Bundesfinanzhof, Beschluss vom 10.05.2010, Az. I B 160/09

1. Senat | REWIS RS 2010, 6823

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Gegenstand

Divergenzzulassung


Leitsatz

NV: Eine Rechtsprechungsdivergenz kann --wenn sich das FG ausdrücklich auf Rechtsprechung des BFH bezogen hat-- nicht mit dem Hinweis auf abweichende strafgerichtliche Entscheidungen dargelegt werden, die ausdrücklich schon Gegenstand der einschlägigen (und anderslautenden) BFH-Entscheidung waren.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob die Änderung einer Steuerfestsetzung innerhalb der Festsetzungsfrist erfolgt ist.

2

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hatte im Streitjahr 1998 sowohl einen Wohnsitz in der [[X.].] als auch im Inland (Wohnungsmietvertrag vom 17. April 1998). Die Einkommensteuererklärung des Streitjahres wurde unter Mitwirkung eines Steuerberaters --Steuerberater [[X.].] erstellt; dazu hatte [X.] gegenüber dem Kläger die Rechtsansicht vertreten, dass für den Kläger eine doppelte unbeschränkte Steuerpflicht bestehe, die inländische Steuerpflicht sich aber auf die inländischen Einkünfte beschränke und die übrigen Welteinkünfte in der [[X.].] zu besteuern seien. Die Deklaration des [X.] (vom 3. Juli 2000) bezog sich auf die im Zeitraum ab dem 1. August bis zum 31. Dezember des Streitjahres im Inland erzielten Einkünfte.

3

Die Veranlagung zur Einkommensteuer des Streitjahres erfolgte auf dieser Grundlage, wobei der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) allerdings im Rahmen eines Progressionsvorbehalts ausländische Einkünfte in einer geschätzten Höhe berücksichtigt hatte (Bescheid vom 24. August 2001). Nachdem im Zuge einer zunächst nicht das Streitjahr betreffenden Außenprüfung weitere --bisher nicht berücksichtigte-- inländische und ausländische Einkünfte des [X.] bekannt geworden waren, kam es in 2005 zu einer Ausweitung der Prüfung für das Streitjahr; nach dem Abschluss der Prüfung änderte das [X.] die Festsetzung mit Bescheid vom 21. September 2006 unter Hinweis auf § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung ([[X.].]). Ein gegen den Kläger eingeleitetes Strafverfahren wurde eingestellt: den Kläger treffe kein Verschulden an der durch die unzutreffende Deklaration eingetretenen Steuerverkürzung. Die Klage gegen den Änderungsbescheid blieb erfolglos ([X.] Finanzgericht --FG--, Urteil vom 19. August 2009  2 K 213/09).

4

Der Kläger macht mit seiner Beschwerde geltend, dass die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen sei.

5

Das [X.] beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

6

II. [X.] ist unbegründet und daher zurückzuweisen. Die geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 2 Alternative 2 [X.]O) liegen nicht vor.

7

1. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O (Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung) sind nicht erfüllt.

8

a) Das [X.] ist in der angefochtenen Entscheidung davon ausgegangen, dass die Festsetzungsfrist wegen einer leichtfertigen Steuerverkürzung des Steuerberaters, der eine Auskunft zu einer Rechtsfrage erteilt und auf dieser Grundlage die Steuererklärung des [X.] vorbereitet hat, verlängert gewesen sei. Das [X.] hat sich dabei auf das Urteil des [X.] ([X.]) vom 19. Dezember 2002 [X.]/01 ([X.]E 200, 495, [X.], 385) gestützt, das als Täter einer leichtfertigen Steuerverkürzung i.S. des § 378 AO auch denjenigen ansieht, der die Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen wahrnimmt (im dortigen Streitfall: der Gewinn des Steuerpflichtigen war grob fahrlässig unzutreffend ermittelt und vom Finanzamt bei der Steuerveranlagung zugrunde gelegt worden). In diesem Urteil ist darüber hinaus unter Hinweis auf strafgerichtliche Rechtsprechung ausgeführt, dass die straf- bzw. ordnungswidrigkeitenrechtliche Verantwortlichkeit des Beraters wachse, je weitgehender sich der Steuerpflichtige durch Aufgabenübertragung auf den Berater straf- bzw. [X.]. Im Übrigen sei die (dortige) Vorinstanz zu Recht nicht der in der Revision angeführten Rechtsprechung der ordentlichen Gerichtsbarkeit gefolgt, die den eine Steuererklärung vorbereitenden Steuerberater nicht als tauglichen Täter einer leichtfertigen Steuerverkürzung ansehe.

9

Eine [X.] § 115 Abs. 2 Nr. 2 [X.]O kann auf dieser Grundlage nicht mit dem Hinweis auf abweichende strafgerichtliche Entscheidungen dargelegt werden, die ausdrücklich schon Gegenstand der einschlägigen (und anderslautenden) [X.]-Entscheidung waren.

b) Das [X.] (OLG) [X.] ([X.]) hat in seinem Beschluss vom 23. Oktober 2008  1 [X.]/08 ([X.]Entscheidungsdienst --DStRE-- 2009, 321) entschieden, dass ein Steuerberater mangels eigener Angaben gegenüber dem Finanzamt den Tatbestand des § 378 AO nicht erfülle, wenn er die Steuererklärung seines Mandanten lediglich vorbereitet hat und diese dann vom Steuerpflichtigen unterzeichnet und beim Finanzamt eingereicht wird. In diesem Beschluss des OLG [X.] ist ausgeführt, dass "der als herrschend zu bezeichnenden Rechtsprechung" anderer Strafgerichte zu folgen sei; die gegenteilige Auffassung des [X.] überzeuge nicht. Zu berücksichtigen sei auch, dass die [X.]-Entscheidung nicht unmittelbar die Ahndung einer Tat und Festsetzung einer Geldbuße zum Gegenstand gehabt habe, sondern die Frage der Tatbestandsverwirklichung nur von indirekter Bedeutung für eine weitere Rechtsfrage (Festsetzungsfrist) gewesen sei. Die Voraussetzungen für eine Vorlage an den [X.] ([X.]) nach § 121 Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) lägen damit nicht vor.

Zwar kann der Kläger insoweit geltend machen, dass das angefochtene Urteil des [X.] in seinem entscheidungstragenden Rechtssatz von einem ebenfalls entscheidungstragenden Rechtssatz dieses strafgerichtlichen Beschlusses abweicht. Ein Bedarf für eine (nochmalige) Entscheidung des [X.] zur Herstellung einer einheitlichen Rechtsprechung besteht auch insoweit aber nicht.

Denn im Streitfall besteht die Konstellation, dass in der strafgerichtlichen Rechtsprechung (jedenfalls einzelne Gerichte) der Auffassung des [X.] ausdrücklich nicht folgen, sondern die vom [X.] abgelehnte strafgerichtliche Rechtsauffassung (weiterhin) aufrechterhalten. [X.] besteht damit keine Möglichkeit, zu einer (klärenden) Entscheidung des [X.] (für den Bereich der Strafsachen) zu kommen (Hinweis auf § 121 Abs. 2 GVG). Eine Entscheidung des [X.] kann in dieser Konstellation eine einheitliche (rechtswegübergreifende) Rechtsprechung nicht begründen.

Darüber hinaus lässt der Beschluss des OLG [X.] in [X.], 321 erkennen, dass nach der dortigen Einschätzung ein Unterschied für die Beantwortung der in Rede stehenden Rechtsfrage darin bestehen könnte, ob es unmittelbar um die straf- bzw. ordnungswidrigkeitenrechtliche Ahndung einer Tat geht, oder ob die Frage nur von indirekter Bedeutung für eine weitere Rechtsfrage ist (s. insoweit auch [X.], [X.] 2009, [X.], [X.], 30). Außerdem hat der [X.] in seinem Urteil in [X.]E 200, 495, [X.], 385 in besonderer Weise darauf abgestellt, dass die straf- bzw. ordnungswidrigkeitenrechtliche Verantwortlichkeit des Beraters wachse, je weitgehender sich der Steuerpflichtige durch Aufgabenübertragung auf den Berater straf- bzw. [X.]t. Auch unter diesen Aspekten lässt sich eine einheitliche Rechtsprechung durch eine (weitere) Entscheidung des [X.] nicht herstellen.

2. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O (Grundsatzrevision), da ein Klärungsbedürfnis für die Rechtsfrage angesichts des zeitnahen und in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung nicht angegriffenen [X.]-Urteils in [X.]E 200, 495, [X.], 385 durch eine weitere Entscheidung des [X.] nicht besteht.

Meta

I B 160/09

10.05.2010

Bundesfinanzhof 1. Senat

Beschluss

vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 19. August 2009, Az: 2 K 213/09, Urteil

§ 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 10.05.2010, Az. I B 160/09 (REWIS RS 2010, 6823)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6823

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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