Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.11.2014, Az. 8 AZR 776/13

8. Senat | REWIS RS 2014, 1363

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Gegenstand

Zwei Betriebsübergänge - Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Ersterwerber


Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 16. Mai 2013 - 3 [X.]/12 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Frage, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis nach mehreren Betriebsübergängen und einem Widerspruch des [X.] gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses besteht.

2

Der Kläger war 1991 in die Dienste der Rechtsvorgängerin der [X.] getreten. Zuletzt arbeitete er bei der [X.], einem bundesweit tätigen [X.]elekommunikationsunternehmen, im Callcenter G.

3

Der Beschäftigungsbetrieb des [X.] ging am 1. September 2007 von der [X.] auf die [X.] ([X.]) über. Darüber war der Kläger durch ein Unterrichtungsschreiben der [X.] vom 26. Juli 2007 informiert worden. Der Kläger erhob damals keinen Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses. Er arbeitete nach dem Betriebsübergang für die [X.] weiter.

4

Mit Schreiben vom 25. Oktober 2008 wurde der Kläger darüber informiert, dass eine [X.] ([X.]) den Betrieb des Callcenters G am 1. Dezember 2008 übernehmen werde. Diesem weiteren Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die [X.] widersprach der Kläger nicht. Er unterschrieb sodann am 17. Dezember 2009 einen ihm von [X.] vorgelegten neuen Arbeitsvertrag, demzufolge sich seine Arbeitsbedingungen ab dem 1. Januar 2010 verschlechterten.

5

Mit Urteil vom 26. Mai 2011 (- 8 [X.] -) entschied der Senat zu einem wortgleichen Unterrichtungsschreiben der [X.], ebenfalls vom 26. Juli 2007, aber ein anderes Arbeitsverhältnis betreffend, dass die Unterrichtung fehlerhaft war.

6

Mit Anwaltsschreiben vom 4. Oktober 2011 ließ der Kläger gegenüber der [X.] dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses von der [X.] auf die [X.], der am 1. September 2007 stattgefunden hatte, widersprechen.

7

Mit einem weiteren Schreiben vom 4. Oktober 2011, gerichtet an die [X.], erklärte der Kläger die Anfechtung des Arbeitsvertrags vom 17. Dezember 2009.

8

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, am 4. Oktober 2011 noch dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die [X.] im [X.] 2007 widersprechen gekonnt zu haben. Die damalige Unterrichtung über den Betriebsübergang sei fehlerhaft gewesen und habe die Monatsfrist zum Widerspruch nach § 613a Abs. 6 BGB nicht in Gang gesetzt.

9

Mit Schriftsatz vom 22. Oktober 2014 hat der Kläger im Revisionsverfahren die Behauptung vortragen lassen, er habe dem zweiten Betriebsübergang wirksam widersprochen, bevor er den Widerspruch zum ersten Betriebsübergang erklärte. Insoweit behauptet er, dass auch bei der Unterrichtung zum zweiten Betriebsübergang Fehler gemacht worden seien. Er ist zudem der Auffassung, in Ansehung der [X.] vom 12. März 2001 ([X.] 2001/23/[X.]) müsse der Senat den „Sachverhalt“ dem [X.] vorlegen.

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass zwischen den Parteien über den 1. September 2007 hinaus ein Arbeitsverhältnis besteht.

Ihren Antrag auf Klageabweisung hat die Beklagte damit begründet, dass der Kläger jedenfalls ein etwa noch bestehendes Recht zum Widerspruch verwirkt habe. [X.]on einem verwirklichten Zeitmoment sei unproblematisch auszugehen. Mit dem von dem Kläger bei [X.] abgeschlossenen Arbeitsvertrag habe er zudem auch das Umstandsmoment verwirklicht.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] hatte vor dem [X.] keinen Erfolg. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist unbegründet. Einen wirksamen Widerspruch gegen den früheren Übergang seines Arbeitsverhältnisses von der [X.] auf die [X.] konnte der Kläger, dessen Arbeitsverhältnis mittlerweile mit [X.] bestand, nicht mehr einlegen, § 613a Abs. 6 Satz 2 BGB.

A. Das [X.] hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Ein etwa noch bestehendes Recht zum Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses von der [X.] auf [X.] habe der Kläger am 4. Oktober 2011 verwirkt gehabt. Nach mehr als vier Jahren sei das Zeitmoment erfüllt. Durch den Abschluss des neuen Arbeitsvertrags mit [X.] sei auch das Umstandsmoment erfüllt, da damit das Arbeitsverhältnis auf eine völlig neue rechtliche Grundlage gestellt worden sei. Auf die Anfechtung dieses Arbeitsvertrags könne sich der Kläger nicht berufen, da ihm ein Anfechtungsgrund nicht zur [X.]erfügung stehe und der [X.]ertrag einer Inhaltskontrolle standhalte. Das Wissen über den [X.]ertragsabschluss sei der [X.] zuzurechnen.

B. Die Entscheidung des [X.]s hält im Ergebnis der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Die zulässige Klage ist nicht begründet.

I. Das Widerspruchsrecht gegen einen Übergang des Arbeitsverhältnisses bei Betriebsübergang ist in der Richtlinie 2001/23/[X.] vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- und Betriebsteilen (ABl. [X.] vom 22. März 2001 S. 16) nicht geregelt. Es ist jedoch in der Rechtsprechung des [X.] anerkannt ([X.] 16. Dezember 1992 - [X.], [X.]/91 und [X.]/91 - [[X.] ua.] Rn. 30 ff. [X.], Slg. 1992, [X.]). Der Inhalt dieses Rechts ist unionsrechtlich nicht ausgestaltet; die Rechtsfolgen eines Widerspruchs für das Arbeitsverhältnis richten sich nach nationalem Recht ([X.] 16. Dezember 1992 - [X.], [X.]/91 und [X.]/91 - [[X.] ua.] Rn. 37, aaO). Für die [X.]oraussetzungen des Widerspruchsrechts ergibt sich nichts anderes. Zudem verpflichtet die Richtlinie die Mitgliedstaaten schon nicht, die Aufrechterhaltung des Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses mit dem [X.]eräußerer für den Fall vorzusehen, dass der Arbeitnehmer sich frei dafür entscheidet, den Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis nicht mit dem Erwerber fortzusetzen ([X.] 16. Dezember 1992 - [X.], [X.]/91 und [X.]/91 - [[X.] ua.] Rn. 35, aaO). Es ist Sache der Mitgliedstaaten zu bestimmen, was in einem solchen Fall mit dem Arbeitsvertrag oder dem Arbeitsverhältnis zwischen dem [X.]eräußerer und dem Widersprechenden geschieht ([X.] 7. März 1996 - [X.]/94 und [X.]/94 - [[X.], [X.]] Rn. 35, Slg. 1996, [X.]; 16. Dezember 1992 - [X.], [X.]/91 und [X.]/91 - [[X.] ua.] Rn. 35, aaO). Geht es somit um die Frage eines möglichen Widerspruchs gegen frühere Betriebsübergänge oder um die Frage, ob ein Widerspruch nach Ablauf der Frist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB noch erklärt werden kann oder ob diese Frist überhaupt zu laufen begonnen hat, so geht es nicht um die Frage unionsrechtlich geregelter Unterrichtungen. Für ein an den [X.] zu richtendes [X.]orabentscheidungsersuchen besteht kein Anlass.

II. [X.] gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses am 1. September 2007 erfolgte nicht gemäß § 613a Abs. 6 Satz 2 BGB gegenüber dem „neuen Inhaber“ (im Oktober 2011 [X.]) oder „dem bisherigen Arbeitgeber“ (im Oktober 2011 [X.]), sondern gegenüber der [X.] als einer früheren Arbeitgeberin. Eine solche Widerspruchsmöglichkeit besteht nach dem Gesetz nicht.

1. Nach dem Wortlaut des § 613a Abs. 6 Satz 2 BGB ist der Widerspruch gegenüber zwei Personen möglich: gegenüber dem „bisherigen Arbeitgeber“ oder dem „neuen Inhaber“. Ein Widerspruchsrecht gegenüber einem ehemaligen Arbeitgeber ist danach nicht gegeben (vgl. auch [X.] 24. April 2014 - 8 [X.] -). „Bisheriger“ Arbeitgeber in der Situation, in der sich der Kläger im Oktober 2011 nach zwei Betriebsübergängen befand, wäre im Sinne des Gesetzes die [X.] gewesen. „Bisher/ig“ bedeutet: „bis jetzt“ ([X.] Deutsches Wörterbuch S. 703 [1980]); „von einem unbestimmten Zeitpunkt an bis zum heutigen [X.]ag“ ([X.] [X.] [X.] 3. Aufl. S. 607); „bislang/bis jetzt/bis heute/bis dato/bis zum heutigen [X.]age/bis zur jetzigen Stunde“ ([X.]). Bezogen auf einen Betriebsübergang ist der „bisherige Arbeitgeber“ derjenige, der vor dem aktuellen Arbeitgeber den Betrieb innehatte. Seit dem letzten Betriebsübergang ist die [X.] „neue Inhaberin“ iSd. § 613a Abs. 6 Satz 2 BGB, da sie bei diesem zweiten Betriebsübergang den Betrieb erworben hat. Zur [X.] steht der Kläger im Zeitpunkt der Erklärung seines Widerspruchs nicht mehr in einer, auch nicht in einer durch § 613a Abs. 6 BGB vermittelten arbeitsrechtlichen oder sonstigen vertragsrechtlichen Beziehung. Die Beklagte war bei Zugang des Widerspruchs nicht „bisherige“ Arbeitgeberin, sondern hatte diese Eigenschaft am 1. Dezember 2008 durch den Betriebsübergang von [X.] auf [X.] (an [X.]) - also lange vor dem Widerspruch - verloren. [X.] verlor durch diesen zweiten Betriebsübergang ihren Status als „neue Inhaberin“ und wurde zur „bisherigen Arbeitgeberin“. Die Erklärung im Oktober 2011 gegenüber der [X.] als einer früheren Arbeitgeberin ging damit ins Leere.

Auch systematische Überlegungen führen zu dem Ergebnis, dass der Widerspruch nur gegenüber dem „bisherigen“ Arbeitgeber oder „dem neuen Inhaber“, den letzten Übergang des Arbeitsverhältnisses betreffend, erklärt werden kann (näher [X.] 24. April 2014 - 8 [X.] - Rn. 19 ff.).

2. Dies entspricht der Gesetzesbegründung (B[X.]-Drs. 14/7760 S. 20) für das Widerspruchsrecht. Mit der Würde des Menschen, dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und dem Recht auf freie Arbeitsplatzwahl (Art. 1, 2 und 12 GG) wäre es unvereinbar, wenn ein Arbeitnehmer verpflichtet würde, für einen Arbeitgeber zu arbeiten, den er nicht frei gewählt hat ([X.] 22. April 1993 - 2 [X.] -; ebenso zu der Richtlinie 2001/23/[X.]: [X.] 16. Dezember 1992 - [X.], [X.]/91 und [X.]/91 - [[X.] ua.] Rn. 32, Slg. 1992, [X.]; vgl. auch Art. 1 und Art. 15 der [X.]). Bezogen auf den Widerspruch vom 4. Oktober 2011 gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses am 1. September 2007 von der [X.] zur [X.] kann es insofern nur auf eine Arbeitspflicht des Klägers für die [X.] ankommen. Eine solche bestand jedoch am 4. Oktober 2011 nicht mehr, da das Arbeitsverhältnis infolge des weiteren Betriebsübergangs seit dem 1. Dezember 2008 mit der [X.] bestand.

III. Der Kläger kann sich vorliegend auch nicht darauf berufen, auch „dem zweiten Betriebsübergang wirksam widersprochen (zu haben), bevor er den Widerspruch zum ersten Betriebsübergang erklärte“. Das [X.] hat festgestellt, dass der Kläger dem erneuten Übergang seines Arbeitsverhältnisses von [X.] auf die [X.] nicht widersprochen hat. Diese Feststellung durch das Berufungsgericht hat der Kläger im Revisionsverfahren mit keiner [X.]erfahrensrüge angegriffen, weswegen sie den Senat bindet (§ 559 Abs. 2 ZPO). Soweit der Kläger nunmehr - unsubstanziiert - das Gegenteil behauptet, handelt es sich um neuen [X.]atsachenvortrag, den der Senat nicht berücksichtigen darf (§ 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Ebenso ist auch dem [X.]orbringen der [X.] mit Hinweis auf den Rechtsstreit vor dem [X.] (- 7 [X.]/12 -) nicht nachzugehen.

I[X.]. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Hauck    

        

    Breinlinger    

        

    Winter    

        

        

        

    N. Reiners    

        

    [X.]    

                 

Meta

8 AZR 776/13

13.11.2014

Bundesarbeitsgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Gera, 27. September 2012, Az: 4 Ca 192/12, Urteil

§ 613a Abs 6 S 2 BGB, § 613a Abs 6 S 1 BGB, EGRL 23/2001

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.11.2014, Az. 8 AZR 776/13 (REWIS RS 2014, 1363)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1363

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