Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.12.2012, Az. VII ZB 50/11

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 160

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 50/11

vom

19. Dezember 2012

in dem Zwangsvollstreckungsverfahren

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja
ZPO § 829, § 836, § 840; BGB § 401
a)
Bei der Pfändung eines Anspruchs auf Lohnzahlung stellt der Anspruch auf Er-teilung einer Lohnabrechnung einen unselbständigen Nebenanspruch dar, wenn es der Abrechnung bedarf, um den Anspruch auf Lohnzahlung geltend machen zu können. Wenn nicht ausgeschlossen ist, dass dem Schuldner ge-gen den Drittschuldner derartige Ansprüche auf Lohnabrechnung zustehen, werden diese angeblichen Ansprüche des Schuldners gegen den Drittschuldner (Arbeitgeber) bei einer Lohnpfändung mitgepfändet.
b)
In derartigen Fällen der Mitpfändung kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers die Mitpfändung im Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss (klarstellend) aussprechen.
[X.], Beschluss vom 19. Dezember 2012 -
VII ZB 50/11 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der VII.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19.
Dezember
2012 durch [X.]
Dr.
[X.], die Richterin [X.], [X.], [X.] und den Richter Dr. Kartzke
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Gläubigers werden der
Beschluss der 3.
Zivilkammer des [X.] vom 1.
August
2011 und der Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Freiberg -
Vollstreckungsgericht
-
vom 14.
Juni
2011 aufgehoben, soweit zum Nachteil des Gläubigers entschieden worden ist.

Der Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Freiberg -
Vollstreckungsgericht
-
vom 14.
Juni
2011 wird dahin-gehend ergänzt, dass auch die angeblichen Forderungen des Schuldners gegen die Drittschuldnerin auf monatliche Übersen-dung der Lohnabrechnungen, nach Wahl der Drittschuldnerin auch Faxkopien hiervon,
gepfändet und dem Gläubiger zur Einziehung überwiesen werden.
Der Schuldner trägt die Kosten des Verfahrens.

-
3
-
Gründe:
I.
Der Gläubiger betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen einer titulierten Geldforderung in Höhe von 2.400
DM nebst Zinsen und Kosten.
Das Amtsgericht -
Vollstreckungsgericht
-
hat auf Antrag des Gläubigers einen Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss erlassen. Dieser bezieht sich auf angebliche Forderungen des Schuldners gegen die Drittschuldnerin auf rückständige, gegenwärtige und künftige Lohnzahlungen, Prämien, Weih-nachts-
und Urlaubsgeld, Abfindungen, Betriebsrenten, soweit nach §§
850
ff. ZPO pfändbar, sowie vom Arbeitgeber durchgeführten
Lohnsteuerjahresaus-gleich. Das Amtsgericht -
Vollstreckungsgericht
-
hat in diesem Beschluss des Weiteren angeordnet, dass der Schuldner im Rahmen seiner Herausgabever-pflichtung nach §
836 Abs.
3 ZPO für die Dauer der Pfändung die Lohn-
und Gehaltsabrechnungen an den Gläubiger herauszugeben hat. Dem
weiterge-henden Antrag
des Gläubigers auf Pfändung der angeblichen Forderungen
des Schuldners gegen die Drittschuldnerin "auf monatliche Übersendung der Lohn-abrechnungen (Fax genügt)"
hat das Amtsgericht -
Vollstreckungsgericht
-
nicht entsprochen.
Die gegen die
teilweise [X.] gerichtete sofortige Be-schwerde des Gläubigers ist vor dem Beschwerdegericht ohne Erfolg geblie-ben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Gläubiger den ge-nannten Antrag weiter.
1
2
3
-
4
-
II.
Die gemäß §
574 Abs.
1 Nr. 2, Abs.
3 Satz
2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, der Anspruch des [X.] gegen den Drittschuldner auf Aushändigung der Lohnabrechnung sei von der Pfändung nicht umfasst, so dass der Gläubiger nicht berechtigt sei, diesen Anspruch gegen den Drittschuldner geltend zu machen. Eine Rechtsgrundlage für das Begehren des Gläubigers sei nicht ersichtlich. Die Verpflichtungen des Schuldners und des Drittschuldners aufgrund des Pfändungs-
und Überwei-sungsbeschlusses seien in §
836 ZPO und §
840 ZPO abschließend geregelt. Nach §
836 Abs.
3 Satz
1 ZPO sei der Schuldner verpflichtet, dem Gläubiger die zur Geltendmachung der Forderung nötige Auskunft und die über die Forde-rung vorhandenen Urkunden, also auch
die [X.], [X.]. Welche Erklärungen der Drittschuldner abzugeben habe, sei in §
840 Abs.
1 ZPO geregelt. Aus der Regelung ergebe sich nicht, dass der [X.] auf Verlangen verpflichtet sei, die über die Forderung vorhandenen Urkun-den, also auch [X.] an den Gläubiger herauszugeben.
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Die angeblichen Forderungen des Schuldners gegen die [X.]in auf monatliche Übersendung der Lohnabrechnungen sind zusammen mit den angeblichen Forderungen auf Lohnzahlung als Nebenrechte mitgepfändet.
[X.]) Die mit einer Pfändung verbundene Beschlagnahme erstreckt sich ohne Weiteres auf alle Nebenrechte, die im Falle einer Abtretung nach §
412, §
401
BGB mit auf den neuen Gläubiger übergehen; einer gesonderten Neben-
oder Hilfspfändung bedarf es dazu nicht
(vgl. [X.], Beschluss vom 4
5
6
7
8
-
5
-
9.
Februar
2012

VII
ZB
117/09, NJW-RR 2012, 434 Rn. 12; Beschluss vom 18.
Juli
2003
-
IXa
ZB
148/03, NJW-RR 2003, 1555, 1556). Neben den in
§
401 BGB ausdrücklich genannten Rechten wird diese
Vorschrift unter ande-rem auf solche Hilfsrechte entsprechend angewandt, die zur Geltendmachung oder Durchsetzung einer Forderung erforderlich sind (vgl. [X.], Beschluss vom 9.
Februar
2012 -
VII
ZB
117/09, NJW-RR 2012, 434 Rn.
14 m.w.[X.]). Solche Nebenrechte sind insbesondere Ansprüche auf Auskunft
und Rechnungsle-gung, die darauf abzielen, Gegenstand und Betrag des Hauptanspruchs zu [X.] (vgl. [X.],
Beschluss vom 18.
Juli
2003 -
IXa
ZB
148/03, NJW-RR 2003, 1555, 1556; Urteil vom 8.
November
2005 -
XI
ZR
90/05, [X.]Z 165, 53, 57).
[X.]) Bei
der Lohnpfändung stellt der Anspruch auf Erteilung einer Lohnab-rechnung
einen solchen unselbständigen Nebenanspruch dar, wenn es der [X.] bedarf, um den Anspruch auf Lohnzahlung geltend machen zu [X.]. Es ist nicht ausgeschlossen, dass dem Schuldner gegen die Drittschuldne-rin derartige Ansprüche auf Lohnabrechnung zustehen. Nach allgemeinen Grundsätzen kann der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber Auskunft über die Grund-lagen seines Vergütungsanspruchs verlangen, wenn der Arbeitnehmer hierüber unverschuldet keine Kenntnis hat (vgl. [X.] 119, 62
Rn.
15 m.w.[X.]). Das schließt den Anspruch auf eine Abrechnung mit ein, wenn es der Abrechnung bedarf, um den
Anspruch auf die Zahlung konkret verfolgen zu können
(vgl. [X.] 119, 62 Rn.
15).
Ob derartige
Ansprüche des Schuldners auf Lohnab-rechnung gegen die Drittschuldnerin tatsächlich gegeben sind, ist im vorliegen-den Verfahren unerheblich. Denn das Vollstreckungsgericht prüft grundsätzlich nicht, ob eine zu pfändende
Forderung besteht (vgl. [X.], Beschluss vom 22.
August 2012 -
VII
ZB
2/11, [X.], 809 Rn. 23; Beschluss vom 19.
März
2004 -
IXa
ZB
229/03, NJW 2004, 2096, 2097 m.w.[X.]). Bezüglich ei-ner Mitpfändung
gilt Entsprechendes. Eine Pfändung muss immer dann erfol-gen, wenn dem Schuldner die Forderung nach irgendeiner vertretbaren 9
-
6
-
Rechtsansicht zustehen kann (vgl. [X.], Beschluss vom 12.
Dezember
2007

VII ZB 38/07, NJW-RR 2008, 733 Rn. 9 m.w.[X.]). Ein Pfändungsantrag darf nur ausnahmsweise abgelehnt werden, wenn dem Schuldner der Anspruch aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen offenbar nicht zustehen kann oder er-sichtlich unpfändbar ist (vgl. [X.], Beschluss vom 12.
Dezember
2007

VII
ZB
38/07, NJW-RR 2008,
733 Rn.
9 m.w.[X.]). Ein solcher Ausnahmefall
liegt hier nicht vor.
Insbesondere steht nicht fest, dass die Erfüllung der genann-ten Ansprüche auf Lohnabrechnung gegenüber dem Gläubiger unzulässiger Weise
in ein Recht des Schuldners auf Geheimhaltung oder informationelle Selbstbestimmung eingreifen würde, weil in den Abrechnungen schuldnerbe-zogene Daten
enthalten sind, die sich nicht nur auf das pfändbare
Arbeits-einkommen beziehen (a.M. [X.]. [X.], Urteil vom 24.
Januar
2002

5
Sa
1213/01, juris Rn.
28
ff.;
Reiter, [X.], 258, 259 f.).
Das Interesse des Schuldners, die in Lohnabrechnungen enthaltenen, sein Arbeitsverhältnis be-treffenden persönlichen Daten gegenüber [X.] nicht zu offenbaren, überwiegt grundsätzlich nicht das [X.] (vgl. [X.], [X.] vom 28.
Juni
2006 -
VII
ZB
142/05, NJW-RR 2006, 1576 Rn.
14).
Der Schuldner hat im vorliegenden Verfahren im Übrigen
keinen Vortrag gehalten, aus dem sich Hinweise auf ein derartiges Geheimhaltungsinteresse ergeben.
[X.]) Die Vorschrift des §
840 ZPO, die eine
Auskunftsobliegenheit des Drittschuldners begründet (vgl. [X.], Urteil vom 4.
Mai
2006 -
IX
ZR
189/04, NJW-RR 2006, 1566 Rn.
10 m.w.[X.]), steht der vorstehend erörterten Mitpfän-dung
nicht entgegen. §
840 ZPO
lässt materiellrechtliche Auskunfts-
und Rech-nungslegungsansprüche, die den Drittschuldner treffen und von der
Pfändung der Forderung gemäß §
401 BGB miterfasst werden, unberührt (vgl. [X.] in [X.]/Schütze, ZPO, 3.
Aufl., §
840 Rn.
2; [X.]/Walker, Vollstre-ckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 5.
Aufl., §
840 Rn.
2).

10
-
7
-
b) Das Rechtsschutzbedürfnis des Gläubigers für den begehrten [X.] bezüglich der Pfändung der angeblichen Forderungen auf monatliche Übersendung der Lohnabrechnungen ist gegeben.
[X.]) In Fällen der Mitpfändung von
Nebenrechten wie im Streitfall kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag
des Gläubigers
in dem das Hauptrecht pfändenden Beschluss die Mitpfändung (klarstellend) aussprechen (vgl. [X.], Beschluss vom 18.
Juli
2003 -
IXa
ZB
148/03, NJW-RR 2003, 1555, 1556;
[X.] vom 9.
Februar
2012 -
VII
ZB
117/09, NJW-RR 2012, 434 Rn.
11; [X.], [X.], 437 m.w.[X.]; Stöber, Forderungspfändung, 15.
Aufl.,
Rn.
1742;
Scherer, Rpfleger 1995, 446, 450; a.M. [X.],
[X.] 1995,
660, 662).
Ein solcher klarstellender Ausspruch
erleichtert dem Gläubiger den Nachweis der Mitpfändung (vgl. [X.], [X.] 1994, 188, 189;
LG [X.], [X.] 1996, 663,
664;
Behr, [X.] 1995, 626, 628).
[X.]) Das
Rechtsschutzbedürfnis für den genannten klarstellenden [X.] entfällt nicht
wegen der im Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss enthaltenen, bestandskräftig gewordenen
Anordnung, dass der Schuldner für die Dauer der Pfändung die Lohnabrechnungen an den Gläubiger herauszuge-ben hat
(vgl. dazu
[X.], Beschluss vom 28.
Juni
2006 -
VII
ZB
142/05,
NJW-RR 2006, 1576
Rn. 8). § 836 Abs. 3 Satz 3 ZPO ermöglicht eine Zwangs-vollstreckung in diese Urkunden
nur, sofern
sie sich -
schon oder noch
-
im Be-sitz des Schuldners befinden
(vgl. [X.], Beschluss vom
25.
März
2010

VII
ZB
11/08, [X.] 2010, 440 Rn.
20).

3. Da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, hat der Senat ge-mäß §
577 Abs.
5 ZPO in der Sache abschließend zu entscheiden.

11
12
13
14
-
8
-
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

[X.]
[X.]
[X.]

[X.]

Kartzke
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 14.06.2011 -
2 M 1818/11 -

LG [X.], Entscheidung vom 01.08.2011 -
3 [X.] -

15

Meta

VII ZB 50/11

19.12.2012

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.12.2012, Az. VII ZB 50/11 (REWIS RS 2012, 160)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 160

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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