha-be ich meinen [X.] erinnert und um Klärung gebeten. Zur Antwort erhielt ich sodann nur den Hinweis, dass er so lange ich lebe überhaupt keine Arbeiten am Haus mehr ausführen lassen würde. Auf meine Aufforderung hin, dass er [X.] sodann wieder den für die Arbeiten erforderlichen Geldbetrag wieder zu-rückgeben solle, – bekam ich zur Antwort, dass er gar nicht daran denke, [X.] das Geld zurückzuzahlen. Auch auf die mehrfache Aufforderung meinerseits, [X.] wenigstens den zur Aufbewahrung überlassenen Goldbar-ren zurückzugeben, erfolgte keine Reaktion. Gleichzeitig ist der persönliche Kontakt vollkommen abge-rissen. – - 5 -

Mein [X.] hat das ihm anvertraute Geld veruntreut und dadurch mein [X.]ertrauen in ihn zutiefst erschüttert. Aus diesem Grund widerrufe ich hiermit die Erbeinsetzung gem. dem gemeinschaftlichen notariellen Testament vom 26.02.1001 des Notars Dr. B.

und entziehe hiermit meinem [X.] [X.]

auch den Pflichtteil. – Ich setze daher nunmehr – meinen Enkel Uwe [X.] – zu meinem alleinigen und unbeschränkten Erben ein."
Der noch lebende [X.]ater der Parteien hat weder gegenüber der Großmutter noch gegenüber dem Beklagten geltend gemacht, er sei [X.] nach seiner Mutter geworden oder pflichtteilsberechtigt. 3 Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe ein Pflichtteil aus dem Nach-lass der Großmutter zu, und begehrt im Wege der Stufenklage Auskunft über den Bestand des Nachlasses einschließlich anrechnungs- und aus-gleichspflichtiger Zuwendungen sowie beeinträchtigender Schenkungen, Abgabe der [X.]ersicherung an Eides Statt, Zahlung des [X.] sowie daneben Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskos-ten. 4 Das [X.] hat die Klage insgesamt abgewiesen, weil der Kläger schon nicht pflichtteilsberechtigt sei. Das [X.] hat die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision [X.] der Kläger sein Begehren weiter. 5 Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel hat in der Sache überwiegend Erfolg. 6 - 6 -

7 I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: 8 Der vom Kläger verfolgte Auskunftsanspruch nach § 2314 Abs. 1 [X.] setze voraus, dass dieser als gesetzlicher Erbe seiner Großmutter durch [X.]erfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen worden und infolgedessen nach § 2303 [X.] pflichtteilsberechtigt sei. Dies sei jedoch nicht der Fall, da der zum [X.]punkt des Erbfalls als nä-herer Abkömmling noch lebende [X.]ater der Parteien den Kläger nach § 1924 Abs. 2 [X.] von der Erbfolge ausgeschlossen habe.
Etwas anderes könne sich zwar aus § 2309 [X.] ergeben, weil der [X.]ater der Parteien wirksam enterbt und ihm der Pflichtteil entzogen [X.] sei, so dass dieser wie ein bereits zum [X.]punkt des Erbfalls ver-storbener Abkömmling zu betrachten sei. Weitere [X.]oraussetzung sei al-lerdings, dass die Pflichtteilsentziehung wirksam sei. Dies stehe jedoch nicht fest und könne in diesem Rechtsstreit auch nicht wirksam [X.] werden, da der [X.]ater der Parteien nicht beteiligt sei. Möglich sei dies nur durch gerichtliche Entscheidung im [X.]erhältnis des von der Ent-ziehung nachteilig betroffenen Pflichtteilsberechtigten und dem noch [X.] Erblasser oder dessen Erben. Alleine darauf, dass der [X.]ater der Parteien die Pflichtteilsentziehung nicht angefochten habe, komme es nicht an, da sich deren Unwirksamkeit auch aus Rechtsgründen ergeben könne, die von der Anfechtung nicht erfasst würden. 9 II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. 10 Dem Kläger steht als Pflichtteilsberechtigtem, der in der Geltend-machung des Pflichtteils nicht durch § 2309 [X.] beschränkt ist, ein 11 - 7 -

Auskunftsanspruch nach § 2314 Abs. 1 Satz 1 [X.] gegenüber dem [X.] als Erben der gemeinsamen Großmutter zu. 1. Der Kläger kann nach § 2303 Abs. 1 Satz 1 [X.] als [X.] der Erblasserin vom Beklagten als deren Erben den Pflichtteil ver-langen, da er durch [X.]erfügung von Todes wegen von der Erbfolge aus-geschlossen wurde. 12 a) Er wäre infolge der Enterbung seines [X.] durch das [X.] seiner Großmutter vom 21. Mai 2001 - neben dem Beklag-ten - deren nächstberufener gesetzlicher Erbe gewesen. 13 aa) Nach § 1924 Abs. 2 [X.] schließt ein zur [X.] des Erbfalls le-bender Abkömmling zwar diejenigen von der Erbfolge aus, die durch ihn mit dem Erblasser verwandt sind. Dies gilt jedoch nur für den Fall, dass der nähere Abkömmling auch zur Erbfolge gelangt (vgl. nur [X.], 14, 17 f.; [X.], [X.], 869, 870). 14 Ein gesetzliches Erbrecht des entfernteren [X.] besteht daher nicht nur - wie in § 1924 Abs. 3 [X.] bestimmt -, wenn der nähere Abkömmling zum [X.]punkt des Erbfalls nicht mehr lebt. [X.] tritt auch dann in die Erbenstellung ein und erwirbt ein eigenständiges Erbrecht, wenn der nähere Abkömmling nicht gesetzlicher Erbe wird, weil er die Erbschaft ausgeschlagen hat (§ 1953 Abs. 2 [X.]), für [X.] erklärt wurde (§ 2344 Abs. 2 [X.]) oder einen - beschränkten - Erb-verzicht erklärt hat (§§ 2346 Abs. 1 Satz 2, 2349 [X.]). 15 - 8 -

16 [X.]) Ob der entferntere Abkömmling auch dann als gesetzlicher [X.] berufen ist, wenn - wie hier - der nähere Abkömmling durch [X.]erfü-gung von Todes wegen enterbt wurde, ist umstritten. (1) Die herrschende Meinung bejaht den Eintritt des entfernteren [X.] in das gesetzliche Erbrecht infolge einer letztwilligen Aus-schließung des näheren [X.] (vgl. [X.], 14, 17 f.; 93, 193, 194 f.; [X.] [X.], 869, 870; [X.] in [X.]/[X.], [X.]. § 2309 Rn. 4, 8; [X.]/[X.], 5. Aufl. § 2309 Rn. 12; [X.]/[X.], 3. Aufl. § 2309 Rn. 6; [X.]/[X.], 3. Aufl. § 2309 Rn. 3 ff.; [X.]/Deppenkemper, [X.]. § 2309 Rn. 2; [X.]/[X.], [X.]. § 1924 Rn. 34, § 1938 Rn. 7; [X.], [X.] 1919, 505 f.; [X.], Pflichtteilsrecht § 2309 Rn. 1, 4; [X.], [X.]. Rn. 56; [X.]/Kuchinke, Erbrecht 5. Aufl. § 37 I[X.] 2 b; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/Wälzholz, Handbuch Pflichtteilsrecht 2. Aufl. § 2 Rn. 25, 34). 17 Demnach gelangten hier die Parteien, nicht aber ihr [X.]ater zur ge-setzlichen Erbfolge, nachdem die Erblasserin diesen im Testament vom 21. Mai 2001 gemäß § 2271 Abs. 2 Satz 2 i.[X.].m. § 2294 [X.] durch den Widerruf seiner bisherigen Erbeinsetzung enterbt hatte. Hierzu war die Erblasserin berechtigt, weil ihr [X.] sich einer [X.]erfehlung schuldig [X.] hatte, die sie nach § 2333 Nr. 3 [X.] in der gemäß Art. 229 § 23 Abs. 4 Satz 1 EG[X.] noch anzuwendenden, bis zum 31. Dezember 2009 geltenden Fassung ([X.]) zur Entziehung des Pflichtteils be-rechtigte. 18 Da die Pflichtteilsentziehung mit ihrem außerordentlichen Gewicht und ihrem demütigenden Charakter einer "[X.]erstoßung über den Tod hin-19 - 9 -

aus" nahe kommt, kommt sie nur bei einer schweren [X.]erletzung der dem Erblasser geschuldeten familiären Achtung in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 6. Dezember 1989 - [X.], [X.]Z 109, 306, 312 f.). Hierbei können auch [X.]erfehlungen gegen das Eigentum oder das [X.]ermögen des Erblassers genügen. Sie müssen aber nach der Natur der [X.]erfehlung und der Art und Weise, wie sie begangen worden sind, eine grobe Miss-achtung des [X.] zum Ausdruck bringen und des-halb eine besondere Kränkung des Erblassers bedeuten (vgl. Senatsur-teil vom 1. März 1974 - [X.], NJW 1974, 1084 unter 2; [X.]/[X.], § 2333 Rn. 21; [X.]/[X.], [X.]. § 2333 Rn. 9).
Ein derart schweres vorsätzliches [X.]ergehen i.S. von § 2333 Nr. 3 [X.] a.F. ist hier anzunehmen. Nach dem unstreitigen und daher vom Revisionsgericht zugrunde zu legenden Sachverhalt hatte die Erblasserin ihrem [X.] einen Betrag von 72.000 DM überlassen, damit er von [X.] notwendige Arbeiten an ihrem Haus ausführt. Lediglich der Rest sollte ihm geschenkt sein. Außerdem hatte er einen Goldbarren im Wert von 20.000 DM in [X.]erwahrung genommen. Tatsächlich hat der [X.] k[X.]lei Arbeiten ausgeführt und weder das Geld noch den Goldbarren zu-rückgegeben sowie in der Folgezeit jeden Kontakt mit der Erblasserin abgebrochen. 20 (2) Andere unterscheiden danach, ob der nähere Abkömmling auf-grund einer negativen [X.]erfügung von Todes wegen enterbt wurde (§ 1938 [X.]) oder ob er - nur - infolge einer erschöpfenden Erbeinset-zung eines Dritten übergangen wurde. Nur im ersten Fall könne [X.] werden, dass der nähere Abkömmling zur gesetzlichen Erbfolge nicht berufen sein und der entferntere Abkömmling an dessen Stelle [X.] - 10 -

rücken soll (vgl. von [X.], Recht 1906, 281, 282; [X.], Recht 1908, 793, 794 f.; so wohl auch [X.]/[X.], 5. Aufl. § 1924 Rn. 30 f.; [X.]/[X.], [X.]. § 2309 Rn. 2, 7 ff., 12; [X.]/[X.], [X.] [2008] § 1924 Rn. 11, 19; [X.] und eine derartige Differenzierung nicht treffend: [X.], 193, 195; [X.]/[X.], 5. Aufl. § 2309 Rn. 12; [X.]/ [X.]/Cieslar, [X.] [1983] § 2309 Rn. 26; [X.], Recht 1920, 134, 135). Das kann hier dahinstehen. Durch die letztwillige [X.]erfügung im [X.] vom 21. Mai 2001, in dem die Erblasserin dem [X.]ater der Parteien zusätzlich den Pflichtteil entzogen hat, hat sie zum Aus-druck gebracht, dass dieser gänzlich vom Nachlass ausgeschlossen sein soll, und mithin auch eine Anordnung i.S. von § 1938 [X.] getroffen. Dies hat das Berufungsgericht für § 2309 [X.] zutreffend zugrunde ge-legt und festgestellt, dass der [X.]ater der Parteien infolge der Enterbung wie ein bereits zum [X.]punkt des Erbfalls verstorbener näherer [X.] zu betrachten sei. 22 (3) Die herrschende Meinung wird in neuerer [X.] von vereinzelten Stimmen in der Literatur in Zweifel gezogen. Ein entfernterer [X.] könne aufgrund einer [X.]erfügung des Erblassers nicht in die Stellung eines gesetzlichen Erben einrücken und damit - im Falle der eigenen Enterbung - auch nicht pflichtteilsberechtigt werden (vgl. [X.]/ [X.], § 2309 Rn. 12; [X.]/[X.], [X.] [2006] § 2309 Rn. 16 f., 31 ff.; [X.], FamRZ 1997, 1124, 1130 ff.; [X.], [X.] 1896 S. 53 f.; i.E. ähnlich [X.], Das Pflichtteilsrecht der entfernteren Abkömmlinge und der [X.] des Erblassers 1899 S. 8 f.). Begründet wird dies vor allem damit, 23 - 11 -

dass das Bürgerliche Gesetzbuch für den Fall der Enterbung keine [X.] kenne ([X.]/[X.], § 2309 Rn. 12; [X.]/[X.], [X.] [2006] § 2309 Rn. 16; [X.], FamRZ 1997, 1124, 1130) und es daher nicht zum Eintreten des entfernteren [X.]s nach § 1924 Abs. 3 [X.] komme. Zudem dürfe eine letztwillige [X.]er-fügung nicht in einzelne enterbende [X.]erfügungen aufgespalten werden, nach denen die entfernteren Abkömmlinge zunächst gesetzliche Erben und sodann selbst enterbt würden. Das ließe unberücksichtigt, dass sich die Frage, wer zum Erbe kraft Gesetzes berufen sei, erst im Erbfall stel-len könne. Daher werde nur der nähere Abkömmling als gesetzlicher [X.] ausgeschlossen, nicht aber die entfernteren, die zu diesem [X.]punkt nicht gesetzliche Erben seien (so [X.], FamRZ 1997, 1124, 1131). Weiter wird vorgebracht, dass die aus der Testierfreiheit fließende Befugnis des Erblassers, jemanden von der gesetzlichen Erbfolge aus-zuschließen, für die Frage der Pflichtteilsberechtigung keine Beachtung finden könne. § 2303 [X.] knüpfe an den hypothetischen Fall der ge-setzlichen Erbfolge an, ein entfernterer [X.]erwandter könne daher auf-grund einer [X.]erfügung des Erblassers nicht pflichtteilsberechtigt werden (so [X.]/[X.], [X.] [2006] § 2309 Rn. 16). 24 (4) Zutreffend ist die vom [X.] begründete Auffassung. 25 Für vergleichbare Fallkonstellationen der Ausschlagung (§ 1953 Abs. 2 [X.]), der Erbunwürdigkeit (§ 2344 Abs. 2 [X.]) sowie des be-schränkten Erbverzichts (§ 2346 Abs. 1 Satz 2, § 2349 [X.]) hat der Ge-setzgeber zwar eine Regelung dahin getroffen, dass in diesen Fällen die Erbschaft demjenigen anfällt, welcher berufen sein würde, wenn der 26 - 12 -

Weggefallene zur [X.] des Erbfalls nicht gelebt hätte. Dass eine solche gesetzliche Bestimmung für die Ausschließung eines [X.] von der Erbfolge durch [X.]erfügung von Todes wegen fehlt, rechtfertigt jedoch nicht den Schluss, dass es in dieser Konstellation nicht zum Eintreten des [X.] nach § 1924 Abs. 3 [X.] kommen kann. Denn die Ent-stehungsgeschichte der genannten Normen - einschließlich derjenigen des § 1924 [X.] - belegt, dass der Gesetzgeber einen Gleichlauf der Folgen der Ausschlagung, der Ausschließung durch [X.]erfügung von [X.] wegen und der Erbunwürdigkeit beabsichtigte.
(aa) Der 1. Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuchs enthielt - im Einklang mit den Motiven - in § 1972 eine Regelung, nach der die Fälle der Ausschlagung, des Ausschlusses, des Erbverzichts und der Erbun-würdigkeit gleich behandelt werden sollten und der gesetzliche Erbe "in Ansehung der gesetzlichen Erbfolge als vor dem [X.] gestorben [X.]" sei. Dies wurde von der [X.] "sachlich ohne Wider-spruch" gebilligt (vgl. Protokolle [X.], S. 483; davon ausgehend auch [X.], [X.] zum späteren § 2309 [X.], wonach der nähere [X.] durch "Ausschließung von der gesetzlichen Erbfolge – als [X.] Erbe in Fortfall kommt"; ferner [X.]/[X.], Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Erbrecht [X.] zu den Beratungen der [X.]). Mit Blick auf die ausdrücklichen Regelungen bei Ausschlagung und Erbunwürdigkeit sollte § 1972 des 1. Entwurfs jedoch neu gefasst werden und sich nur noch auf die Ausschließung durch letztwillige [X.]erfügung und den Erbverzicht erstrecken. In späteren [X.] gelangte die [X.] - ergänzend - dazu, das noch dem 1. Entwurf zugrunde liegende Prinzip (vgl. Motive [X.], [X.] f.), dass der Erbverzicht nicht das selbständige Erbrecht von Abkömmlingen berühren solle, zugunsten einer Regelung aufzugeben, nach der "im Zweifel auch 27 - 13 -

die Abkömmlinge des [X.] von der gesetzlichen Erbfolge aus-geschlossen" würden (vgl. Protokolle [X.], [X.] ff.). In der Folge hat die Redaktionskommission jedoch davon abgese-hen, eine § 1972 des 1. Entwurfs entsprechende Bestimmung zu über-nehmen; eine derartige Regelung fehlt daher im nachfolgenden [X.] zum Erbrecht und im Bürgerlichen Gesetzbuch. Dafür, dass damit jedoch eine Änderung betreffend das Erbrecht entfernterer Abkömmlinge im Falle des Ausschlusses des näheren [X.] einhergehen soll-te, bestehen keine Anhaltspunkte. Der Gesetzgeber des Bürgerlichen Gesetzbuchs ging - entsprechend dem Gedanken des § 1972 des [X.] - davon aus, dass die Entziehung des gesetzlichen Erbrechts, so-weit nichts anderes angeordnet ist, nicht über die Person des unmittelbar Betroffenen hinauswirken soll (vgl. [X.], 14, 17 f.; [X.]/[X.], [X.] [2008] § 1924 Rn. 19). 28 Die mögliche Nachfolge eines entfernteren [X.] in die Stellung als gesetzlicher Erbe bei gleichzeitigem Bestehen einer [X.]sberechtigung des näheren [X.], die nach § 2303 Abs. 1 Satz 1 [X.] die Ausschließung von der gesetzlichen Erbfolge zugunsten des - neuen - gesetzlichen Erben erfordert, setzt auch die Regelung des § 2320 [X.] voraus (vgl. [X.], [X.], 869, 870). 29 ([X.]) Es trifft nicht zu, dass einer letztwilligen [X.]erfügung nicht ein-zelne enterbende [X.]erfügungen entnommen werden können. In Recht-sprechung und Lehre ist vielmehr anerkannt, dass eine Enterbung des entfernteren [X.] zwar nicht schon alleine in der Ausschließung des näheren [X.] gründet, jedoch dann anzunehmen ist, wenn sich ein dahin gehender, zusätzlicher Erblasserwille feststellen lässt (vgl. 30 - 14 -

nur [X.], Urteil vom 14. Januar 1959 - [X.], FamRZ 1959, 149 unter [X.]; [X.], 14, 16; [X.], [X.], 869, 870; [X.], 5. Aufl. § 1924 Rn. 31; [X.]/[X.], [X.]. § 1924 Rn. 34, § 1938 Rn. 7; a.[X.], Archiv für bürgerliches Recht, Bd. 3 [1899] [X.], 200). ([X.]) Die Enterbung des näheren [X.] führt zunächst nur zum Einrücken des entfernteren in die Stellung als gesetzlicher Erbe, so dies nach dem Erblasserwillen anzunehmen ist. Erst durch eine weitere [X.]erfügung, mit der nunmehr auch der entferntere Abkömmling von der Erbfolge ausgeschlossen wird, kommt diesem eine Pflichtteilsberechti-gung nach § 2303 Abs. 1 Satz 1 [X.] zu. Diese leitet sich jedoch nicht aus einer [X.]erfügung von Todes wegen ab, sondern gründet in dem selb-ständigen Erbrecht des entfernteren [X.]. Infolge der Enterbung von Abkömmlingen mehrerer Stufen kommt es dann zu einer möglichen Konkurrenz von Pflichtteilsansprüchen, die durch § 2309 [X.] eine [X.] erfahren hat. 31 ([X.]) Die abweichende Auffassung würde schließlich zu [X.] führen, die von der herrschenden Meinung vermieden werden. Denn die Nachkommen eines näheren [X.], der ledig-lich enterbt wurde, würden schlechter stehen, als diejenigen eines nähe-ren [X.], gegenüber dem das [X.]erdikt der Erbunwürdigkeit aus den Gründen des § 2339 [X.] ausgesprochen wurde (vgl. [X.]/Dieck-mann, [X.]. § 2309 Rn. 12). 32 b) Infolge der Einsetzung des Beklagten im notariellen Testament vom 21. Mai 2001 zum Alleinerben wurde der Kläger durch [X.]erfügung von Todes wegen von der gesetzlichen Erbfolge nach seiner Großmutter 33 - 15 -

- stillschweigend - ausgeschlossen (vgl. [X.]/[X.], 5. Aufl. § 2303 Rn. 18, § 2309 Rn. 12). Hierdurch erlangte er ein [X.]srecht nach § 2303 Abs. 1 Satz 1 [X.].
2. Für die vom Kläger verfolgten [X.] und Pflichtteilsergän-zungsansprüche ist weiter maßgeblich, ob er in deren Geltendmachung durch § 2309 [X.] beschränkt ist. Danach ist er als entfernterer [X.] insoweit nicht pflichtteilsberechtigt, als ein Abkömmling, der ihn im Falle der gesetzlichen Erbfolge ausschließen würde, den [X.] verlangen kann oder das ihm [X.] annimmt. 34 a) § 2309 [X.] setzt nach nahezu einhelliger Meinung eine nach allgemeinen [X.]orschriften bestehende Pflichtteilsberechtigung des ent-fernteren [X.] - hier des [X.] - voraus, beschränkt diese aber (vgl. [X.]/[X.], 5. Aufl. § 2309 Rn. 2, 5; [X.]/ [X.], [X.]. § 2309 Rn. 1; [X.]/[X.], [X.] [2006] § 2309 Rn. 5; [X.], [X.] 1919, 505, 511 f.; [X.], Recht 1908, 793, 795 f.). Dadurch soll eine [X.]ervielfältigung der Pflichtteilslast ver-mieden werden, die ansonsten durch das Nachrücken entfernterer [X.]e in den Kreis der Pflichtteilsberechtigten entstehen würde; dem jeweiligen Stamm soll nur ein Pflichtteil zukommen (vgl. statt vieler Motive [X.], S. 401 f.; Protokolle [X.], [X.]; [X.]/[X.], 5. Aufl. § 2309 Rn. 1; [X.]/[X.], [X.]. § 2309 Rn. 1; [X.]/[X.], [X.] [2006] § 2309 Rn. 5). 35 Dem Kläger als entfernterem Abkömmling steht daher ein nicht be-schränktes Pflichtteilsrecht zu, wenn - und soweit - sein [X.]ater als nähe-rer Abkömmling selbst den Pflichtteil nicht fordern kann, weil ihm dieser wirksam nach § 2333 [X.] entzogen wurde (vgl. dazu Motive [X.], S. 402; 36 - 16 -

[X.] in [X.]/[X.], [X.]. § 2309 Rn. 8; [X.]/[X.], 3. Aufl. § 2309 Rn. 12; [X.]/[X.], [X.]. § 2309 Rn. 3, 17; [X.]/[X.]/Cieslar, [X.] [1983] § 2309 Rn. 28; [X.], [X.] 1919, 505, 510 ff.; von [X.], Recht 1906, 281, 283; Langheineken, [X.] 14 [1904], 319, 328 f.). b) Da die im notariellen Testament vom 21. Mai 2001 ausgespro-chene Entziehung des Pflichtteils aufgrund der [X.]erfehlungen des [X.] der Parteien gegenüber der Erblasserin gestützt auf § 2333 Nr. 3 [X.] a.F. wirksam erfolgen konnte und den formellen Anforderungen nach § 2336 Abs. 1, 2 [X.] genügte, ist dieser nicht berechtigt, s[X.]seits den Pflichtteil zu verlangen, und somit nicht in der Lage, den Kläger nach § 2309 [X.] von der Geltendmachung seiner Pflichtteilsbe-rechtigung auszuschließen. 37 Anders als das Berufungsgericht meint, kann dies auch im hier zu entscheidenden Rechtsstreit zwischen entfernterem Abkömmling und [X.]n festgestellt werden. Denn die Selbständigkeit der Pflichtteilsberech-tigung des [X.] als entfernterem Abkömmling steht der Annahme ent-gegen, dass nach Eintritt des Erbfalls die Wirksamkeit der Pflichtteilsent-ziehung nur in einem Rechtsstreit des näheren [X.] mit dem Erben geklärt werden könne. Dies würde zu dem unannehmbaren Er-gebnis führen, dass der Erbe die Absicht des Erblassers, der seinem Kind den Pflichtteil zur Strafe entzieht, ihn aber seinem Enkel erhalten will, ohne Zuziehung des letzteren durchkreuzen und sich von seiner Pflichtteilslast durch [X.]erständigung mit einem nicht berechtigten, ihm willfährigen Abkömmling ganz oder zum Teil befreien könnte ([X.], 193, 196). Der Erbe ist durch die Möglichkeit der [X.] nach § 72 ZPO und der Hinterlegung nach § 372 [X.] hinreichend davor [X.] - 17 -

schützt, die dem Pflichtteilsberechtigten geschuldete Leistung mehrfach erbringen zu müssen, weil diejenige an einen nicht berechtigten [X.] nicht gegenüber dem berechtigten befreit ([X.]Z aaO; vgl. auch [X.] in [X.]/[X.], [X.]. § 2309 Rn. 8; [X.]/[X.], [X.]. § 2309 Rn. 1; [X.] in [X.]-[X.]RK, 12. Aufl. § 2309 Rn. 2; [X.]/[X.], [X.]. § 2309 Rn. 18; [X.], [X.] 1919, 505, 513 f.).

III. Auf die Revision des [X.] ist das Berufungsurteil daher auf-zuheben und der Beklagte in Änderung des landgerichtlichen Urteils zur Erteilung von Auskunft zu verurteilen (§§ 562 Abs. 1, 563 Abs. 3 ZPO). 39 Dabei ist dem diesbezüglichen Begehren allerdings nicht im vollen Umfang zu entsprechen. Der Kläger kann Auskunft nach § 2314 Abs. 1 Satz 1 [X.] zwar nicht nur über die tatsächlich vorhandenen [X.], sondern auch über den so genannten fiktiven [X.] verlangen, also über anrechnungs- (§ 2315 [X.]) und ausgleichs-pflichtige Zuwendungen (§§ 2316, 2050 ff. [X.]), zu denen eine Ausstat-tung nach § 1624 [X.] zählt (vgl. nur [X.]/v. [X.] [X.], 5. Aufl. § 1624 Rn. 15), sowie über Schenkungen der Erblas-serin und über [X.]erbindlichkeiten des Nachlasses (vgl. nur Senatsurteil vom 9. November 1983 - I[X.]a ZR 151/82, [X.]Z 89, 24, 27; [X.]/[X.], 5. Aufl. § 2314 Rn. 5). Die Auskunftsverpflichtung über Schenkungen betrifft jedoch nur nach § 2325 [X.] ergänzungspflichtige (vgl. dazu [X.], Urteil vom 2. November 1960 - [X.] ZR 124/59, [X.]Z 33, 373, 374; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/Wälzholz, Handbuch [X.]srecht 2. Aufl. § 14 Rn. 130; [X.] in [X.]/[X.], Handbuch 40 - 18 -

Pflichtteilsrecht § 9 Rn. 58), so dass dem insofern unbeschränkt verfolg-ten Begehren teilweise nicht stattzugeben ist. Darüber hinaus ist der Rechtsstreit zur Entscheidung über die [X.] im Wege der Stufenklage (§ 254 ZPO) geltend gemachten [X.] in analoger Anwendung von § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO auf [X.] des [X.] an das [X.] zurückzuverweisen (vgl. dazu [X.], Urteil vom 3. Mai 2006 - [X.]III ZR 168/05, [X.], 2626 Rn. 13 ff.). 41 [X.] [X.] [X.]

[X.] [X.] [X.]orinstanzen: LG [X.], Entscheidung vom 26.11.2008 - 2 O 296/08 - OLG [X.]furt/Main, Entscheidung vom [X.]

Meta

IV ZR 204/09

13.04.2011

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.04.2011, Az. IV ZR 204/09 (REWIS RS 2011, 7570)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7570

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