Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.11.2019, Az. 1 StR 162/19

1. Strafsenat | REWIS RS 2019, 1435

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Gegenstand

Absoluter Revisionsgrund der Hauptverhandlung in Abwesenheit eines anwesenheitspflichtigen Verfahrensbeteiligten


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 12. Juli 2018 wird als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Ergänzend bemerkt der [X.]:

Auch die Verfahrensrüge, mit der das Vorliegen eines absoluten [X.] gemäß § 338 Nr. 5 StPO geltend gemacht wird, bleibt ohne Erfolg.

Mit dieser Rüge beanstandet die Revision, dass im [X.] vom 14. Mai 2018 eine Erörterung der Sach- und Rechtslage gemäß § 257b StPO in Abwesenheit von Personen, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, nämlich sowohl des Angeklagten als auch eines Verteidigers, stattgefunden habe. Aus dem [X.] ergebe sich, die Vorsitzende habe bekannt gegeben, die Verteidigerin habe kurz vor 9 Uhr auf der Geschäftsstelle angerufen und mitgeteilt, man stehe auf der Autobahn im Stau; sie habe gebeten, mit dem Aufruf der Sache um 60 Minuten zu warten. Gleichwohl sei die [X.] in Abwesenheit des Angeklagten und seiner Verteidiger mit dem Vertreter der Staatsanwaltschaft in eine Erörterung der Sach- und Rechtslage eingetreten. Das Sitzungsprotokoll weise hierzu aus: „Die Sach- und Rechtslage wurde zwischen der Kammer und dem Vertreter der Staatsanwaltschaft gemäß § 257b StPO erörtert“. Die Revision ist der Auffassung, die Erörterung der Sach- und Rechtslage könne sich nicht allein darauf bezogen haben, wie auf die Mitteilung über die Verspätung zu reagieren sei. Vielmehr seien dem Wortlaut gemäß Fragen zur Schuld- und Straffrage thematisiert worden.

Der geltend gemachte Revisionsgrund liegt nicht vor; die Verfahrensrüge hat daher keinen Erfolg.

Ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 338 Nr. 5 StPO liegt nur dann vor, wenn einer der in dieser Vorschrift genannten Verfahrensbeteiligten bei einem wesentlichen Teil der Hauptverhandlung abwesend war (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschluss vom 21. Februar 1975 - 1 [X.], [X.]St 26, 84, 91; [X.] in [X.], 8. Aufl. 2019, § 338 Rn. 74, 79). Dies war hier nicht der Fall.

Entgegen der Auffassung der Revision ist das Vorliegen eines [X.] gemäß § 338 Nr. 5 StPO hier nicht bereits durch die - unklare und unzulängliche (vgl. § 273 Abs. 1 Satz 2 StPO sowie OLG Frankfurt, Beschluss vom 23. Februar 2010 - 3 [X.], [X.], 213) - Formulierung im [X.] belegt, dass in der Hauptverhandlung die Sach- und Rechtslage gemäß § 257b StPO erörtert worden sei. Denn die Vorschrift des § 257b StPO erfasst schon nach ihrem Wortsinn alle möglichen Arten der Erörterung, die nicht notwendig zu einem wesentlichen Teil der Hauptverhandlung im Sinne des § 338 Nr. 5 StPO führen müssen. Wegen des Ausbleibens des Angeklagten und seiner Verteidiger drängt sich auf, dass speziell diese Verfahrenssituation Gegenstand der Erörterung gewesen ist. Die Klärung solcher Fragen (vgl. [X.] in [X.], 8. Aufl. 2019, § 257b Rn. 6a) wäre jedoch kein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung.

Im Blick auf die hier gegebene Verfahrenslage, die durch die ersichtlich verkürzte Protokollierung nicht hinreichend deutlich wird, hat der [X.] hierüber im Freibeweisverfahren durch Einholung dienstlicher Erklärungen des [X.] der Staatsanwaltschaft und der Vorsitzenden der [X.] Beweis erhoben. Während der [X.] der Staatsanwaltschaft keine Erinnerung mehr an den [X.] hatte, konnte sich die [X.] noch an den Ablauf der Verhandlung erinnern. Sie teilte in ihrer dienstlichen Erklärung vom 1. Oktober 2019 mit, dass in der Hauptverhandlung bekannt gegeben worden sei, dass die Verteidigerin Rechtsanwältin [X.]angerufen und auf eine Verspätung hingewiesen habe. In der Verhandlung habe das Gericht den anwesenden Verfahrensbeteiligten mitgeteilt, dass bis zum Eintreffen der Verteidigerin und des Angeklagten zuzuwarten sei. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft habe hierzu die Erklärung abgegeben, dass auf das Erscheinen des Angeklagten mit seiner Verteidigerin zu warten sei. Darüber hinaus habe es keine weitergehende tatsächliche und rechtliche Erörterung in der Sache gegeben. Der Zusatz im Protokoll „Die Sach- und Rechtslage wurde zwischen der Kammer und dem Vertreter der Staatsanwaltschaft gemäß § 257b StPO erörtert“ sei von der Protokollführerin angebracht worden mit Blick auf die Erklärung des Gerichts, dass auf das Erscheinen des Angeklagten und dessen Verteidigerin gewartet werde, und die Bestätigung des Vertreters der Staatsanwaltschaft, dass auf das Erscheinen zu warten sei. Bei der Korrektur des Protokolls sei die „ungünstige“ Formulierung übersehen worden. Der [X.] hat keinen Zweifel, dass die [X.] den Ablauf der Verhandlung vom 14. Mai 2018 während der Abwesenheit des Angeklagten und seiner Verteidigerin wahrheitsgemäß und zutreffend geschildert hat. Dieser Ablauf steht auch nicht im Widerspruch mit dem protokollierten Wortlaut. Da die im Protokoll genannte Erörterung mithin keinen wesentlichen Teil der Hauptverhandlung darstellt, liegt der von der Revision geltend gemachte absolute Revisionsgrund (§ 338 Nr. 5 StPO) nicht vor.

Raum     

        

Jäger     

        

Bellay

        

Hohoff     

        

Pernice     

        

Meta

1 StR 162/19

19.11.2019

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Chemnitz, 12. Juli 2018, Az: 910 Js 19000/09 - 5 KLs

§ 257b StPO, § 338 Nr 5 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.11.2019, Az. 1 StR 162/19 (REWIS RS 2019, 1435)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 1435

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