Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.05.2020, Az. X R 26/19

10. Senat | REWIS RS 2020, 3519

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Gegenstand

Anforderungen an den Tatbestand eines finanzgerichtlichen Urteils; Zurechnung der Ergebnisse eines Einzelunternehmens


Leitsatz

1. NV: Der Gewinn aus einem Einzelunternehmen ist demjenigen zuzurechnen, der Unternehmerinitiative entfaltet (das Unternehmen tatsächlich führt) und das Unternehmerrisiko (die wirtschaftlichen Ergebnisse des Unternehmens) trägt.

2. NV: In den Fällen des § 171 Abs. 7 AO kann sich die --dort an die straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtliche Verfolgungsverjährung gekoppelte-- Festsetzungsfrist durch die Erfüllung von Tatbeständen für eine Unterbrechung der Verfolgungsverjährung weiter verlängern.

3. NV: Ein Tatbestand, der lediglich das Beteiligtenvorbringen im Konjunktiv wiedergibt und nicht erkennen lässt, welche der dort angeführten Tatsachenbehauptungen der Beteiligten das FG mit Bindungswirkung für das Revisionsgericht hat feststellen wollen, ist materiell-rechtlich fehlerhaft.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 19.02.2019 - 12 K 19/14 E,[X.] aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Auf den Namen der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war ein gewerbliches [[X.].]inzelunternehmen angemeldet. Sie reichte ihre [[X.].]inkommensteuererklärung für das Streitjahr 2001 am 27.11.2002 bei dem damals zuständigen Finanzamt N ([[X.].]) ein, das einen entsprechenden [[X.].]inkommensteuerbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erließ.

2

Nachfolgend kam es zu einer Steuerfahndungsprüfung durch das [[X.].] (Steuerfahndung). Zum Ablauf dieser Prüfung hat das Finanzgericht ([[X.].]) im Wesentlichen keine eigenen Feststellungen getroffen, sondern lediglich Teile der entsprechenden Tatsachenbehauptungen der Beteiligten in indirekter Rede wiedergegeben.

3

So hat die Klägerin vorgetragen, am [[X.].] habe die Steuerfahndung die Geschäftsräume einer Fa. … (im Folgenden: [[X.].]) durchsucht. Hierbei habe sich ein Verdacht gegen die Klägerin ergeben. Gegen sie sei am [[X.].] ein Steuerstrafverfahren eingeleitet worden ohne dass es ihr nach § 122 der Abgabenordnung ([[X.].]) bekanntgegeben worden sei. Sie habe zwar auf andere Weise von der [[X.].]inleitung des Steuerstrafverfahrens Kenntnis erlangt; der Grund für die [[X.].]rmittlungen sei ihr aber nicht mitgeteilt worden. Auch habe ihr Strafverteidiger im Jahr 2006 trotz mehrerer Anträge keine [[X.].]insicht in die [[X.].]rmittlungsakten erhalten.

4

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[[X.].]--) hat behauptet, am [[X.].] sei eine Nachweisung über die beschlagnahmten Unterlagen erstellt worden. Noch am selben Tag habe die Klägerin einen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung in dem [[X.].]rmittlungsverfahren beauftragt. Schon dies zeige, dass die Klägerin die [[X.].]inleitung eines gegen sie gerichteten Steuerstrafverfahrens erkannt habe.

5

In der vom [[X.].] erwähnten "Nachweisung" vom [[X.].] ist in der Rubrik, die für die [[X.].]intragung des Namens des/der Beschuldigten vorgesehen ist, die maschinenschriftlich vorgedruckte Angabe "Y.. M.." durchgestrichen und handschriftlich durch den Namen der Klägerin ersetzt worden. [[X.].]benso ist die maschinenschriftlich vorgedruckte Nummer des Auftrags durchgestrichen und handschriftlich durch eine andere Nummer ersetzt worden.

6

Aus den [[X.].]ntscheidungsgründen des [[X.].]-Urteils ergibt sich, dass es sich bei der [[X.].] um das seinerzeitige [[X.].]inzelunternehmen der Klägerin gehandelt hat, die Klägerin während der Durchsuchung nicht persönlich anwesend war und der [[X.].]mpfang der "Nachweisung" von einer Frau [[X.].] ([[X.].]) schriftlich bestätigt worden ist. In welchem Verhältnis die Klägerin zu Frau [[X.].] steht, lässt sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen.

7

Das [[X.].] erließ am 28.01.2010 einen geänderten [[X.].]inkommensteuerbescheid 2001 gegen die Klägerin, der Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist. Darin versagte es den Betriebsausgabenabzug für zwei Provisionszahlungen und eine Handwerkerrechnung (insgesamt … DM) und legte der Besteuerung einen gewerblichen Gewinn von ... DM zugrunde. [[X.].] wurde der Änderungsbescheid auf § 164 Abs. 2 [[X.].] gestützt.

8

Im anschließenden [[X.].]inspruchsverfahren berief sich die Klägerin u.a. auf den [[X.].]intritt der Festsetzungsverjährung. Die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 5 Satz 2 [[X.].] sei nicht anwendbar, weil ihr die [[X.].]inleitung des Steuerstrafverfahrens nicht in der erforderlichen Weise bekanntgegeben worden sei. [[X.].]ine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 5 Satz 1 [[X.].] setze den Beginn von [[X.].]rmittlungen "beim Steuerpflichtigen" voraus; für ihn müsse daher erkennbar sein, wegen welcher Punkte gegen ihn ermittelt werde. Sie habe die [[X.].] indes bereits [[X.].]nde 2003 schenkweise an Frau [[X.].] übertragen, so dass die Durchsuchung im Jahr 2006 nicht mehr in ihren Geschäftsräumen stattgefunden habe. Damit habe es sich um eine [[X.].]rmittlungsmaßnahme bei einem Dritten gehandelt; diese löse aber keine Ablaufhemmung aus. Darüber hinaus bestritt sie, die "Nachweisung" vom [[X.].] vor Ablauf der regulären Festsetzungsfrist erhalten zu haben. Ohnehin ließen sich dem darin enthaltenen Verzeichnis der beschlagnahmten Unterlagen keine Hinweise auf die Besteuerungsgrundlagen entnehmen, die Gegenstand der [[X.].]rmittlungen sein sollten.

9

Während des [[X.].]inspruchsverfahrens wurde ein von der Klägerin wegen des Gewerbesteuermessbescheids 2001 vor dem Niedersächsischen [[X.].] geführtes Parallelverfahren (14 K 360/11) in der Weise einvernehmlich erledigt, dass das [[X.].] zusagte, eine der beiden streitigen Provisionszahlungen (... DM) als Betriebsausgabe zu berücksichtigen.

Das wegen eines Umzugs der Klägerin zwischenzeitlich zuständig gewordene, im vorliegenden Verfahren beklagte [[X.].] legte seiner [[X.].]inspruchsentscheidung vom 27.11.2013 die im Parallelverfahren gefundene [[X.].]inigung zugrunde, setzte die [[X.].]inkommensteuer 2001 entsprechend herab und wies den [[X.].]inspruch im Übrigen zurück.

Das [[X.].] wies die Klage ab ([[X.].]ntscheidungen der Finanzgerichte 2019, 1814). Zwar sei die reguläre vierjährige Festsetzungsfrist am 31.12.2006 abgelaufen. Auch sei zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig, dass die Voraussetzungen des § 171 Abs. 5 Satz 2 [[X.].] nicht erfüllt seien, da die [[X.].]inleitung des Steuerstrafverfahrens der Klägerin nicht nach § 122 [[X.].] bekanntgegeben worden sei. Die Festsetzungsfrist sei aber nach § 171 Abs. 5 Satz 1 [[X.].] gehemmt worden. Dies erfordere nach der Rechtsprechung des [[X.].] ([[X.].]), dass für den Steuerpflichtigen klar und eindeutig erkennbar sei, in welchem konkreten [[X.].] bzw. Strafverfahren die Steuerfahndung ermittle. Vorliegend sei unstreitig, dass gegen die Klägerin noch vor Ablauf der regulären Festsetzungsfrist [[X.].]rmittlungen durchgeführt worden seien und die Klägerin hiervon grundsätzlich Kenntnis erlangt habe. Zwar sei sie bei der Durchsuchung nicht anwesend gewesen. Jedoch sei aus dem [[X.].] vom [[X.].] hinreichend klar zu erkennen gewesen, dass und inwieweit die Steuerfahndung gegen sie ermittle. Aus dem Protokoll ergebe sich, dass die Steuerfahndung Geschäftsunterlagen der [[X.].] und [[X.].]inkommensteuerunterlagen der Klägerin aus dem [[X.].] beschlagnahmt habe. Dies lasse klar und eindeutig erkennen, dass es um die [[X.].]inkommensteuer 2001 der Klägerin und um die [[X.].]inkünfte aus dem Gewerbebetrieb [X.] gegangen sei.

Zwar sei die Nachweisung nicht der Klägerin, sondern der Frau [[X.].] ausgehändigt worden. [[X.].]s sei aber davon auszugehen, dass der von der Klägerin beauftragte Rechtsanwalt sich diese Nachweisung im Rahmen der von ihm routinemäßig vorzunehmenden vollständigen [[X.].]rhebung der [[X.].]rmittlungsmaßnahmen der Steuerfahndung, die seine Beauftragung veranlasst hätten, beschafft habe.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin, das [[X.].] habe § 171 Abs. 5 Satz 1 [[X.].] unzutreffend ausgelegt. Der Steuerpflichtige müsse nicht nur erkennen können, dass gegen ihn ermittelt werde, sondern auch, welcher Lebenssachverhalt den Gegenstand der [[X.].]rmittlungen bilde. Diese Auslegung sei bei § 171 Abs. 5 Satz 2 [[X.].] unstreitig; sie müsse aber auch für § 171 Abs. 5 Satz 1 [[X.].] gelten. Aus dem [[X.].] gehe kein konkreter Lebenssachverhalt hervor. Im Übrigen sei es nicht vertretbar, dass das [[X.].] aus der [[X.].]inschaltung des Rechtsanwalts auf die vollständige Kenntnis der Klägerin hinsichtlich des [[X.].]s geschlossen habe.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil, die [[X.].]inspruchsentscheidung des beklagten [[X.].] vom 27.11.2013 und den vom [[X.].] erlassenen geänderten [[X.].]inkommensteuerbescheid 2001 vom 28.01.2010 aufzuheben.

Das [[X.].] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

[[X.].]s vertritt die Auffassung, die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 5 Satz 1 [[X.].] werde schon dann ausgelöst, wenn der Steuerpflichtige erkennen könne, dass die Steuerfahndung für einen bestimmten Besteuerungszeitraum [[X.].]rmittlungen vornehme. Dann komme es nicht mehr darauf an, dass er während der regulären Festsetzungsfrist zusätzlich Kenntnis davon erhalte, auf welche einzelnen Sachverhalte sich die Fahndungsprüfung beziehe.

Entscheidungsgründe

I[X.]

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und [X.]ntscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

1. Die Sachverhaltsfeststellungen des [X.] sind in mehrfacher Hinsicht unzureichend.

a) Die Klägerin rügt zu Recht, das [X.] habe ohne jede Sachaufklärung schlicht unterstellt, sie habe von der Nachweisung noch vor dem Ablauf der regulären Festsetzungsfrist Kenntnis erlangt. Da dieser Punkt für das [X.] von wesentlicher [X.]edeutung war, hätte es von Amts wegen zumindest Frau [X.] --und ggf. auch den [X.] zu dieser Frage vernehmen müssen.

Objektiv war eine solche Sachaufklärung schon deshalb erforderlich, weil --wie noch auszuführen sein wird (vgl. unten 2.a)-- der Akteninhalt dafür spricht, dass der [X.]ruder ([X.]) der Klägerin und Frau [X.] den Namen der Klägerin für Geschäfte auf eigene Rechnung genutzt haben dürften und auch die [X.]rmittlungen der Steuerfahndung ergeben haben, dass die Klägerin hiervon nichts gewusst haben dürfte. Daher drängt sich die vom [X.] angestellte Mutmaßung, Frau [X.] habe der Klägerin oder dem von ihr beauftragten Rechtsanwalt die Unterlagen über die [X.]eschlagnahme ausgehändigt, nicht zwingend auf.

b) Darüber hinaus enthält der hauptsächlich im Konjunktiv abgefasste Tatbestand des angefochtenen Urteils nicht dasjenige Mindestmaß an Sachverhaltsfeststellungen, das dem Revisionsgericht eine Überprüfung der rechtlichen Auffassung der Vorinstanz ermöglichen würde. Die Art und Weise der Abfassung des Tatbestands des finanzgerichtlichen Urteils lässt nicht erkennen, welche der dort lediglich wiedergegebenen Tatsachenbehauptungen der [X.]eteiligten das [X.] schlicht referiert hat und welche es --nach eigenen [X.]rmittlungen, Überprüfungen und [X.] § 118 Abs. 2 [X.]O mit [X.]indungswirkung für das Revisionsgericht hat feststellen wollen. Dies dürfte nicht den Anforderungen des § 105 Abs. 3 [X.]O entsprechen (vgl. ausführlich zu einem vergleichbaren Tatbestand [X.]FH-Urteil vom 09.01.2018 - IX R 34/16, [X.]FH[X.] 260, 440, [X.]St[X.]l II 2018, 582, Rz 36). Zugleich liegt ein --von Amts wegen zu berücksichtigender-- materiell-rechtlicher Fehler vor, wenn aus dem angefochtenen Urteil nicht erkennbar ist, aus welchen Tatsachen das [X.] seine Schlussfolgerungen ableitet ([X.]FH-Urteil vom 25.10.2016 - I R 54/14, [X.]FH[X.] 256, 66, [X.], 1216, Rz 10, m.w.N.). Dies ist hier der Fall.

2. Weil der Senat die fehlenden Tatsachenfeststellungen nicht selbst vornehmen kann, geht die Sache an das [X.] zurück. Für das weitere Verfahren weist der Senat --ohne die [X.]indungswirkung des § 126 Abs. 5 [X.]O-- auf die folgenden Punkte hin:

a) Angesichts des Akteninhalts wird das [X.] in erster Linie zu erwägen haben, ob die angefochtene Steuerfestsetzung schon aus materiell-rechtlichen Gründen --unabhängig von den verjährungsrechtlichen Fragen, über die die [X.]eteiligten [X.] rechtswidrig ist, weil die Klägerin möglicherweise nicht diejenige Person war, die hinsichtlich des [X.]inzelunternehmens Unternehmerinitiative entfaltet hat und das Unternehmerrisiko getragen hat, so dass ihr der Gewinn des [X.]inzelunternehmens eventuell gar nicht zuzurechnen ist.

Insbesondere aus der im strafrechtlichen [X.]rmittlungsbericht (dort vor allem [X.]. 7.2.1.2) enthaltenen Sachverhaltszusammenstellung, deren Richtigkeit durch den übrigen Akteninhalt gestützt wird, dürften sich Hinweise darauf ergeben, dass das Unternehmen tatsächlich nicht von der Klägerin selbst, sondern ausschließlich von [X.] --unter [X.]inschaltung seiner [X.]hefrau [X.]-- geführt worden sein könnte (dazu unten aa) und allein diesem auch die wirtschaftlichen [X.]rgebnisse des Unternehmens zugutegekommen sein könnten (unten bb).

aa) Nach dem Inhalt des [X.]rmittlungsberichts sei die Klägerin als Krankenschwester in einem 70 km von ihrem Wohnort entfernten Krankenhaus vollzeitbeschäftigt gewesen. Die Geschäftsräume der [X.] hätten sich im selben Gebäude wie die Steuerberaterkanzlei des [X.]. 600 Straßenkilometer vom Wohnort der Klägerin entfernt-- befunden. In einem Rechtsstreit, der das [X.]inzelunternehmen betroffen habe, sei allein [X.] nach außen aufgetreten. Die Vermittlungsleistungen im Geschäft mit Anteilen an Grundstücksgemeinschaften, für die das [X.]inzelunternehmen im Streitjahr 2001 Provisionseinnahmen erhalten habe und mit denen die streitgegenständlichen, als [X.]etriebsausgaben abgezogenen Unterprovisionen in Zusammenhang stünden, seien nicht von der Klägerin, sondern allein von [X.] durchgeführt worden. Leistungsempfänger seien ausschließlich Mandanten des [X.] gewesen, die ausgesagt hätten, die Klägerin nicht zu kennen. [X.] habe als Steuerberater nicht gewerblich tätig sein dürfen und daher das auf den Namen der Klägerin angemeldete [X.]inzelunternehmen genutzt, um seine berufsrechtswidrigen Geschäfte abzuwickeln. [X.] habe die Tätigkeiten seines [X.] und des [X.]inzelunternehmens derart miteinander vermischt, dass Außenstehende dies nicht hätten trennen können.

Sollte sich dies als zutreffend erweisen, wäre zweifelhaft, ob die Klägerin die [X.] und/oder die Fachkenntnisse für die Führung des [X.]inzelunternehmens mit dem Gegenstand "Wirtschaftsberatung, Verkehrsplanung, [X.]auträger" gehabt haben könnte, dessen Geschäftsräume sich zudem weit entfernt vom Wohnort der Klägerin befanden. Auch die Steuerfahndung ist letztlich davon ausgegangen, dass die Klägerin selbst keine Kenntnis davon gehabt habe, was in dem Unternehmen vorgegangen sei. Sie habe lediglich die jährlichen Abschlüsse und die Steuererklärungen unterschrieben, die [X.] ihr vorgelegt habe. Nach Aktenlage sind auch die gegen die Klägerin erlassenen Steuerbescheide aufgrund einer entsprechenden Vollmacht direkt dem [X.] bekanntgegeben worden.

bb) Nach dem Inhalt des strafrechtlichen [X.]rmittlungsberichts dürften auch die im [X.]inzelunternehmen angefallenen Überschüsse dem [X.] --und nicht etwa der [X.] zugutegekommen sein. Dort ist ausgeführt, [X.] habe wie ein [X.]inzelunternehmer [X.]ntnahmen aus der [X.] getätigt. Teile der [X.]etriebsausgaben des [X.] des [X.] seien aus Mitteln des [X.]inzelunternehmens bezahlt worden. [X.] sei über das [X.]ankkonto des [X.]inzelunternehmens verfügungsbefugt sowie Inhaber von Kredit- und [X.]C-Karten in [X.]ezug auf dieses [X.]ankkonto gewesen. Die streitgegenständlichen Unterprovisionen --bei denen es sich nach Auffassung der Steuerfahndung um verschleierte [X.]ntnahmen gehandelt haben soll-- habe [X.] aus Mitteln des [X.]inzelunternehmens an seine Mutter sowie an seine Schwiegermutter (die Mutter der [X.]) gezahlt, wobei die Schwiegermutter den [X.]etrag sogleich an [X.] weitergegeben habe.

b) Nur wenn das [X.] nach weiterer Sachaufklärung zu dem [X.]rgebnis kommen sollte, dass die [X.]inkünfte aus dem [X.]inzelunternehmen ungeachtet des von der Steuerfahndung mitgeteilten Sachverhalts der Klägerin zuzurechnen sein sollten, kommt es noch auf die Streitfragen in [X.]ezug auf die Festsetzungsverjährung an.

aa) Dabei wird das [X.] --mit Vorrang vor der Prüfung von Tatbeständen der [X.] in den [X.]lick zu nehmen haben, ob die Festsetzungsfrist sich gemäß § 169 Abs. 2 Sätze 2 und 3 [X.] auf zehn Jahre verlängert hat. Sollten der Klägerin zwar die [X.]inkünfte aus dem [X.]inzelunternehmen zuzurechnen sein, sollte der von der Steuerfahndung mitgeteilte Sachverhalt sich aber jedenfalls insoweit als zutreffend erweisen, dass [X.] [X.]etriebsausgaben dieses Unternehmens fingiert hat, dürfte von einer Steuerhinterziehung auszugehen sein. Zwar wäre nicht die Klägerin, der der tatsächliche Sachverhalt nach Auffassung der Steuerfahndung gar nicht bekannt war, als Täterin anzusehen. Für die Verlängerung der Festsetzungsfrist auf zehn Jahre ist es aber nicht erforderlich, dass die Steuerhinterziehung durch den Steuerschuldner oder einen seiner [X.]rfüllungsgehilfen begangen worden ist (§ 169 Abs. 2 Satz 3 [X.]). Insofern [X.] eine dem [X.] anzulastende Steuerhinterziehung es nicht aus, dass auch für eine hierdurch bei der Klägerin ausgelöste Steuerschuld die auf zehn Jahre verlängerte Festsetzungsfrist gilt.

bb) Selbst wenn keine Steuerhinterziehung, sondern nur eine leichtfertige Steuerverkürzung [X.] auch das Strafgericht in [X.]ezug auf die [X.] gegeben sein sollte, wäre auf die Ablaufhemmung des § 171 Abs. [X.] hinzuweisen. Danach endet die Festsetzungsfrist in den Fällen des § 169 Abs. 2 Satz 2 [X.] nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat oder der Steuerordnungswidrigkeit verjährt ist.

(1) Gemäß § 31 Abs. 3 des [X.] (OWiG) beginnt die Verfolgungsverjährung, sobald die Tathandlung beendet ist, jedoch nicht vor dem [X.]intritt des [X.]. Da die Tathandlung in derartigen Fällen in der Abgabe der fehlerhaften Steuererklärung zu sehen ist und der [X.] mit der [X.]ekanntgabe des fehlerhaften Steuerbescheids eintritt ([X.]FH-Urteil vom 22.06.1995 - IV R 26/94, [X.]FH[X.] 177, 354, [X.]St[X.]l II 1995, 575, unter [X.]), wäre vorliegend auf den --späteren-- [X.]punkt des [X.] abzustellen. Der ursprüngliche [X.]inkommensteuerbescheid 2001 vom 06.03.2003 gilt am 10.03.2003 (Montag) als bekanntgegeben.

(2) Die Verfolgung einer leichtfertigen Steuerverkürzung nach § 378 [X.] verjährt in fünf Jahren (§ 384 [X.]); hier daher grundsätzlich am 10.03.2008.

(3) Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 OWiG wird die Verfolgungsverjährung u.a. durch eine [X.]eschlagnahme- oder Durchsuchungsanordnung unterbrochen. Nach einer Unterbrechung beginnt die Verjährung von neuem, solange die absolute Höchstfrist vom Doppelten der regulären Frist gewahrt ist (§ 33 Abs. 3 OWiG).

Aus den Akten ergeben sich Hinweise darauf, dass ein Amtsgericht am 27.10.2006 Durchsuchungsbeschlüsse gegen die Klägerin erlassen hat. Sollte das [X.] einen solchen Sachverhalt feststellen können, hätte die --an diesem Tag noch nicht abgelaufene-- Verfolgungsverjährung von neuem begonnen. Sie wäre dann im [X.]punkt des [X.]rlasses des angefochtenen Änderungsbescheids (28.01.2010) noch nicht abgelaufen gewesen.

cc) Auf die vom [X.] und den [X.]eteiligten erörterten Fragen zu § 171 Abs. 5 Satz 1 [X.] käme es nur dann noch an, wenn die vorstehenden Hinweise im zweiten Rechtsgang nicht zu einer abschließenden [X.]eurteilung des Streitfalls führen sollten.

(1) Die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 5 Satz 1 [X.] umfasst in objektiver Hinsicht --im Gegensatz zu § 171 Abs. 4 [X.]-- nicht den gesamten Steueranspruch. Vielmehr tritt die Hemmung der Festsetzungsfrist nur in dem Umfang ein, in dem sich die [X.]rgebnisse der [X.]rmittlungen der Steuerfahndung auf die Höhe der festzusetzenden Steuer auswirken ([X.]FH-Urteil vom 14.04.1999 - XI R 30/96, [X.]FH[X.] 188, 286, [X.]St[X.]l II 1999, 478, unter I[X.]2.b). Die Ablaufhemmung ist also nicht auf eine bestimmte Steuerart und einen bestimmten Veranlagungszeitraum bezogen, sondern auf einen bestimmten Sachverhalt bzw. [X.] ([X.]FH-Urteil vom 14.04.2005 - XI R 83/03, [X.]FH/NV 2005, 1961, unter I[X.]3.a). Sie tritt nur hinsichtlich der Steuern ein, die sich aus Sachverhalten ergeben, die Gegenstand der [X.]rmittlungen waren ([X.]FH-[X.]ntscheidungen vom 08.07.2009 - XI R 41/08, [X.]FH/NV 2010, 1, unter I[X.]1.b, und vom 15.06.2010 - VIII [X.] 2/10, [X.]FH/NV 2010, 2001, unter 2.).

(2) In subjektiver Hinsicht erfordert der [X.]intritt der Ablaufhemmung die [X.]rkennbarkeit der [X.]rmittlungsmaßnahmen für den Steuerpflichtigen. Innerhalb der [X.]FH-Rechtsprechung ist bisher nicht geklärt, ob sich auch die erforderliche [X.]rkennbarkeit durch den Steuerpflichtigen [X.] wie der objektive Umfang der [X.] auf den betroffenen [X.] beziehen muss (in diesem Sinne [X.]FH-Urteile vom 03.07.2018 - VIII R 9/16, [X.]FH[X.] 262, 198, [X.]St[X.]l II 2019, 122, Rz 23, und [X.], [X.]FH/NV 2018, 1233, Rz 23) oder ob insoweit eine allgemeine, nicht näher spezifizierte [X.]rkennbarkeit von [X.]rmittlungshandlungen der Steuerfahndung ausreicht (in diesem Sinne [X.]FH-Urteil vom 24.04.2002 - I R 25/01, [X.]FH[X.] 198, 303, [X.]St[X.]l II 2002, 586, unter I[X.]3.c). Sofern es hierauf im zweiten Rechtsgang noch ankommen sollte, wird das [X.] sich mit dieser --von ihm bisher nicht erkannten-- Rechtsfrage befassen müssen, da aus der vom [X.] zugrunde gelegten Nachweisung kein konkreter [X.] ersichtlich sein dürfte.

Ferner kann das [X.] sich mit der Frage auseinandersetzen, ob die [X.]ehauptung der Klägerin, sie habe das [X.]inzelunternehmen im Jahr 2003 schenkweise auf Frau [X.] übertragen, Auswirkungen auf die [X.]rfüllung des Tatbestandsmerkmals der [X.]rmittlungen "beim Steuerpflichtigen" haben könnte. Denn wenn man die [X.]ehauptung der Klägerin zugrunde legt, könnte die im [X.] --nach der eventuellen Übertragung des [X.]inzelunternehmens-- vorgenommene Durchsuchung der Geschäftsräume der [X.] nicht mehr bei der Klägerin, sondern bei Frau [X.], die zu diesem [X.]punkt Inhaberin der Räume war, stattgefunden haben.

c) Feststellungen zu der materiell-rechtlichen Rechtmäßigkeit der [X.]ntscheidung des [X.], den [X.]etriebsausgabenabzug für eine (welche?) der beiden Provisionszahlungen sowie für die Handwerkerrechnung zu versagen, hat das [X.] bisher nicht getroffen. Hierauf kommt es für das weitere Verfahren aber nur dann an, wenn die [X.]rgebnisse aus der [X.] der Klägerin zuzurechnen sein sollten und der angefochtene Steuerbescheid noch innerhalb der Festsetzungsfrist ergangen wäre.

3. Der Senat hält es für angebracht, ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden (§ 90a Abs. 1, § 121 Satz 1 [X.]O).

4. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das [X.] beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Unabhängig von dieser Übertragung ist das [X.] stets für die zum Kostenfestsetzungsverfahren gehörende [X.]ntscheidung darüber zuständig, ob die Hinzuziehung eines [X.]evollmächtigten für das außergerichtliche Vorverfahren i.S. des § 139 Abs. 3 Satz 3 [X.]O notwendig war (Senatsurteil vom 17.11.2015 - X R 35/14, [X.]FH/NV 2016, 728, Rz 42, m.w.N.). Das [X.] wird hier in einem etwaigen Kostenfestsetzungsverfahren in besonderer Weise zu erwägen haben, ob die [X.]eauftragung des --möglicherweise tatbeteiligten und daher eventuell nicht in vollem Umfang die Interessen der Klägerin verfolgenden-- [X.] im Vorverfahren notwendig war und dessen Kosten unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Interessenkollision erstattungsfähig sein können.

Meta

X R 26/19

06.05.2020

Bundesfinanzhof 10. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 19. Februar 2019, Az: 12 K 19/14 E,AO, Urteil

§ 105 Abs 3 FGO, § 171 Abs 5 AO, § 171 Abs 7 AO, § 31 Abs 3 OWiG, § 33 OWiG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.05.2020, Az. X R 26/19 (REWIS RS 2020, 3519)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3519

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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