Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14.02.2020, Az. 8 B 78/19

8. Senat | REWIS RS 2020, 11830

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Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des [X.] vom 18. Juli 2019 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Klägerin wendet sich gegen Äußerungen der beklagten Industrie- und Handelskammer. Diese kritisierte in einer Presseerklärung im Dezember 2011 Planungen der [X.] zur Rekommunalisierung der Wasserversorgung insbesondere wegen einer von ihr befürchteten Kostensteigerung für das Gewerbe und forderte die Stadt auf, der Aufforderung der Landeskartellbehörde zur Senkung der Wasserpreise nachzukommen. In einer weiteren Presseerklärung stellte die Beklagte richtig, dass ihre vorhergehende Äußerung zur mangelnden Abzugsfähigkeit der Umsatzsteuer bei kommunalen [X.] unzutreffend war. Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Äußerungen abgewiesen.

2

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung ohne mündliche Verhandlung nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss zurückgewiesen. Die Äußerungen hielten sich im gesetzlichen Aufgabenbereich der Beklagten, seien sachlich und wahrten die gebotene Zurückhaltung. Ihre teilweise inhaltliche Unrichtigkeit begründe keine Überschreitung des Kompetenzbereichs der Beklagten. Der Äußerung entgegenstehende beachtliche [X.] hätten hinsichtlich der Erhöhung oder Senkung des [X.] nicht bestanden. Die Beklagte habe das vorgesehene Verfahren eingehalten. Die Pressemitteilungen beträfen wegen der Evidenz des gemeinsamen Interesses aller Gewerbetreibenden im Kammerbezirk an günstigeren Wasserpreisen keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung und hätten deshalb keines vorhergehenden Beschlusses der Vollversammlung bedurft. Verstehe man sie auch als grundsätzliche Stellungnahme gegen eine Rekommunalisierung, setze sie einen Beschluss der Vollversammlung der Beklagten vom März 2011 um, der dazu auch ohne Beteiligung anderer Kammergremien ordnungsgemäß ergangen sei. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision gegen seinen Beschluss nicht zugelassen.

3

Die dagegen gerichtete Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

4

1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.

5

Die Grundsatzrüge setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14). Dem genügt das Beschwerdevorbringen nicht.

6

Die von der Klägerin aufgeworfene Frage,

ob die von der Beklagten gewählte Verfahrensweise bei der Herstellung des [X.], die zur Rechtfertigung herangezogen wird, im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen steht,

bezieht sich allein auf ihren Einzelfall. Sie führt auch nicht auf eine verallgemeinerungsfähige Frage, die einer Klärung im Revisionsverfahren bedürfte. Das [X.] hat die maßgeblichen Grundsätze zu dem kammerintern gebotenen Verfahren vor öffentlichen Äußerungen von Industrie- und Handelskammern bereits geklärt. Die Ermittlung des von der Kammer wahrzunehmenden [X.] ihrer Mitglieder obliegt primär der Vollversammlung. Diese beschließt nach § 4 Abs. 1 Satz 1 IHKG über die Angelegenheiten der Industrie- und Handelskammer, soweit nicht die Satzung etwas anderes bestimmt. Dabei kann der Vollversammlung die Bestimmung der Richtlinien der Kammerarbeit und die Beschlussfassung über alle Fragen von grundsätzlicher Bedeutung vorbehalten bleiben und die Entscheidung über Einzelfragen delegiert werden. Eine grundsätzliche Festlegung muss auf jeden Fall durch die Vollversammlung erfolgen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2010 - 8 C 20.09 - BVerwGE 137, 171 Rn. 34 f.).

7

Die Klägerin kritisiert die Wertung des Berufungsgerichts, wonach diese Anforderungen durch die Beklagte eingehalten worden seien, ohne einen über sie hinausgehenden und fallübergreifenden Klärungsbedarf aufzuzeigen. Das gilt auch, soweit sie bemängelt, dass die Beklagte vor der Abgabe ihrer Äußerungen keine Fachausschüsse damit befasst hat.

8

Ihre sinngemäße Frage, ob die Beklagte mit einem vom Dachverband vorbereiteten "[X.]" zur Delegation grundsätzlicher Entscheidungen arbeiten dürfe, verleiht der Rechtssache ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung. Sie könnte im angestrebten Revisionsverfahren nicht geklärt werden, weil sie von Tatsachen ausgeht, die das Berufungsgericht nicht festgestellt hat. Gegen seine tatsächlichen Feststellungen hat die Klägerin keine Verfahrensrügen erhoben.

9

2. Die Klägerin legt in ihrer Beschwerdebegründung auch keine Abweichung des berufungsgerichtlichen Beschlusses von einer Entscheidung des [X.]s, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.] oder des [X.]verfassungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) dar. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein inhaltlich bestimmter, die angefochtene Entscheidung tragender abstrakter Rechtssatz vorliegt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des [X.]s oder eines anderen der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufgeführten Gerichte aufgestellten ebensolchen (abstrakten) Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Eine derartige Abweichung abstrakter Rechtssätze lässt sich aus dem Vorbringen der Klägerin nicht erkennen.

a) Soweit die Klägerin geltend macht, der angegriffene Beschluss weiche mit seiner Feststellung, [X.] seien im vorliegenden Fall nicht zu berücksichtigen gewesen, von der Entscheidung des [X.]verfassungsgerichts vom 12. Juli 2017 - 1 BvR 2222/12, 1 BvR 1106/13 - ([X.] 146, 164) ab, bezeichnet sie keinen von dieser Entscheidung abweichenden abstrakten Rechtssatz des angegriffenen Beschlusses. Vielmehr hält sie die Anwendung der abstrakten Maßgaben des [X.]verfassungsgerichts in diesem Beschluss für unzureichend. Das Berufungsgericht ist selbst von den in der genannten bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung aufgeführten Grundsätzen des [X.] entsprechend der Entscheidung des [X.]s vom 23. Juni 2010 - 8 C 20.09 - (BVerwGE 137, 171 Rn. 32 ff.) ausgegangen. Es hat jedoch keine zu berücksichtigenden [X.] hinsichtlich des Gegenstandes der Äußerungen der Beklagten festgestellt und solche auch dem Vortrag der Klägerin nicht entnehmen können.

b) Die Klägerin legt in ihrer Beschwerdebegründung keine Divergenz des angegriffenen Beschlusses zu einer Entscheidung des [X.]s oder des [X.]verfassungsgerichts zum Verfahren der Ermittlung des von der Kammer wahrzunehmenden [X.] dar. Sie geht selbst davon aus, dass das Berufungsgericht die [X.] aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung übernommen hat und kritisiert nur deren ihrer Auffassung nach fehlerhafte Anwendung. Damit lässt sich eine Divergenz jedoch nicht dartun.

3. Sollte der Beschwerdebegründung die Geltendmachung eines Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) bezüglich der Entscheidungsweise des Berufungsgerichts durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung nach § 130a VwGO zu entnehmen sein, läge ein solcher Mangel nach den Darlegungen der Klägerin jedenfalls nicht vor.

Gemäß § 130a Satz 1 VwGO kann das Oberverwaltungsgericht über die Berufung durch Beschluss entscheiden, wenn es sie einstimmig für begründet oder einstimmig für unbegründet hält und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören (§ 130a Satz 1 i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ob nach § 130a Satz 1 VwGO zu verfahren ist, steht im Ermessen des Berufungsgerichts. Bei seiner Ermessensausübung hat es zu berücksichtigen, dass sich die Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung als gesetzlicher Regelfall und Kernstück auch des Berufungsverfahrens erweist (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 101 Abs. 1 VwGO). Mit dem Grad der tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Streitsache wächst das Gewicht der Gründe, die gegen eine Anwendung des § 130a VwGO sprechen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 18. Dezember 2014 - 8 [X.] - [X.] 310 § 130a VwGO Nr. 85 Rn. 6 und vom 14. Juni 2019 - 7 B 25.18 - NVwZ 2019, 1854 Rn. 8 f., je m.w.N.).

Die Beschwerdebegründung lässt nicht erkennen, dass einer Entscheidung des Berufungsgerichts im [X.] die tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeit der Streitsache entgegengestanden hätte oder die Anforderungen des § 130a VwGO in sonstiger Hinsicht nicht gewahrt worden wären. Die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht ist kein hinreichendes Indiz für einen Ermessensfehler des Berufungsgerichts. Ebenso wenig wird aus den Ausführungen der Klägerin deutlich, warum erst in einer mündlichen Verhandlung das Vorhandensein einer beachtlichen Minderheitenposition innerhalb der Kammer hätte geklärt werden können und der schriftsätzliche Vortrag der Beteiligten hierzu nicht ausreichte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Meta

8 B 78/19

14.02.2020

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14.02.2020, Az. 8 B 78/19 (REWIS RS 2020, 11830)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 11830

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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