Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.09.2016, Az. 1 StR 154/16

1. Strafsenat | REWIS RS 2016, 5847

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:070916U1STR154.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM [X.] [X.]S VOLKES

URTEIL
1
StR
154/16

vom
7.
September
2016
[X.]St:
nein
[X.]R:
ja
Nachschlagewerk:
ja
Veröffentlichung:
ja
_____________________________

GG Art. 20 Abs. 3
[X.] Art. 6 Abs. 2

Zu Voraussetzungen und Rechtsfolgen von
Verstößen gegen die Unschuldsver-
mutung.

[X.], Urteil vom 7. September 2016

1 StR 154/16

LG Stuttgart

in der Strafsache
gegen
1.

alias:

alias:
2.

alias:
3.
wegen schweren Bandendiebstahls u.a.
-
2
-
Der
1.
Strafsenat des [X.] hat
aufgrund der Verhandlung vom 6.
September
2016
in der Sitzung am 7.
September 2016, an denen
teilge-nommen haben:
[X.] am [X.]
Dr. Raum,

[X.] am [X.]
Prof. [X.],
Prof. Dr. [X.],
[X.]in am [X.]
Dr. Fischer
und [X.] am [X.]
Dr. Bär,

Oberstaatsanwalt beim [X.]

in der Verhandlung vom 6. September 2016 ,
Oberstaatsanwältin beim [X.]

bei der Verkündung am 7.
September 2016

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

in der Verhandlung vom 6. September 2016

als Verteidiger
des Angeklagten P.

,

Rechtsanwalt

als Verteidiger des Angeklagten K.

,

-
3
-
Rechtsanwalt

in der Verhandlung vom 6. September 2016

als Verteidiger des Angeklagten [X.]

,

Justizobersekretärin

in der Verhandlung vom 6. September 2016 ,
Justizangestellte

bei der Verkündung am 7. September 2016

als Urkundsbeamtinnen
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

1.
Auf die Revisionen
der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 27.
Juli 2015 im [X.] insoweit aufgehoben, als von den gegen die Angeklag-ten verhängten Gesamtfreiheitsstrafen jeweils zwei Monate als vollstreckt erklärt worden sind; der Ausspruch entfällt.

2.
Die Revisionen der Angeklagten P.

und [X.]

gegen
das vorbezeichnete Urteil werden verworfen.

3.
Die Angeklagten P.

und [X.]

haben
die
Kosten ihres
jeweiligen Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen
-
4
-
Gründe:
Das [X.] hat die Angeklagten wie folgt verurteilt: den Angeklag-ten P.

wegen schweren Bandendiebstahls in sechs Fällen, versuchten
schweren Bandendiebstahls in zwei Fällen sowie
wegen
Wohnungseinbruch-diebstahls in sechs Fällen zu
einer
Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten; den
Angeklagten K.

wegen schweren Bandendiebstahls
in drei Fällen, wegen Wohnungseinbruchdiebstahls sowie wegen versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls und den Angeklagten [X.]

wegen schwe-
ren Bandendiebstahls
in drei Fällen
und wegen Widerstands gegen Vollstre-ckungsbeamte in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung. Beide haben jeweils eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht
Monaten erhalten. Hinsichtlich aller Angeklagten
hat das [X.] bestimmt, dass jeweils zwei Monate der Gesamtstrafen als vollstreckt gelten.
Die auf den Ausspruch über die gewährte Kompensation beschränkte, vom [X.] vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat [X.].
Dagegen dringen die auf sachlich-rechtliche Beanstandungen gestützten Revisionen der Angeklagten P.

und [X.]

, der sich allein gegen seine
Verurteilung in den Fällen [X.] Nr.
12

14 der Urteilsgründe wendet, nicht durch.

A.
Ein aus einer
die Angeklagten betreffenden Fernsehberichterstattung [X.] Verfahrenshindernis, das zur Einstellung des Verfahrens führt, be-steht angesichts der dafür erforderlichen Voraussetzungen (dazu [X.],
Urteile vom 9.
Dezember 1987

3 [X.], [X.]St 35, 137, 140; vom 25.
Oktober 2000

2 [X.], [X.]St 46, 159, 168 f. mit zahlr. [X.] und vom 11.
August 1
2
3
-
5
-
2016

1
StR 196/16; siehe auch [X.] in [X.] Kommentar zur [X.], 1.
Aufl., [X.]. Rn.
353 und [X.] in Löwe/[X.], [X.], 27.
Aufl., [X.].
K Rn.
37 m[X.]) unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt.
Die in der fraglichen Fernsehsendung ausgestrahlten Äußerungen des polizeilichen [X.] erweisen sich entgegen der von dem Land-gericht im Rahmen seiner
[X.] vertretenen Rechtsauf-fassung weder für sich genommen noch im Zusammenhang mit den [X.] als Verstoß gegen die Unschuldsvermutung (unten Rn.
32 ff.). Schon deshalb kann daraus kein Verfahrenshindernis resultieren.
Art und Inhalt der Fernsehberichterstattung begründen ein solches
unter

nicht. Ob daraus überhaupt ein Verfahrenshindernis hervorgehen kann

woran ohne ein rechts-verletzendes Verhalten
dem Staat zurechenbarer Personen
bereits grundle-gende Zweifel bestehen (vgl. [X.] in [X.] Tage 2011, S.
81, 92) , bedarf keiner Entscheidung. Denn selbst wenn ein so begründetes Verfah-renshindernis nicht von vornherein als
ausgeschlossen erachtet würde
(vgl. et-wa
Hillenkamp NJW 1989, 2841, 2845; [X.] [X.], 186, 189 ff.; siehe auch [X.] 2003, 186, 190 f. sowie Keil, Verdachtsberichterstattung, 2013, S.
264 f.),
liegen die dafür geforderten Voraussetzungen (siehe dazu [X.] [X.], 186,
189 f.) nicht vor.

4
5
-
6
-
B.
Revisionen
der Staatsanwaltschaft
Die wirksam auf den Ausspruch, dass jeweils zwei Monate der verhäng-ten Gesamtfreiheitsstrafen als vollstreckt gelten, beschränkten, jeweils zu Las-ten der Angeklagten erhobenen
Revisionen der Staatsanwaltschaft haben
[X.]. Die
Rechtsmittel führen
zum Wegfall der entsprechenden Anordnung bei allen drei Angeklagten.

I.
1.
Die Staatsanwaltschaft hat ihre
Revisionen
ausweislich ihrer [X.] auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Ihrem Antrag sowie dessen Begründung entnimmt der [X.], dass die [X.] sich ausschließlich gegen die vom
Tatgericht wegen eines angenomme-nen Verstoßes gegen die Unschuldsvermutung durch Äußerungen staatlicher Organe in den Medien getroffene [X.] richtet.
2.
Diese Beschränkung ist wirksam.
a)
In Bezug auf [X.] wegen Verfahrensverzö-gerung hat der [X.] bereits die grundsätzlich bestehende Mög-lichkeit isolierter Überprüfung anerkannt (siehe nur [X.], Beschluss vom 21.
Dezember 2010

2 StR 563/10 Rn.
2; Urteil vom 23.
Oktober 2013

2 [X.], [X.], 21). Die Beschränkung ist lediglich im Einzelfall bei [X.] Verknüpfung des Strafausspruchs mit der Entscheidung über die Kompensation nicht wirksam ([X.] in [X.]/[X.], [X.], 59.
Aufl., §
318 Rn.
30b). Eine solche Verknüpfung ist aber selbst dann nicht 6
7
8
9
-
7
-
zwingend gegeben, wenn mit dem Rechtsmittel solche vom Tatgericht festge-stellten und zur Grundlage
der Kompensation gemachten Belastungen be-anstandet werden, die an sich auch für den Strafausspruch bedeutsam sein können ([X.], Urteil vom 23.
Oktober 2013

2 [X.] Rn.
2 [insoweit in [X.], 21 f. nicht abgedruckt]). Maßgebend ist insoweit, ob das Tatge-richt den fraglichen Umstand ausschließlich für die Kompensation berücksichtigt oder auch für die Strafzumessung herangezogen hat (vgl. [X.] aaO).
b)
Bei Heranziehung dieser Maßstäbe ist die Beschränkung der Revision auf die [X.] wirksam.
Das [X.] hat die

aus seiner Sicht (UA S.
41 ff.)

mit der Un-schuldsvermutung nicht in Einklang stehenden Äußerungen des polizeilichen [X.], [X.]

, sowie die Umstände der Ausstrahlung des
entsprechenden Interviews und die Wahrnehmung der Sendung durch Dritte ausschließlich für die getroffene [X.] herangezogen. Bei der Bemessung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafen finden diese keine Erwähnung. Das [X.] hat damit eindeutig zum Ausdruck gebracht, ledig-lich von einer Bedeutung für die Kompensation ausgegangen zu sein.
[X.] hat es bei den Erwägungen zum Ausmaß des Verstoßes als [X.] für die Bestimmung des als vollstreckt geltenden Strafanteils auf die über-schaubare Anzahl derjenigen Personen abgestellt, die die Angeklagten identifi-zieren konnten.
Der Tatrichter hat nicht auf
Art und konkreten Umfang
grundsätzlich möglicher
Belastungen der Angeklagten, hier allenfalls
der Angeklagten P.

und K.

(vgl. UA S.
18 unten), aufgrund des Fernsehberichts einschließlich
der dort enthaltenen Äußerungen von [X.]

abgestellt. Solche Belastun-
gen sind vorliegend allerdings
ohnehin
angesichts der festgestellten Umstände 10
11
12
-
8
-
nicht ersichtlich. Der [X.] kann daher ausschließen, dass das [X.] auf Belastungen der beiden genannten Angeklagten im Zusammenhang mit
der Fernsehberichterstattung als Strafzumessungsgesichtspunkt rekurriert hätte, wenn ihm das Fehlen einer Verletzung der Unschuldsvermutung (nachfolgend Rn.
21
ff.) als Grundlage der [X.] bewusst gewesen wäre.
c)
Der Regelungsgehalt von §
301 [X.] steht der Wirksamkeit der Be-schränkung
im Übrigen
nicht entgegen. Denn dessen Wirkung ist durch den Umfang der Anfechtung begrenzt (Frisch in Systematischer Kommentar zur [X.], Band VI, 5.
Aufl.,
§
301 Rn.
4; [X.] in [X.]/[X.], [X.], §
301 Rn.
6; siehe auch [X.], Urteil vom 4.
Dezember 2001

1 [X.], juris Rn.
11 [insoweit in NStZ 2002, 198 nicht abgedruckt]).

[X.]
Die Anordnung, dass zugunsten aller Angeklagten jeweils zwei Monate
der gegen sie verhängten Gesamtstrafen als vollstreckt gelten, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Eine derartige Kompensation konnte vorliegend unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in
Betracht kommen.
1.
Dabei bedarf es
keiner Entscheidung, ob aus einem Verstoß gegen die Unschuldsvermutung des Art.
6 Abs.
2 [X.] generell oder lediglich unter bestimmten, über den Verstoß als solchen hinausgehenden Voraussetzungen überhaupt eine Kompensation in Gestalt der Erklärung eines Teils der verhäng-ten Strafe als vollstreckt resultieren kann. Denn es fehlt entgegen der Rechts-auffassung des [X.]s
bereits an einer Verletzung der Unschuldsvermu-13
14
15
-
9
-
tung; und zwar
selbst dann, wenn dessen diesbezügliche Feststellungen
als rechtsfehlerfrei getroffen unterstellt werden.
a)
Seiner [X.] hat das [X.] folgende Feststellungen zugrunde gelegt:
Nach Anklageerhebung und einige Wochen vor dem Beginn der Haupt-verhandlung
wurde
eine Fernsehsendung ausgestrahlt, die sich inhaltlich mit der steigenden Zahl von Wohnungseinbrüchen in der [X.] beschäftigte. Zur Vorbereitung der Sendung fanden Fernsehaufnahmen im Dienstzimmer des polizeilichen [X.], [X.]

, statt. Mit
diesem wurde

nach Zustimmung seitens der Staatsanwaltschaft

ein eben-falls aufgenommenes Interview geführt. Zudem
entstanden im Dienstzimmer des Polizeibeamten Aufnahmen des Fernsehteams, die Lichtbilder zeigten, auf denen die Angeklagten P.

und K.

zu erkennen waren. Vor der Aus-

worden, um diese unkenntlich zu machen. Mitgefangene der Angeklagten hat-ten diese dennoch bei Betrachten der Sendung erkannt und sie darauf ange-sprochen. Der polizeiliche Hauptsachbearbeiter hatte zudem in dem geführten,
abgebil-worden waren, erfolgten in dem Fernsehbericht nicht.
Dieses tatsächliche Geschehen begründet keinen Verstoß gegen die Unschuldsvermutung.
b)
Nach der Rechtsprechung
des Europäischen Gerichtshofs für Men-schenrechte ([X.]) soll die durch Art. 6 Abs.
2 [X.] gewährleistete Un-schuldsvermutung verhindern, dass die Fairness eines Strafverfahrens unter-16
17
18
19
-
10
-
graben wird, indem in engem Zusammenhang mit diesem Verfahren nachteilige Äußerungen getätigt werden (etwa [X.], Urteil vom 12.
November 2015

2130/10

52 m[X.]). Die Unschuldsvermutung ist eines der Merkmale eines fairen Verfahrens im Sinne von Art.
6 Abs.
1 [X.] ([X.], Urteile vom 10.
Februar 1995

15175/89,

bemont ./.

35; vom 24.
Mai 2011

53466/07,

29; vom 27.
März 2014

54963/08,

46). Der Grundsatz der Unschuldsvermutung wird verletzt, wenn eine gerichtliche Entscheidung oder eine Äußerung eines Amtsträgers, die eine einer Straftat angeklagte Per-son betrifft, die Auffassung widerspiegelt, sie sei
schuldig, bevor der gesetzliche Nachweis der Schuld erbracht ist ([X.],
jeweils aaO,

35 und

32 und 33 m[X.]; siehe auch aaO,

53). Die Erstreckung der Beachtung der Un-schuldsvermutung über [X.] und Gerichte hinaus auf sonstige Amtsträger begründet der Gerichtshof mit der Bedeutung dieses Grundsatzes als Verfah-rensrecht, das sowohl die Rechte der Verteidigung garantiert als auch dazu [X.], die Ehre und Würde des Angeklagten zu wahren ([X.],
aaO,

nach denen jemand der Begehung einer Straftat nur verdächtig ist und einer

vor rechtskräftigem Schuldspruch

erfolgten Erklärung, dass die Person die in Rede stehende Straftat begangen hat ([X.],
aaO,

. Rn.
54 m[X.]).
Bei der Prüfung, ob eine Verletzung der Unschuldsvermutung eingetre-ten ist, kommt nach der Rechtsprechung des [X.] der Wortwahl bei der Äu-ßerung durch Amtsträger entscheidende Bedeutung zu ([X.],
aaO,

54 m[X.]; vor allem auch aaO,

46). Ob die Aussage eines Amtsträgers gegen den Grundsatz der Unschuldsvermu-tung verstößt, ist darüber hinaus im Zusammenhang mit den besonderen [X.]
-
11
-
ständen zu prüfen, unter denen die fragliche Aussage getätigt wurde ([X.],
jeweils aaO,

33; . ./. Deutschland

Rn.
55). Im Hin-n-t-zung von Art.
6 Abs.
2 [X.] fehlen, obwohl der [X.] den Sprachgebrauch der innerstaatlichen Behörden oder Gerichte kritisiert hat ([X.],
aaO,

46 m[X.]; vgl. vor allem auch [X.], Urteil vom 12.
Juli 2013

25424/09,

125

129).
c)
Nach diesen Maßstäben ist die Unschuldsvermutung aus Art.
6 Abs.
2 [X.] nicht verletzt.
aa)
Zwar war [X.]

als Polizeibeamter zur Wahrung der Un-
schuldsvermutung in dem vorgenannten Sinne verpflichtet. Die Wortwahl

ä-
vor dem Hintergrund des Gebots, vor einem rechtskräftigen [X.] nicht den Eindruck zu erwecken, die betroffene Person sei der Begehung einer Straftat schuldig,
auch
nicht unbedenklich.
Allerdings liegen unter Berücksichtigung der sonstigen Umstände des [X.] und seiner Ausstrahlung im Fernsehen keinesfalls solche vor, die zu einem Verstoß gegen die
Unschuldsvermutung führen. Die Äußerungen von [X.]

selbst erfolgten nicht im Rahmen einer Berichterstattung über das

konkret gegen die Angeklagten geführte Strafverfahren, sondern im Kontext eines Fernsehbeitrags, der sich allgemein mit der Zunahme von Wohnungsein-bruchdiebstählen befasste
(UA S.
18). Die Namen der Angeklagten sind weder in den Äußerungen des Polizeibeamten noch sonst in der fraglichen [X.] genannt worden (anders etwa in dem [X.],

10 ff. zugrunde liegenden Sachverhalt). Eine Identifi-21
22
23
-
12
-
zierung ihrer Personen war aufgrund der Äußerungen des Beamten selbst
nicht möglich (anders etwa in dem [X.],
aaO,

9 ff.
zu-grunde liegenden Sachverhalt). Über das Strafverfahren gegen die Angeklagten war auch zuvor nicht in den Medien berichtet worden. Es hatte [X.] weder regionale noch gar landesweite Aufmerksamkeit erlangt, die dazu hätte führen können, im Zusammenhang mit bereits früher bekannt gewordenen Informationen,
die Identität der Angeklagten zu offenbaren (vgl. zu einer [X.] Konstellation [X.], Urteil vom 9.
April 2009

28070/06,

Rn.
13 ff.).
Die von dem Polizeibeamten
verwendeten Begriffe
sind
zudem
im Zu-sammenhang mit den polizeilichen Ermittlungen zu sehen, über die
[X.]

in dem Interview berichtet hat (UA S.
42). Ausweislich der übrigen [X.] und vor allem der Beweiswürdigung des [X.]s ist Teil dieser polizei-lichen Ermittlungen auch die Durchsuchung der im Zeitpunkt ihrer Durchführung von allen drei Angeklagten genutzten Wohnung in St.

gewesen. In dieser
Wohnung, insbesondere auch im Schlafzimmer, in dem zwei der Angeklagten schlafend angetroffen wurden, befand sich ein bei
einer verfahrensgegenständ-lichen [X.] entwendeter
Tresor, der nach der Beweiswürdigung des [X.]s nur notdürftig mit einer Decke abgedeckt

war (UA S.
28). [X.] wurden
in der fraglichen Wohnung Beutegegenstände aus weiteren der Polizei zum Zeitpunkt des Interviews bekannten [X.]en sowie ein bei drei der verfahrensgegenständlichen Taten eingesetztes Einbruchswerkzeug
aufgefunden.
bb)
Unter Berücksichtigung dieser Umstände, die Teil der polizeilichen Ermittlungen waren, über die [X.]

nach den diesbezüglichen Feststel-
lungen des [X.]s
in dem Fernsehinterview berichtet hat, kommt der
24
25
-
13
-
der Unschuldsvermutung nur geringes Gewicht zu. Von einer Verletzung der [X.] (Art.
6 Abs.
1 [X.]), als deren Element sich die Un-schuldsvermutung nach der Rechtsprechung des [X.] erweist ([X.],
[X.] aaO,

29;

46), kann keine Rede sein.
cc)
Das gilt erst recht bei näherer Betrachtung der Zusammenhänge der Fernsehberichterstattung.
Wie bereits dargelegt ist eine Namensnennung der Angeklagten nicht erfolgt. Die ausgestrahlten Bilder, die die Angeklagten P.

und K.

Auch die offenbar allein auf den

Angaben
eines Verteidigers beruhende Feststellung
des [X.]s, Mitge-n-geklagten erkannt und diese darauf angesprochen (UA S.
19 und 42), führt we-der für sich noch in der Zusammenschau mit den bereits erörterten Gegeben-heiten zu einem Verstoß gegen die Unschuldsvermutung.
Dass die Art der Unkenntlichmachung der veröffentlichten Bilder den-noch ein Erkennen der Angeklagten durch Mitgefangene möglich gemacht ha-ben soll, fällt nicht unmittelbar in den Verantwortungsbereich der Strafverfol-gungsbehörden. Zwar trifft den Staat im Hinblick
auf
die Gewährleistung aus Art.
8 [X.] die Verpflichtung, das Privatleben des von einem Strafprozess Betroffenen während des Fortgangs des Verfahrens zu schützen ([X.],
aaO,

mt den Vertragsstaaten dann, wenn es um eine Abwägung zwischen
dem Recht des Einzelnen und dem
In-formationsanspruch der Medien (siehe Art.
10 Abs.
1 Satz
2 [X.]) geht, ein weiter Beurteilungsspielraum zu, wie der Ausgleich vorzunehmen ist (vgl. [X.],
aaO,

Rn.
65 und 66 m[X.]). Die Staatsanwaltschaft hat die Gestattung der Durchführung des Interviews mit [X.]

sowie das
Ausstrahlen von Bildern, die die Angeklagten zeigen, sowohl von der Anonymi-26
27
-
14
-

gemacht. Beides ist seitens des zuständigen Senders bzw. des Produktionsunternehmens auch eingehalten worden. Angesichts dessen handelt es sich hinsichtlich des [X.] der Strafverfolgungsbehörden lediglich um eine gering zu gewichtende Beeinträchtigung von [X.] der Angeklagten. Eine Identifizierung erfolgte offenbar lediglich durch Mitgefangene, denen die Untersuchungshaft der Angeklagten nach den [X.] ohnehin bekannt gewesen sein dürfte.
Damit fehlt es selbst nach den vom Tatgericht getroffenen Feststellungen an einem Verstoß gegen Art.
6 Abs.
2 [X.].
2.
Der [X.] hat zudem in rechtlicher Hinsicht Zweifel, ob eine
festge-stellte
Verletzung der Unschuldsvermutung eine Kompensation nach dem [X.] begründen könnte.
Die dargestellte Rechtsprechung des [X.] zu
Art.
6 Abs.
2 [X.] gibt

soweit ersichtlich

den Vertragsstaaten keine bestimmte Art der [X.] für den Fall des Konventionsverstoßes vor. Es verhält sich damit anders als in den Konstellationen polizeilicher Tatprovokation (dazu etwa [X.], Urteil vom 23.
Oktober 2014

54648/09,

.

64 m[X.]; siehe auch [X.], Beschluss vom 18.
Dezember 2014

2 BvR 209/14
u.a., NJW 2015, 1083, 1085). Auch auf nationales Verfassungsrecht ließe sich die Anwendung
des
[X.]s nicht stützen. Die Unschuldsvermutung ist zwar eine besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips und hat deshalb [X.] (siehe nur [X.], Beschluss vom 26.
März 1987

2 BvR 589/79 u.a., [X.]E 74, 358, 370). Allerdings enthält die Unschuldsvermutung keine in al-len Einzelheiten bestimmten Ge-
und Verbote. Ihre Auswirkungen auf das [X.] bedürfen vielmehr der Konkretisierung je nach den sachlichen Ge-28
29
30
-
15
-
gebenheiten; dies zu tun, ist grundsätzlich Aufgabe des Gesetzgebers ([X.] aaO,
[X.]E 74, 358, 372 m[X.]).
Das einfache Gesetzesrecht nimmt die Gewährleistungen der Un-schuldsvermutung, soweit es um mit dieser in Widerspruch stehende [X.] während eines laufenden Strafverfahrens geht, vor allem durch die [X.] in §
24 [X.]
auf. Bringt eine
von dieser Vor-schrift erfasste Person durch Äußerungen oder sonstige Umstände zum Aus-druck, dem Angeklagten nicht (mehr) unbefangen gegenüberzustehen und von dessen
Schuld bereits vor dem formalen Schuldspruch überzeugt zu sein (zum Maßstab Cirener in BeckOK
[X.], 25.
Edition, §
24 Rn.
5 sowie [X.], [X.] vom 28.
Mai 2015

2 StR 526/14, [X.], 217, 218), eröffnet dies dem Angeklagten die Möglichkeit der Ablehnung
des Äußernden
wegen Befan-genheit. Angesichts dieser Reaktionsmöglichkeit auf Verletzungen der Un-schuldsvermutung
im noch nicht zum rechtskräftigen Schuldspruch geführten
Verfahren
ist für eine anderweitige Kompensation nach dem Modell der Voll-streckungslösung kein Raum. Das gilt erst recht für Verstöße gegen diesen Grundsatz durch Personen, die vom Anwendungsbereich der Befangenheitsre-gelungen nicht erfasst sind.
Ob mit Verstößen gegen die Unschuldsvermutung
einhergehende
oder
durch
diese
Rechtsverletzung hervorgerufene konkrete Belastungen auf [X.] der Strafzumessung Berücksichtigung finden können, bedarf keiner Ent-scheidung. Solche Belastungen sind weder festgestellt noch ersichtlich.
3.
Die gewährte Kompensation erweist sich auch nicht aus
einem ande-ren Grund als tragfähig. Insbesondere kann eine solche nicht auf eine Vorver-urteilung

in den Medien gestützt werden.
31
32
33
-
16
-

Medien stellt regelmäßig keinen bestimmenden Strafzumessungsgrund im Sin-ne von §
267 Abs.
3 Satz
1 [X.] dar (vgl. [X.], Beschluss vom 30.
März 2011

4 StR 42/11 Rn.
24
sowie [X.],
aaO,
S.
81, 93 ff. m[X.]). Erst recht kommt dann eine Berücksichtigung nach der [X.] nicht in Betracht; zumal es sich vorliegend
aus den zur Unschuldsvermutung dargelegten Grün-den
gerade nicht um eine aggressive oder vorverurteilende Berichterstattung gehandelt hat.
4.
Da
nach dem Vorstehenden die
Kompensation durch
die
Anordnung, dass ein Teil der verhängten Gesamtfreiheitsstrafen jeweils als vollstreckt
gilt, keine tragfähige Grundlage hat, lässt der [X.] in entsprechender Anwendung von §
354 Abs.
1 [X.] den Ausspruch entfallen. Er kann ausschließen, dass sich noch Umstände feststellen lassen,
auf die eine Kompensation nach dem [X.] rechtlich tragfähig gestützt werden könnte.

[X.]
Revisionen der Angeklagten
I.
Die auf die nicht ausgeführte Sachrüge gestützte Revision des Angeklag-ten P.

bleibt ohne Erfolg. Die Nachprüfung hat keinen Rechtsfehler zu sei-
nem Nachteil ergeben.
Das gilt auch für die Bemessung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe. Eine Berücksichtigung der erfolgten medialen Berichterstattung in Gestalt der 34
35
36
37
-
17
-
angesprochenen Fernsehsendung
bei der Strafzumessung
war nicht veran-lasst. Wie bereits ausgeführt,
handelt es sich regelmäßig nicht einmal bei
einer

bestimmenden Strafzumessungsgrund. Für die hier fragliche Art der Bericht-erstattung gilt dies erst recht.
Es sind auch keine konkreten Belastungen des Angeklagten im Zusam-menhang mit der Fernsehberichterstattung festgestellt oder ersichtlich.

[X.]
Die Revision des Angeklagten [X.]

dringt ebenfalls nicht durch.
1.
Die ihn betreffenden Feststellungen zu den Fällen [X.] Nr.
12

14 der Urteilsgründe beruhen auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung.
a)
Die Beweiswürdigung ist dem Tatgericht vorbehalten (§
261 [X.]). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie mög-lich sind (siehe nur [X.], Urteil
vom 7.
August 2014

3 [X.]/14 Rn.
5 [in [X.], 349 nur redaktioneller Leitsatz]; Beschluss vom 25.
Februar 2015

4 StR 39/15 Rn.
2 [in NStZ-RR 2015, 80 nur redaktioneller Leitsatz]; Urteil vom 13.
Juli 2016

1
StR 128/16 Rn.
21 f. m[X.]). Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt nur, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungs-sätze verstößt oder das Gericht überspannte Anforderungen an die Überzeu-gungsbildung gestellt hat (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Urteile vom 10. Dezember 38
39
40
41
-
18
-
2014

5 [X.] m[X.]; vom 15.
Dezember 2015

1 [X.], Rn.
18 und vom 13.
Juli 2016

1
StR 128/16 Rn.
21; Beschluss vom 25.
Februar 2015

4 StR 39/15
Rn.
2 [in NStZ-RR 2015, 80 nur redaktioneller Leitsatz]).
b)
Derartige Rechtsfehler enthält das angefochtene Urteil nicht. Die von dem Tatgericht aus einer Vielzahl von Umständen mit [X.] Bedeutung ge-zogenen Schlüsse sind jeweils möglich und schon deshalb vom [X.] hinzunehmen. Dass sich das [X.] in der Zusammenschau aller von ihm berücksichtigten tatsächlichen Umstände
von einer (mit)täterschaftlichen Begehung des Angeklagten an den [X.]en zu [X.] Nr.
12

14 überzeugt hat, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Angriffe der Revision auf die dieser Überzeugung zugrunde liegende Beweiswürdigung beschränken
sich

jeweils revisionsrechtlich unbeachtlich

teils auf urteilsfremdes
Vorbringen und teils auf das Unterfangen, eine eigene Beweiswürdigung an die Stelle der-jenigen durch das Tatgericht zu setzen.
Die
Überzeugungsbildung des Tatgerichts hat auch eine ausreichende objektive Grundlage (zu diesem Erfordernis [X.], Beschluss vom 27.
Oktober 2015

2 StR 4/15,
[X.], 144, 145
m[X.]). Insoweit müssen die Ur-teilsgründe erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer nachvollzieh-baren Beweisgrundlage beruht und die vom Tatgericht gezogenen Schlussfol-gerungen sich nicht lediglich als bloße Vermutung erweisen (vgl. [X.], [X.] vom 27.
Oktober 2015

2 StR 4/15, [X.], 144, 145
und vom 16.
Februar 2016

1 [X.], [X.], 222 f. jeweils m[X.]).
Dem genügt die Beweiswürdigung des [X.]s. Es hat u.a. mit der [X.], der am Ort der Festnahme aufgefundenen Gegenstände, der im Ergebnis erfolglosen Flucht des Angeklagten
sowie den weiteren näher dargelegten Umständen (UA S.
27

32) eine Vielzahl von tatsächlichen An-42
43
44
-
19
-
haltspunkten aufgezeigt und bewertet, die der gebildeten Überzeugung eine ohne weiteres tragfähige objektive Grundlage geben.
2.
Die Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls in drei Fällen.
3.
Der Strafausspruch enthält ebenfalls weder zu den Einzelstrafen für die
Fälle [X.]
Nr.
12

14 noch zu der Gesamtstrafe dem Angeklagten nachteilige Rechtsfehler. Anders als bei den beiden Mitangeklagten konnte das [X.] ein Geständnis nicht zu Gunsten des Angeklagten [X.]

werten, weil
dieser ein solches bezüglich der hier fraglichen Taten nicht abgelegt hat. Von e-rung des [X.]assungs

Rede sein.
45
46
-
20
-

Bezüglich der Nichtberücksichtigung der Ausstrahlung des Fernsehbe-richts wird auf die Ausführungen zu Rn.
37

38
verwiesen. Für den Angeklag-ten [X.]

kam eine Berücksichtigung zudem schon deshalb nicht in Be-
tracht, weil von diesem nach den Feststellungen (UA S.
18) keine Bilder gezeigt worden sind und er daher auch nicht durch Mitgefangene anhand ausgestrahl-ter Bilder identifiziert worden sein kann.

Ri[X.] Prof. Dr. [X.] ist

im Urlaub und deshalb an der

Unterschriftsleistung gehindert.

Raum [X.] Raum

Fischer Bär
47

Meta

1 StR 154/16

07.09.2016

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.09.2016, Az. 1 StR 154/16 (REWIS RS 2016, 5847)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 5847

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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