Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 03.07.2019, Az. 4 AZR 456/18

4. Senat | REWIS RS 2019, 5853

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Gegenstand

Eingruppierung eines Sicherheitsmitarbeiters im Pförtnerdienst - Verlangen einer Ausbildung in Erster Hilfe und im Brand- und Katastrophenschutz - Anforderung Revisionsbegründung


Tenor

1. Die Anschlussrevision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 24. April 2018 - 8 Sa 891/17 - wird als unzulässig verworfen.

2. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 24. April 2018 - 8 Sa 891/17 - aufgehoben, soweit es der Berufung des [X.] stattgegeben hat.

3. Die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 19. Oktober 2017 - 1 Ca 1181/17 - wird insgesamt zurückgewiesen.

4. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits insgesamt zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des [X.] und hieraus resultierende Entgeltansprüche.

2

Der Kläger ist seit 2005 bei der [X.], die Wach- und Sicherheitsdienstleistungen erbringt, als gewerblicher Arbeitnehmer beschäftigt. Der zuletzt zwischen den Parteien geschlossene Arbeitsvertrag vom 12. Dezember 2006 enthält eine Bezugnahme auf die am Beschäftigungsort geltenden Mantel- sowie Lohn- und Entgelttarifverträge für das Wach- und Sicherheitsgewerbe und hat ua. folgenden Inhalt:

        

„7. Ausbildung

        

Der Arbeitnehmer hat am allgemeinen Unterricht zur Aus- und Fortbildung im Wach- und Sicherheitsgewerbe teilzunehmen. Bei einer speziellen Ausbildung, einschließlich der vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung durch Fremdkräfte, gelten besondere Bestimmungen, die durch Zusatzvereinbarung festgelegt werden. Der Arbeitnehmer hat nicht das Recht, die Teilnahme am Unterricht zu verweigern.

        

…       

        

8. Kosten der Unterrichtung / des Sachkundenachweises

        

Die Kosten der Unterrichtung / des Sachkundenachweises werden grundsätzlich vom Arbeitnehmer übernommen.

        

…“    

3

Seit April 2017 ist der Kläger in der Nachtschicht im Pförtnerdienst und Objektschutz auf dem Betriebsgelände eines anderen Unternehmens eingesetzt. Eine von der [X.] erstellte Dienstanweisung enthält Vorgaben für die Durchführung der Tätigkeiten im Pförtnerdienst in diesem Unternehmen. Zu den Aufgaben des [X.] gehört die An- und Abmeldung von Besuchern nebst Erstellung eines Besucherausweises, die Durchführung von Taschenkontrollen, die Beobachtung ein- und ausfahrender Fahrzeuge, die Eintragung von Einlass- und Auslasszeiten sowie die Kontrolle von Waren- und Durchlassscheinen. Er hat das Gelände durch Benutzung der Videoanlage zu überwachen. Darüber hinaus nimmt er pro Schicht etwa drei bis fünf Anrufe entgegen.

4

Die Beklagte vergütete den Kläger nach [X.] des zwischen dem [X.] ([X.]) und der [X.] [X.] geschlossenen Lohntarifvertrags für Sicherheitsdienstleistungen in [X.] vom 16. Januar 2017 ([X.]). Dieser lautet auszugsweise wie folgt:

        

„2. Löhne

        
        

Die Löhne betragen in den Lohngruppen

        
        

…       

        
        

B       

€       

                 

ab dem

                 

01.02.2017

        

7.    

Sicherheitsmitarbeiter im [X.], im Servicedienst und im Pförtnerdienst

        
                 

Stunden-Grundlohn

10,00 

        

8.    

Sicherheitsmitarbeiter im Pförtnerdienst, der sich von der Lohngruppe 7. dadurch abhebt, indem ihm verantwortlich Ein- und Ausgangskontrollen von Personen und [X.]fahrzeugen obliegen und von dem der Arbeitgeber eine Ausbildung in Erster Hilfe sowie Brand- und Katastrophenschutz verlangen kann oder Sicherheitsmitarbeiter in Flüchtlingsunterkünften sowie Beschäftigte in Einrichtungen der Abschiebung von Ausreisepflichtigen oder des Justizvollzuges

        
                 

Stunden-Grundlohn

11,24 

        

9.    

Sicherheitsmitarbeiter im Pförtnerdienst, der sich von der Lohngruppe 8. dadurch abhebt, indem er im Empfangsdienst tätig ist und dem auch die Überwachungsfunktion von technischen Anlagen und die Bedienung der Telefonzentrale obliegt

        
                 

Stunden-Grundlohn

11,78“

5

Zum 1. Januar 2018 erhöhten sich die [X.], die Tätigkeitsmerkmale änderten sich - mit Ausnahme der Einstufung von [X.] in Flüchtlingsunterkünften - nicht.

6

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er könne ein Entgelt nach der [X.] [X.] beanspruchen. Er sei erster Ansprechpartner für Besucher und daher im Empfangsdienst tätig. Ihm obliege auch die Überwachungsfunktion von technischen Anlagen und die Bedienung der Telefonzentrale.

7

Der Kläger hat - zusammengefasst - beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn insgesamt weitere 870,42 Euro brutto für die Monate April und Mai 2017 zu zahlen,

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Verzugspauschale iHv. insgesamt 80,00 Euro zu zahlen,

        

3.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn ab dem 1. Juni 2017 nach [X.] des Lohntarifvertrags für Sicherheitsdienstleistungen in [X.] zu vergüten.

8

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Der Kläger erfülle bereits nicht die tariflichen Anforderungen der Lohngruppe B8 [X.]. Da es sich bei den Lohngruppen [X.] bis B9 [X.] um „Aufbaufallgruppen“ handele, sei dies für eine Eingruppierung in [X.] des Tarifvertrags erforderlich. Die Beklagte könne nach den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen vom Kläger keine Ausbildung in Erster Hilfe sowie im Brand- und Katastrophenschutz verlangen. Darüber hinaus sei der Kläger auch nicht im „Empfangsdienst“ beschäftigt.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Auf die Berufung des [X.] hat das [X.] das Urteil unter Zurückweisung der weiter gehenden Berufung teilweise abgeändert und dem Feststellungsbegehren für die Lohngruppe B8 [X.] stattgegeben. Weiterhin hat es dem Kläger die sich daraus ergebenden Differenzentgeltansprüche und die Verzugspauschale zugesprochen. Mit ihren durch das [X.] zugelassenen Revisionen verfolgen beide Parteien ihre Begehren weiter.

Durch den im Verlauf des Revisionsverfahrens zum 1. Januar 2019 in [X.] getretenen Lohntarifvertrag für Sicherheitsdienstleistungen in [X.] (vom 24. Oktober 2018) sind die Tätigkeitsmerkmale grundlegend umstrukturiert und geändert worden. Der Kläger hat in der Folge seinen Feststellungsantrag auf den Ablauf des Jahres 2018 begrenzt.

Entscheidungsgründe

Die [X.] ist unzulässig, die zulässige Revision der Beklagten begründet.

I. Die [X.], die sich allein gegen die teilweise Abweisung des Feststellungsantrags wendet, ist unzulässig.

1. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 [X.]tz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer [X.]chrüge sind nach § 551 Abs. 3 [X.]tz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO die Umstände zu bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergeben soll. Dabei muss die Revisionsbegründung den Rechtsfehler des [X.]s so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des revisionsrechtlichen Angriffs erkennbar sind. Das erfordert eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung. Dazu hat der [X.] darzulegen, aus welchen Gründen er die Begründung des Berufungsgerichts für unrichtig hält. Die bloße Wiedergabe oder der Verweis auf das bisherige Vorbringen genügen hierfür nicht ([X.] 23. Januar 2018 - 1 [X.] - Rn. 9). Hat das Berufungsgericht seine Entscheidung auf zwei voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Revisionsbegründung beide Erwägungen angreifen. Anderenfalls ist das Rechtsmittel insgesamt unzulässig. Die Rechtsmittelbegründung ist dann selbst im Falle ihrer Berechtigung nicht geeignet, die angefochtene Entscheidung in Frage zu stellen ([X.] 10. Juni 2015 - 5 [X.] 795/14 - Rn. 9).

2. Die Revisionsbegründung genügt diesen Anforderungen nicht.

a) Das [X.] hat seine Entscheidung auf zwei voneinander unabhängige rechtliche Erwägungen gestützt. Es hat die Zurückweisung der Berufung des [X.] damit begründet, er erfülle nicht die Voraussetzungen der Lohngruppe B9 [X.]. Hierzu sei erforderlich, dass alle drei genannten Tätigkeiten kumulativ ausgeübt würden. Der Kläger sei aber weder im Empfangsdienst tätig noch obliege ihm die Bedienung einer Telefonzentrale. „Empfangsdienst“ iSd. Lohngruppe B9 [X.] liege nur vor, wenn nicht nur die „Abfertigung“, sondern auch das „Willkommenheißen“ ankommender Personen im Vordergrund stehe. Für die Bedienung einer Telefonzentrale sei nicht ausreichend, dass der Kläger drei bis fünf Anrufe pro Nacht entgegennehme.

b) Die Revisionsbegründung setzt sich mit den Gründen des angefochtenen Urteils nicht hinreichend auseinander. Sie greift weder die Auffassung des [X.]s an, die tariflichen Anforderungen müssten kumulativ vorliegen, noch befasst sie sich ausreichend mit der Begründung des [X.]s, er sei nicht im „Empfangsdienst“ tätig. Der Kläger wiederholt hierzu lediglich - zum ganz überwiegenden Teil wörtlich - die Argumentation aus seiner Berufungsbegründung. Der Kläger setzt damit lediglich seine früheren Erwägungen an die Stelle derjenigen des [X.]s, ohne sich mit diesen inhaltlich auseinanderzusetzen. Der Hinweis auf den am 1. Januar 2019 in [X.] getretenen Tarifvertrag steht in keinem Zusammenhang mit der Begründung des [X.]s.

II. Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Der Kläger war nicht seit dem Monat April 2017 nach der Lohngruppe [X.] [X.] zu vergüten. Die Klage war daher auch insoweit abzuweisen, als das [X.] ihr stattgegeben hat.

1. Die Revision der Beklagten ist allerdings entgegen deren Auffassung nicht bereits deshalb begründet, weil das [X.] unter Verstoß gegen § 308 ZPO über eine Eingruppierung in Lohngruppe [X.] [X.] entschieden hätte. Die Eingruppierung in diese Lohngruppe ist als ein „Weniger“ notwendigerweise in dem auf eine Eingruppierung in Lohngruppe B9 [X.] gerichteten Feststellungsantrag enthalten und damit auch ohne gesonderten Antrag Streitgegenstand.

a) Die gerichtliche Geltendmachung eines Feststellungsbegehrens erfasst grundsätzlich auch einen Anspruch, der als ein „Weniger“ in dem (Haupt-)Antrag enthalten ist. Aus § 308 Abs. 1 ZPO ergibt sich damit die Verpflichtung des Gerichts, bei Klagen, die sich auf eine bestimmte Eingruppierung stützen, auch ohne gesonderten Antrag zu prüfen, ob die Klage nicht insoweit teilweise begründet ist, als sie auf eine nicht ausdrücklich geltend gemachte - niedrigere - [X.] gestützt werden kann. Das setzt jedoch voraus, dass es sich bei dem - möglicherweise - begründeten Teil der Klage um ein „Weniger“ und nicht um etwas anderes, dh. ein „aliud“, handelt ([X.] 14. September 2016 - 4 [X.] 456/14 - Rn. 20). Die niedrigere [X.] ist als ein „Weniger“ in der höheren enthalten, wenn das [X.] der höheren [X.] zwingend die Erfüllung der Anforderungen des [X.]s der niedrigeren voraussetzt ([X.] 13. April 2016 - 4 [X.] 13/13 - Rn. 78; 6. Juni 2007 - 4 [X.] 505/06 - Rn. 21 f.).

b) Danach ist das [X.] im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass es zu einer Entscheidung auch über eine Eingruppierung in die Lohngruppe [X.] [X.] verpflichtet war. Die Auslegung des [X.] (zu den Maßstäben etwa [X.] 20. Juni 2018 - 4 [X.] 339/17 - Rn. 19) ergibt, dass eine Vergütung nach der Lohngruppe B9 [X.] zwingend die Erfüllung der tariflichen Anforderungen eines „Sicherheitsmitarbeiters im Pförtnerdienst, … indem ihm verantwortlich Ein- und Ausgangskontrollen von Personen und [X.]fahrzeugen obliegen und von dem der Arbeitgeber eine Ausbildung in Erster Hilfe sowie Brand- und Katastrophenschutz verlangen kann“ der Lohngruppe [X.] [X.] voraussetzt (sh. auch [X.] 18. September 2008 - 7 [X.] - zu [X.] der Gründe).

aa) Hierfür spricht bereits der Wortlaut der Lohngruppe B9 [X.]. Die tariflichen Anforderungen der Lohngruppe [X.] [X.] werden zwar - anders als [X.] in Lohngruppe B10b im Vergleich zur Lohngruppe [X.] [X.] - nicht ausdrücklich wiederholt. Die Tätigkeit des Sicherheitsmitarbeiters im Pförtnerdienst muss sich jedoch durch Erfüllen der weiteren genannten Tätigkeiten von Lohngruppe [X.] [X.] „abheben“. „Sich Abheben“ bedeutet „abstechen, abweichen, sich abzeichnen, einen Kontrast bilden, erkennbar sein, sich herausheben, herausstechen, hervortreten, sich unterscheiden“ ([X.] Das Synonymwörterbuch 7. Aufl.) und damit, dass etwas hinzukommen muss. Der Zusatz „der sich von der Lohngruppe 8. dadurch abhebt, indem“ wäre überflüssig, wenn sich die höhere Wertigkeit der Tätigkeit der Lohngruppe B9 im Vergleich zur Lohngruppe [X.] [X.] allein aus den jeweiligen (sonstigen) tariflichen Anforderungen ergeben würde. Dies würde bereits durch die höhere Vergütung hinreichend deutlich. Es wäre dann nicht erforderlich, dass sich - wie bei der Lohngruppe [X.] [X.] im Verhältnis zur Lohngruppe B7 [X.] - diejenige nach Lohngruppe B9 [X.] von Lohngruppe [X.] [X.] abheben muss.

bb) Das wird auch durch die Systematik des Tarifvertrags bestätigt. Die Tätigkeiten der Lohngruppe [X.] [X.] und der Lohngruppe B9 [X.] stehen zwar nicht zwingend in einem sachlichen Zusammenhang. So handelt es sich beim Empfangsdienst, der Überwachung von technischen Anlagen und der Bedienung der Telefonzentrale nicht notwendigerweise um besondere Ein- und Ausgangskontrollen. Sie stehen auch nicht in Beziehung zu einer Ausbildung in Erster Hilfe oder im Brand- und Katastrophenschutz, sondern sind hiervon unabhängige Tätigkeiten. Die Tarifvertragsparteien sind jedoch nicht gehindert, unterschiedliche Tätigkeiten kumulativ zur Voraussetzung für eine Eingruppierung zu bestimmen. Vorliegend fehlt es an Anhaltspunkten, dass sie einen sachlichen Zusammenhang von Tätigkeiten als notwendig erachtet hätten. Denn auch zwischen den genannten Tätigkeiten innerhalb der beiden Lohngruppen besteht kein sachlicher Zusammenhang. Der Vergleich mit weiteren Regelungen des Tarifvertrags verdeutlicht aber, dass die in Lohngruppe B9 [X.] genannte „Abhebung“ nicht lediglich „beschreibend“ gemeint ist. Die Tarifvertragsparteien haben ua. in den Lohngruppen [X.] bis C19c [X.] verschiedene Tätigkeiten eines Handwerkers unterschiedlichen Entgelten zugeordnet, diese aber nicht in ein Verhältnis zueinander gesetzt.

cc) Nicht erforderlich ist es, dass es sich bei den tariflichen Anforderungen der Lohngruppe B9 [X.] gegenüber denjenigen der Lohngruppe [X.] [X.] ausdrücklich um „[X.]“ handelt (zu den Aufbaufallgruppen in den Tarifverträgen im Öffentlichen Dienst - „herausheben“ - sh. [X.] 28. Februar 2018 - 4 [X.] 678/16 - Rn. 37; 27. Januar 2016 - 4 [X.] 916/13 - Rn. 32). Ausreichend ist, dass die Eingruppierung in die höhere Lohngruppe - wie hier - zwingend die Erfüllung des [X.]s der niedrigeren Lohngruppe voraussetzt ([X.] 6. Juni 2007 - 4 [X.] 505/06 - Rn. 21; anders [X.] Düsseldorf 10. Januar 2018 - 7 [X.] 598/17 - zu [X.] der Gründe).

c) Soweit der Kläger in den Tatsacheninstanzen im Hinblick auf die begehrte Eingruppierung in die Lohngruppe B9 [X.] eine andere Rechtsauffassung vertreten hat, hat er dadurch den Streitgegenstand nicht auf diese Lohngruppe beschränkt.

2. Die Revision der Beklagten ist auch nicht bereits deshalb begründet, weil die Berufung des [X.] hinsichtlich der Lohngruppe [X.] [X.] unzulässig gewesen wäre. Die Berufungsbegründung hat sich auch mit einer Eingruppierung in diese Lohngruppe - soweit erforderlich - ausreichend auseinandergesetzt.

a) Die Zulässigkeit der Berufung ist eine vom [X.] wegen zu prüfende Prozessfortsetzungsvoraussetzung. Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Begründung der Berufung des [X.] iSd. § 520 Abs. 3 [X.]tz 2 Nr. 2 ZPO, ist die Revision schon deshalb begründet und das Urteil des [X.]s aufzuheben. Dass das Berufungsgericht das Rechtsmittel für zulässig gehalten hat, ist ohne Bedeutung ([X.] 16. Mai 2012 - 4 [X.] 245/10 - Rn. 9 mwN).

b) Nach § 520 Abs. 3 [X.]tz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die zivilprozessuale Regelung soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Die Berufungsbegründung muss auf den Streitfall zugeschnitten sein und im Einzelnen erkennen lassen, in welchen Punkten rechtlicher oder tatsächlicher Art und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil fehlerhaft sein soll (ausf. [X.] 18. Mai 2011 - 4 [X.] 552/09 - Rn. 14 mwN).

c) Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung des [X.].

aa) Das Arbeitsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger erfülle nicht das [X.] der Lohngruppe B9 [X.]. Er sei weder im Empfangsdienst tätig noch obliege ihm die Überwachung von technischen Anlagen. Für den Feststellungsantrag ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, es bedürfe keiner abschließenden Entscheidung, ob es sich bei den Lohngruppen [X.] und B9 [X.] um echte Aufbaufallgruppen handele. Der Antrag sei bereits abzuweisen, weil das [X.] der Lohngruppe B9 [X.] nicht erfüllt sei. Für eine Entscheidung über die [X.] komme es nicht darauf an, ob eine Vergütung nach der Lohngruppe [X.] [X.] überhaupt streitgegenständlich sei. Die Klage sei in beiden Fällen abzuweisen, weil entweder - so die Auffassung des Arbeitsgerichts - darüber nicht zu entscheiden oder die Klage deshalb abzuweisen sei, weil es hierfür an einem schlüssigen Tatsachenvortrag fehle.

bb) In seiner Berufungsbegründung zeigt der Kläger näher auf, weshalb eine Eingruppierung in Lohngruppe [X.] [X.] nicht streitgegenständlich gewesen sei. Dies ist nach dem Begründungsweg des Arbeitsgerichts ausreichend. Es ist dann nicht erforderlich, sich auch mit den Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Erfüllung der Anforderungen der Lohngruppe [X.] [X.] auseinanderzusetzen. Unerheblich ist es, ob diese Argumentation zutreffend ist. Eine schlüssige, rechtlich haltbare Begründung ist keine Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels (st. Rspr., etwa [X.] 26. August 2009 - 4 [X.] 280/08 - Rn. 11 mwN).

3. Die Klage ist insgesamt zulässig. Der Feststellungsantrag ist nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt. Er enthält zwar hinsichtlich des maßgeblichen Tarifvertrags weder eine Angabe der tarifschließenden Parteien noch das Abschlussdatum des Tarifvertrags. Dem Vorbringen des [X.] lässt sich aber entnehmen, dass es sich um den [X.] handelt.

4. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum nicht nach der Lohngruppe [X.] [X.] zu vergüten. Daher sind sowohl der Feststellungsantrag - Antrag zu 3. - als auch der auf Zahlung von [X.] gerichtete Antrag zu 1. ohne Erfolg. Gleiches gilt dann in der Folge für die mit dem Antrag zu 2. begehrte Verzugspauschale nach § 288 Abs. 5 BGB.

a) Auf das Arbeitsverhältnis fanden [X.] die Regelungen des [X.] Anwendung.

b) Die Tätigkeit des [X.], bei der es sich um eine solche als Sicherheitsmitarbeiter im Pförtnerdienst handelt, erfüllt nicht die Voraussetzungen der Lohngruppe [X.] [X.]. Die Beklagte kann vom Kläger nach den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen schon keine Ausbildung in Erster Hilfe sowie Brand- und Katastrophenschutz verlangen.

aa) Für die Erfüllung des [X.]s „Sicherheitsmitarbeiter im Pförtnerdienst, … von dem der Arbeitgeber eine Ausbildung in Erster Hilfe sowie Brand- und Katastrophenschutz verlangen kann“ ist nicht Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer eine Ausbildung in Erster Hilfe oder im Brand- und Katastrophenschutz absolviert hat. Ausreichend aber auch erforderlich ist, dass der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Erfüllung der Ausbildungsverpflichtung für die genannten Tätigkeiten hat. Das hat der Zehnte [X.] des [X.] für die insoweit wortgleiche Lohngruppe 2.0.15 des Lohntarifvertrags für das Bewachungsgewerbe in [X.] vom 26. April 1995 ausführlich begründet ([X.] 12. August 1998 - 10 [X.] 407/97 - zu 2 der Gründe). Dem schließt sich der [X.] für die vorliegende Tarifregelung an und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die genannte Entscheidung. Die Tarifvertragsparteien haben auch in Kenntnis der Entscheidung des [X.] vom 12. August 1998 (- 10 [X.] 407/97 -) an der Formulierung „verlangen kann“ festgehalten.

bb) Danach kann die Beklagte vom Kläger weder eine Ausbildung in Erster Hilfe noch im Brand- und Katastrophenschutz verlangen.

(1) Bei dem Arbeitsvertrag handelt es sich bereits nach seinem äußeren Erscheinungsbild um einen Formularvertrag, der nach den Regelungen über Allgemeine Geschäftsbedingungen auszulegen ist (vgl. hierzu [X.] 19. Mai 2010 - 4 [X.] 796/08 - Rn. 15, [X.]E 134, 283). Dessen Auslegung durch das [X.] ist in der Revisionsinstanz voll überprüfbar ([X.] 25. Januar 2017 - 4 [X.] 517/15 - Rn. 40 mwN, [X.]E 158, 54).

(2) Die Ausbildung in Erster Hilfe sowie im Brand- und Katastrophenschutz ist nicht Teil der Verpflichtung nach Nr. 7 Abs. 1 [X.]tz 1 des Arbeitsvertrags. Die Vereinbarung enthält entgegen der Auffassung des [X.]s keine fachlich umfassende Schulungsverpflichtung, sondern lediglich eine solche zur Teilnahme am für [X.] obligatorischen Unterricht nach § 34a Abs. 1a [X.]tz 1 Nr. 2 [X.]. Einer Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB bedarf es deshalb nicht.

(a) Nach Nr. 7 Abs. 1 [X.]tz 1 des Arbeitsvertrags hat der Arbeitnehmer am allgemeinen Unterricht zur Aus- und Fortbildung im [X.] und Sicherheitsgewerbe teilzunehmen. Mit der Formulierung „Unterricht“ im Zusammenhang mit Aus- und Fortbildungen im [X.] und Sicherheitsgewerbe haben die Parteien ersichtlich auf § 34a [X.] Bezug genommen. Die Vorschrift regelt die Anforderungen an den Betrieb eines [X.]. Nach § 34a Abs. 1a [X.]tz 1 Nr. 2 [X.] ist zwingende Voraussetzung für den Einsatz als Wachperson die Unterrichtung über die für die Ausübung des Gewerbes notwendigen rechtlichen und fachlichen Grundlagen. Die nähere Ausgestaltung des Unterrichts ergibt sich aus den §§ 4 bis 7 der Verordnung über das Bewachungsgewerbe ([X.], vom 10. Juli 2003, [X.] I S. 1378, idF vom 1. Dezember 2016, [X.] I S. 2692; nunmehr [X.] vom 3. Mai 2019, [X.] I S. 692, idF vom 24. Juni 2019, [X.] I S. 882). Mit dem Begriff des „Unterrichts“ wird ein Fachbegriff aus dem [X.] und Sicherheitsgewerbe verwendet, der mangels anderweitiger Anhaltspunkte in seiner tatsächlichen juristischen Bedeutung zu verstehen ist (vgl. [X.] 19. August 2010 - 8 [X.] 645/09 - Rn. 52; [X.] 29. April 2014 - II ZR 395/12 - Rn. 24; 19. März 2003 - [X.]/02 - zu II 1 a der Gründe). Für eine Verwendung in diesem Sinne spricht auch, dass in Nr. 8 des Arbeitsvertrags der Begriff des „[X.]chkundenachweises“ verwendet wird, der ebenfalls in § 34a Abs. 1a [X.]tz 2 [X.] als erforderlich für die Ausübung bestimmter Tätigkeiten erwähnt ist. Dem steht nicht entgegen, dass in § 7 Abs. 1 [X.]tz 1 des Arbeitsvertrags nicht nur die Aus-, sondern auch die Fortbildung genannt wird und eine solche hinsichtlich des Unterrichts nach § 34a [X.] grundsätzlich nicht erforderlich oder vorgesehen ist. Durch die Verwendung des Begriffs „Unterricht“ iVm. dem Hinweis auf das [X.] und Sicherheitsgewerbe ist der Bezug zu § 34a [X.] hinreichend deutlich.

(b) Der Unterricht iSv. § 34a [X.] iVm. der [X.] erfasst weder eine Ausbildung in Erster Hilfe noch im Brand- und Katastrophenschutz. Nach § 4 [X.]tz 1 und [X.]tz 2 iVm. Anlage 3 [X.] (idF der Bekanntmachung vom 10. Juli 2003, inhaltlich unverändert idF der [X.] vom 3. Mai 2019 [nunmehr § 7 iVm. Anlage 2]) umfasst der Unterricht das Recht der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, Teile des Bürgerlichen Gesetzbuches, Auszüge aus dem Straf- und Verfahrensrecht, Unfallverhütungsvorschriften, Umgang mit Menschen und Grundzüge der Sicherheitstechnik. Zur Sicherheitstechnik gehört zwar auch Brandschutz, nicht aber eine Ausbildung im Brand- und Katastrophenschutz.

(c) Darüber hinaus handelt es sich bei den Ausbildungen in Erster Hilfe und im Brand- und Katastrophenschutz nicht um solche des [X.] und Sicherheitsgewerbes. Nur für diese besteht aber die Verpflichtung iSd. Nr. 7 Abs. 1 [X.]tz 1 des Arbeitsvertrags.

(3) Aus Nr. 7 Abs. 1 [X.]tz 2 des Arbeitsvertrags ergibt sich ebenfalls keine Verpflichtung des [X.], auf Verlangen der Beklagten an einer Ausbildung in Erster Hilfe oder im Brand- und Katastrophenschutz teilzunehmen. Danach gelten bei einer speziellen Ausbildung, einschließlich der vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung durch Fremdkräfte, besondere Bestimmungen, die durch eine „Zusatzvereinbarung“ festgelegt werden. Der [X.] muss nicht darüber befinden, ob es sich bei den in Lohngruppe [X.] [X.] genannten Ausbildungen um „spezielle Ausbildungen“ in diesem Sinne handelt. Im Gegensatz zu [X.]tz 1 enthält [X.]tz 2 keine Verpflichtung zu einer Teilnahme oder zum Abschluss der erforderlichen Zusatzvereinbarung.

(4) Aus Nr. 7 Abs. 1 [X.]tz 3 des Arbeitsvertrags folgt kein anderes Ergebnis. Die fehlende Berechtigung des Arbeitnehmers, „die Teilnahme am Unterricht zu verweigern“, bezieht sich nach dem Wortlaut und der erneuten Bezugnahme auf den „Unterricht“ auf eine Aus- und Fortbildung nach [X.]tz 1.

III. [X.] ergibt sich aus § 97 Abs. 1, § 91 Abs. 1 [X.]tz 1 ZPO.

        

    Treber    

        

    Rinck    

        

    Klug    

        

        

        

    P. Rupprecht    

        

    Plautz    

                 

Meta

4 AZR 456/18

03.07.2019

Bundesarbeitsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Krefeld, 19. Oktober 2017, Az: 1 Ca 1181/17, Urteil

§ 308 Abs 1 ZPO, § 520 Abs 3 S 2 Nr 2 ZPO, § 551 Abs 3 S 1 Nr 2 ZPO, § 72 Abs 5 ArbGG, § 34a Abs 1a S 1 Nr 2 GewO, § 305 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 03.07.2019, Az. 4 AZR 456/18 (REWIS RS 2019, 5853)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 5853


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 4 AZR 456/18

Bundesarbeitsgericht, 4 AZR 456/18, 03.07.2019.


Az. 1 Ca 1181/17

Arbeitsgericht Krefeld, 1 Ca 1181/17, 19.10.2017.


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