Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.04.2011, Az. IV ZR 204/09

4. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 7622

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Gegenstand

Gesetzliches Erbrecht des entfernteren Abkömmlings bei Enterbung des näheren Abkömmlings; Pflichtteilsberechtigung des entfernteren Abkömmlings


Leitsatz

1. Ein gesetzliches Erbrecht des entfernteren Abkömmlings besteht auch dann, wenn der nähere Abkömmling durch Verfügung von Todes wegen enterbt wurde (Anschluss an RG, 19. Mai 1905, VII 489/04, RGZ 61, 14 und RG, 6. Juni 1918, IV 114/18, RGZ 93, 193). .

2. § 2309 BGB setzt eine Pflichtteilsberechtigung des entfernteren Abkömmlings voraus, beschränkt diese aber zur Vermeidung einer Vervielfältigung der Pflichtteilslast. Ob dem näheren Abkömmling wirksam der Pflichtteil entzogen wurde, kann auch in dem Rechtsstreit über den Pflichtteilsanspruch zwischen dem entfernteren Abkömmling und dem Erben geklärt werden.

Tenor

Auf die Rechtsmittel des Klägers wird das Urteil des [X.] in [X.] des [X.] vom 10. September 2009 aufgehoben und das Urteil des Landgerichts [X.] vom 26. November 2008 geändert.

Der Beklagte wird unter Abweisung des [X.] im Übrigen verurteilt, dem Kläger durch Vorlage einer von ihm unterzeichneten, nach [X.] und Passiva gegliederten Aufstellung des Vermögens der Verstorbenen zum Todestag Auskunft über den Nachlass der am 18. Dezember 2007 verstorbenen [X.], geborene [X.], sowie über Ausstattungen i.S. von § 1624 BGB und über alle dem Beklagten bekannten unentgeltlichen Zuwendungen der Erblasserin zu erteilen, soweit diese über die in der Familie üblichen Anstandsschenkungen hinausgingen und, falls es sich um nicht an den Ehegatten der Erblasserin erfolgte Zuwendungen handelte, zur [X.] des Erbfalls [X.] zugewendeten Gegenstandes noch nicht verstrichen waren.

Die Sache wird zur Entscheidung über die weiteren mit der Stufenklage verfolgten Klaganträge und über den Antrag auf Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten sowie darüber hinaus zur Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens an das Landgericht [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger macht im Wege der Stufenklage Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche nach seiner am 18. Dezember 2007 verstorbenen Großmutter geltend, deren Alleinerbe der Beklagte ist.

2

Die Parteien sind Geschwister. Ihre Großeltern väterlicherseits setzten sich mit gemeinschaftlichem notariellem Testament vom 26. Februar 1991 gegenseitig zu Alleinerben des Erstversterbenden ein. Der Vater der Parteien wurde zum alleinigen Erben des [X.] bestimmt. Nach dem Tod des Großvaters am 23. Juli 1998 errichtete die Großmutter am 21. Mai 2001 ein notarielles Testament, in dem es unter anderem heißt:

"…

Ich habe bereits mit meinem verstorbenen Ehemann … am 26.02.1991 ein gemeinschaftliches notarielles Testament … errichtet ….

Jedoch sind in der jüngeren Vergangenheit Dinge geschehen, die zu meinem Entschluss geführt haben, dieses Testament vom 26.02.1991 zu widerrufen, meinem [X.] den Pflichtteil zu entziehen und letztwillig neu zu verfügen.

Nach dem Tode meines Ehemannes 1998 hat mein [X.] sich zunächst um [X.] gekümmert und auch meine finanziellen Dinge geregelt.

Hierzu gehörte u.a. auch die In-Verwahrnahme eines [X.] gehörenden Goldbarrens im Wert von rd. 20.000,-- DM, den ich bisher immer zu Hause aufbewahrt hatte als 'Notgroschen'.

Im Jahr 1999 stand die Reparatur des Daches sowie anderer Dinge in meinem Wohnhaus … an. Ich ging daher mit meinem [X.] zu meiner Hausbank …, um dort den Betrag von rd. 72.000,-- DM abzuheben. Davon sollten diverse Arbeiten am Haus ausgeführt werden ….

Der nach Durchführung der notwendigen Arbeiten verbleibende Betrag war als Schenkung für meinen [X.] bestimmt. …

Mein [X.] hat dann das Geld an sich genommen und versprochen, die besprochenen Arbeiten auch in Auftrag zu geben und durchführen zu lassen.

Nachdem dann jedoch längere [X.] nichts passiert ist, habe ich meinen [X.] erinnert und um Klärung gebeten. Zur Antwort erhielt ich sodann nur den Hinweis, dass er so lange ich lebe überhaupt keine Arbeiten am Haus mehr ausführen lassen würde.

Auf meine Aufforderung hin, dass er [X.] sodann wieder den für die Arbeiten erforderlichen Geldbetrag wieder zurückgeben solle, … bekam ich zur Antwort, dass er gar nicht daran denke, [X.] das Geld zurückzuzahlen.

Auch auf die mehrfache Aufforderung meinerseits, [X.] wenigstens den zur Aufbewahrung überlassenen Goldbarren zurückzugeben, erfolgte keine Reaktion.

Gleichzeitig ist der persönliche Kontakt vollkommen abgerissen.

Mein [X.] hat das ihm anvertraute Geld veruntreut und dadurch mein Vertrauen in ihn zutiefst erschüttert.

Aus diesem Grund widerrufe ich hiermit die Erbeinsetzung gem. dem gemeinschaftlichen notariellen Testament vom 26.02.1001 des Notars [X.] und entziehe hiermit meinem [X.] [X.] auch den Pflichtteil.

Ich setze daher nunmehr … meinen Enkel [X.] zu meinem alleinigen und unbeschränkten Erben ein."

3

Der noch lebende Vater der Parteien hat weder gegenüber der Großmutter noch gegenüber dem Beklagten geltend gemacht, er sei Erbe nach seiner Mutter geworden oder pflichtteilsberechtigt.

4

Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe ein Pflichtteil aus dem Nachlass der Großmutter zu, und begehrt im Wege der Stufenklage Auskunft über den Bestand des Nachlasses einschließlich anrechnungs- und ausgleichspflichtiger Zuwendungen sowie beeinträchtigender Schenkungen, Abgabe der Versicherung an Eides Statt, Zahlung des [X.] sowie daneben Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

5

Das [X.] hat die Klage insgesamt abgewiesen, weil der Kläger schon nicht pflichtteilsberechtigt sei. Das [X.] hat die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

6

Das Rechtsmittel hat in der Sache überwiegend Erfolg.

7

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

8

Der vom Kläger verfolgte Auskunftsanspruch nach § 2314 Abs. 1 [X.] setze voraus, dass dieser als gesetzlicher Erbe seiner Großmutter durch [X.]erfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen worden und infolgedessen nach § 2303 [X.] pflichtteilsberechtigt sei. Dies sei jedoch nicht der Fall, da der zum [X.]punkt des Erbfalls als näherer Abkömmling noch lebende [X.]ater der Parteien den Kläger nach § 1924 Abs. 2 [X.] von der Erbfolge ausgeschlossen habe.

9

Etwas anderes könne sich zwar aus § 2309 [X.] ergeben, weil der [X.]ater der Parteien wirksam enterbt und ihm der Pflichtteil entzogen worden sei, so dass dieser wie ein bereits zum [X.]punkt des Erbfalls verstorbener Abkömmling zu betrachten sei. Weitere [X.]oraussetzung sei allerdings, dass die Pflichtteilsentziehung wirksam sei. Dies stehe jedoch nicht fest und könne in diesem Rechtsstreit auch nicht wirksam festgestellt werden, da der [X.]ater der Parteien nicht beteiligt sei. Möglich sei dies nur durch gerichtliche Entscheidung im [X.]erhältnis des von der Entziehung nachteilig betroffenen Pflichtteilsberechtigten und dem noch lebenden Erblasser oder dessen Erben. Alleine darauf, dass der [X.]ater der Parteien die Pflichtteilsentziehung nicht angefochten habe, komme es nicht an, da sich deren Unwirksamkeit auch aus Rechtsgründen ergeben könne, die von der Anfechtung nicht erfasst würden.

II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Dem Kläger steht als Pflichtteilsberechtigtem, der in der Geltendmachung des Pflichtteils nicht durch § 2309 [X.] beschränkt ist, ein Auskunftsanspruch nach § 2314 Abs. 1 Satz 1 [X.] gegenüber dem Beklagten als Erben der gemeinsamen Großmutter zu.

1. Der Kläger kann nach § 2303 Abs. 1 Satz 1 [X.] als Abkömmling der Erblasserin vom Beklagten als deren Erben den Pflichtteil verlangen, da er durch [X.]erfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen wurde.

a) Er wäre infolge der Enterbung seines [X.] durch das notarielle Testament seiner Großmutter vom 21. Mai 2001 - neben dem Beklagten - deren [X.] gesetzlicher Erbe gewesen.

aa) Nach § 1924 Abs. 2 [X.] schließt ein zur [X.] des Erbfalls lebender Abkömmling zwar diejenigen von der Erbfolge aus, die durch ihn mit dem Erblasser verwandt sind. Dies gilt jedoch nur für den Fall, dass der nähere Abkömmling auch zur Erbfolge gelangt (vgl. nur [X.], 14, 17 f.; [X.], [X.], 869, 870).

Ein gesetzliches Erbrecht des entfernteren [X.] besteht daher nicht nur - wie in § 1924 Abs. 3 [X.] bestimmt -, wenn der nähere Abkömmling zum [X.]punkt des Erbfalls nicht mehr lebt. [X.] tritt auch dann in die Erbenstellung ein und erwirbt ein eigenständiges Erbrecht, wenn der nähere Abkömmling nicht gesetzlicher Erbe wird, weil er die Erbschaft ausgeschlagen hat (§ 1953 Abs. 2 [X.]), für erbunwürdig erklärt wurde (§ 2344 Abs. 2 [X.]) oder einen - beschränkten - Erbverzicht erklärt hat (§§ 2346 Abs. 1 Satz 2, 2349 [X.]).

bb) Ob der entferntere Abkömmling auch dann als gesetzlicher Erbe berufen ist, wenn - wie hier - der nähere Abkömmling durch [X.]erfügung von Todes wegen enterbt wurde, ist umstritten.

(1) Die herrschende Meinung bejaht den Eintritt des entfernteren [X.] in das gesetzliche Erbrecht infolge einer letztwilligen Ausschließung des näheren [X.] (vgl. [X.], 14, 17 f.; 93, 193, 194 f.; [X.] [X.], 869, 870; [X.] in [X.]/[X.], [X.]. § 2309 Rn. 4, 8; [X.]/[X.], 5. Aufl. § 2309 Rn. 12; [X.]/[X.], 3. Aufl. § 2309 Rn. 6; [X.]/[X.], 3. Aufl. § 2309 Rn. 3 ff.; [X.]/Deppenkemper, [X.]. § 2309 Rn. 2; [X.]/[X.], [X.]. § 1924 Rn. 34, § 1938 Rn. 7; [X.], [X.] 1919, 505 f.; [X.], Pflichtteilsrecht § 2309 Rn. 1, 4; [X.], Pflichtteilsrecht 2. Aufl. Rn. 56; [X.]/Kuchinke, Erbrecht 5. Aufl. § 37 I[X.] 2 b; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/Wälzholz, Handbuch Pflichtteilsrecht 2. Aufl. § 2 Rn. 25, 34).

Demnach gelangten hier die Parteien, nicht aber ihr [X.]ater zur gesetzlichen Erbfolge, nachdem die Erblasserin diesen im Testament vom 21. Mai 2001 gemäß § 2271 Abs. 2 Satz 2 i.[X.].m. § 2294 [X.] durch den Widerruf seiner bisherigen Erbeinsetzung enterbt hatte. Hierzu war die Erblasserin berechtigt, weil ihr [X.] sich einer [X.]erfehlung schuldig gemacht hatte, die sie nach § 2333 Nr. 3 [X.] in der gemäß Art. 229 § 23 Abs. 4 Satz 1 EG[X.] noch anzuwendenden, bis zum 31. Dezember 2009 geltenden Fassung ([X.]) zur Entziehung des Pflichtteils berechtigte.

Da die Pflichtteilsentziehung mit ihrem außerordentlichen Gewicht und ihrem demütigenden Charakter einer "[X.]erstoßung über den Tod hinaus" nahe kommt, kommt sie nur bei einer schweren [X.]erletzung der dem Erblasser geschuldeten familiären Achtung in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 6. Dezember 1989 - [X.], [X.], 306, 312 f.). Hierbei können auch [X.]erfehlungen gegen das Eigentum oder das [X.]ermögen des Erblassers genügen. Sie müssen aber nach der Natur der [X.]erfehlung und der Art und Weise, wie sie begangen worden sind, eine grobe Missachtung des [X.] zum Ausdruck bringen und deshalb eine besondere Kränkung des Erblassers bedeuten (vgl. Senatsurteil vom 1. März 1974 - [X.], NJW 1974, 1084 unter 2; [X.]/[X.], § 2333 Rn. 21; [X.]/[X.], [X.]. § 2333 Rn. 9).

Ein derart schweres vorsätzliches [X.]ergehen i.S. von § 2333 Nr. 3 [X.] a.F. ist hier anzunehmen. Nach dem unstreitigen und daher vom Revisionsgericht zugrunde zu legenden Sachverhalt hatte die Erblasserin ihrem [X.] einen Betrag von 72.000 DM überlassen, damit er von diesem notwendige Arbeiten an ihrem Haus ausführt. Lediglich der Rest sollte ihm geschenkt sein. Außerdem hatte er einen Goldbarren im Wert von 20.000 DM in [X.]erwahrung genommen. Tatsächlich hat der [X.] keinerlei Arbeiten ausgeführt und weder das Geld noch den Goldbarren zurückgegeben sowie in der Folgezeit jeden Kontakt mit der Erblasserin abgebrochen.

(2) Andere unterscheiden danach, ob der nähere Abkömmling aufgrund einer negativen [X.]erfügung von Todes wegen enterbt wurde (§ 1938 [X.]) oder ob er - nur - infolge einer erschöpfenden Erbeinsetzung eines [X.] übergangen wurde. Nur im ersten Fall könne angenommen werden, dass der nähere Abkömmling zur gesetzlichen Erbfolge nicht berufen sein und der entferntere Abkömmling an dessen Stelle einrücken soll (vgl. von [X.], Recht 1906, 281, 282; [X.], Recht 1908, 793, 794 f.; so wohl auch [X.]/[X.], 5. Aufl. § 1924 Rn. 30 f.; [X.]/[X.], [X.]. § 2309 Rn. 2, 7 ff., 12; [X.]/[X.], [X.] [2008] § 1924 Rn. 11, 19; ausdrücklich a.A. und eine derartige Differenzierung nicht treffend: [X.], 193, 195; [X.]/[X.], 5. Aufl. § 2309 Rn. 12; [X.]/[X.]/Cieslar, [X.] [1983] § 2309 Rn. 26; [X.], Recht 1920, 134, 135).

Das kann hier dahinstehen. Durch die letztwillige [X.]erfügung im notariellen Testament vom 21. Mai 2001, in dem die Erblasserin dem [X.]ater der Parteien zusätzlich den Pflichtteil entzogen hat, hat sie zum Ausdruck gebracht, dass dieser gänzlich vom Nachlass ausgeschlossen sein soll, und mithin auch eine Anordnung i.S. von § 1938 [X.] getroffen. Dies hat das Berufungsgericht für § 2309 [X.] zutreffend zugrunde gelegt und festgestellt, dass der [X.]ater der Parteien infolge der Enterbung wie ein bereits zum [X.]punkt des Erbfalls verstorbener näherer Abkömmling zu betrachten sei.

(3) Die herrschende Meinung wird in neuerer [X.] von vereinzelten Stimmen in der Literatur in Zweifel gezogen. Ein entfernterer Abkömmling könne aufgrund einer [X.]erfügung des Erblassers nicht in die Stellung eines gesetzlichen Erben einrücken und damit - im Falle der eigenen Enterbung - auch nicht pflichtteilsberechtigt werden (vgl. [X.]/[X.], § 2309 Rn. 12; [X.]/[X.], [X.] [2006] § 2309 Rn. 16 f., 31 ff.; [X.], FamRZ 1997, 1124, 1130 ff.; [X.], [X.] 1896 S. 53 f.; i.E. ähnlich [X.], Das Pflichtteilsrecht der entfernteren Abkömmlinge und der Eltern des Erblassers 1899 S. 8 f.). Begründet wird dies vor allem damit, dass das Bürgerliche Gesetzbuch für den Fall der Enterbung keine [X.] kenne ([X.]/[X.], § 2309 Rn. 12; [X.]/[X.], [X.] [2006] § 2309 Rn. 16; [X.], FamRZ 1997, 1124, 1130) und es daher nicht zum Eintreten des entfernteren [X.] nach § 1924 Abs. 3 [X.] komme. Zudem dürfe eine letztwillige [X.]erfügung nicht in einzelne enterbende [X.]erfügungen aufgespalten werden, nach denen die entfernteren Abkömmlinge zunächst gesetzliche Erben und sodann selbst enterbt würden. Das ließe unberücksichtigt, dass sich die Frage, wer zum Erbe kraft Gesetzes berufen sei, erst im Erbfall stellen könne. Daher werde nur der nähere Abkömmling als gesetzlicher Erbe ausgeschlossen, nicht aber die entfernteren, die zu diesem [X.]punkt nicht gesetzliche Erben seien (so [X.], FamRZ 1997, 1124, 1131).

Weiter wird vorgebracht, dass die aus der Testierfreiheit fließende Befugnis des Erblassers, jemanden von der gesetzlichen Erbfolge auszuschließen, für die Frage der Pflichtteilsberechtigung keine Beachtung finden könne. § 2303 [X.] knüpfe an den hypothetischen Fall der gesetzlichen Erbfolge an, ein entfernterer [X.]erwandter könne daher aufgrund einer [X.]erfügung des Erblassers nicht pflichtteilsberechtigt werden (so [X.]/[X.], [X.] [2006] § 2309 Rn. 16).

(4) Zutreffend ist die vom [X.] begründete Auffassung.

Für vergleichbare Fallkonstellationen der Ausschlagung (§ 1953 Abs. 2 [X.]), der Erbunwürdigkeit (§ 2344 Abs. 2 [X.]) sowie des beschränkten Erbverzichts (§ 2346 Abs. 1 Satz 2, § 2349 [X.]) hat der Gesetzgeber zwar eine Regelung dahin getroffen, dass in diesen Fällen die Erbschaft demjenigen anfällt, welcher berufen sein würde, wenn der Weggefallene zur [X.] des Erbfalls nicht gelebt hätte. Dass eine solche gesetzliche Bestimmung für die Ausschließung eines [X.] von der Erbfolge durch [X.]erfügung von Todes wegen fehlt, rechtfertigt jedoch nicht den Schluss, dass es in dieser Konstellation nicht zum Eintreten des [X.] nach § 1924 Abs. 3 [X.] kommen kann. Denn die Entstehungsgeschichte der genannten Normen - einschließlich derjenigen des § 1924 [X.] - belegt, dass der Gesetzgeber einen Gleichlauf der Folgen der Ausschlagung, der Ausschließung durch [X.]erfügung von Todes wegen und der Erbunwürdigkeit beabsichtigte.

(aa) Der 1. Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuchs enthielt - im Einklang mit den Motiven - in § 1972 eine Regelung, nach der die Fälle der Ausschlagung, des Ausschlusses, des Erbverzichts und der Erbunwürdigkeit gleich behandelt werden sollten und der gesetzliche Erbe "in Ansehung der gesetzlichen Erbfolge als vor dem [X.] gestorben anzusehen" sei. Dies wurde von der [X.] "sachlich ohne Widerspruch" gebilligt (vgl. Protokolle [X.], S. 483; davon ausgehend auch Protokolle [X.], [X.] zum späteren § 2309 [X.], wonach der nähere Abkömmling durch "Ausschließung von der gesetzlichen Erbfolge … als gesetzlicher Erbe in Fortfall kommt"; ferner [X.]/[X.], Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Erbrecht [X.] zu den Beratungen der [X.]). Mit Blick auf die ausdrücklichen Regelungen bei Ausschlagung und Erbunwürdigkeit sollte § 1972 des 1. Entwurfs jedoch neu gefasst werden und sich nur noch auf die Ausschließung durch letztwillige [X.]erfügung und den Erbverzicht erstrecken. In späteren Beratungen gelangte die [X.] - ergänzend - dazu, das noch dem 1. Entwurf zugrunde liegende Prinzip (vgl. Motive [X.], [X.] f.), dass der Erbverzicht nicht das selbständige Erbrecht von Abkömmlingen berühren solle, zugunsten einer Regelung aufzugeben, nach der "im Zweifel auch die Abkömmlinge des [X.] von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen" würden (vgl. Protokolle [X.], [X.] ff.).

In der Folge hat die Redaktionskommission jedoch davon abgesehen, eine § 1972 des 1. Entwurfs entsprechende Bestimmung zu übernehmen; eine derartige Regelung fehlt daher im nachfolgenden Teilentwurf zum Erbrecht und im Bürgerlichen Gesetzbuch. Dafür, dass damit jedoch eine Änderung betreffend das Erbrecht entfernterer Abkömmlinge im Falle des Ausschlusses des näheren [X.] einhergehen sollte, bestehen keine Anhaltspunkte. Der Gesetzgeber des Bürgerlichen Gesetzbuchs ging - entsprechend dem Gedanken des § 1972 des 1. Entwurfs - davon aus, dass die Entziehung des gesetzlichen Erbrechts, soweit nichts anderes angeordnet ist, nicht über die Person des unmittelbar Betroffenen hinauswirken soll (vgl. [X.], 14, 17 f.; [X.]/[X.], [X.] [2008] § 1924 Rn. 19).

Die mögliche Nachfolge eines entfernteren [X.] in die Stellung als gesetzlicher Erbe bei gleichzeitigem Bestehen einer Pflichtteilsberechtigung des näheren [X.], die nach § 2303 Abs. 1 Satz 1 [X.] die Ausschließung von der gesetzlichen Erbfolge zugunsten des - neuen - gesetzlichen Erben erfordert, setzt auch die Regelung des § 2320 [X.] voraus (vgl. [X.], [X.], 869, 870).

(bb) Es trifft nicht zu, dass einer letztwilligen [X.]erfügung nicht einzelne enterbende [X.]erfügungen entnommen werden können. In Rechtsprechung und Lehre ist vielmehr anerkannt, dass eine Enterbung des entfernteren [X.] zwar nicht schon alleine in der Ausschließung des näheren [X.] gründet, jedoch dann anzunehmen ist, wenn sich ein dahin gehender, zusätzlicher Erblasserwille feststellen lässt (vgl. nur [X.], Urteil vom 14. Januar 1959 - [X.], FamRZ 1959, 149 unter [X.]; [X.], 14, 16; [X.], [X.], 869, 870; [X.], 5. Aufl. § 1924 Rn. 31; [X.]/[X.], [X.]. § 1924 Rn. 34, § 1938 Rn. 7; a.[X.], Archiv für bürgerliches Recht, Bd. 3 [1899] S. 141, 200).

(cc) Die Enterbung des näheren [X.] führt zunächst nur zum Einrücken des entfernteren in die Stellung als gesetzlicher Erbe, so dies nach dem Erblasserwillen anzunehmen ist. Erst durch eine weitere [X.]erfügung, mit der nunmehr auch der entferntere Abkömmling von der Erbfolge ausgeschlossen wird, kommt diesem eine Pflichtteilsberechtigung nach § 2303 Abs. 1 Satz 1 [X.] zu. Diese leitet sich jedoch nicht aus einer [X.]erfügung von Todes wegen ab, sondern gründet in dem selbständigen Erbrecht des entfernteren [X.]. Infolge der Enterbung von Abkömmlingen mehrerer Stufen kommt es dann zu einer möglichen Konkurrenz von Pflichtteilsansprüchen, die durch § 2309 [X.] eine Regelung erfahren hat.

([X.]) Die abweichende Auffassung würde schließlich zu Wertungswidersprüchen führen, die von der herrschenden Meinung vermieden werden. Denn die Nachkommen eines näheren [X.], der lediglich enterbt wurde, würden schlechter stehen, als diejenigen eines näheren [X.], gegenüber dem das [X.]erdikt der Erbunwürdigkeit aus den Gründen des § 2339 [X.] ausgesprochen wurde (vgl. [X.]/[X.], [X.]. § 2309 Rn. 12).

b) Infolge der Einsetzung des Beklagten im notariellen Testament vom 21. Mai 2001 zum Alleinerben wurde der Kläger durch [X.]erfügung von Todes wegen von der gesetzlichen Erbfolge nach seiner Großmutter - stillschweigend - ausgeschlossen (vgl. [X.]/[X.], 5. Aufl. § 2303 Rn. 18, § 2309 Rn. 12). Hierdurch erlangte er ein Pflichtteilsrecht nach § 2303 Abs. 1 Satz 1 [X.].

2. Für die vom Kläger verfolgten [X.] und Pflichtteilsergänzungsansprüche ist weiter maßgeblich, ob er in deren Geltendmachung durch § 2309 [X.] beschränkt ist. Danach ist er als entfernterer Abkömmling insoweit nicht pflichtteilsberechtigt, als ein Abkömmling, der ihn im Falle der gesetzlichen Erbfolge ausschließen würde, den Pflichtteil verlangen kann oder das ihm [X.] annimmt.

a) § 2309 [X.] setzt nach nahezu einhelliger Meinung eine nach allgemeinen [X.]orschriften bestehende Pflichtteilsberechtigung des entfernteren [X.] - hier des [X.] - voraus, beschränkt diese aber (vgl. [X.]/[X.], 5. Aufl. § 2309 Rn. 2, 5; [X.]/[X.], [X.]. § 2309 Rn. 1; [X.]/[X.], [X.] [2006] § 2309 Rn. 5; [X.], [X.] 1919, 505, 511 f.; [X.], Recht 1908, 793, 795 f.). Dadurch soll eine [X.]ervielfältigung der Pflichtteilslast vermieden werden, die ansonsten durch das Nachrücken entfernterer Abkömmlinge in den Kreis der Pflichtteilsberechtigten entstehen würde; dem jeweiligen Stamm soll nur ein Pflichtteil zukommen (vgl. statt vieler Motive [X.], S. 401 f.; Protokolle [X.], [X.]; [X.]/[X.], 5. Aufl. § 2309 Rn. 1; [X.]/[X.], [X.]. § 2309 Rn. 1; [X.]/[X.], [X.] [2006] § 2309 Rn. 5).

Dem Kläger als entfernterem Abkömmling steht daher ein nicht beschränktes Pflichtteilsrecht zu, wenn - und soweit - sein [X.]ater als näherer Abkömmling selbst den Pflichtteil nicht fordern kann, weil ihm dieser wirksam nach § 2333 [X.] entzogen wurde (vgl. dazu Motive [X.], [X.]; [X.] in [X.]/[X.], [X.]. § 2309 Rn. 8; [X.]/[X.], 3. Aufl. § 2309 Rn. 12; [X.]/[X.], [X.]. § 2309 Rn. 3, 17; [X.]/[X.]/Cieslar, [X.] [1983] § 2309 Rn. 28; [X.], [X.] 1919, 505, 510 ff.; von [X.], Recht 1906, 281, 283; Langheineken, [X.] 14 [1904], 319, 328 f.).

b) Da die im notariellen Testament vom 21. Mai 2001 ausgesprochene Entziehung des Pflichtteils aufgrund der [X.]erfehlungen des [X.] der Parteien gegenüber der Erblasserin gestützt auf § 2333 Nr. 3 [X.] a.F. wirksam erfolgen konnte und den formellen Anforderungen nach § 2336 Abs. 1, 2 [X.] genügte, ist dieser nicht berechtigt, seinerseits den Pflichtteil zu verlangen, und somit nicht in der Lage, den Kläger nach § 2309 [X.] von der Geltendmachung seiner Pflichtteilsberechtigung auszuschließen.

Anders als das Berufungsgericht meint, kann dies auch im hier zu entscheidenden Rechtsstreit zwischen entfernterem Abkömmling und Erben festgestellt werden. Denn die Selbständigkeit der Pflichtteilsberechtigung des [X.] als entfernterem Abkömmling steht der Annahme entgegen, dass nach Eintritt des Erbfalls die Wirksamkeit der Pflichtteilsentziehung nur in einem Rechtsstreit des näheren [X.] mit dem Erben geklärt werden könne. Dies würde zu dem unannehmbaren Ergebnis führen, dass der Erbe die Absicht des Erblassers, der seinem Kind den Pflichtteil zur Strafe entzieht, ihn aber seinem Enkel erhalten will, ohne Zuziehung des letzteren durchkreuzen und sich von seiner Pflichtteilslast durch [X.]erständigung mit einem nicht berechtigten, ihm willfährigen Abkömmling ganz oder zum Teil befreien könnte ([X.], 193, 196). Der Erbe ist durch die Möglichkeit der [X.] nach § 72 ZPO und der Hinterlegung nach § 372 [X.] hinreichend davor geschützt, die dem Pflichtteilsberechtigten geschuldete Leistung mehrfach erbringen zu müssen, weil diejenige an einen nicht berechtigten Abkömmling nicht gegenüber dem berechtigten befreit ([X.]Z aaO; vgl. auch [X.] in [X.]/[X.], [X.]. § 2309 Rn. 8; [X.]/[X.], [X.]. § 2309 Rn. 1; [X.] in [X.]-[X.]RK, 12. Aufl. § 2309 Rn. 2; [X.]/[X.], [X.]. § 2309 Rn. 18; [X.], [X.] 1919, 505, 513 f.).

III. Auf die Revision des [X.] ist das Berufungsurteil daher aufzuheben und der Beklagte in Änderung des landgerichtlichen Urteils zur Erteilung von Auskunft zu verurteilen (§§ 562 Abs. 1, 563 Abs. 3 ZPO).

Dabei ist dem diesbezüglichen Begehren allerdings nicht im vollen Umfang zu entsprechen. Der Kläger kann Auskunft nach § 2314 Abs. 1 Satz 1 [X.] zwar nicht nur über die tatsächlich vorhandenen Nachlassgegenstände, sondern auch über den so genannten fiktiven [X.] verlangen, also über anrechnungs- (§ 2315 [X.]) und ausgleichspflichtige Zuwendungen (§§ 2316, 2050 ff. [X.]), zu denen eine Ausstattung nach § 1624 [X.] zählt (vgl. nur [X.]/v. [X.] [X.], 5. Aufl. § 1624 Rn. 15), sowie über Schenkungen der Erblasserin und über [X.]erbindlichkeiten des Nachlasses (vgl. nur Senatsurteil vom 9. November 1983 - I[X.]a ZR 151/82, [X.]Z 89, 24, 27; [X.]/[X.], 5. Aufl. § 2314 Rn. 5). Die Auskunftsverpflichtung über Schenkungen betrifft jedoch nur nach § 2325 [X.] ergänzungspflichtige (vgl. dazu [X.], Urteil vom 2. November 1960 - [X.] ZR 124/59, [X.]Z 33, 373, 374; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/Wälzholz, Handbuch Pflichtteilsrecht 2. Aufl. § 14 Rn. 130; [X.] in [X.]/[X.], Handbuch Pflichtteilsrecht § 9 Rn. 58), so dass dem insofern unbeschränkt verfolgten Begehren teilweise nicht stattzugeben ist.

Darüber hinaus ist der Rechtsstreit zur Entscheidung über die weiteren im Wege der Stufenklage (§ 254 ZPO) geltend gemachten Klaganträge in analoger Anwendung von § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO auf Antrag des [X.] an das [X.] zurückzuverweisen (vgl. dazu [X.], Urteil vom 3. Mai 2006 - [X.]III ZR 168/05, [X.], 2626 Rn. 13 ff.).

Dr. [X.]                                                Dr. Karczewski

                                    [X.] Brockmöller

Meta

IV ZR 204/09

13.04.2011

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 10. September 2009, Az: 24 U 71/09, Urteil

§ 1924 Abs 2 BGB, § 2303 Abs 1 BGB, § 2309 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.04.2011, Az. IV ZR 204/09 (REWIS RS 2011, 7622)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7622

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IV ZR 239/10

IV ZR 239/10

IV ZR 204/09

10 U 31/17

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