Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.02.2012, Az. 2 AZR 45/11

2. Senat | REWIS RS 2012, 8875

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Änderungskündigung - anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit - Sozialauswahl


Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 7. Dezember 2010 - 13 [X.]/10 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Änderungskündigung.

2

Die Beklagte ist ein Unternehmen der Fleischwarenindustrie. Zur Mitte des Jahres 2009 beschäftigte sie etwa 220 Arbeitnehmer. Der 1959 geborene Kläger ist bei ihr seit Mai 1984 tätig. Er ist ausgebildeter [X.] und war zuletzt in der „Materialvorbereitung“ eingesetzt. In dieser Abteilung wurden Schinken zerlegt. Auf der Grundlage der zwischen der Beklagten und der [X.] [X.] ([X.]) abgeschlossenen „[X.]aus-Tarifverträge“ bezog er Vergütung nach der [X.] des jeweils einschlägigen Lohntarifvertrags (LTV).

3

[X.] entschied die Beklagte, die Abteilung „Materialvorbereitung“ zum 30. Juni 2009 aus Kostengründen zu schließen und künftig die Materialien für die Schinkenproduktion von dritter Seite zuzukaufen. Am 16. Juli 2009 schloss sie mit dem Betriebsrat einen „Interessenausgleich und Sozialplan“. Danach sollten elf der betroffenen Arbeitnehmer ein Angebot zur Weiterbeschäftigung in anderen Bereichen erhalten. Spätestens mit Wirkung zum 1. November 2009 sollten diese Mitarbeiter in die [X.]I[X.] „umgruppiert“ und auf dieser Basis vergütet werden. Die Versetzungen/[X.] sollten durch Änderungskündigung unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Ende eines Kalendermonats erfolgen. Für die [X.] ab November 2009 bis 31. Dezember 2010 sieht der Sozialplan Ausgleichszahlungen vor.

4

Bereits ab 6. Juli 2009 setzte die Beklagte den Kläger in der sog. Verpackung ein, wobei sie ihm zunächst Vergütung nach der [X.] LTV fortzahlte. Mit Schreiben vom 29. Juli 2009 kündigte sie das Arbeitsverhältnis - nach vorheriger Anhörung des Betriebsrats und dessen Beteiligung nach § 99 BetrVG - „fristgemäß aus betriebsbedingten Gründen mit Wirkung zum 31.10.2009“, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin. Zugleich bot sie ihm an, künftig im Bereich Verpackung tätig zu sein und alle damit im Zusammenhang stehenden Aufgaben zu verrichten. In Anbetracht der Zuweisung dieses „neuen Tätigkeitsbereichs“ werde der Kläger - wie es in dem Schreiben weiter heißt - ab dem 1. November 2009 in die [X.]I[X.] eingruppiert. Außerdem wies die Beklagte auf den Sozialplan und daraus resultierende Ansprüche hin.

5

Die im Kündigungszeitpunkt geltenden Bestimmungen des Lohntarifvertrags vom 26. August 2008 zur Eingruppierung lauten wie folgt:

        

„…    

        

§ 2     

        

[X.] und Löhne

        

…       

        

Lohngruppe I

…       

        

Ausführen von Facharbeitertätigkeiten, für die Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich sind, die in einer abgeschlossenen einschlägigen Berufsausbildung erworben wurden und im Betrieb auch tatsächlich ausgeübt werden.

        

Beispiele:            

        

-       

[X.]gesellen und Fachkräfte für Lebensmitteltechnik in Führungsverantwortung

        

-       

Berufskraftfahrertätigkeiten

        

-       

Tätigkeiten als Schlosser/Elektriker/Mechatroniker

        

Lohngruppe II

…       

        

Ausführen oder Überwachen von Tätigkeiten, die Teilaufgaben eines Facharbeiters entsprechen, nach einer Einarbeitungszeit von 12 Monaten.

        

Beispiele:            

        

-       

…       

        

Lohngruppe III

…       

        

Lohngruppe III a

        
        

(bei Neueinstellungen ab dem 01.01.2006)

…       

        

Ausführen von fachbezogenen Tätigkeiten, für die Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich sind, die durch Einarbeitung, Übung und Erfahrung von in der Regel 6 Monaten erworben werden.

        

Beispiele:            

        

-       

Salzen, Würzen und Pökeln von Fleischteilen sowie Wässern, Aufhängen, Beschneiden

        

-       

Fleischannahme/-kontrolle und Ausbeinen

        

-       

…       

        

-       

Tätigkeiten in der Vorbereitung sowie Füllen und Einhängen von Wurst mit einem Stückgewicht von über 2,5 kg in Gestelle

        

-       

…       

        

Lohngruppe IV

…       

        

Lohngruppe [X.]

        
        

(bei Neueinstellungen ab dem 01.01.2006)

…       

        

Ausführen von fachbezogenen Tätigkeiten, für die Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich sind, die durch eine kürzere betriebliche Anlern- und Einarbeitungszeit von in der Regel 3 Monaten erworben werden.

        

Beispiele:            

        

-       

Verpackungs- und Versandarbeiten wie z.B.

        

-       

…       

        

-       

Versandwiegen

        

-       

Fülltätigkeiten

        

Lohngruppe V

        
        

-       

Schüler

…       

        

-       

[X.] Studenten

…       

        

-       

(Länger als einen Monat beschäftigte Studenten werden in Lohngruppe [X.] eingruppiert).

        

§ 3     

        

Grundsätze für die Eingruppierung und Vergütung

        

Maßgebend für die Ein- und Umgruppierung sind die [X.]. Die aufgeführten Tätigkeitsbeispiele dienen der Erläuterung; sie sind kein abschließender Katalog. Sie begründen nur in Verbindung mit den [X.]n (Oberbegriffen) einen Anspruch auf entsprechende Eingruppierung.

        

Soweit die Merkmale einer Lohngruppe eine bestimmte berufliche Ausbildung ansprechen, ein Arbeitnehmer eine solche aber nicht durchlaufen hat, ist er in die [X.] einzugruppieren, die seiner Tätigkeit entspricht. Arbeitnehmer mit einschlägiger abgeschlossener Berufsausbildung werden in die Lohngruppe eins eingruppiert, sofern sie dem Berufsbild entsprechend tätig sind.

        

…       

        

Entscheidend für die Ein- bzw. Umgruppierung in eine bestimmte Tarifgruppe ist die zeitlich überwiegend ausgeübte Tätigkeit.

        

…“    

6

Der Kläger hat das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt des § 2 [X.] angenommen und - fristgerecht - [X.] erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, die Änderung der Arbeitsbedingungen sei sozial ungerechtfertigt. Dringende betriebliche Erfordernisse lägen nicht vor. Jedenfalls sei die [X.] fehlerhaft. Im Betrieb fielen weiterhin Tätigkeiten eines [X.]gesellen an, die nach der [X.] LTV zu vergüten seien und die er ohne Weiteres verrichten könne. Dazu zählten [X.]. die im Kündigungszeitpunkt freien Arbeitsplätze in den Bereichen „Rohwurst“ und „Pökelei“. Entsprechende Stellen habe die Beklagte im Wege der Änderungskündigung [X.]. dem weniger schutzbedürftigen Arbeitnehmer [X.] angeboten.

7

Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Interesse - beantragt

        

festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 29. Juli 2009 sozial ungerechtfertigt und unwirksam ist.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, nach Schließung der „Materialvorbereitung“ beschäftige sie keine Arbeitnehmer mehr, die Facharbeitertätigkeiten im Sinne der [X.] LTV verrichteten. Soweit einzelne Arbeitnehmer weiterhin Vergütung nach dieser Lohngruppe bezögen, handele es sich um Mitarbeiter mit Führungsverantwortung. Sämtliche Tätigkeiten, die sie den ehemals in der „Materialvorbereitung“ eingesetzten Arbeitnehmern im Wege der Änderungskündigung ersatzweise angeboten habe, seien nach [X.]I[X.] zu vergüten. Einer [X.] habe es deshalb nicht bedurft; unabhängig davon sei der Arbeitnehmer [X.] - wenn auch geringfügig - älter als der Kläger.

9

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die [X.] ist begründet. Die dem Kläger mit der Kündigung vom 29. Juli 2009 angetragene und auf betriebliche Gründe gestützte Änderung der Arbeitsbedingungen ist sozial ungerechtfertigt iSv. § 2 Satz 1, § 1 Abs. 2, Abs. 3 [X.].

I. Bei einer betriebsbedingten Änderungskündigung ist das Änderungsangebot des Arbeitgebers daran zu messen, ob dringende betriebliche Erfordernisse gemäß § 1 Abs. 2 [X.] es bedingen und ob der Arbeitgeber sich darauf beschränkt hat, solche Vertragsänderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss (st. Rspr., bspw. [X.] 12. Oktober 2010 - 2 [X.] 945/08 - Rn. 29, [X.] 1969 § 2 Nr. 147 = EzA [X.] § 2 Nr. 79; 9. September 2010 - 2 [X.] 936/08 - Rn. 29, [X.] 1969 § 2 Nr. 149; 10. September 2009 - 2 [X.] 822/07 - Rn. 25, [X.]E 132, 78; jeweils [X.]). Im Rahmen des § 1 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 2 [X.] ist dabei zu prüfen, ob ein Beschäftigungsbedürfnis für den betreffenden Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist und diesem bei Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die am wenigsten beeinträchtigende Änderung angeboten wurde. Ausgangspunkt ist die bisherige vertragliche Regelung, dh. die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom bisherigen Inhalt des Arbeitsverhältnisses entfernen, als zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist ([X.] 26. März 2009 - 2 [X.] 879/07 - Rn. 51 ff. [X.], [X.] 1969 § 9 Nr. 57). Dieser Maßstab gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer das Änderungsangebot abgelehnt oder unter Vorbehalt angenommen hat ([X.] 26. November 2009 - 2 [X.] 658/08 - Rn. 16, [X.] 1969 § 2 Nr. 144 = EzA [X.] § 2 Nr. 76; 15. Januar 2009 - 2 [X.] 641/07 - Rn. 14, [X.] 1969 § 2 Nr. 141).

II. Sind von einer Organisationsmaßnahme des Arbeitgebers mehrere vergleichbare Arbeitnehmer betroffen und konkurrieren diese um anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten in demselben Betrieb, hat der Arbeitgeber durch eine [X.] analog § 1 Abs. 3 Satz 1 [X.] zu entscheiden, welchen Arbeitnehmer er auf dem freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt ([X.] 12. August 2010 - 2 [X.] 945/08 - Rn. 40 [X.], [X.] 1969 § 2 Nr. 147 = EzA [X.] § 2 Nr. 79). Dieser Grundsatz findet auch bei der Änderungskündigung Anwendung. § 2 Satz 1 [X.] verweist uneingeschränkt auf § 1 Abs. 2 Satz 1 bis 3, Abs. 3 Satz 1 und 2 [X.]. Auch bei ihr kann sich der Arbeitnehmer auf andere Beschäftigungsmöglichkeiten zu ihn weniger belastenden Arbeitsbedingungen berufen. Dass es dabei nicht um das „Ob“ einer Kündigung, sondern das „Wie“ der Änderungen der Vertragsbedingungen geht, entbindet den Arbeitgeber jedenfalls dann nicht von einer entsprechend § 1 Abs. 3 [X.] vorzunehmenden [X.] Auswahl, wenn für eine Weiterbeschäftigung - objektiv - unterschiedliche Tätigkeiten zur Verfügung stehen, zugleich mehrere Arbeitnehmer um eine geringere Anzahl günstigerer Beschäftigungsmöglichkeiten konkurrieren und deshalb eine personelle Auswahl zu treffen ist ([X.] 12. August 2010 - 2 [X.] 945/08 - Rn. 41 [X.], aaO; 16. September 2004 - 2 [X.] 628/03 - zu [X.] der Gründe, [X.]E 112, 58).

III. Die Betriebsbedingtheit einer Änderung der Arbeitsbedingungen ist im Streitfall nicht iSd. § 1 Abs. 5 Satz 1 [X.] zu vermuten. Ebenso wenig kommt bei der [X.] allein der Maßstab der groben Fehlerhaftigkeit gemäß § 1 Abs. 5 Satz 2 [X.] zum Tragen. Die Regelungen sind zwar auf Änderungskündigungen anwendbar ([X.] 19. Juni 2007 - 2 [X.] 304/06 - Rn. 18 ff., [X.]E 123, 160). Die Beklagte hat sich auf sie aber weder berufen, noch bietet der festgestellte Sachverhalt hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 [X.] vorliegen. [X.] steht auf der Grundlage des unstreitigen Parteivorbringens nur, dass am 16. Juli 2009 ein Interessenausgleich/Sozialplan geschlossen wurde. Soweit darin auf eine Liste mit den Namen der für eine Änderungskündigung vorgesehenen Arbeitnehmer Bezug genommen wird, ist nicht erkennbar, ob und wann eine solche Liste erstellt wurde und ob sie mit dem Interessenausgleich eine einheitliche Urkunde bildet (zu dieser Voraussetzung [X.] 10. Juni 2010 - 2 [X.] 420/09 - Rn. 16, [X.] 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 98 = EzA [X.] § 1 Interessenausgleich Nr. 22; 12. Mai 2010 - 2 [X.] 551/08 - Rn. 17, [X.] 1969 § 1 Namensliste Nr. 20 = EzA [X.] § 1 Interessenausgleich Nr. 21). Soweit die Beklagte eine - weder von ihr selbst, noch vom Betriebsrat unterzeichnete - „Personalliste“ zur Gerichtsakte gereicht hat, in der die von einer Änderungskündigung betroffenen Arbeitnehmer namentlich aufgeführt sind, handelt es sich ihren eigenen Ausführungen zufolge um die „Anlage 1“ zur Anhörung des Betriebsrats. Anhaltspunkte dafür, dass diese oder eine gleichlautende Liste dem Interessenausgleich beigefügt und mit ihm im Kündigungszeitpunkt fest verbunden gewesen wäre, liegen nicht vor. Ob die übrigen Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 Satz 1 [X.] erfüllt sind und von einer Betriebsänderung iSd. § 111 [X.] auszugehen ist, kann offenbleiben.

IV. Die dem Kläger angetragene Änderung der Arbeitsbedingungen ist nicht iSv. § 2 Satz 1, § 1 Abs. 2, Abs. 3 [X.] sozial gerechtfertigt. Dabei kann zugunsten der [X.] unterstellt werden, dass ihre Organisationsentscheidung, die Schinkenzerlegung einzustellen und die Abteilung „Materialvorbereitung“ zu schließen, auf Dauer angelegt war. Ferner kann unterstellt werden, dass im Kündigungszeitpunkt für eine Weiterbeschäftigung lediglich die in der Personalliste ausgewiesenen Arbeitsplätze in Frage kamen. Diese Umstände bedingen nicht die mit der Änderungskündigung angestrebte Änderung der Vertragsbedingungen. Die Beklagte hat bei Abgabe des [X.] nicht ausreichend beachtet. Jedenfalls aus diesem Grund ist die Änderung der Arbeitsbedingungen unverhältnismäßig und dem Kläger unzumutbar.

1. Das [X.] hat angenommen, die dem Kläger zugewiesene Tätigkeit in der „Verpackung“ sei nach der Lohngruppe [X.] zu bewerten. Das sieht offenbar auch der Kläger so, der dagegen in der Revision keine Einwände erhoben hat.

2. Ob diese Bewertung zutreffend ist, kann dahingestellt bleiben. Im Ergebnis kommt es darauf nicht an. Die Beklagte verfügte im Kündigungszeitpunkt über andere, iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 [X.] freie Arbeitsplätze ua. in der sog. [X.]. Diese Arbeitsplätze hat sie im Wege der Änderungskündigung Arbeitnehmern angeboten, die wie der Kläger zuvor in der „Materialvorbereitung“ beschäftigt und mit diesem nach arbeitsplatzbezogenen Kriterien vergleichbar waren. Das hält einer Überprüfung anhand § 1 Abs. 2, Abs. 3 [X.] nicht stand. Die Tätigkeiten in der „[X.]“ sind, soweit sie von einem ausgebildeten [X.] durchgeführt werden, nach Lohngruppe [X.] zu vergüten. Die Beklagte musste daher unter den zuvor in der „Materialvorbereitung“ beschäftigten ausgebildeten [X.] eine Auswahl analog § 1 Abs. 3 [X.] treffen. Diese Auswahl musste zugunsten des [X.] ausfallen, weil er sozial schutzwürdiger ist als der Arbeitnehmer [X.] Die Beklagte hätte den Kläger, sofern keine andere gleichwertige Tätigkeit infrage kam, in der „[X.]“ weiterbeschäftigen müssen.

a) Nach den [X.]stellungen des [X.]s finden „im Betrieb“ der [X.] die jeweiligen firmentariflichen Regelungen, darunter der [X.] vom 26. August 2008, Anwendung. Dagegen wendet sich die Revision nicht. Beide Parteien gehen im Übrigen übereinstimmend von einer vertraglichen Inbezugnahme der zwischen der [X.] und der [X.] abgeschlossenen „Haus-Tarifverträge“ aus.

b) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln (zu den Kriterien vgl. ua. [X.] 17. Oktober 2007 - 4 [X.] 1005/06 - Rn. 40, [X.]E 124, 240; 7. Juli 2004 - 4 [X.] 433/03 - zu I 1 b aa der Gründe, [X.]E 111, 204) und ist - wie die Auslegung von Gesetzen selbst - in der Revisionsinstanz in vollem Umfang nachzuprüfen (vgl. [X.] 18. Mai 2011 - 4 [X.] 549/09 - Rn. 28, [X.] § 4 Metallindustrie Nr. 139).

c) Danach sind Arbeitnehmer, die eine Berufsausbildung als [X.] erfolgreich abgeschlossen haben, bereits dann in die Lohngruppe [X.] eingruppiert, wenn sie eine dem Berufsbild des [X.]s zugehörige Teiltätigkeit verrichten. Das gilt unabhängig davon, ob die Tätigkeit, wenn sie von einem Arbeitnehmer ohne abgeschlossene Berufsausbildung durchgeführt wird, nach einer der Lohngruppen II bis [X.] zu vergüten wäre. Die Tarifvertragsparteien veranschlagen - wie § 3 Abs. 2 Satz 2 [X.] verdeutlicht - die fachliche Qualifikation eines Arbeitnehmers stets höher, auch wenn er nur Teilaufgaben aus dem Berufsbild des [X.]s verrichtet.

aa) Sind einem allgemein gefassten [X.] einer Lohngruppe konkrete Richt-, Regel- oder Tätigkeitsbeispiele beigefügt, ist das [X.] regelmäßig dann erfüllt, wenn der Arbeitnehmer eine den Beispielen entsprechende Tätigkeit ausübt ([X.] 21. April 2010 - 4 [X.] 735/08 - Rn. 20; 20. Mai 2009 - 4 [X.] - Rn. 30 [X.], [X.]E 131, 36). Dies folgt zum einen aus den Grundsätzen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit, denen die Tarifvertragsparteien bei Abfassung von Tarifnormen gerecht werden wollen. Zum anderen beruht dies auf dem Umstand, dass die Tarifvertragsparteien im Rahmen ihrer rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten gewisse häufig vorkommende und typische Aufgaben und Funktionen einer bestimmten Lohngruppe fest zuordnen können. Ob es sich dabei um eine den allgemeinen Merkmalen entsprechende Tätigkeit handelt, braucht in einem solchen Fall regelmäßig nicht mehr geprüft zu werden ([X.] 21. April 2010 - 4 [X.] 735/08 - Rn. 20; 10. März 1999 - 4 [X.] 246/98 - zu 3 b der Gründe). Etwas anderes kann gelten, wenn sich aus dem Wortlaut oder dem tariflichen Gesamtzusammenhang ergibt, dass die von den Tarifvertragsparteien genannten Beispielstätigkeiten nur der Erläuterung des abstrakten [X.]s dienen, allein aber nicht ausreichen sollen, dessen Anforderungen zu genügen ([X.] 18. April 2007 - 4 [X.] 77/06 - Rn. 17).

bb) Hiervon ausgehend spricht einiges dafür, dass der Kläger schon wegen des dort aufgeführten Richtbeispiels „[X.]geselle“ in die Lohngruppe [X.] eingruppiert ist. Dem steht § 3 Abs. 1 Satz 2 [X.] nicht entgegen. Danach dienen die aufgeführten Tätigkeitsbeispiele der Erläuterung, stellen keinen abschließenden Katalog dar und begründen nur in Verbindung mit den Lohngruppenmerkmalen (Oberbegriffen) einen Anspruch auf eine entsprechende Eingruppierung. Mit diesen Formulierungen kommt nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass die Tätigkeitsbeispiele bei der Eingruppierung nicht selbständig anwendbar sein sollen, sondern stets noch eine umfassende Prüfung der abstrakten Lohngruppenmerkmale vorgenommen werden müsse. Zur Erfüllung des Richtbeispiels muss ein [X.]geselle auch keine „Führungsverantwortung“ haben. Dies ergibt sich weder aus dem Beispiel selbst noch aus den allgemeinen Merkmalen der Lohngruppe [X.].

cc) Die Eingruppierung des [X.] in die Lohngruppe [X.] ergibt sich in jedem Fall aus § 3 Abs. 2 Satz 2 [X.]. Der Wortlaut der Bestimmung, von dem bei der Tarifauslegung vorrangig auszugehen ist (st. Rspr., zB [X.] 14. September 2011 - 10 [X.] 358/10 - Rn. 15, [X.] 2011, 1358; 6. Dezember 2006 - 4 [X.] 659/05 - [X.]E 120, 269), sieht eine Eingruppierung von Arbeitnehmern mit einschlägiger abgeschlossener Berufsausbildung in die Lohngruppe [X.] vor, sofern sie dem Berufsbild entsprechend tätig sind. Die Tarifregelung setzt somit für die Eingruppierung eines Arbeitnehmers mit Berufsabschluss in diese Lohngruppe lediglich voraus, dass er „dem Berufsbild entsprechend tätig“ ist, ohne zusätzliche Anforderungen an die Schwierigkeit oder den Umfang der fraglichen Aufgaben zu stellen. Sie erfasst damit auch Teiltätigkeiten, sofern sie dem Ausbildungsberuf zuzurechnen sind. Lediglich fachfremde Arbeiten oder bloße Hilfstätigkeiten, die bei jeder beruflichen Tätigkeit anfallen und deshalb für diese nicht charakterisierend sind - etwa Reinigungs- oder vergleichbare Begleittätigkeiten - fallen nach dem Sprachgebrauch des Tarifvertrags aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift heraus.

§ 3 Abs. 2 Satz 2 [X.] macht auf diese Weise deutlich, dass es bei nachgewiesener Qualifikation für eine Einreihung in die Lohngruppe [X.] nicht noch zusätzlich auf eine bestimmte Qualität der „dem Berufsbild entsprechenden“ Tätigkeiten ankommt. Wollte man die Tarifregelung anders verstehen und - wie die Beklagte - zusätzlich verlangen, dass die fraglichen Aufgaben in ihrer Breite das „klassische Berufsbild“ abdecken und sich etwa durch das Merkmal der „Wesentlichkeit“ von den in den Lohngruppen II bis IV erfassten Teilaufgaben eines Facharbeiters unterscheiden, verbliebe für § 3 Abs. 2 Satz 2 [X.] kein eigenständiger Anwendungsbereich. Die Regelung liefe weitgehend leer.

dd) Dem steht die Rechtsprechung des [X.] nicht entgegen, derzufolge im Regelfall eine Tätigkeit, die dem Beispiel einer niedrigeren Lohngruppe entspricht, nicht unter die abstrakten [X.]e einer höheren Lohngruppe subsumiert werden kann (vgl. [X.] 19. Mai 2010 - 4 [X.] 903/08 - Rn. 32, [X.] § 1 Tarifverträge: [X.] Nr. 46; 25. September 1991 - 4 [X.] 87/91 - zu II 2 a der Gründe, [X.] § 1 Tarifverträge: Großhandel Nr. 7 = [X.] § 4 Großhandel Nr. 2). Sie ist schon wegen des Ausnahmecharakters der Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 2 [X.] auf den Streitfall nicht übertragbar. Ebenso wenig besteht ein Widerspruch zur Auslegung einer Eingruppierungsregelung im Einzelhandel, die Gegenstand der Entscheidung des [X.] vom 24. September 2008 (- 4 [X.] - Rn. 15 ff., [X.] § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 94) war. In die dortige Lohngruppe [X.] waren eingruppiert „Arbeitskräfte, die ihre Abschlussprüfung bestanden haben und in ihrem erlernten Beruf beschäftigt sind“. Soweit die Beklagte aus dieser Formulierung für die Auslegung von § 3 Abs. 2 Satz 2 [X.] abgeleitet hat, die Tätigkeit müsse „im Wesentlichen“ dem Berufsbild entsprechen und das Gepräge derjenigen einer Fachkraft haben, fehlt es schon nach dem Wortlaut an einer Vergleichbarkeit der Tarifbestimmungen. Überdies stehen beide Eingruppierungsregelungen in einem unterschiedlichen Gesamtzusammenhang. Die darin zum Ausdruck kommenden unterschiedlichen Bewertungen der Bedeutung einer abgeschlossenen Berufsausbildung durch die Tarifvertragsparteien sind zu respektieren. Sie könnten selbst bei größerer Übereinstimmung in der Formulierung der Eingruppierungsvoraussetzungen zu verschiedenen Ergebnissen führen.

ee) Dieses Auslegungsergebnis wird durch die Tarifgeschichte gestützt.

(1) Der [X.] vom 5. Juli 2006 ist, was die Eingruppierungsregelungen anbelangt, gleichlautend mit dem hier einschlägigen. Die beiden Vorgängertarifverträge vom 19. April 2005 und 16. Dezember 2003 ([X.]-Alt), stimmen in den allgemeinen Eingruppierungsmerkmalen der Lohngruppe 1 [X.]-Alt mit § 2 [X.] vom 26. August 2008 überein. In die Lohngruppe 2 [X.]-Alt waren „angelernte [X.]“ eingruppiert, soweit diese nach einer Einarbeitungszeit von 12 Monaten Teilaufgaben eines/r Facharbeiters/in ausführten. In die Lohngruppen 3 und 4 [X.]-Alt waren „ungelernte [X.]“ eingruppiert, je nachdem ob sie „mit schweren Arbeiten“ oder „mit leichten Arbeiten“ betraut waren. Eine der Bestimmung des § 3 [X.] vom 26. August 2008 vergleichbare Regelung enthielten die [X.]-Alt nicht. Stattdessen hatten die Tarifvertragsparteien unter § 3 [X.]-Alt eine Besitzstandsregelung getroffen, nach der „bisher gezahlte höhere Löhne und Leistungszulagen“ unberührt blieben. Die zeitlich weiter zurückliegenden [X.] vom 5. November 2002, vom 29. August 2001 und vom 20. Mai 1992 nennen in der Lohngruppe 1 keine allgemeinen Eingruppierungsmerkmale, sondern führen ausschließlich Berufsgruppen wie folgt an: „Gesellen, Handwerker und Kraftfahrer“. Hinsichtlich einer Eingruppierung in die Lohngruppen 2 bis 4 wurde - wie in den Tarifverträgen vom 19. April 2005 und 16. Dezember 2003 - nach „angelernten“ und „ungelernten“ Arbeitnehmern unterschieden.

(2) Diese Entwicklung zeigt, dass die Tarifvertragsparteien seit jeher die fachliche Qualifikation der Arbeitnehmer in Form einer abgeschlossenen Berufsausbildung als gewichtigen Grund für eine Eingruppierung in die höchste Lohngruppe angesehen haben. Soweit sie diese Voraussetzung ab dem [X.] um einen Tätigkeitsbezug ergänzt haben, sollte dies für Arbeitnehmer mit abgeschlossener Berufsausbildung erkennbar nicht zu einer grundlegend anderen Bewertung führen. Dafür spricht die Beibehaltung der Unterscheidung zwischen „angelernten“ und „ungelernten“ Arbeitnehmern im Übrigen. Mit dem Tarifvertrag vom 5. Juli 2006 wurden zwar die allgemeinen Eingruppierungsmerkmale der Lohngruppen II bis IV differenzierter ausgestaltet und auch diese um tätigkeitsbezogene Kriterien ergänzt. Zugleich haben die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 3 Abs. 2 Satz 2 [X.] aber deutlich gemacht, dass sie an der Qualifikation als [X.] - mit gewissen Einschränkungen - festhalten. Dies kann bei objektiver Betrachtung nur so verstanden werden, dass sie ein „Abrutschen“ von Arbeitnehmern mit abgeschlossener Berufsausbildung in eine niedrigere Vergütungsgruppe jedenfalls dann ausschließen wollten, wenn diese nicht „fachfremd“, sondern mit Aufgaben beschäftigt sind, die Gegenstand der Berufsausbildung sind.

ff) Die von der [X.] vorgelegte - anderslautende - „Tarifauskunft“ des [X.][X.]/[X.] vom 17. September 2010 ist unbeachtlich (vgl. [X.] 19. September 2007 - 4 [X.] 670/06 - Rn. 32, [X.]E 124, 110; zur Problematik ferner Creutzfeldt in [X.] 2011 S. 293 ff.) und vermag das Ergebnis nicht in Frage zu stellen. Zum einen ist der [X.] des im Streitfall einschlägigen Tarifvertrags und war nach eigenem Bekunden nicht in die Tarifverhandlungen eingebunden. Er ist also ohnehin kein „authentischer Interpret“. Zum anderen hat der in der Auskunft bekundete Wille der [X.], Tätigkeiten, die dem Berufsbild des [X.]s zwar entsprechen, aber als Tätigkeitsbeispiele bei den Lohngruppen II und [X.] aufgeführt sind, aus dem Anwendungsbereich des § 3 Abs. 2 Satz 2 [X.] auszuklammern, in den Tarifnormen keinen genügenden Niederschlag gefunden. Dieser Wille kann deshalb bei der Auslegung keine Berücksichtigung finden (vgl. dazu [X.] 30. Januar 2002 - 10 [X.] 441/01 - zu II 1 a der Gründe, [X.] 2002, 815).

d) Nach allem sind ausgebildete [X.], die in der „[X.]“ eingesetzt werden, in die Lohngruppe [X.] eingruppiert. Das der Ausbildung entsprechende berufliche [X.] erfasst nach § 4 Abs. 1 Nr. 14 der Verordnung über die Berufsausbildung zum [X.] in der Fassung vom 23. März 2005 ([X.]I S. 898) die „Herstellung von Pökelware“. Nach eigenem Vorbringen der [X.] bestehen die in der „[X.]“ anfallenden Tätigkeiten eben darin. Darauf, dass die Tätigkeit des Pökelns als Beispiel der Lohngruppe III zugeordnet ist, kommt es im Rahmen von § 3 Abs. 2 Satz 2 [X.] nicht an.

e) Danach hätte die Beklagte den Kläger mit Aufgaben der Lohngruppe [X.] weiterbeschäftigen können und müssen. Der Kläger ist iSv. § 1 Abs. 3 Satz 1 [X.] des Schutzes deutlich bedürftiger als der in der „[X.]“ weiterbeschäftigte Arbeitnehmer [X.] Dies hat das [X.] rechtsfehlerfrei erkannt. Nach den von der Revision nicht angegriffenen [X.]stellungen des [X.]s ist der Kläger acht Jahre länger im Betrieb beschäftigt als der Arbeitnehmer [X.] Zwar ist dieser ein Jahr älter als der Kläger. Er ist aber nur gegenüber einer Person zum Unterhalt verpflichtet, während der Kläger drei Personen Unterhalt zu leisten hat. Die Annahme des [X.]s, bei dieser Sachlage liege ein Auswahlfehler vor, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie wird von der Revision auch nicht angegriffen.

Das Angebot der [X.], den Kläger im Bereich „Verpackung“ zu beschäftigen, entsprach damit nicht den Vorgaben des § 1 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 [X.]. Die dem Kläger angebotene Änderung der bisherigen Vertragsbedingungen ist sozial nicht gerechtfertigt.

V. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Eylert    

        

    Berger    

        

        

        

    A. Claes    

        

    Kreft    

                 

Meta

2 AZR 45/11

23.02.2012

Bundesarbeitsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Oldenburg (Oldenburg), 4. Februar 2010, Az: 4 Ca 395/09, Urteil

§ 1 Abs 2 S 1 KSchG, § 1 Abs 3 KSchG, § 2 S 1 KSchG, § 1 Abs 5 S 1 KSchG, § 611 Abs 1 BGB, § 1 TVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.02.2012, Az. 2 AZR 45/11 (REWIS RS 2012, 8875)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8875

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 AZR 44/11 (Bundesarbeitsgericht)

Änderungskündigung - "überflüssiges" Änderungsangebot - Direktionsrecht


4 AZR 131/13 (Bundesarbeitsgericht)

Eingruppierung eines Spezialmechanikers bei den US-Stationierungsstreitkräften


4 AZR 272/11 (Bundesarbeitsgericht)

Eingruppierung einer Laborspülkraft - Unterhaltsreinigung


4 AZR 104/17 (Bundesarbeitsgericht)

Eingruppierung in der Brot- und Backwarenindustrie


4 AZR 903/08 (Bundesarbeitsgericht)

Umgruppierung eines Fahrers von Flugzeugschleppern


Referenzen
Wird zitiert von

17 Sa 1492/12

7 Sa 165/12

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.